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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Valenta, über die Beschwerde der A, Österreichische Versicherung Aktiengesellschaft in W, vertreten durch Braunegg, Hoffmann & Partner, Rechtsanwälte in Wien I, Gonzagagasse 9, gegen den Bescheid des Präsidenten des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 11. Jänner 1999, Zl. Jv 5078-33a/98, betreffend Gerichtsgebühren, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Ob der Liegenschaft EZ 3198, Grundbuch 01006 Landstraße (Grundstück Nr. 3201/12), war im B-Blatt die "Basler Versicherungs-Aktiengesellschaft in Österreich" als Eigentümerin eingetragen. Unter B-LNr. 1 j war im Rang 11287/1993 das Eigentumsrecht für die "Lothringerstraße 16 Projektentwicklungs GmbH" vorgemerkt und unter B-LNr. 1 k die am 22. März 1996 erfolgte Eröffnung des Konkurses über die vorgemerkte Eigentümerin angemerkt.
Die Beschwerdeführerin erwarb mit Kaufvertrag vom 19. September 1996 die Liegenschaft von der vorgemerkten Eigentümerin (bzw. dem Masseverwalter) und stellte am 24. Februar 1997 beim BG Innere Stadt Wien als Grundbuchsgericht ua den Antrag, im Eigentumsblatt der oben genannten Einlage "1.1. Die Anmerkung der Rechtfertigung zu dem unter B-LNr. 1 j vorgemerkten Eigentumsrecht;
1.2. die Einverleibung des Eigentumsrechtes" für sich zu bewilligen.
Dieser, zur Tz 2201/97 protokollierte Antrag, wurde am 25. Februar 1997 bewilligt und am 26. Februar 1997 vollzogen.
Dazu finden sich in den vorgelegten Akten zwei Grundbuchsauszüge betreffend die in Rede stehende Liegenschaft, und zwar wie oben schon erwähnt einer, der noch die "Basler Versicherungs-Aktiengesellschaft in Österreich" als einverleibte Eigentümerin und die "Lothringerstraße 16 Projektentwicklungs GmbH" als vorgemerkte Eigentümerin ausweist, wobei als letzte Eintragung im B-Blatt (LNr. 1 k) die Anmerkung der Eröffnung des Konkurses über die vorgemerkte Eigentümerin aufscheint, und einer, in dem nur die "Lothringerstraße 16 Projektentwicklungs GmbH" als vorgemerkte Eigentümerin ausgewiesen wird, wobei unter B-LNr. 1 l unter Nennung der Tz 2201/1997 die Rechtfertigung der Vormerkung ersichtlich ist.
Für die Einverleibung ihres Eigentumsrechtes entrichtete die Beschwerdeführerin am 27. März 1997 zur Zl. 2201/97, Vz 662/97, Eintragungsgebühr in Höhe von S 1,073.358,--.
Am 13. März 1998 fand eine Gebührenrevision statt, wobei der Prüfer beanstandete, dass die Eintragungsgebühr für die Anmerkung der Rechtfertigung der Vormerkung nicht erhoben worden sei. Dabei bezeichnete der Revisor die anzuwendende Tarifstelle mit "9b/1".
Daraufhin erließ der Kostenbeamte des BG Innere Stadt Wien am 7. Juli 1998 unter anderem gegen die Beschwerdeführerin einen Zahlungsauftrag, worin unter Bezugnahme auf die Tz 2201/97 "Eintragungsgebühr TP 9 b" in Höhe von S 1,212.000,-- zuzüglich S 100,-- Einhebungsgebühr (§ 6 GEG) angefordert wurde.
Dagegen stellte die Beschwerdeführerin fristgerecht einen Berichtigungsantrag mit dem Vorbringen, die Eintragungsgebühr für die Einverleibung ihres Eigentums sei fristgerecht entrichtet worden. Eine weitere Zahlungsverpflichtung bestünde nicht.
Die belangte Behörde gab dem Berichtigungsantrag keine Folge, wobei sie ihren Bescheid ausdrücklich auf "Tarifpost 9 lit. b Z. 1 des Gerichtsgebührengesetzes (GGG)" gründete und in der weiteren Begründung neben der erfolgten "Anmerkung der Rechtfertigung der unter B-LNr. 1 j eingetragenen Eigentumsvormerkung" ausdrücklich auch die "Einverleibung des Eigentumsrechtes" erwähnte.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde gemäß Art. 144 B-VG an den Verfassungsgerichtshof, der die Behandlung der Beschwerde ablehnte und sie antragsgemäß an den Verwaltungsgerichtshof abtrat. Vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht verletzt, die Gebühr nicht vorgeschrieben zu bekommen und macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend.
Die belangte Behörde legte die Akten des Grundbuchs- und des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführerin steht materiellrechtlich auf dem Standpunkt, eine Eintragung der Anmerkung der Rechtfertigung in die öffentlichen Bücher sei gar nicht erfolgt. Die Anmerkung der Rechtfertigung sei nur in das Verzeichnis der gelöschten Eintragungen übernommen worden. Daneben macht die Beschwerde in formeller Hinsicht geltend, es sei nicht erkennbar, auf welche Gesetzesstelle sich die Gebührenvorschreibung stütze, wobei der belangten Behörde vorgeworfen wird, sie hätte unzulässigerweise eine Begründung "nachgeschoben".
Dazu ist Folgendes zu sagen:
Im Bereich der materiellrechtlichen Argumentation vermag der Verwaltungsgerichtshof der Beschwerde nicht zu folgen.
Unter einer Vormerkung (§§ 8 Z. 2 und 35 ff GBG) versteht man eine Eintragung im Hauptbuch, die einen bedingten Rechtserwerb (oder Rechtsverlust) bewirkt (§ 40 GBG) und die dem Erwerb eines Ranges dient (vgl. zB Koziol/Welser, Bürgerliches Recht II10 105). Die Rechtfertigung der Vormerkung bewirkt in der Folge, dass das vorgemerkte Recht zum unbedingten Recht wird (Koziol/Welser aaO; §§ 40 ff GBG). Die Rechtfertigung wird nach der Gerichtspraxis im Hauptbuch angemerkt (Koziol/Welser aaO; Spielbüchler in Rummel, ABGB I2 Rz 9 zu § 438 ABGB uva).
Ein solcher Vorgang ist vom Gebührentatbestand der TP 9 lit. b Z. 3 GGG ausdrücklich erfasst und wurde im vorliegenden Fall in der Einlage der in Rede stehenden Liegenschaft unter der Tz 2201/97 am 26. Februar 1997 vollzogen. Die anders lautende Behauptung der Beschwerdeführerin, die Anmerkung der Rechtfertigung des vorgemerkten Rechtes sei im Hauptbuch nicht erfolgt (sondern nur im Verzeichnis der gelöschten Eintragungen) ist aktenwidrig und daher unmaßgeblich. Im Übrigen wäre zu beachten, dass gemäß § 3 Abs. 1 zweiter Halbsatz Grundbuchsumstellungsgesetz GUG,
(BGBl. Nr. 550/1980) das Verzeichnis der gelöschten Eintragungen rechtlich dem Hauptbuch (= der Grundbuchsdatenbank gemäß § 2 Abs. 1 GUG) gleich steht.
Da sohin im vorliegenden Fall die Anmerkung der Rechtfertigung des vorgemerkten Rechtes im Grundbuch auf Grund des ausdrücklichen Antrages der Beschwerdeführerin tatsächlich eingetragen wurde und weil es nach ständiger hg. Judikatur nur darauf ankommt, welche Grundbuchseintragung beantragt und vollzogen wurde (vgl. zB die bei Tschugguel/Pötscher, MGA Gerichtsgebühren6 unter AE 10 Abs. 1 und BE 3 zu TP 9 GGG referierte zahlreiche hg. Judikatur) wurde an sich durch die von der Beschwerdeführerin beantragten und vollzogenen Eintragungen - neben TP 9 lit. b Z. 1 für die Einverleibung des Eigentumsrechtes - auch der Tatbestand gemäß TP 9 lit. b Z. 3 GGG erfüllt.
Mit ihren verfahrensrechtlichen Argument ist die Beschwerdeführerin dagegen im Recht:
Gemäß TP 9 lit. b Z. 1 GGG unterliegen Eintragungen (Einverleibungen) zum Erwerb des Eigentumsrechtes und des Baurechtes einer Gebühr von 1 vH vom Wert des Rechtes; nach Z. 3 dieser Gesetzesstelle unterliegen Anmerkungen der Rechtfertigung der Vormerkung zum Erwerb des Eigentums und des Baurechtes einer Gebühr gleicher Höhe.
Für das Verfahren zur Einbringung der Gebühren nach dem GGG gemäß §§ 6 und 7 GEG sind mangels gesetzlicher Regelungen die allgemeinen Grundsätze eines geordneten rechtsstaatlichen Verfahrens anzuwenden (vgl. dazu zB die bei Tschugguel/Pötscher aaO unter E 3 zu § 6 GEG referierte hg. Judikatur).
Nach ständiger hg. Rechtsprechung sind Zahlungsaufträge Bescheide (siehe bei Tschugguel/Pötscher aaO E 15 zu § 6 GEG) und sind die vorgeschriebenen Beträge unter Angabe der Berechnungsgrundlage unter der angewendeten Rechtsvorschriften im Zahlungsauftrag anzuführen (vgl. die bei Tschugguel/Pötscher aaO unter E 16 zu § 6 GEG angeführte hg. Judikatur).
Diesem Postulat entsprach der vom Kostenbeamten des BG Innere Stadt Wien erlassene Zahlungsauftrag vom 7. Juli 1998 nur unzulänglich, indem er in der dafür vorgesehenen Spalte "Gegenstand und angewendete Vorschrift" lediglich "TP 9 b" GGG allgemein zitierte und die Frage offen ließ, welchen der mehreren, verschiedenen Gebührentatbestände dieser Gesetzesstelle er als erfüllt erachtete. Dieser Umstand hatte insbesondere aus der Sicht der Beschwerdeführerin wesentliche Bedeutung, weil sie ja für den Gebührentatbestand nach TP 9 lit. b Z. 1 GGG (= Einverleibung des Eigentumsrechtes) die Gebühr bereits entrichtet hatte, als ihr der Zahlungsauftrag zugestellt wurde.
Bei den nach den einzelnen Tatbeständen der verschiedenen Tarifposten des GGG zu entrichtenden Gebühren handelt es sich (genauso wie zB bei § 33 GebG) um verschiedene Abgaben (vgl. zB die bei Fellner, Gebühren und Verkehrssteuern, Band I, 2. Teil, Stempel- und Rechtsgebühren zu §§ 15 und 33 GebG, L 3 L letzter Absatz und 4 L erster Absatz referierte hg. Rechtsprechung).
Dazu kommt, dass auch der Bescheid der belangten Behörde nicht die erforderliche Klarheit darüber schaffte, welchen Gebührentatbestand die belangte Behörde eigentlich für verwirklicht angesehen hat, und dass im Ergebnis sogar die Frage offen ist, ob sich die belangte Behörde bei Erlassung ihres Bescheides überhaupt mit der Sache beschäftigt hat, die den Inhalt des Spruches des vom Kostenbeamten erlassenen Zahlungsauftrages gebildet hat (vgl. dazu die bei Fellner aao 4 L Abs. 3 zu § 15 GebG referierte hg. Rechtsprechung), und zwar aus folgenden Gründen:
Der Verwaltungsgerichtshof hatte sich (im Anwendungsbereich des § 59 Abs. 1 AVG) bereits vielfach mit der Frage zu befassen, was rechtens ist, wenn aus dem Bescheidspruch nicht klar und eindeutig entnommen werden kann, welcher von mehreren in Frage kommenden Tatbeständen von der Behörde für erfüllt erachtet wurde. Der Verwaltungsgerichtshof hat dazu klargestellt, dass es in einem solchen Fall darauf ankommt, dass sich aus der Bescheidbegründung zweifelsfrei ergeben muss, welchen konkreten Tatbestand die Behörde für verwirklicht angesehen hat (vgl. dazu insbesondere das bei Hauer/Leukauf, Handbuch5 unter E 8 zu § 59 AVG referierte hg. Erkenntnis vom 23. Oktober 1986, Zl. 86/02/0008, welches ebenfalls einen Fall betraf, in dem eine Gesetzesstelle zitiert worden war, ohne dabei eine von mehreren in Frage kommenden Ziffern der Bestimmung genau zu bezeichnen). Die Unterlassung der konkreten Anführung der angewendeten Gesetzesstelle im Spruch eines Bescheides belastet den Bescheid nur dann nicht mit Rechtswidrigkeit, wenn mit Rücksicht auf die Eindeutigkeit des Gegenstandes kein Zweifel daran bestehen kann, welche Vorschrift die Grundlage des erlassenen Bescheides gebildet hat. Lässt der Inhalt eines Bescheides eindeutig erkennen, auf welche gesetzlichen Vorschriften er sich gründet, muss der Bescheid als in Vollziehung der betreffend Norm erlassen angesehen werden, auch wenn er die angewendete Vorschrift nicht ausdrücklich nennt (vgl. dazu insbesondere die hg. Erkenntnisse vom 30. September 1998, Zl. 98/02/0077, 11. September 1998, Zlen. 97/19/1556 und 97/19/1523, vom 16. Februar 1994, Zl. 92/03/0257 sowie vom 29. Jänner 1992, Zl. 91/03/0260 uva). Diese Grundsätze haben auch für das Verfahren gemäß §§ 6 und 7 GEG zu gelten, weil es der rechtsstaatlich gebotene Rechtsschutz erfordert, dass dem Abgabenpflichtigen gegenüber eindeutig klargestellt wird, welchen Abgabentatbestand die Behörde für erfüllt erachtet.
Für den vorliegenden Fall kann in diesem Sinn nicht gesagt werden, dass es dem Abgabenpflichtigen gegenüber eindeutig klargestellt worden wäre, welcher Abgabentatbestand als verwirklicht angesehen wurde, weil der angefochtene Bescheid einerseits in Abs. 1 seiner Begründung die Bestimmung "TP 9 lit. b Z. 1" GGG anführt (für welchen Tatbestand die Beschwerdeführerin die Gebühr bereits entrichtet hatte) und in weiterer Folge sowohl den Vorgang der "Einverleibung des Eigentumsrechtes" für die Beschwerdeführerin als auch den der "Anmerkung der Rechtfertigung der unter B-LNr. 1 j eingetragenen Eigentumsvormerkung" erwähnt, ohne dass dazu näher begründet wird, welchen dieser beiden Eintragungsvorgänge die belangte Behörde im konkreten Fall als die Gebührenvorschreibung auslösend angesehen hat. Diese Unklarheit besteht insbesondere auch deshalb, weil sich die belangte Behörde im letzten Absatz ihrer Bescheidbegründung nur mit Fragen der Eintragung des Eigentumsrechtes in Fällen der Durchbrechung des Intabulationsgrundsatzes beschäftigt, die mit der Frage der Gebührenpflicht einer Eintragung der Anmerkung der Rechtfertigung eines vorgemerkten Rechtes nichts zu tun haben. Dies ließ jedenfalls aus der Sicht der Beschwerdeführerin den Verdacht aufkommen, dass im vorliegenden Fall tatsächlich die (bereits entrichtete) Gebühr für die Einverleibung des Eigentumsrechtes ein zweites Mal vorgeschrieben wurde.
Die unterlaufene Unklarheit belastet den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, was zu seiner Aufhebung gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG führen muss.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VO BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 30. März 2000
Schlagworte
Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Individuelle Normen und Parteienrechte Auslegung von Bescheiden und von Parteierklärungen VwRallg9/1 Inhalt des Spruches Allgemein Angewendete Gesetzesbestimmung Spruch und Begründung sachliche Zuständigkeit in einzelnen AngelegenheitenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1999160338.X00Im RIS seit
24.10.2001