TE Vwgh Beschluss 2018/3/15 Ra 2018/20/0096

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Veröffentlicht am 15.03.2018
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Index

E000 EU- Recht allgemein;
E3L E19103010;
19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

32011L0095 Status-RL Art8 Abs1;
AsylG 2005 §11 Abs1;
AsylG 2005 §11;
AsylG 2005 §8 Abs1;
EURallg;
MRK Art3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler, den Hofrat Mag. Eder und die Hofrätin Mag. Hainz-Sator als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Honeder, in der Rechtssache der Revision des A N in S, vertreten durch Mag. Irene Oberschlick, Rechtsanwältin in 1030 Wien, Weyrgasse 8/6, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 10. Jänner 2018, Zl. W255 2166911- 1/10E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Afghanistans, stellte am 15. November 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Dieser wurde mit Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 19. Juli 2017 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen; ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde nicht erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen und unter einem festgestellt, dass die Abschiebung des Revisionswerbers nach Afghanistan zulässig sei. Als Frist für die freiwillige Ausreise wurden zwei Wochen bestimmt.

2 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem angefochtenen Erkennntis als unbegründet ab und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig. Es führte unter anderem aus, der Revisionswerber stamme aus einem Dorf in der Provinz Ghazni, wo er sechs Jahre lang in die Schule gegangen sei und danach bis zu seiner Ausreise auf der familieneigenen Landwirtschaft gearbeitet habe. Aus näher dargestellten Gründen habe nicht festgestellt werden können, dass der Revisionswerber im Falle der Rückkehr in den Herkunftsstaat verfolgt würde. Auch subsidiärer Schutz sei nicht zuzuerkennen gewesen: Zwar sei es dem Revisionswerber aufgrund der dortigen Sicherheitslage nicht zumutbar, in die Provinz Ghazni zurückzukehren, doch stehe ihm die Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative in der Stadt Kabul offen. Dies sei dem Revisionswerber auch zumutbar, weil es sich bei ihm um einen gesunden Mann im erwerbsfähigen Alter handle, der sechs Jahre die Schule besucht und Berufserfahrung in der Landwirtschaft gesammelt habe.

3 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zu ihrer Zulässigkeit zusammengefasst vorbringt, das angefochtene Erkenntnis sei mit Begründungsmängeln im Zusammenhang mit der angenommenen innerstaatlichen Fluchtalternative belastet. Auch sei die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinsichtlich des Maßstabs der Zumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative uneinheitlich, wobei sich der Revisionswerber auch auf Unionsrecht bezieht.

4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7 Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in seinem Erkenntnis vom 23. Jänner 2018, Ra 2018/18/0001, ausführlich mit der Bestimmung des § 11 Abs. 1 AsylG 2005 und dem diesbezüglichen unionsrechtlichen Hintergrund des Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 2011/95/EU (Statusrichtlinie) auseinandergesetzt und ist zu dem Schluss gekommen, dass das Kriterium der "Zumutbarkeit" nach § 11 Abs. 1 AsylG 2005 gleichbedeutend ist mit dem Erfordernis nach Art. 8 Abs. 1 Statusrichtlinie, dass vom Asylwerber vernünftigerweise erwartet werden kann, sich im betreffenden Gebiet seines Herkunftslandes niederzulassen. Gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG wird auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses verwiesen.

8 In diesem Zusammenhang ist hervorzuheben, dass es einem Asylwerber möglich sein muss, im Gebiet der innerstaatlichen Fluchtalternative - wenn auch nach allfälligen anfänglichen Schwierigkeiten - Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können. Ob dies der Fall ist, erfordert eine Beurteilung der allgemeinen Gegebenheiten im Herkunftsstaat und der persönlichen Umstände des Asylwerbers. Es handelt sich letztlich um eine Entscheidung im Einzelfall, die auf der Grundlage ausreichender Feststellungen über die zu erwartende Lage des Asylwerbers in dem in Frage kommenden Gebiet sowie dessen sichere und legale Erreichbarkeit getroffen werden muss.

9 Im vorliegenden Fall bestehen gegen die Einschätzung des BVwG, der Revisionswerber finde aufgrund der im angefochtenen Erkenntnis aufgezeigten Umstände in der afghanischen Hauptstadt Kabul eine innerstaatliche Fluchtalternative, deren Inanspruchnahme auch zumutbar sei, vor, unter Bedachtnahme auf die oben zitierte Rechtsprechung keine Bedenken.

10 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 15. März 2018

Schlagworte

Gemeinschaftsrecht Richtlinie richtlinienkonforme Auslegung des innerstaatlichen Rechts EURallg4/3

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018200096.L00

Im RIS seit

12.04.2018

Zuletzt aktualisiert am

20.04.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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