Entscheidungsdatum
19.03.2018Index
41/02 Passrecht FremdenrechtNorm
NAG §8 Abs1 Z2Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seine Richterin Dr. Szep über die Beschwerde der Frau S. J., geb.: 1996, STA: Serbien, Wien, H.-gasse, vertreten durch Rechtsanwalt, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien, Magistratsabteilung 35, vom 25.10.2017, Zahl MA35-9/3161775-02, mit welchem der Antrag vom 17.07.2017 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Zweck "Rot-Weiß-Rot - Karte plus (§ 46/1/2)" gemäß § 11 Abs. 2 Z 4 iVm Abs. 5 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - NAG in der geltenden Fassung abgewiesen wurde,
zu Recht e r k a n n t:
I. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, dass sein Spruch lautet wie folgt:
„Ihr Antrag vom 17. Juli 2017 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot - Karte plus“ nach § 46 Abs. 1 Z. 2 lit. a des Bundesgesetzes über die Niederlassung und den Aufenthalt in Österreich (Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz – NAG) wird gemäß § 19 Abs. 2 NAG als unzulässig zurückgewiesen.“
II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Mit Bescheid vom 25. Oktober 2017 wies die belangte Behörde den Antrag der nunmehrigen Beschwerdeführerin auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot - Karte plus“ ab. Begründend wurde dabei im Wesentlichen ausgeführt, dass nicht ausgeschlossen werden könne, dass ihr Aufenthalt zu einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte. Eine Abwägung nach § 11 Abs. 3 NAG führe zu einem Überwiegen der öffentlichen Interessen an der Versagung des Aufenthaltstitels, zumal mangels Aufenthaltsberechtigung nicht vom Vorliegen eines besonders schützenswerten Familienlebens ausgegangen werden könne und der Grad der Integration der Beschwerdeführerin gering wäre.
In ihrer Beschwerde brachte die Rechtsmittelwerberin Nachstehendes vor:
„Der Bescheid stützt sich auf die Annahme, dass der Aufenthalt der Beschwerdeführerin zu einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte.
4.1. Dies stützt die Behörde auf den Umstand, dass der Ehegatte der Beschwerdeführerin in den letzten Jahren lediglich ca. acht Monate Vollzeit gearbeitet hat.
Der Ehegatte soll bzw. wird eine Vollzeiterwerbstätigkeit aufnehmen. Ein Nachweis wird umgehend nachgereicht.
4.2. Die Antragstellerin kann nach Erteilung des Aufenthaltstitels umgehend eine Erwerbstätigkeit aufnehmen.
Ein arbeitsrechtlicher Vorvertrag, der die erforderlichen Kriterien enthält, wurde vorgelegt.
Die Behörde legt jedoch dieses zukünftige Einkommen der Unterhaltsberechnung nicht zugrunde, da die Erteilung einer Erstbewilligung nahezu ausschließlich auf Basis eines Vorvertrages nicht zielführend sei.
Die Behörde vermisst Gründe, weshalb es wahrscheinliche erscheine, dass gerade die Beschwerdeführerin anstelle einer bereits auf den österreichischen Arbeitsmarkt verfügbaren Arbeitskraft beschäftigt werden solle.
4.2.1. Die beabsichtigte Tätigkeit im Reinigungsbereich bedarf keinerlei fachlicher Qualifikationen. Zur der zukünftigen Arbeitgeberin besteht ein Naheverhältnis, sodass es glaubwürdig ist, dass die Beschwerdeführerin nach Erteilung des Aufenthaltstitels bei ihr beschäftigt werden würde.
4.2.2. Die Behörde trifft Ihre Annahme ohne Durchführung eines Ermittlungsverfahrens. Die Tatsache, dass zahlreiche in Verfahren vorgelegte arbeitsrechtliche Vorverträge nach Erteilung des Aufenthaltstitels nicht tatsächlich zu einem Dienstverhältnis führen, befreit die Behörde nicht von ihrer amtswegigen Pflicht zur Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes.
Die im Bescheid aufgelisteten Zweifel sind allgemein gehalten und ohne ausreichenden Bezug zum gegenständlichen arbeitsrechtlichen Vorvertrag.
Ausdrücklich wird die zeugenschaftliche Einvernahme der zukünftigen Arbeitgeberin und der Beschwerdeführerin beantragt, zum Beweisthema der tatsächlichen Umsetzung des arbeitsrechtlichen Vorvertrages in ein Dienstverhältnis nach Erteilung des Aufenthaltstitels.
Durch die Einvernahme wird festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin tatsächlich ein monatliches Nettoeinkommen erzielen wird, dass - selbst bei Nichtaufnahme einer Erwerbstätigkeit des Ehegatten - die Erfüllung der gesetzlichen erforderlichen Unterhaltsmittel garantiert.
Der angezogene Abweisungsgrund liegt somit nicht vor.“
Mit Schreiben vom 16. Jänner 2018 wurde der Beschwerdeführerin zur Kenntnis gebracht, dass der verfahrensgegenständliche Antrag vom 17. Juli 2017 vor Rechtskraft des Bescheides des Landeshauptmannes von Wien vom 22. Juni 2017 bei der belangten Behörde eingelangt wäre. Der Bescheid vom 22. Juni 2017 wäre erst am 27. Juli 2017 rechtskräftig geworden, sie habe jedoch bereits am 21. Juli 2017 den verfahrensgegenständlichen Antrag eingebracht. Des Weiteren wurde der Rechtsmittelwerberin die Möglichkeit geboten, innerhalb einer Frist von zwei Wochen diesbezüglich eine Stellungnahme abzugeben. Dieses Schreiben, welches der Beschwerdeführerin zu Handen ihres Rechtsvertreters am 19. Jänner 2018 ordnungsgemäß zugestellt wurde, blieb bis dato unbeantwortet.
Es ergibt sich folgender entscheidungsrelevanter Sachverhalt, welcher als erwiesen festgestellt wird:
Mit Erstantrag vom 9. März 2017 beantragte die am … 1996 geborene Beschwerdeführerin, eine serbische Staatsangehörige, bei der belangten Behörde die Erteilung eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot - Karte plus“. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 22. Juni 2017 gemäß §§ 21 Abs. 1 und 11 Abs. 2 Z 4 iVm. Abs. 5 NAG abgewiesen, wobei der Rechtsmittelwerberin der Bescheid vom 22. Juni 2017 am 28. Juni 2017 durch Übernahme durch einen Mitbewohner zugestellt wurde.
In weiterer Folge brachte die Beschwerdeführerin am 17. Juli 2017 einen weiteren Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot - Karte plus“ bei der Österreichischen Botschaft Belgrad ein, welcher am 21. Juli 2017 bei der belangten Behörde einlangte. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag vom 17. Juli 2017 ab.
Diese Feststellungen gründen sich auf nachstehende Beweiswürdigung:
Die getätigten Feststellungen gründen sich auf den unbestritten gebliebenen und unbedenklichen Akteninhalt.
Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG abgesehen werden, da der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei zurückzuweisen war.
Das Verwaltungsgericht Wien hat erwogen:
Gemäß § 8 Abs. 1 Z 2 NAG berechtigt der Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ zur befristeten Niederlassung und zur Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit und einer unselbständigen Erwerbstätigkeit gemäß § 17 AuslBG.
Gemäß § 46 Abs. 1 NAG ist Familienangehörigen von Drittstaatsangehörigen ein Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus” zu erteilen, wenn sie die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen, und
1. der Zusammenführende einen Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte” gemäß § 41 oder einen Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus” gemäß § 41a Abs. 1 oder 4 innehat, oder
2. ein Quotenplatz vorhanden ist und der Zusammenführende
a) einen Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EU” innehat,
b) einen Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus”, ausgenommen einen solchen gemäß § 41a Abs. 1 oder 4 innehat, oder
c) Asylberechtigter ist und § 34 Abs. 2 AsylG 2005 nicht gilt.
Gemäß § 11 Abs. 1 NAG dürfen Aufenthaltstitel einem Fremden nicht erteilt werden, wenn
1. gegen ihn ein aufrechtes Einreiseverbot gemäß § 53 FPG oder ein aufrechtes Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht;
2. gegen ihn eine Rückführungsentscheidung eines anderen EWR-Staates oder der Schweiz besteht;
3. gegen ihn eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung erlassen wurde und seit seiner Ausreise nicht bereits achtzehn Monate vergangen sind, sofern er nicht einen Antrag gemäß § 21 Abs. 1 eingebracht hat, nachdem er seiner Ausreiseverpflichtung freiwillig nachgekommen ist;
4. eine Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (§ 30 Abs. 1 oder 2) vorliegt;
5. eine Überschreitung der Dauer des erlaubten visumfreien oder visumpflichtigen Aufenthalts im Zusammenhang mit § 21 Abs. 6 vorliegt oder
6. er in den letzten zwölf Monaten wegen Umgehung der Grenzkontrolle oder nicht rechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet rechtskräftig bestraft wurde.
Gemäß § 11 Abs. 2 NAG dürfen Aufenthaltstitel einem Fremden nur erteilt werden, wenn
1. der Aufenthalt des Fremden nicht öffentlichen Interessen widerstreitet;
2. der Fremde einen Rechtsanspruch auf eine Unterkunft nachweist, die für eine vergleichbar große Familie als ortsüblich angesehen wird;
3. der Fremde über einen alle Risken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfügt und diese Versicherung in Österreich auch leistungspflichtig ist;
4. der Aufenthalt des Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte;
5. durch die Erteilung eines Aufenthaltstitels die Beziehungen der Republik Österreich zu einem anderen Staat oder einem anderen Völkerrechtssubjekt nicht wesentlich beeinträchtigt werden;
6. der Fremde im Fall eines Verlängerungsantrages (§ 24) das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, rechtzeitig erfüllt hat und
7. in den Fällen der §§ 58 und 58a seit der Ausreise in einen Drittstaat gemäß § 58 Abs. 5 mehr als vier Monate vergangen sind.
§ 11 Abs. 3 NAG normiert, dass ein Aufenthaltstitel trotz Vorliegens eines Erteilungshindernisses gemäß Abs. 1 Z 3, 5 oder 6 sowie trotz Ermangelung einer Voraussetzung gemäß Abs. 2 Z 1 bis 7 erteilt werden kann, wenn dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention – EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen rechtswidrig war;
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;
4. der Grad der Integration;
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Drittstaatsangehörigen;
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit;
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Drittstaatsangehörigen in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren;
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
Gemäß § 11 Abs. 5 NAG führt der Aufenthalt eines Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft (Abs. 2 Z 4), wenn der Fremde feste und regelmäßige eigene Einkünfte hat, die ihm eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften ermöglichen und der Höhe nach den Richtsätzen des § 293 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955, entsprechen. Feste und regelmäßige eigene Einkünfte werden durch regelmäßige Aufwendungen geschmälert, insbesondere durch Mietbelastungen, Kreditbelastungen, Pfändungen und Unterhaltszahlungen an Dritte nicht im gemeinsamen Haushalt lebende Personen. Dabei bleibt einmalig ein Betrag bis zu der in § 292 Abs. 3 zweiter Satz ASVG festgelegten Höhe unberücksichtigt und führt zu keiner Erhöhung der notwendigen Einkünfte im Sinne des ersten Satzes. Bei Nachweis der Unterhaltsmittel durch Unterhaltsansprüche (§ 2 Abs. 4 Z 3) oder durch eine Haftungserklärung (§ 2 Abs. 1 Z 15) ist zur Berechnung der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten nur der das pfändungsfreie Existenzminimum gemäß § 291a der Exekutionsordnung (EO), RGBl. Nr. 79/1896, übersteigende Einkommensteil zu berücksichtigen. In Verfahren bei Erstanträgen sind soziale Leistungen nicht zu berücksichtigen, auf die ein Anspruch erst durch Erteilung des Aufenthaltstitels entstehen würde, insbesondere Sozialhilfeleistungen oder die Ausgleichszulage.
Gemäß § 19 Abs. 2 NAG ist im Antrag der Grund des Aufenthalts bekannt zu geben; dieser ist genau zu bezeichnen. Nicht zulässig ist ein Antrag, aus dem sich verschiedene Aufenthaltszwecke ergeben, das gleichzeitige Stellen mehrerer Anträge und das Stellen weiterer Anträge während eines anhängigen Verfahrens nach diesem Bundesgesetz einschließlich jener bei den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts. Die für einen bestimmten Aufenthaltszweck erforderlichen Berechtigungen sind vor der Erteilung nachzuweisen. Besteht der Aufenthaltszweck in der Ausübung eines Gewerbes, so gilt die von der Gewerbebehörde ausgestellte Bescheinigung, dass die Voraussetzungen für die Gewerbeausübung mit Ausnahme des entsprechenden Aufenthaltstitels vorliegen, als Nachweis der erforderlichen Berechtigung. Der Fremde hat der Behörde die für die zweifelsfreie Feststellung seiner Identität und des Sachverhaltes erforderlichen Urkunden und Beweismittel vorzulegen.
Gemäß § 19 Abs. 8 NAG kann die Behörde auf begründeten Antrag von Drittstaatsangehörigen die Heilung eines Mangels nach Abs. 1 bis 3 und 7 zulassen:
1.
im Fall eines unbegleiteten Minderjährigen (§ 2 Abs. 1 Z 17) zur Wahrung des Kindeswohls;
2.
zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK (§ 11 Abs. 3) oder
3.
im Fall der Nichtvorlage erforderlicher Urkunden oder Nachweise, wenn deren Beschaffung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.
Die Stellung eines solchen Antrages ist nur bis zur Erlassung des Bescheides zulässig. Über diesen Umstand ist der Fremde zu belehren; § 13 Abs. 3 AVG gilt.
Gemäß § 13 Abs. 3 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes (AVG) ermächtigen Mängel schriftlicher Anbringen die Behörde nicht zur Zurückweisung. Die Behörde hat vielmehr von Amts wegen unverzüglich deren Behebung zu veranlassen und kann dem Einschreiter die Behebung des Mangels innerhalb einer angemessenen Frist mit der Wirkung auftragen, dass das Anbringen nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist zurückgewiesen wird. Wird der Mangel rechtzeitig behoben, so gilt das Anbringen als ursprünglich richtig eingebracht.
Gemäß § 7 Abs. 4 Z 1 des Bundesgesetzes über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG) beträgt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Behörde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG vier Wochen. Sie beginnt dann, wenn der Bescheid dem Beschwerdeführer zugestellt wurde, mit dem Tag der Zustellung, wenn der Bescheid dem Beschwerdeführer nur mündlich verkündet wurde, mit dem Tag der Verkündung.
Wie sich aus der oben wiedergegebenen Bestimmung des § 19 Abs. 2 NAG ergibt, ist das gleichzeitige Stellen mehrerer Anträge und das Stellen weiterer Anträge während eines anhängigen Verfahrens nach diesem Bundesgesetz einschließlich jener bei den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts nicht zulässig.
Aus dem Akteninhalt ergibt sich, dass der erstmalige Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot - Karte plus“ vom 9. März 2017 mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 22. Juni 2017 abgewiesen wurde, wobei ihr dieser Bescheid am 28. Juni 2017 ordnungsgemäß zugestellt wurde. Somit begann die vierwöchige Rechtsmittelfrist am 28. Juni 2017 und endete am 26. Juli 2017. Der Bescheid vom 22. Juni 2017 wurde in weiterer Folge mangels Erhebung einer Beschwerde durch die Rechtsmittelwerberin am 27. Juli 2017 rechtskräftig. Die Beschwerdeführerin brachte jedoch bereits am 17. Juli 2017 einen weiteren Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot - Karte plus“ bei der Österreichischen Botschaft Belgrad ein. Somit stellte die Rechtsmittelwerberin während eines anhängigen Verfahrens nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz einen weiteren Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels, was sich gemäß § 19 Abs. 2 NAG als nicht zulässig erweist.
In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass ein Verfahren grundsätzlich bis zur formellen Rechtskraft der Entscheidung „anhängig“ ist, sodass sich die Einbringung eines weiteren Antrags nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz innerhalb der Beschwerdefrist gemäß § 19 Abs. 2 NAG als unzulässig erweist, sofern nicht vorher auf die Beschwerde ausdrücklich verzichtet wurde. Dass der Gesetzgeber im Übrigen diese Bestimmung sehr restriktiv verstanden haben wollte, zeigt sich insbesondere darin, dass § 19 Abs. 2 NAG auch die Einbringung eines weiteren Antrages nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz während eines anhängigen Verfahrens bei den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts als unzulässig normiert. Da die Rechtsmittelwerberin - ohne vorherige Einbringung eines Beschwerdeverzichts - innerhalb der Beschwerdefrist und somit vor Rechtskraft des Bescheides vom 22. Juni 2017 bereits am 17. Juli 2017 einen weiteren Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels, nämlich den der gegenständlichen Beschwerde zu Grunde liegenden Antrag, einbrachte, erweist sich dieser als nicht zulässig.
Abschließend ist anzumerken, dass sich die Belehrungspflicht der Behörde gemäß § 19 Abs. 8 NAG seinen Wortlaut nach zwar auch auf § 19 Abs. 2 NAG bezieht, der Gesetzgeber durch diese Norm jedoch nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut die Möglichkeit der Heilung von „Mängeln“ des verfahrenseinleitenden Antrags schaffen wollte. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass § 19 Abs. 8 NAG auf die Geltung des § 13 Abs. 3 AVG verweist, sodass davon auszugehen ist, dass der Gesetzgeber mit der Bestimmung des § 19 Abs. 8 NAG die Möglichkeit der Heilung verbesserungsfähiger Form- oder Inhaltsmängel zu schaffen beabsichtigte. Die als unzulässig normierte Einbringung eines weiteren Antrags während eines anhängigen Verfahrens nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz stellt jedoch keinen Mangel im Sinne des § 13 Abs. 3 AVG dar, zumal eine Verbesserung des Antrages in solch einem Fall nicht möglich ist. Vielmehr kann nach Einbringung eines weiteren Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels während eines anhängigen Verfahrens nach dem NAG der gesetzeskonforme Zustand gegebenenfalls nur durch die Zurückziehung des weiteren Antrags hergestellt werden. Die Bestimmung des § 19 Abs. 2 zweiter Satz letzter Fall NAG, wonach das Stellen weiterer Anträge während eines anhängigen Verfahrens nach diesem Bundesgesetz nicht zulässig ist, begründet somit keinen Mangel im Sinne des § 19 Abs. 8 NAG, sondern ein Prozesshindernis (vgl. hierzu auch VwGH vom 22. September 2009, Zl. 2008/22/0064). Da über das Vorliegen von Prozesshindernissen weder durch die Behörde noch die Verfahrensparteien, etwa aus den Gründen des Art. 8 EMRK disponiert werden kann, sind solche somit einer Heilung nicht zugänglich. Die Durchführung eines Verbesserungsverfahrens samt entsprechender Belehrung durch die Behörde konnte daher entfallen.
Der gegenständliche Antrag war somit gemäß § 19 Abs. 2 NAG zurückzuweisen und der angefochtene Bescheid spruchgemäß abzuändern.
Zulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist zulässig, da im gegenständlichen Verfahren eine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, weil es an einer Rechtsprechung zu der Rechtsfrage, ob die Bestimmung des § 19 Abs. 8 NAG auch im Falle der Einbringung eines weiteren Antrags während eines anhängigen Verfahrens nach dem NAG (§ 19 Abs. 2 zweiter Satz letzter Fall NAG) anzuwenden ist, fehlt.
Schlagworte
Anhängiges Verfahren, Prozessvoraussetzung, Mängelbehebung, Verbesserungsauftrag, BelehrungspflichtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2018:VGW.151.081.16574.2017Zuletzt aktualisiert am
11.04.2018