TE Bvwg Erkenntnis 2018/4/3 W133 2126324-1

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Veröffentlicht am 03.04.2018
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Entscheidungsdatum

03.04.2018

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W133 2126324-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Natascha GRUBER als Vorsitzende und den Richter Mag. Michael SCHWARZGRUBER sowie den fachkundigen Laienrichter Prof. Dr. Gerd GRUBER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 30.03.2016, betreffend die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass der Grad der Behinderung 20 von Hundert (vH) beträgt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer stellte am 28.01.2016 einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Kurztitel: Sozialministeriumservice; im Folgenden als "belangte Behörde" bezeichnet). Nach Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens eines Arztes für Allgemeinmedizin, in welchem nach der Einschätzungsverordnung auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers die Funktionseinschränkungen 1.) "Gelenksabnützungen bei Verdacht auf Kollagenose"/Pos. Nr. 02.02.01.(Einzelgrad der Behinderung 10%), 2.) "Postzosterneuralgie"/ Pos Nr. 04.06.01. (Einzelgrad der Behinderung 10%) und 3.) "Depressives Zustandsbild"/ Pos Nr. 03.06.01. (Einzelgrad der Behinderung 10%) medizinisch festgestellt wurden, wies die belangte Behörde den Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß §§ 40, 41 und 45 des Bundesbehindertengesetzes mit Bescheid vom 30.03.2016 ab.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht die nunmehr zu beurteilende Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Darin führt er im Wesentlichen aus, er befinde sich im Krankheitszustand einer undifferenzierten Kollagenose. Er habe ein beidseitiges Faustschlussdefizit, ein Abbiegedefizit in den beiden Zeigefingern und massive Schmerzen in den Daumengrundgelenken, weshalb er Daumeneinschlussorthesen verordnet erhalten habe. Aufgrund seiner Postzosterneuralgie leide er an einem chronischen Dauerschmerz im Bereich des oberen linken Augenlids über die Augenbraue und die Stirn hinweg. Dieser sei nicht behandelbar. Es treffe auch nicht zu, dass seine Sehstörungen ohne funktionelle Beeinträchtigungen vorlägen.

Am 18.05.2016 legte die belangte Behörde dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde und den Bezug habenden Verwaltungsakt vor.

Das Bundesverwaltungsgericht schaffte zunächst das medizinische Gutachten vom 15.04.2015 bei, welches anlässlich der Untersuchung betreffend Erwerbsunfähigkeitspension erstellt worden war, und veranlasste aufgrund der erhobenen Einwendungen in weiterer Folge die neuerliche Begutachtung des Beschwerdeführers durch eine Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie sowie einen Arzt für Allgemeinmedizin.

Im nervenfachärztlichen Gutachten vom 24.11.2017, basierend auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am selben Tag, eingeschätzt nach der Einschätzungsverordnung wurde auszugsweise wie folgt ausgeführt:

"1. BF leidet aus nervenfachärztlicher Sicht an einer

1.1. reaktiv depressiven Verstimmung.

Position 03.06.01 10%, unterer Rahmensatz, da gutes Ansprechen auf Medikation und

1.2. Postzoster Neuralgie

Position 04.06.01 10%, unterer Rahmensatz, da keine wesentlichen sensiblen und motorischen Defizite."

Im zusammenfassenden allgemeinmedizinischen Gutachten vom 20.02.2018, basierend ebenfalls auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers, eingeschätzt nach der Einschätzungsverordnung wurde das Ergebnis des nervenfachärztlichen Gutachtens berücksichtigt und auszugsweise wie folgt ausgeführt:

"...Ergebnis der durchgeführten Untersuchung vom 24.01.2018:

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes: Pos. Nr. GdB %

1 Undifferenzierte Kollagenose

Oberer Rahmensatz, da nachvollziehbare Beschwerden und da die funktionellen Auswirkungen dieser behandlungsnotwendigen Kollagenose vor allem den Faustschluss durch Probleme mit den Daumensattelgelenken und Zeigefingergrundgelenken betreffen, Daumeneinschlussorthesen indiziert; keine Organmanifestation bekannt; in dieser Beurteilung sind auch die anderen Abnützungserscheinungen am Stütz- und Bewegungsorgan mit ihrer rezidivierenden zervikolumbalgiformen Symptomatik mitberücksichtigt. 02.02.01 20%

2 Reaktiv depressive Verstimmung

Unterer Rahmensatz, da gutes Ansprechen auf Medikation. 03.06.01 10%

3 Postzoster Neuralgie

Unterer Rahmensatz, da keine wesentlichen sensiblen und motorische Defizite

04.06.01 10%

4 Hypertonie 05.01.01 10%

Gesamtgrad der Behinderung 20 v. H."

Der Gutachter begründete den Gesamtgrad der Behinderung im Gutachten und nahm auch zu den erhobenen Einwendungen Stellung.

Das Bundesverwaltungsgericht brachte den Parteien beide Gutachten mit Schreiben vom 05.03.2018 in Wahrung des Parteiengehörs zur Kenntnis und räumte ihnen die Möglichkeit einer Stellungnahme ein.

Beide Parteien erstatteten keine Stellungnahme. Die Gutachten wurden nicht bestritten.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

Der Beschwerdeführer brachte am 06.06.2016 den gegenständlichen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses bei der belangten Behörde ein.

Der Beschwerdeführer hat seinen Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt im Inland.

Bei dem Beschwerdeführer bestehen folgende Funktionseinschränkungen, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

1 Undifferenzierte Kollagenose, mit nachvollziehbaren Beschwerden und, da die funktionellen Auswirkungen dieser behandlungsnotwendigen Kollagenose vor allem den Faustschluss durch Probleme mit den Daumensattelgelenken und Zeigefingergrundgelenken betreffen, Daumeneinschlussorthesen indiziert; keine Organmanifestation bekannt; in dieser Beurteilung sind auch die anderen Abnützungserscheinungen am Stütz- und Bewegungsorgan mit ihrer rezidivierenden zervikolumbalgiformen Symptomatik mitberücksichtigt;

2 Reaktiv depressive Verstimmung bei gutem Ansprechen auf Medikation;

3 Postzoster Neuralgie ohne wesentliche sensible und motorische Defizite;

4 Hypertonie.

Der Gesamtgrad der Behinderung des Beschwerdeführers beträgt aktuell 20 v. H.

Leiden 1 wird durch Gesundheitsschädigung 2 wegen Leidensüberschneidung und geringer funktioneller Zusatzrelevanz nicht weiter erhöht. Auch die Leiden 3 und 4 erhöhen nicht, da diese Gesundheitsschädigungen das Hauptleiden nicht wechselseitig negativ beeinflussen und diese Gesundheitsschädigungen keine maßgebliche funktionelle Zusatzrelevanz aufweisen.

Die neuerliche Begutachtung ergab eine Anhebung des Gesamtgrades der Behinderung um 1 Stufe von 10% auf nunmehr 20%.

Die Leidensbezeichnung betreffend Leiden 1 wurde nun konkretisiert. Eine schwere Erkrankung des Immunsystems liegt beim Beschwerdeführer tatsächlich nicht vor. Ein Multiorganbefall liegt ebenfalls nicht vor. Die vorgebrachten funktionellen Auswirkungen auf den Faustschluss wurden nunmehr berücksichtigt, ebenso das Tragen von Daumeneinschlussorthesen.

Eine Sehbehinderung in einschätzungsrelevantem Ausmaß ist aktuell nicht befundmäßig objektiviert.

Leiden 4 wurde neu in die Liste der Gesundheitsschädigungen aufgenommen, da es nunmehr befundmäßig dokumentiert ist.

Hinsichtlich der bei dem Beschwerdeführer bestehenden Funktionseinschränkungen, deren Ausmaß, wechselseitiger Leidensbeeinflussung und medizinischer Einschätzung werden die diesbezüglichen Beurteilungen in den Sachverständigengutachten einer Ärztin für Neurologie und Psychiatrie vom 24.11.2017 und eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 20.02.2018 der nunmehrigen Entscheidung zu Grunde gelegt; diesbezüglich wird auf die nachfolgenden beweiswürdigenden und rechtlichen Ausführungen verwiesen.

2. Beweiswürdigung:

Das Datum der Einbringung des gegenständlichen Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses basiert auf dem Akteninhalt.

Die Feststellungen zum Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt des Beschwerdeführers im Inland ergeben sich aus dem im Akt aufliegenden ZMR-Auszug und seinen eigenen Angaben bei der Antragstellung; konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer seinen Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt nicht mehr im Inland hätte, sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Auch die belangte Behörde ging vom Vorliegen dieser Voraussetzung aus.

Der Gesamtgrad der Behinderung basiert auf den seitens des Bundesverwaltungsgerichtes eingeholten Sachverständigengutachten vom 24.11.2017 und 20.02.2018. In diesen Gutachten wird auf die Art der Leiden des Beschwerdeführers und deren Ausmaß vollständig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei eingegangen. Die getroffenen Einschätzungen, welche auf den im Rahmen persönlicher Untersuchung erhobenen Befunden basieren, entsprechen auch den festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen (diesbezüglich wird auch auf die oben auszugsweise wiedergegebenen Ausführungen im Gutachten verwiesen); die Gesundheitsschädigungen wurden nach der Einschätzungsverordnung richtig eingestuft.

Führendes Leiden des Beschwerdeführers ist eine Undifferenzierte Kollagenose. Der Sachverständige ordnete diese Funktionseinschränkung ausgehend von der vom Beschwerdeführer damit verbundenen Einschränkung im Bewegungsapparat korrekt der Positionsnummer 02.02.01 der Anlage zur Einschätzungsverordnung zu. Diese betrifft generalisierte Erkrankungen des Bewegungsapparates mit funktionellen Auswirkungen geringen Grades. Grades. Begründend für die Wahl der Positionsnummer sowie den herangezogenen Grad der Behinderung von nunmehr 20 v.H. führt der Sachverständige nachvollziehbar aus, dass die vorliegenden und vorgebrachten Bewegungseinschränkungen den Faustschluss durch Probleme mit den Daumensattelgelenken und Zeigefingergrundgelenken betreffen, die Daumeneinschlussorthesen indizieren; es sind aktuell jedoch keine Organmanifestation bekannt. In dieser Beurteilung sind auch die anderen Abnützungserscheinungen am Stütz- und Bewegungsorgan mit ihrer rezidivierenden zervikolumbalgiformen Symptomatik mitberücksichtigt.

Der Sachverständige führt begründend zu Leiden 1 nachvollziehbar aus, dass dieses Leiden um eine Stufe höher bewertet wurde, da bei der vorliegenden Kollagenose (Autoimmunerkrankung) eine Zuordnung zu einer einzelnen definierten Erkrankung (wie zum Beispiel Lupus erythematodes, Sklerodermie oder Sjögren-Syndrom) noch nicht möglich war und diese - als eher seltene und komplizierte Erkrankung - doch regelmäßig behandelt und kontrolliert werden muss. Die vorliegende Autoimmunerkrankung kann heutzutage zwar noch nicht "geheilt" werden. Es ist aber in den meisten Fällen möglich, die entzündliche Aktivität so weit zu unterdrücken, dass kein wesentlicher Schaden mehr entsteht. Mit der Basistherapie ist dies aktuell beim Beschwerdeführer bis dato gut gelungen. Die funktionellen Auswirkungen auf den Faustschluss sind aber adäquat - und damit mit 20% - zu bewerten. Dieser Umstand bedingt im Ergebnis auch die Änderung des Gesamtgrades der Behinderung um eine Stufe gegenüber dem Vorgutachten.

Auch die reaktive depressive Verstimmung wurde korrekt dem unteren Rahmensatz der Positionsnummer 03.06.01 der Anlage zur Einschätzungsverordnung zugeordnet, da das Leiden leicht ausgeprägt ist und der Beschwerdeführer auf eine Medikation gut anspricht. Die getroffene Einstufung erweist sich unter Berücksichtigung der vorliegenden Befunde als richtig und schlüssig.

Die unter "Leiden 3" gewürdigte Postzoster Neuralgie des Beschwerdeführers wurde von der nervenfachärztlichen Sachverständigen korrekt der Positionsnummer 04.06.01. der Anlage zur Einschätzungsverordnung zugeordnet. Die Sachverständige begründete den unteren Rahmensatz nachvollziehbar mit dem Umstand, dass keine wesentlichen sensiblen und motorischen Defizite vorliegen. Diese Beurteilung deckt sich auch mit dem erhobenen Untersuchungsbefund anlässlich der gutachterlichen Untersuchung.

Die leichte Hypertonie wurde nun unter dem Leidenszustand 4 bei vorhandener leichter Ausprägung ebenfalls korrekt berücksichtigt.

Zusammenfassend ist daher vor dem Hintergrund der vorgelegten Befunde sowie unter Berücksichtigung der Untersuchungsergebnisse nicht ersichtlich, dass die Gutachter die Funktionseinschränkungen des Beschwerdeführers tatsachenwidrig beurteilt hätten. Der Beschwerdeführer ist den aktuellen Gutachten auch nicht mehr entgegen getreten.

Das Vorbringen des Beschwerdeführers im Rahmen der Beschwerde ist somit nicht geeignet, die vorliegenden Sachverständigengutachten zu entkräften und eine Änderung des Ermittlungsergebnisses herbeizuführen. Der Beschwerdeführer ist den Sachverständigengutachten auch nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27.06.2000, Zl. 2000/11/0093).

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen folglich keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit der vorliegenden Sachverständigengutachten vom 24.11.2017 und 20.02.2018. Diese werden wird daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A)

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG), BGBl. 283/1990 idF BGBl. I Nr. 155/2017, lauten auszugsweise:

"§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

...

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.

§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

...

§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

§ 46. Die Beschwerdefrist beträgt abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung beträgt zwölf Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden."

Wie oben unter Punkt II.2. eingehend ausgeführt wurde, werden der gegenständlichen Entscheidung die schlüssige Sachverständigengutachten vom 24.11.2017 und 20.02.2018 zu Grunde gelegt, wonach der Grad der Behinderung des Beschwerdeführers 20 v. H. beträgt. Die Gesundheitsschädigungen wurden in den Gutachten auch nach den Bestimmungen der Einschätzungsverordnung richtig eingestuft; diesbezüglich wird auch auf die obigen Ausführungen im Rahmen der Beweiswürdigung verwiesen. Wie ebenfalls bereits oben im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegt wurde, waren die im Rahmen der Beschwerde erhobenen Einwendungen nicht geeignet, die vorliegenden aktuellen Gutachten zu entkräften.

Es ist daher davon auszugehen, dass der Grad der Behinderung des Beschwerdeführers zum aktuellen Entscheidungszeitpunkt 20 v. H. beträgt.

Mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 20 v. H. sind die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40 Abs. 1 BBG, wonach behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbstätigkeit von mindestens 50 v.H. ein Behindertenpass auszustellen ist, nicht erfüllt.

Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass für das Verfahren nach § 46 Bundesbehindertengesetz eine Neuerungsbeschränkung besteht, wonach im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden dürfen. Bei einer Verschlechterung des Leidenszustandes kommt jedoch eine neuerliche Einschätzung des Grades der Behinderung nach Maßgabe des § 41 Abs. 2 BBG in Betracht.

Die Beschwerde war daher spruchgemäß abzuweisen.

Im gegenständlichen Fall wurde die Frage der Feststellung des Gesamtgrades der Behinderung unter Mitwirkung einer ärztlichen Sachverständigen geprüft. Beide Verfahrensparteien stellten zudem auch keinen Verhandlungsantrag. Die strittigen Tatsachenfragen (Schmerzen, Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen) gehören dem Bereich zu, der vom Sachverständigen zu beleuchten ist. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund der vorliegenden, nicht bestrittenen schlüssigen Sachverständigengutachten geklärt, sodass im Sinne der Judikatur des EGMR und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.12.2013, Zl. 2011/11/0180) eine mündliche Verhandlung nicht geboten war. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG nicht entgegen (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.12.2013, Zl. 2011/11/0180 mit weiterem Verweis auf die Entscheidung des EGMR vom 21.03.2002, Nr. 32.636/96). Dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird (vgl. dazu die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom 09.06.2017, Zl. E 1162/2017-5).

Zu Spruchteil B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden, noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Behindertenpass, Grad der Behinderung, Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W133.2126324.1.00

Zuletzt aktualisiert am

12.04.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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