TE Vwgh Erkenntnis 2000/3/29 97/08/0419

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Veröffentlicht am 29.03.2000
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Index

62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §23 Abs1 lita;
AlVG 1977 §23 Abs1 litb;
AlVG 1977 §23 Abs1;
AlVG 1977 §23 Abs2;
AlVG 1977 §24 Abs2;
ASVG §99;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Nowakowski und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Brandtner, über die Beschwerde des P in I, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in I, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Tirol vom 21. Mai 1997, Zl. LGSTi/V/1212/1216/5544 13 02 60-702/1997, betreffend Widerruf bzw. rückwirkende Neubemessung sowie Rückforderung von Arbeitslosengeld und Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird insoweit, als der Beschwerdeführer damit zum Ersatz von S 12.098,-- an Arbeitslosengeld und S 9.350,-- an Notstandshilfe verpflichtet wurde, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der 1960 geborene Beschwerdeführer war zuletzt vom 1. Oktober 1984 bis zum 30. Juni 1995 als Versicherungsangestellter im Innendienst beschäftigt und beantragte am 1. Juli 1995 Arbeitslosengeld. Er verneinte (durch Ankreuzen des entsprechenden Kästchens im Antragsformular) die Frage, ob er "einen Antrag auf Gewährung einer Pension gestellt" habe. Handschriftlich wurde hinzugefügt, der Beschwerdeführer erhalte "keine Rente von PVA seit 11 94, Rente wird eingeklagt". In den nur bei Bejahung der Frage nach einem Pensionsantrag ("wenn ja") auszufüllenden Feldern wurde die Art der Pension mit "Invalidenrente" und die "Stelle (Behörde)" mit "PVA" eingetragen. Ob diese Zusätze vom Beschwerdeführer selbst oder vom Prüfer geschrieben wurden, ist nicht eindeutig erkennbar.

Mit Bescheid vom 16. August 1995 sprach die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Innsbruck gegenüber dem Beschwerdeführer aus, sein "Anspruch auf Arbeitslosengeld" ruhe wegen Urlaubsabfindung bzw. Urlaubsentschädigung für den Zeitraum vom 1. Juli bis zum 29. August 1995. Die Mitteilung über die Zuerkennung des Arbeitslosengeldes ab 30. August 1995 ist nicht aktenkundig. Nach dem Karteiblatt wurde das Arbeitslosengeld bis zur Erreichung des Höchstausmaßes am 26. März 1996 ausbezahlt.

Am 27. März 1996 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Notstandshilfe. Zur Frage, ob er einen Antrag auf Gewährung einer Pension gestellt habe, kreuzte er dieses Mal weder "Ja" noch "Nein" an. Handschriftlich wurde hiezu im Antragsformular der Vermerk "seit 10/94 keine Pension mehr, kein neuerlicher Antrag gestellt" und in den für den Fall der Bejahung der Frage nach einem Pensionsantrag vorgesehenen Feldern die Bezeichnung der Pension als "Berufsunfähigkeitspension" und die "Stelle (Behörde)" als "Pensionsvers. Ang." angebracht, wobei wieder nicht eindeutig erkennbar ist, ob diese Beifügungen vom Beschwerdeführer oder vom Prüfer geschrieben wurden. Die Mitteilung über die Gewährung der Notstandshilfe ist nicht aktenkundig. Nach dem Zahlungs- und Verrechnungsauftrag OZl. 6 und dem Karteiblatt wurde die Notstandshilfe zunächst für 364 Tage ab dem 27. März 1996 gewährt und für den Zeitraum bis Ende Februar 1997 ausbezahlt. Dass sowohl der Unterschrift des Prüfers als auch (zweifach) dem Zahlungs- und Verrechnungsauftrag die Datumsstampiglie "20. März 1996" (7 Tage vor Ausgabe des Antragsformulars) beigefügt wurde, dürfte auf ein Versehen zurückzuführen sein.

Das nächste Aktenstück ist - abgesehen von einer hier nicht relevanten Rückforderung von S 100,-- am 11. März 1997 - ein von der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Innsbruck am 26. März 1997 an die Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten gerichtetes Schreiben folgenden Inhalts:

"Betreff: Erstattungsanspruch gem. § 23 (2) AlVG.

Voranmeldung

Der Pensionswerber ..., geboren am ..., wohnhaft in ..., steht ab 30.8.95 ha. im Bezuge von Leistungen nach § 23 (1) AlVG.

Es wird ersucht, dem Arbeitsmarktservice rechtzeitig den Ausgang des Pensionsverfahrens und im Falle der Zuerkennung der Pension deren Art, Beginn und Höhe mitzuteilen."

Mit Zahlungs- und Verrechnungsauftrag vom selben Tag wurde eine "Bezugsdatenänderung" im Sinne einer Änderung der Leistungsart auf "AI" ab dem 30. August 1995 vorgenommen. Hiezu wurde in einem Aktenvermerk Folgendes festgehalten:

"AV: Lt. Tel mit PVA Ang Ibk Hr. ... bekommt P. rückwirkend die Pension ab 1994 zuerkannt. P. konnte dies nicht wissen. Ersatzanspruch wird einbehalten."

Am 28. März 1997 wurde errechnet, dass sich (gemeint: durch den Bezug von Arbeitslosengeld und Notstandshilfe statt eines Pensionsvorschusses) ein Überbezug von S 12.098,-- an Arbeitslosengeld und S 9.350,-- an Notstandshilfe ergeben habe.

Am 1. April 1997 ging beim Arbeitsmarktservice Innsbruck eine von der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten übermittelte Ausfertigung eines von ihr am 26. März 1997 an den Beschwerdeführer gerichteten Schreibens ein. Darin wurde dem Beschwerdeführer mitgeteilt, dass ihm auf Grund eines Gerichtsurteils vom 23. Oktober 1996 seine Berufsunfähigkeitspension ab 1. November 1994 wieder angewiesen, die Nachzahlung für die Zeit vom 30. August 1995 bis zum 25. März 1997 aber "vorsorglich zur Verrechnung mit dem Arbeitsmarktservice" einbehalten werde.

Am 2. April 1997 richtete das Arbeitsmarktservice Innsbruck zwei Bescheide an den Beschwerdeführer, in denen - getrennt für das Arbeitslosengeld und die Notstandshilfe - jeweils ausgesprochen wurde, die Leistung werde "widerrufen bzw. die Bemessung rückwirkend berichtigt" und der Beschwerdeführer werde zur Rückzahlung von S 12.098,-- an Arbeitslosengeld für den Zeitraum vom 30. August 1995 bis zum 26. März 1996 und S 9.350,-- an Notstandshilfe für den Zeitraum vom 27. März 1996 bis zum 28. Februar 1997 verpflichtet. Begründend wurde jeweils - nach einer Wiedergabe von Inhalten des § 24 Abs. 2 und des § 25 Abs. 1 AlVG - ausgeführt, laut Mitteilung der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten erhalte der Beschwerdeführer rückwirkend ab 1994 die Berufsunfähigkeitspension zuerkannt. Da er jedoch im Rückforderungszeitraum Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe erhalten habe und "dieser tägliche Satz höher" sei als der Pensionsvorschuss, sei der Überbezug entstanden. Welchen Rückforderungstatbestand der Beschwerdeführer verwirklicht habe, war den Bescheidbegründungen nicht zu entnehmen.

Für die Zeit ab dem 1. März 1997 wurde die dem Beschwerdeführer gewährte Notstandshilfe - ohne Bescheiderlassung - vorzeitig eingestellt.

In einem am 2. April 1997 an die Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten gerichteten Schreiben behauptete das Arbeitsmarktservice Innsbruck, der Beschwerdeführer habe insgesamt S 152.132,-- "als Leistung nach § 23 Abs. 1" AlVG "bezogen" und es werde im Sinne des § 23 Abs. 2 AlVG der Ersatz beantragt.

In einem Schreiben vom 22. April 1997 teilte die Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten dem Beschwerdeführer mit, dass sie aus dem einbehaltenen Teil der Nachzahlung S 152.132,-- "zur Deckung des Ersatzanspruches" an das Arbeitsmarktservice überweise und die verbleibende Nachzahlung von S 6.409,60 an den Beschwerdeführer überwiesen werde.

Gegen die Bescheide vom 2. April 1997 erhob der Beschwerdeführer - bereits anwaltlich vertreten - Berufung. Er macht u.a. geltend, dass er den Bezug der Leistungen weder durch unwahre Angaben noch durch Verschweigung maßgebender Tatsachen erreicht habe.

Mit dem angefochtenen, ohne weiteres Ermittlungsverfahren ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab. Sie führte im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer habe während der Rückforderungszeiträume Arbeitslosengeld mit einem Tagessatz von S 332,60 bzw. Notstandshilfe mit einem Tagessatz von S 306,-- bezogen. Mit Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 23. Oktober 1996 sei die Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten für schuldig erkannt worden, ihm die (zuvor entzogene) Berufsunfähigkeitspension über den 31. Oktober 1994 hinaus zu gewähren. Hievon habe das Arbeitsmarktservice auf Grund der Mitteilung der Pensionsversicherungsanstalt vom 23. März (richtig: 26. März) 1997, eingelangt am 1. April 1997 (richtigerweise wohl durch die telefonische Mitteilung vom 26. März 1997), Kenntnis erlangt. Daraufhin sei "die entsprechende 'Umstellung' der Leistungen Arbeitslosengeld und Notstandshilfe auf die limitierten Tagessätze bei Pensionsbevorschussung (S 278,--) vorgenommen" und der sich hieraus ergebende Überbezug, dessen Höhe der Beschwerdeführer nicht bestritten habe, zurückgefordert worden. Den Berufungsausführungen des Beschwerdeführers sei entgegenzuhalten, dass er zwar "die entsprechenden Angaben in den genannten zwei Antragsformularen (auf Grund welcher die entsprechenden Leistungszuerkennungen vorgenommen wurden) insofern wahrheitsgemäß beantwortet" bzw. gegenüber der zuständigen Leistungsberaterin "entsprechende Angaben gemacht" habe, als er darauf hingewiesen habe, seit 1994 nicht mehr im Bezug der genannten Pension zu sein. Er wäre aber verpflichtet gewesen, dem Arbeitsmarktservice mitzuteilen, "dass und wann" er die Klage beim Landesgericht Innsbruck eingebracht habe. Diese Meldung habe er unterlassen, weshalb die Rückforderung zu bestätigen gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird, dem Beschwerdeführer werde im angefochtenen Bescheid erstmals vorgeworfen, das Arbeitsmarktservice über die Klagsführung nicht informiert zu haben. Zu diesem Vorwurf habe er im Verwaltungsverfahren nicht Stellung nehmen können. Hiezu wird in sachverhaltsmäßiger Hinsicht (zunächst nur) nachgetragen, die Überlegungen der belangten Behörde, "wonach sich der Beschwerdeführer die Leistungen mehr oder weniger erschlichen habe", seien "völlig unzutreffend", was "vom Beschwerdeführer durchaus bewiesen werden könnte".

Als Rechtswidrigkeit des Bescheidinhaltes rügt die Beschwerde, selbst nach der Argumentation der belangten Behörde seien die Rückforderungsvoraussetzungen nicht gegeben. Die belangte Behörde vertrete nämlich nur die Auffassung, der Beschwerdeführer hätte das Arbeitsmarktservice über die Tatsache und den Zeitpunkt der Klagseinbringung informieren müssen. Unabhängig davon, dass das Arbeitsmarktservice "vom Umstand der Klagsführung in Kenntnis gesetzt" worden sei, sei der von der belangten Behörde angenommene Sachverhalt aber nicht geeignet, die Verpflichtung zum Rückersatz zu begründen. Die belangte Behörde übersehe, dass im Vorhinein nicht erkennbar gewesen sei, dass der Klage stattgegeben werden könnte. Die Klagsführung sei schwierig und es sei für den Beschwerdeführer angesichts der für ihn nicht günstigen medizinischen Sachbefunde nicht erkennbar gewesen, dass ihm die Pension weiter gewährt werden würde. Da er vom Arbeitsmarktservice nicht konkret aufgefordert worden sei, mitzuteilen, wann er "z.B. die entsprechende Klage eingebracht" habe, sei keine gesetzliche Grundlage für die Rückforderung gegeben. Unabhängig davon habe der Beschwerdeführer "einen der zuständigen Sachbearbeiter des Arbeitsmarktservice für Tirol laufend und mehrfach über den Stand des Verfahrens sowie die Tatsache der Klagseinbringung informiert".

Die belangte Behörde hat die Akten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer erklärt, die Entscheidung der belangten Behörde "ihrem gesamten Inhalte nach" anzufechten, wendet sich in der Ausführung der Beschwerde aber ausschließlich dagegen, dass die belangte Behörde das Vorliegen eines Rückforderungstatbestandes angenommen habe. Der - vom Beschwerdeführer nicht ausdrücklich bezeichnete - Beschwerdepunkt ist daher in der behaupteten Verletzung des Rechtes zu sehen, nicht ohne Vorliegen der Voraussetzungen des § 25 AlVG zum Ersatz der empfangenen Leistungen verpflichtet zu werden.

Die belangte Behörde ist in ihrer Entscheidung davon ausgegangen, der Beschwerdeführer habe an Stelle eines Pensionsvorschusses zu Unrecht höhere Leistungen, nämlich Arbeitslosengeld und Notstandshilfe ohne die Begrenzung mit der durchschnittlichen Höhe der Leistungen nach § 23 Abs. 1 lit. a AlVG, bezogen und den Mehrbezug durch unzureichende Information des Arbeitsmarktservice über die Klagsführung beim Landesgericht Innsbruck herbeigeführt. Gegenstand des Widerrufes "bzw." der rückwirkenden Neubemessung und der Rückforderung ist die Differenz zwischen dem Pensionsvorschuss, der nach Ansicht der belangten Behörde zu gewähren gewesen wäre, und den bezogenen Leistungen. Von der Legalzession gemäß § 23 Abs. 2 erster Satz AlVG, die seit der Novelle BGBl. Nr. 364/1989 nicht mehr auf Fälle der Gewährung eines Pensionsvorschusses beschränkt ist, sondern auch Fälle der Gewährung von Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe einbezieht, hat das Arbeitsmarktservice Innsbruck im Umfang der Beträge Gebrauch gemacht, von denen gegenüber der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten behauptet wurde, der Beschwerdeführer habe sie "als Leistungen nach § 23 Abs. 1" AlVG und somit als Pensionsvorschuss bezogen. Ob die Summe dieser Beträge geringfügig über oder geringfügig unter der Pensionsnachzahlung für den Zeitraum des Widerrufs "bzw." der rückwirkenden Neubemessung und der Rückforderung liegt, kann dem Akt wegen des Umstandes, dass sich der Einbehalt der Nachzahlung (von dem nach Geltendmachung der Legalzession ein Restbetrag von S 6.409,60 an den Beschwerdeführer ausbezahlt wurde) auf einen um 25 Tage längeren Zeitraum bezog, nicht ohne weiteres entnommen werden.

Die vom Arbeitsmarktservice Innsbruck gegenüber der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten erhobene und der Geltendmachung der Legalzession zugrunde gelegte Behauptung, der Beschwerdeführer habe Arbeitslosengeld und Notstandshilfe als Pensionsvorschuss (Leistung nach § 23 Abs. 1 AlVG) bezogen, traf nicht zu. Eine Umwandlung der gewährten Leistungen in einen Pensionsvorschuss, wie sie nach dem Bekanntwerden der rückwirkenden Zuerkennung der Pension für den strittigen Zeitraum vom Arbeitsmarktservice Innsbruck (nicht bescheidmäßig) vorgenommen wurde, kam zu diesem Zeitpunkt im Hinblick auf § 23 Abs. 1 AlVG (arg.: "bis zur Entscheidung") und den Zweck des Pensionsvorschusses nicht mehr in Frage. Sie war im vorliegenden Fall ebenso wenig wirksam wie in dem mit dem Erkenntnis vom 17. Oktober 1996, Zl. 96/08/0050, auf dessen Begründung gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, entschiedenen Fall. Die Rechtsgrundlage des Vorgehens gegenüber der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten wurde dadurch im vorliegenden Fall nur deshalb nicht berührt, weil die Legalzession - wie erwähnt - auch im Falle der (nicht vorschussweisen) Gewährung von Arbeitslosengeld und Notstandshilfe eintritt. Dem Arbeitsmarktservice Innsbruck wäre es danach allerdings auch frei gestanden, hinsichtlich des die Höhe eines Pensionsvorschusses übersteigenden Teils der gewährten Leistungen die Legalzession geltend zu machen, insoweit dies in der Pensionsnachzahlung Deckung gefunden hätte.

Dies gilt zumindest dann, wenn die Gewährung von Arbeitslosengeld und Notstandshilfe statt eines Pensionsvorschusses - anders, als es die belangte Behörde annimmt - richtig war. In dem mit dem zitierten Vorerkenntnis entschiedenen Fall traf dies - wie nach Ansicht der belangten Behörde im vorliegenden Fall - nicht zu. Das Arbeitsmarktservice Innsbruck hatte damals - de facto nur auf Grund eines Versehens - hinsichtlich des der Höhe nach einen Pensionsvorschuss nicht übersteigenden Teils der Leistung (nur dieser Teil der Leistung war in dem mit dem Vorerkenntnis entschiedenen Fall strittig) gegenüber der Pensionsversicherungsanstalt erklärt, den einbehaltenen Teil der Nachzahlung nicht in Anspruch zu nehmen, woraufhin dieser an die Leistungsbezieherin ausgezahlt worden war. Der Verwaltungsgerichtshof sah in der Verzichtserklärung des Arbeitsmarktservice keinen Umstand, durch den die Behörde in weiterer Folge daran gehindert gewesen wäre, mit einem Widerruf der Gewährung des Arbeitslosengeldes und einer Rückforderung des (nicht als Pensionsvorschuss gewährten und einem solchen nur der Höhe nach entsprechenden) Betrages von der Leistungsbezieherin vorzugehen. Ob die Geltendmachung der Legalzession unter der Voraussetzung, dass die Leistung (Arbeitslosengeld statt Pensionsvorschuss) von vornherein zu Unrecht gewährt worden war, überhaupt der Rechtslage entsprochen hätte, die Legalzession also auch eintritt, wenn zu Unrecht "Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe gewährt" wurde, wurde im Vorerkenntnis nicht untersucht. Bejaht man diese Frage, so ergibt sich daraus ein Wahlrecht des Arbeitsmarktservice zwischen Widerruf und Rückforderung einerseits und der Geltendmachung der Legalzession andererseits. Verneint man sie, so berührt dies im vorliegenden Fall - unter der Annahme, dem Beschwerdeführer hätte nur der Pensionsvorschuss gebührt - zwar die Rechtmäßigkeit der Inanspruchnahme der Pensionsnachzahlung durch das Arbeitsmarktservice, aber nicht die des angefochtenen Bescheides. Die erwähnte Frage bedarf daher auch im vorliegenden Fall keiner Klärung.

Zu prüfen ist demnach nur, ob die Annahme der belangten Behörde, dem Beschwerdeführer wäre von Anfang an nur ein Pensionsvorschuss zugestanden und er habe die Auszahlung der höheren Leistungen durch unzureichende Information über die Klagsführung beim Landesgericht Innsbruck herbeigeführt, rechtlich zutreffend ist und auf einem fehlerfreien Verfahren beruht.

Dabei ist zur Abgrenzung gegenüber dem in mancher Beziehung ähnlich gelagerten Fall des schon erwähnten Vorerkenntnisses hervorzuheben, dass Gegenstand des - dem Arbeitsmarktservice nicht gemeldeten - Pensionsantrages damals eine vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit und somit eine der im § 23 Abs. 1 lit. b AlVG genannten Leistungen war. Vom Bezug des (nicht als Pensionsvorschuss gewährten) Arbeitslosengeldes war die damalige Beschwerdeführerin gemäß § 22 Abs. 2 AlVG schon für die Zeit des laufenden Verfahrens auf Zuerkennung dieser Pension ausgeschlossen.

Dass im vorliegenden Fall nicht ein neuer Pensionsantrag gestellt, sondern die nach den Angaben in der Beschwerde mangels Vorliegens von Berufsunfähigkeit ausgesprochene Entziehung einer Pension gemäß § 99 ASVG mit einer (der in der Beschwerde genannten Aktenzahl zufolge 1994 eingebrachten) Klage bekämpft wurde, bedeutet im gegebenen Zusammenhang keinen Unterschied, weil eine solche Klage einem Pensionsantrag im Sinne des § 23 Abs. 1 AlVG gleichzuhalten ist. Diese - von Dirschmied, AlVG3, 200, vertretene und nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes zutreffende - Ansicht liegt auch dem angefochtenen Bescheid zugrunde, weil sich im vorliegenden Fall nur daraus ergeben kann, dass dem Beschwerdeführer (nur) ein Pensionsvorschuss zugestanden wäre. Der Verwaltungsgerichtshof ist darüber hinaus aber auch der Ansicht, dass im Falle der Entziehung einer Pension schon für die Zeit zwischen der Entziehung und der Einbringung der Klage ein Pensionsvorschuss zustehen muss, wenn die übrigen Voraussetzungen hiefür erfüllt sind, der Antrag rechtzeitig gestellt und die Klagseinbringung in der Folge nachgewiesen wird.

Ein maßgeblicher Unterschied ist - im Vergleich zu dem mit dem Vorkenntnis entschiedenen Fall - darin zu sehen, dass die letztlich erfolgreiche Klage des Beschwerdeführers auf die Weitergewährung nicht einer Alterspension, sondern einer Berufsunfähigkeitspension und somit einer Leistung im Sinne des § 23 Abs. 1 lit. a AlVG gerichtet war. Ist in einem solchen Fall nicht mit der Zuerkennung der Pension zu rechnen, so ist - in Ermangelung eines dem § 22 Abs. 2 A1VG entsprechenden Ausschlusstatbestandes - bei Vorliegen der Voraussetzungen hiefür (im Besonderen also etwa auch der Arbeitsfähigkeit und der Arbeitswilligkeit) Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe zu gewähren (vgl. hiezu das Erkenntnis vom 27. März 1981, Zl. 08/3041/79). Ist andererseits mit der Zuerkennung der Pension zu rechnen, so steht es dem Arbeitslosen nicht frei, sich zur Erlangung einer höheren Leistung mit der Behauptung, er sei arbeitsfähig, der Vermittlung zur Verfügung zu stellen. Auf Grund eines während der Dauer eines Pensionsverfahrens gestellten und vom Arbeitsmarktservice in beiderlei Hinsicht, vorrangig aber unter dem Gesichtspunkt eines Pensionsvorschusses zu prüfenden Antrages steht ihm nur der Pensionsvorschuss zu, wenn die Voraussetzungen für dessen Gewährung erfüllt sind. Der Unterschied gegenüber den Fällen des § 23 Abs. 1 lit. b AlVG besteht darin, dass für die Zeit eines auf die Zuerkennung einer Berufsunfähigkeitspension gerichteten Pensionsverfahrens Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe zustehen kann, wenn mit der Zuerkennung der Pension nicht zu rechnen ist.

Mit dem Wahrscheinlichkeitsmaßstab für die Beurteilung der Frage, ob mit der Zuerkennung der Pension zu rechnen ist, hat sich der Verwaltungsgerichtshof in dem Erkenntnis vom 16. Februar 1999, Zl. 98/08/0200, auseinander gesetzt. Dieses Erkenntnis betraf die Voraussetzungen für die Einstellung eines Pensionsvorschusses, weil entgegen der ursprünglich angenommenen Sach- und Rechtslage nicht mehr mit der Zuerkennung der Pension zu rechnen sei. Der Verwaltungsgerichtshof führte dazu aus, es sei (gemeint: für die weitere Gewährung, nicht für die Einstellung des Vorschusses) kein allzu strenger Maßstab anzulegen. Zu berücksichtigen sei, welche Anspruchsvoraussetzungen für die angestrebte Pensionsleistung nunmehr strittig und noch Gegenstand sozialgerichtlicher Verfahren seien. Soweit es sich dabei um leicht beurteilbare, insbesondere auch nicht von der Ermittlung von Sachverständigen (gemeint: durch Sachverständige) abhängige Umstände handle, hinsichtlich derer keine komplizierten rechtlichen Erwägungen (die inhaltlich strittig sein könnten) anzustellen seien, und nach diesen Umständen des jeweiligen Einzelfalles mit der Zuerkennung der angestrebten Pensionsleistung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht mehr gerechnet werden könne, so könne die gesetzliche Voraussetzung für die Gewährung des Pensionsvorschusses, dass "im Hinblick auf die vorliegenden Umstände mit der Zuerkennung der Leistungen aus der Sozialversicherung gerechnet werden kann", als weggefallen angesehen und der Pensionsvorschuss auch noch vor rechtskräftiger Beendigung des sozialgerichtlichen Verfahrens eingestellt werden. Dieser für die Einstellung eines Pensionsvorschusses formulierte Maßstab ist nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes auch dann anzuwenden, wenn es um die anfängliche Beurteilung der Frage geht, ob ein Pensionsvorschuss zu gewähren ist.

Im vorliegenden Fall hätte die belangte Behörde zur Begründung der Rückforderung daher auch dann, wenn während des Leistungsbezuges keinerlei Hinweise auf eine Pensionsangelegenheit des Beschwerdeführers vorgelegen hätten, im Nachhinein festzustellen und zu begründen gehabt, dass die beschriebenen Minimalerfordernisse in Bezug auf die Wahrscheinlichkeit einer (weiteren) Gewährung der Pension bei Meldung der Klagsführung als erfüllt angesehen worden wären. Durch die angenommene Verschweigung der Klagsführung als solcher, also im Zusammenhang mit dem Vorrang des Pensionsvorschusses und unabhängig von der tatsächlichen Arbeitsfähigkeit, konnte der Bezug der höheren Leistung nur unter dieser Voraussetzung im Sinne des § 25 Abs. 1 A1VG "herbeigeführt" werden. Die belangte Behörde hätte feststellen müssen, weshalb dem Beschwerdeführer die Pension entzogen worden war und ob ihm auf Grund der dagegen erhobenen Einwände unter Anlegung des zuvor erwähnten, nicht allzu strengen Maßstabes ein Pensionsvorschuss zu gewähren gewesen wäre. Der schlussendlich eingetretene, nach den Ausführungen in der Beschwerde aber zunächst nicht absehbare Erfolg der Klage machte eine Auseinandersetzung mit diesem Thema nicht entbehrlich. Schon das völlige Fehlen von Feststellungen über die strittigen Punkte des sozialgerichtlichen Verfahrens führt daher zur Aufhebung der vom Beschwerdepunkt berührten Teile des angefochtenen Bescheides.

Im vorliegenden Fall trägt das erste der - auf den Fall eines Streites um die Entziehung einer Pension nicht entsprechend Bedacht nehmenden - Antragsformulare aber den Vermerk "Rente wird eingeklagt", was zumindest bedeuten musste, dass die Frist dafür noch offen sei. Dem Arbeitsmarktservice war daher bekannt, dass die Pensionsangelegenheit des Beschwerdeführers nicht rechtskräftig abgeschlossen war, weshalb sich der Umstand, dass ohne nähere Prüfung Arbeitslosengeld statt eines Pensionsvorschusses gewährt wurde, nicht auf die angebliche Meldepflichtverletzung des Beschwerdeführers zurückführen lässt. Auch der der Gewährung der Notstandshilfe zugrunde gelegte, offenbar als ausreichend angesehene Vermerk im zweiten Antragsformular ("kein neuerlicher Antrag gestellt") deutet darauf hin, dass dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Entziehung der Pension und einer allfälligen Klagsführung des Beschwerdeführers gegen die Entziehung seitens des Arbeitsmarktservice nicht die richtige Bedeutung beigemessen wurde. Berücksichtigt man weiters, dass der Beschwerdeführer angab, schon seit November 1994 keine Pension mehr zu erhalten, so konnte der Vermerk "Rente wird eingeklagt" im Antrag vom Juli 1995 aber wohl auch dahingehend gedeutet werden, dass das Verfahren über eine Klage bereits anhängig sei. Stimmt die in der Beschwerde angegebene Aktenzahl, so war die Klage tatsächlich schon 1994 erhoben worden, was die belangte Behörde - die den Vermerk "Rente wird eingeklagt" nicht weiter beachtet zu haben scheint - allerdings nicht erhoben hat. Im fortgesetzten Verfahren wird sich die belangte Behörde mit dem Sachverhalt, den der Beschwerdeführer verschwiegen haben soll, auch in dieser Hinsicht näher auseinander zu setzen haben. Zu prüfen wird letztlich vor allem sein, warum die Notstandshilfe auch nach dem klagsstattgebenden Urteil noch weiterbezogen wurde und welche Meldepflichtverletzungen dem Beschwerdeführer in dieser Hinsicht zur Last liegen.

Da der Sachverhalt in wesentlichen Punkten somit noch der Ergänzung bedarf, war der angefochtene Bescheid in den vom Beschwerdepunkt berührten Teilen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 29. März 2000

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1997080419.X00

Im RIS seit

18.10.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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