TE Vwgh Beschluss 2018/3/15 Ra 2018/20/0090

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Veröffentlicht am 15.03.2018
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1;
AVG §45 Abs2;
AVG §52;
B-VG Art133 Abs4;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §41;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler, den Hofrat Mag. Eder und die Hofrätin Mag. Hainz-Sator als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Honeder, in der Rechtssache der Revision des K R in W, vertreten durch Mag. Elke Weidinger, Rechtsanwältin in 8020 Graz, Brückenkopfgasse 1/VIII, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 8. Jänner 2018, Zl. W263 2165764- 1/16E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Afghanistans, stellte am 26. April 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. In der Einvernahme vom 3. April 2017 gab er zu seinem Fluchtgrund befragt im Wesentlichen an, eine seiner Schwestern sei mit einem Mann verlobt worden, der für eine die afghanische Regierung unterstützende Miliz arbeite. Die Taliban seien gegen dieses Verlöbnis gewesen, hätten das Haus der Familie mehrmals aufgesucht, die Mutter bedroht und den Revisionswerber mit Gewehrkolben geschlagen, wovon er Narben davongetragen habe. Die Familie des Revisionswerbers sei schließlich zur Familie des Verlobten gezogen, die Schwester habe ihren Verlobten geheiratet und Mutter und Bruder des Revisionswerbers wohnten nach wie vor dort. Als er zuletzt mit seiner Familie gesprochen habe, sei es ihr gut gegangen. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan fürchte der Revisionswerber dennoch von Taliban getötet zu werden, weil die Verlobung nicht aufgelöst worden sei.

2 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies den Antrag des Revisionswerbers mit Bescheid vom 7. Juli 2017 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten bzw. subsidiär Schutzberechtigten ab, erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ eine Rückkehrentscheidung und stellte unter einem fest, dass eine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei.

3 Die dagegen gerichtete Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit Erkenntnis vom 8. Jänner 2018 als unbegründet ab und erklärte die Revision für unzulässig. Begründend führte es im Wesentlichen aus, das Fluchtvorbringen des Revisionswerbers sei unglaubwürdig. Ihm drohe selbst bei Wahrunterstellung seines Vorbringens in Afghanistan keine asylrelevante Verfolgung. Hinsichtlich der Nichtzuerkennung subsidiären Schutzes legte das BVwG dar, dem Revisionswerber könne zwar die Rückkehr in seine Herkunftsprovinz aufgrund der dortigen Sicherheitslage nicht zugemutet werden, doch stehe ihm die Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative in Kabul offen.

4 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die gegenständliche außerordentliche Revision, die zur Begründung ihrer Zulässigkeit im Wesentlichen vorbringt, das BVwG habe seine Ermittlungspflicht verletzt, indem es kein medizinisches Sachverständigengutachten zur Abklärung der Narben des Revisionswerbers, die Rückschlüsse auf Folter zuließen, eingeholt habe. Zudem habe es sich nicht mit der Frage auseinandergesetzt, ob dem Revisionswerber bei seiner Rückkehr Verfolgung aufgrund seiner Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Familie drohe. Schließlich sei der Gesundheitszustand des Revisionswerbers nicht überprüft worden, drohe ihm im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan aufgrund der dortigen Sicherheitslage eine Verletzung in seinen nach Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechten und sei die vom BVwG vorgenommene Beweiswürdigung unvertretbar.

5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8 Zunächst ist der in der Revision vorgebrachten Verletzung der Ermittlungspflicht wegen der Unterlassung der Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens Folgendes entgegenzuhalten: Die Zulässigkeit der Revision setzt neben einem eine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufwerfenden Verfahrensmangel voraus, dass die Revision von der Lösung dieser geltend gemachten Rechtsfrage abhängt. Davon kann im Zusammenhang mit einem Verfahrensmangel aber nur dann ausgegangen werden, wenn auch die Relevanz des Mangels für den Verfahrensausgang dargetan wird, das heißt, dass dieser abstrakt geeignet sein muss, im Falle eines mängelfreien Verfahrens zu einer anderen - für den Revisionswerber günstigeren - Sachverhaltsgrundlage zu führen (vgl. VwGH 9.10.2014, Ra 2014/18/0036-0039).

9 Die Revision zeigt mit ihren diesbezüglichen Ausführungen die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels für den Verfahrensausgang nicht auf. Der Antrag auf Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens mag geeignet sein, die Verletzungsursache von vorhandenen Narben zu belegen. Jedoch ist ein medizinisches Gutachten nicht geeignet, Aufklärung über die Frage, im Zuge welcher Ereignisse der Revisionswerber die Verletzungen erlitten haben mag und damit über die Nachvollziehbarkeit des - wie vom Bundesverwaltungsgericht aufgezeigt - widersprüchlichen Fluchtvorbringens des Revisionswerbers zu geben (vgl. dazu jüngst VwGH 20.2.2018, Ra 2017/20/0464, mwN).

10 Soweit die Revision weiters rügt, das BVwG habe sich nicht mit der Frage auseinandergesetzt, ob dem Revisionswerber aufgrund seiner Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Familie in Afghanistan Verfolgung drohe, so ist dem zu entgegnen, dass das BVwG bereits das Fluchtvorbringen des Revisionswerbers für unglaubwürdig befunden hat; entfernt sich die Revision von den verwaltungsgerichtlichen Feststellungen, ist sie insofern nicht gesetzmäßig ausgeführt (vgl. VwGH 13.12.2017, Ra 2017/19/0518, mwN).

11 Wenn die Revision weiters bemängelt, das BVwG habe sich nicht mit dem Gesundheitszustand des Revisionswerbers beschäftigt, was jedoch geboten gewesen wäre, "zumal es zu Veränderungen des Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers kommen kann, welche eine berücksichtigungswürdige Sachverhaltsänderung darstellen würden", so behauptet die Revision nicht einmal eine relevante Gesundheitsveränderung des Revisionswerbers, sondern stellt lediglich die abstrakte Möglichkeit einer solchen in den Raum. Hinzu kommt, dass der Revisionswerber sowohl im Verfahren vor dem BFA als auch in jenem vor dem BVwG wiederholt zu seinem Gesundheitszustand befragt worden ist und er zu keinem Zeitpunkt eine Gesundheitsbeeinträchtigung vorgebracht hat. Sohin geht die Revision auch mit diesem Vorbringen ins Leere.

12 Zudem rügt die Revision - zumindest erkennbar - die Nichtzuerkennung subsidiären Schutzes, indem sie ausführt, das BVwG habe sich unzureichend mit der konkreten Situation des Revisionswerbers bei seiner Rückkehr auseinandergesetzt, zumal keine Region Afghanistans als sicher bezeichnet werden könne. Auch damit macht die Revision keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung geltend, zumal sich aus diversen vom Verwaltungsgerichtshof entschiedenen und gleichgelagerten Fällen ergibt, dass die allgemeine Situation in Afghanistan nicht so gelagert ist, dass die Ausweisung dorthin automatisch gegen Art. 3 EMRK verstoßen würde (vgl. VwGH 19.6.2017, Ra 2017/19/0095, mwN). Dass aus der im vorliegenden Fall getroffenen Feststellung ein anderer Schluss zu ziehen wäre, ist nicht zu sehen.

13 Schließlich behauptet der Revisionswerber, die Beweiswürdigung des BVwG sei in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen worden. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 18.2.2015, Ra 2015/08/0008). Mit diesem pauschalen Vorbringen zeigt die Revision eine solch unvertretbare Beweiswürdigung jedoch nicht auf.

14 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 15. März 2018

Schlagworte

Beweismittel SachverständigenbeweisGutachten rechtliche Beurteilung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018200090.L00

Im RIS seit

12.04.2018

Zuletzt aktualisiert am

27.04.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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