TE Lvwg Erkenntnis 2018/1/25 LVwG-AV-1318/001-2017

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 25.01.2018
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

25.01.2018

Norm

BauO NÖ 2014 §6 Abs2
ZustG §17
ZustG §7

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch HR Mag. Janak-Schlager als Einzelrichter über die Beschwerde des MZ in ***, vertreten durch die CMS Reich-Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH in ***, gegen den Bescheid des Gemeindevorstandes der Marktgemeinde *** vom 12.09.2017, Zl. 2313/17, betreffend die Zurückweisung von Einwendungen in einem baubehördlichen Bewilligungsverfahren wegen Verspätung, zu Recht:

1.   Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) Folge gegeben und der Spruch des angefochtenen Bescheides dahingehend abgeändert, dass der Berufung gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde *** vom 17.07.2017, Zl. 1904/17, betreffend die Zurückweisung der Einwendungen vom 12.06.2017 im Bauverfahren des KZa über den Neubau eines Einfamilienhauses sowie geringfügige Änderungen des Geländes auf dem Gst.Nr. ***, KG ***, EZ ***, ***, ***, als verspätet, Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid ersatzlos aufgehoben wird.

2.   Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde *** vom 17.07.2017, Zl. 1904/17, wurden die Einwendungen des nunmehrigen Beschwerdeführers vom 12.06.2017 im Bauverfahren des KZa (im Folgenden: mitbeteiligte Partei) über den Neubau eines Einfamilienhauses sowie geringfügige Änderungen des Geländes auf dem Gst.Nr. ***, KG ***, EZ ***, ***, ***, gemäß § 22 Abs. 2 NÖ Bauordnung 2014 (NÖ BO 2014) als verspätet zurückgewiesen. Eine dagegen eingebrachte Berufung des Beschwerdeführers wurde mit Bescheid des Gemeindevorstandes der Marktgemeinde *** vom 12.09.2017, Zl. 2313/17, als unbegründet abgewiesen. In der Begründung ihres Bescheides führte die Berufungsbehörde im Wesentlichen aus, dass die Verständigung der Baubehörde über das gegenständliche Bauvorhaben dem Beschwerdeführer laut Rückschein am 26.05.2017 durch Hinterlegung zugestellt worden sei. In diesem Schreiben sei er auf seine Parteienrechte sowie die Tatsache hingewiesen worden, dass er Einwendungen gegen das Vorhaben binnen 14 Tagen ab Zustellung bei sonstigem Verlust der Parteistellung einzubringen habe. Die Einwendungen seien jedoch erst am 12.06.2017 um 16:34 Uhr, somit nach den Amtsstunden und nach Ablauf der Frist erhoben worden, daher als verspätet anzusehen.

Gegen diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer fristgerecht ein Rechtsmittel ergriffen und die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung sowie die Aufhebung des angefochtenen Bescheides zur Gänze beantragt. Begründend führte der Beschwerdeführer zusammengefasst aus, dass er davon ausgegangen sei, dass die erstmalige Bereithaltung zur Abholung am Postamt *** mit Montag, den 29.05.2017, erfolgt sei. An diesem Tag wäre es ihm erstmals möglich gewesen, das gegenständliche Schreiben der Baubehörde I. Instanz vom 22.05.2017 zu beheben. Folglich ergebe sich, dass eine rechtswirksame Zustellung im Sinne des Zustellgesetzes erst am 29.05.2017 bewirkt worden sei und damit die 14-tägige Frist zur Erhebung von Einwendungen erst am 12.06.2017 geendet habe. Die Einwendungen seien daher fristgerecht erhoben worden, zumal diese nicht nur per Telefax, sondern am 12.06.2017 auch mit eingeschriebener Briefsendung an die Baubehörde I. Instanz übermittelt worden wären.

Mit Schreiben der Marktgemeinde *** vom 19.10.2017 wurde der Verfahrensakt dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich zur Entscheidung über diese Beschwerde vorgelegt.

Da diese Beschwerde nicht zurückzuweisen bzw. das Beschwerdeverfahren nicht einzustellen war, hatte das Landesverwaltungsgericht NÖ darüber gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden.

Am 11.12.2017 fand dazu eine öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht NÖ, Außenstelle Wiener Neustadt, statt. Der Beschwerdeführer und seine Rechtsvertretung waren zur Verhandlung trotz nachweislicher Ladung unentschuldigt nicht erschienen. Beweis wurde erhoben durch Einvernahme der Zeugin NB, Zustellorgan der Österreichischen Post AG, durch Verlesung der „Verständigung über die Hinterlegung eines behördlichen Dokuments“ betreffend die Zustellung der Verständigung der Marktgemeinde *** zur GZ. BAU-19/2017 an den Beschwerdeführer und durch Einsichtnahme in den Bezug habenden Bauakt der Marktgemeinde ***.

Aufgrund des durchgeführten Beweisverfahrens hat das Landesverwaltungsgericht NÖ seiner Entscheidung nachstehenden Sachverhalt als erwiesen zugrunde gelegt:

Mit Bauansuchen der mitbeteiligten Partei vom 09.03.2017, bei der Marktgemeinde *** eingelangt am 21.04.2017, wurde um Erteilung der baubehördlichen Bewilligung für das Vorhaben „Neubau eines Einfamilienhauses und geringfügige Änderungen des Geländes im Bereich der Garagenabfahrt“ auf dem Bauplatz ***, Gst.Nr. ***, EZ ***, KG ***, unter Vorlage von Einreichplänen ersucht.

Mit der Verständigung des Bürgermeisters der Marktgemeinde *** vom 22.05.2017, Zl. BAU-19/2017, wurden die Nachbarn vom gegenständlichen Bauvorhaben gemäß § 22 Abs. 1 NÖ BO 2014 in Kenntnis gesetzt und wurde ihnen die Möglichkeit zur Einsichtnahme in den Antrag sowie die Beilagen eingeräumt. Die Nachbarn wurden zudem aufgefordert, eventuelle Einwendungen gegen das Vorhaben binnen 14 Tagen ab Zustellung der Verständigung bei der Marktgemeinde *** einzubringen, und darauf hingewiesen, dass die Bauverhandlung entfällt und die Parteistellung verloren geht, wenn innerhalb dieser Frist keine Einwendungen erhoben werden.

Hinsichtlich der an den Beschwerdeführer adressierten Ausfertigung dieser Verständigung erfolgte am 26.05.2017 ein Zustellversuch an der Abgabestelle in ***, ***. Nachdem der Beschwerdeführer von der Zeugin NB an der Abgabestelle nicht angetroffen worden war, wurde von ihr eine Verständigung über die Hinterlegung des Dokuments in die dort vorhandene Abgabeeinrichtung eingelegt und am Rückschein vermerkt, dass die Abholfrist am 26.05.2017 beginnt. Auf der in der Abgabeeinrichtung eingelegten, handschriftlich ausgefüllten Verständigung fehlt jedoch der Hinweis, ab welchem Tag das Dokument bei der Post-Geschäftsstelle in *** abholbereit ist.

Das hinterlegte Dokument wurde schließlich am 01.06.2017 von der Gattin des Beschwerdeführers bei der Post übernommen.

Mit Schreiben vom 12.06.2017 hat der Beschwerdeführer „Einwendungen“ gegen das Bauvorhaben der mitbeteiligten Partei erhoben und die Abführung einer Bauverhandlung sowie die Versagung der Baubewilligung beantragt. Dieses Schreiben wurde zum einen am 12.06.2017, um 16:34 Uhr, mittels Telefax an die Marktgemeinde *** übermittelt, zum anderen auch am 12.06.2017 als Einschreiben postalisch versendet.

In weiterer Folge ergingen seitens der Baubehörde die oben zitierten Bescheide, in welchen die Einwendungen vom 12.06.2017 aufgrund der am Rückschein dokumentierten Hinterlegung des Verständigungsschreibens am 26.05.2017 als verspätet qualifiziert wurden.

Der festgestellte Sachverhalt stützt sich dabei auf die nachstehende Beweiswürdigung:

Der Verlauf des Bauverfahrens über den Antrag der mitbeteiligten Partei vom 09.03.2017 ergibt sich aus dem unbedenklichen Verfahrensakt der Marktgemeinde ***.

Die Zustellung der Verständigung vom 22.05.2017 an den Beschwerdeführer wird durch die von der Österreichischen Post AG zur Verfügung gestellte Verständigung und die glaubwürdigen Aussagen der Zeugin NB dokumentiert. Die Zeugin gab zum Zustellvorgang an, dass es durchaus üblich sei, nicht zustellbare Sendungen noch am Tag des Zustellversuches ab 16:00 Uhr beim Postamt zur Abholung bereitzuhalten. Den Verständigungszettel habe sie selbst ausgefüllt, jedoch vergessen anzukreuzen, ab wann das konkrete Schriftstück abholbereit gewesen sei.

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat dazu Nachfolgende erwogen:

Gemäß § 70 Abs. 10 NÖ BO 2014 sind die am Tag des Inkrafttretens der Änderung der NÖ BO 2014, LGBl. Nr. 50/2017, anhängigen Verfahren nach den bisherigen Bestimmungen zu Ende zu führen.

§ 22 der NÖ BO 2014, in der Fassung LGBl. Nr. 1/2015, lautete auszugsweise:

„(1) Ergibt die Vorprüfung (§ 20), dass durch das geplante Vorhaben keine Rechte nach § 6 Abs. 2 und 3 beeinträchtigt werden können, dann entfällt die Bauverhandlung.

Die Baubehörde hat diese Feststellung 2 Wochen vor Erteilung der Baubewilligung den Nachbarn (§ 6 Abs. 1 Z 3 und 4) und dem Straßenerhalter (§ 6 Abs. 3) mitzuteilen. Durch die Mitteilung werden keine Nachbarrechte begründet.

Erfolgt diese Feststellung zu Unrecht, erlischt die Parteistellung, wenn keines der genannten Rechte innerhalb von 4 Wochen nach Baubeginn geltend gemacht wird.

(2) Zur Beschleunigung des Bewilligungsverfahrens darf die Bauverhandlung entfallen, wenn

?   die Baubehörde die Parteien nach § 6 Abs. 1 Z 3 und 4 (Nachbarn) […] von dem Einlangen eines Antrages nach § 14 unter Angabe von Zeit und Ort für die Einsichtnahme in den Antrag und seine Beilagen nachweislich verständigt, und

?   gleichzeitig die Parteien unter Hinweis auf den Verlust der Parteistellung aufgefordert werden, eventuelle Einwendungen gegen das Vorhaben binnen 2 Wochen ab Zustellung der Verständigung bei der Baubehörde einzubringen, und

?   innerhalb dieser Frist keine Einwendungen erhoben werden.

Werden keine zulässigen Einwendungen erhoben, erlischt die Parteistellung.

(…)“

Die Bestimmungen gemäß § 17 Zustellgesetz (ZustG) zur Hinterlegung von Dokumenten lauten:

„(1) Kann das Dokument an der Abgabestelle nicht zugestellt werden und hat der Zusteller Grund zur Annahme, dass sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, so ist das Dokument im Falle der Zustellung durch den Zustelldienst bei seiner zuständigen Geschäftsstelle, in allen anderen Fällen aber beim zuständigen Gemeindeamt oder bei der Behörde, wenn sie sich in derselben Gemeinde befindet, zu hinterlegen.

(2) Von der Hinterlegung ist der Empfänger schriftlich zu verständigen. Die Verständigung ist in die für die Abgabestelle bestimmte Abgabeeinrichtung (Briefkasten, Hausbrieffach oder Briefeinwurf) einzulegen, an der Abgabestelle zurückzulassen oder, wenn dies nicht möglich ist, an der Eingangstüre (Wohnungs-, Haus-, Gartentüre) anzubringen. Sie hat den Ort der Hinterlegung zu bezeichnen, den Beginn und die Dauer der Abholfrist anzugeben sowie auf die Wirkung der Hinterlegung hinzuweisen.

(3) Das hinterlegte Dokument ist mindestens zwei Wochen zur Abholung bereitzuhalten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Dokument erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Dokumente gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem das hinterlegte Dokument behoben werden könnte.

(4) Die im Wege der Hinterlegung vorgenommene Zustellung ist auch dann gültig, wenn die im Abs. 2 genannte Verständigung beschädigt oder entfernt wurde.“

Unterlaufen im Verfahren der Zustellung Mängel, so gilt die Zustellung zufolge § 7 ZustG als in dem Zeitpunkt dennoch bewirkt, in dem das Dokument dem Empfänger tatsächlich zugekommen ist.

Der erste Tag der Abholfrist ist nach dem letzten Satz des § 17 Abs. 2 ZustG vom Zusteller in der Verständigung anzugeben. Die ordnungsgemäße schriftliche Verständigung ist unabdingbare Voraussetzung der Zustellung durch Hinterlegung. Ist sie fehlerhaft und entspricht dadurch nicht dem Gesetz, bleibt die Hinterlegung ohne Wirkung (vgl. Erkenntnis des VwGH vom 18.05.2010, Zl. 2009/09/0127).

Eine abweichende Angabe zum Beginn der Abholfrist auf dem Rückschein ist ohne Belang, weil der Beginn der Abholfrist nicht auf dem Rückschein festgesetzt wird (vgl. Erkenntnis des VwGH vom 20.09.2005, Zl. 2005/05/0016). Eine Heilung dieses Zustellmangels gemäß § 7 ZustG ist jedoch möglich.

Im konkreten Fall bedeutet dies, dass eine rechtsgültige Zustellung mit 26.05.2017 aufgrund der unvollständigen Angaben auf der eingelegten Verständigung nicht bewirkt wurde und eine Heilung des Zustellmangels mit dem Zeitpunkt eingetreten ist, an dem das Dokument dem Beschwerdeführer, nach dessen Behebung durch seine Gattin am 01.06.2017, tatsächlich zugekommen ist.

Die 14-tägige Frist zur Erhebung von Einwendungen im hier vorliegenden Bauverfahren begann daher frühestens am 01.06.2017 zu laufen, weshalb sich der am 12.06.2017 übermittelte verfahrensgegenständliche Schriftsatz jedenfalls als rechtzeitig erweist.

Gegenstand des Beschwerdeverfahrens war lediglich die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der bekämpften Entscheidung im Hinblick auf die Rechtzeitigkeit des Einwendungsschreibens vom 12.06.2017. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers in diesem Schriftsatz zur Frage, ob damit überhaupt taugliche Einwendungen nach § 6 Abs. 2 NÖ BO 2014 erhoben wurden, ist dem erkennenden Gericht somit verwehrt.

Dem Rechtsmittel des Beschwerdeführers war aus den oben genannten Gründen der Erfolg daher nicht zu versagen und hatte die Korrektur des angefochtenen Berufungsbescheides, wie im Spruch ausgeführt, zu erfolgen.

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung nicht von der zitierten, als einheitlich zu wertenden Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht.

Schlagworte

Baurecht; Verfahrensrecht; Zustellmangel; Zustellnachweis; Abholfrist;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2018:LVwG.AV.1318.001.2017

Zuletzt aktualisiert am

10.04.2018
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten