RS Vfgh 1970/12/15 G17/70, G18/70

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Veröffentlicht am 15.12.1970
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Norm

Bundes-Verfassungsgesetz Art15, B-VG Art15 Abs1
GVG §1 Abs1
GVG §1 Abs1 lita
GVG §1 Abs2
GVG §5 Abs1
Verfassungsgerichtshofgesetz §56, VfGG 1953 §56 Abs4

Beachte

Metadatenquelle: DVD Recht compact, Verlag Österreich, Wien 2014

Rechtssatz

§ 1 Abs. 1 lit. a und Abs. 2 Grundverkehrsgesetz, LGBl. 36/1973 wird als verfassungswidrig aufgehoben.

Der Ausdruck "Grundverkehrsrecht" ist vom VfGH nicht in dem Sinne von Vorschriften über den Verkehr mit Gründen (Grundstücken) schlechthin verstanden worden, sondern i. S. von Vorschriften, die sich auf solche Grundstücke beziehen, die ganz oder teilweise der landwirtschaftlichen oder forstwirtschaftlichen Nutzung (einem landwirtschaftlichem oder forstwirtschaftlichem Betrieb) gewidmet sind, und mit dem Inhalt des Schutzes der öffentlichen Interessen, wie sie im Grundverkehrsgesetz BGBl. 251/1937 und BGBl. 123/1946, namentlich in den §§ 1 und 4 konkretisiert waren. Wenn es demnach im Rechtssatz (II, 1) des Erk. Slg. 2658/1954 heißt, daß die "Regelung des Verkehrs mit landwirtschaftlichen oder forstwirtschaftlichen Grundstücken (Grundverkehrsrecht)" nach dem gegenwärtigen Stande der Kompetenzverteilung gemäß {Bundes-Verfassungsgesetz Art 15, Art. 15 Abs. 1 B-VG} in Gesetzgebung und Vollziehung den Ländern zusteht, so ist dies, wenn der Rechtssatz die Feststellung zusammenfaßt (§ 56 Abs. 4 VerfGG 1953) , nach dem Inhalt der kompetenzrechtlichen Entscheidung des Erk. zu verstehen.

An diesem Inhalt des Kompetenzbegriffes "Grundverkehr" hat der VfGH stets festgehalten. So hat er in seinem Erk. Slg. 2820/1955 ausgesprochen, daß der Grundverkehr wesentlich in Maßnahmen mit dem Ziele besteht, den aus der Freiheit des Verkehrs mit Grund und Boden namentlich nach dem Ersten Weltkrieg erkennbar gewordenen Gefahren für die bäuerliche Siedlung dadurch nach Möglichkeit zu steuern, daß die Übertragung des Eigentums und die Einräumung des Fruchtnießungsrechtes an einem ganz oder teilweise dem landwirtschaftlichen oder forstwirtschaftlichen Betrieb gewidmeten Grundstück, aber auch die Verpachtung solcher Grundstücke auf gewisse längere Zeit grundsätzlich nur dann zulässig und von der Behörde gebilligt werden soll, wenn sie nach den im Gesetz näher aufgezählten Anhalten dem allgemeinen Interesse an der Erhaltung eines leistungsfähigen Bauernstandes, soweit dies nicht in Frage kommt, an der Erhaltung und Schaffung eines wirtschaftlich gesunden mittleren und kleinen landwirtschaftlichen Grundbesitzes nicht widerspricht, ebenso die Erk. Slg. 5237/1966, 5302/1966, 5374/1966, 5375/1966, 5669/1968, 5751/1968, 6061/1969, 6063/1969 u. a. m.

Gegenstand des Erk. des VfGH Slg. 2820/1955 war ein Antrag der Bundesregierung auf Aufhebung von einzelnen Bestimmungen des Vorarlberger GVG, LGBl. 15/1954. Schon in diesem Erk. hat der VfGH den Versuch einer unzulässigen Ausweitung des Begriffes "Grundverkehr" durch die Vlbg. Landesregierung zurückgewiesen. § 5 Abs. 1 GVG, LGBl. 20/1969, umschreibt zwar den für die Materie des Grundverkehrs charakteristischen Schutzgedanken und geht insoweit in seinem Wortlaut über den dargestellten Kompetenzbegriff nicht hinaus, wohl aber tut dies der § 1 Abs. 1 lit. a, der dem Gesetze den Verkehr mit Grundstücken unterwirft, "die landwirtschaftlich oder forstwirtschaftlich nutzbar sind" . Diese beiden Regelungen sind miteinander unvereinbar. Wird der Verkehr mit Grundstücken, die nun nach ihrer Beschaffenheit geeignet sind, landwirtschaftlich oder forstwirtschaftlich genutzt zu werden, ohne Rücksicht auf die Art ihrer Verwendung und ohne Beziehung zu einem landwirtschaftlichen oder forstwirtschaftlichen Betrieb, Beschränkungen unterworfen, so liegt keine Regelung des Grundverkehrs vor, die der Kompetenz der Länder nach {Bundes-Verfassungsgesetz Art 15, Art. 15 Abs. 1 B-VG} zugeordnet werden kann, denn diese Grundstücke und der Verkehr mit ihnen stehen außerhalb jeden Zusammenhanges mit den Zielen, von denen § 5 Abs. 1 in Übereinstimmung mit der Kompetenzlage spricht.

Der VfGH hält die Erwägungen, die in der RV, 10. Beilage, im Jahre 1968 zu ihren Sitzungsberichten des XX. Vlbg. Landtages, zu der dort vorgeschlagenen neuen Fassung des § 1 Abs. 1 GVG enthalten sind, und die im Gesetz LGBl. 37/1968 verwirklicht wurden, für beachtenswert. Der bis dahin geltende Anwendungsbereich ("Grundstücke, die ausschließlich oder überwiegend dem landwirtschaftlichen oder forstwirtschaftlichen Betriebe gewidmet sind, ...") wurde durch die Umschreibung "Grundstücke, die ausschließlich oder überwiegend landwirtschaftlich oder forstwirtschaftlich nutzbar sind, ..." und in der Folge durch LGBl. 12/1969 zu der gegenwärtigen Fassung erweitert. Es sollte der Gefahr begegnet werden, daß Grundstücke, die für die landwirtschaftliche und forstwirtschaftliche Nutzung geeignet wären, dem Anwendungsbereich des GVG dadurch entzogen werden, daß der Grundeigentümer die Grundstücke durch mehrere Jahre nicht bewirtschaftet oder bewirtschaften läßt. Der VfGH ist der Meinung, daß der Landesgesetzgeber im Rahmen der dargestellten ihm zukommenden Kompetenz berechtigt ist, gegen Umgehung eines Gesetzes solcher Art aufzutreten. Die gegenwärtige Fassung dieses Gesetzes geht aber über dieses Ziel weit hinaus, denn im Gesetz werden auch Grundstücke, die niemals zu einem landwirtschaftlichen Betrieb gehört haben, unterstellt.

Entscheidungstexte

  • G17/70
    Entscheidungstext VfGH Keine Angabe 15.12.1970 G17/70

Schlagworte

Grundverkehrsgesetz Vorarlberg Verfassungsgerichtshof Art. 140 B-VG

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1970:G17.1970

Zuletzt aktualisiert am

12.04.2018
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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