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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §10 Abs6;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Breunlich, über die Beschwerde des P in W, vertreten durch Dr. Jörg Baumgärtel, Rechtsanwalt in Wien I, Himmelpfortgasse 14, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 1. Juli 1998, Zl. UVS-03/P/51/01831/97, betreffend Übertretungen der StVO und des KFG, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird, soweit sie sich auf Übertretungen der StVO und des KFG bezieht, als unbegründet abgewiesen.
Die Kostenentscheidung bleibt einer gesonderten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs vorbehalten.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 1. Juli 1998 wurde der Beschwerdeführer für schuldig erkannt, er habe am 14. Juli 1995 von 10.25 bis 10.27 Uhr ein dem Kennzeichen nach näher bestimmtes Kraftfahrzeug gelenkt und dabei an näher genannten Orten drei näher umschriebene Übertretungen der StVO, um 10.36 Uhr an einem näher genannten Anhalteort eine Übertretung des KFG sowie von 10.30 bis 10.35 Uhr eine Übertretung nach dem SPG begangen, weshalb über ihn fünf Geldstrafen (Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt wurden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof - im Hinblick auf die Zuständigkeit des erkennenden Senates -, soweit sie sich auf die Übertretungen der StVO und des KFG beziehen, erwogen hat:
Der Beschwerdeführer macht geltend, dass er vom Berufungsbescheid erst am 6. September 1999 Kenntnis erlangt habe. Zu diesem Zeitpunkt sei jedoch die Strafbarkeitsverjährung des § 31 Abs. 3 VStG eingetreten, weil ihm innerhalb der Dreijahresfrist ein Straferkenntnis nicht zugegangen sei. Ferner sei auch die Vorschrift des "§ 50 Abs. 7" (gemeint wohl: § 51 Abs. 7) VStG verletzt worden, weil die belangte Behörde nicht innerhalb einer Frist von 15 Monaten entschieden habe, sodass der Bescheid als behoben gelte und das Verfahren einzustellen sei.
In der erstatteten Gegenschrift führte die belangte Behörde u. a. aus, dass die Berufung gegen das erstinstanzliche Straferkenntnis laut Eingangsstempel am 15. April 1997 bei der Berufungseinbringungsbehörde eingelangt sei. Die Frist nach § 51 Abs. 7 VStG habe daher mit diesem Tag zu laufen begonnen und am 15. Juli 1998 geendet. Die nach § 31 Abs. 3 VStG normierte Frist habe - wie auch der Beschwerdeführer bestätige - am 14. Juli 1998 geendet. Der angefochtene Bescheid sei jedoch nicht, wie in der Beschwerde ausgeführt werde, erst am 6. September 1999, sondern im Rahmen einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 1. Juli 1998 verkündet worden. Damit sei der Berufungsbescheid aber ungeachtet des Umstandes, dass der Beschwerdeführer bei dieser Verhandlung nicht anwesend gewesen sei, zu diesem Termin erlassen worden.
In einer schriftlichen Äußerung zur Gegenschrift teilte der Beschwerdeführer mit, dass bei der (mündlichen) Verhandlung vom 23. Juni 1998 der Substitut des ausgewiesenen Vertreters "aus Terminnot" die Verhandlung vor deren Ende habe verlassen müssen. Bis dort hin sei weder bekannt gegeben worden, dass es zu einer weiteren Verhandlung kommen werde, noch, dass der ausgewiesene Vertreter von einer Verhandlung nicht mehr verständigt werde. Dem zufolge sei die öffentliche mündliche Verhandlung am 1. Juli 1998 nicht besucht worden. Durch diese Vorgangsweise sei dem ausgewiesenen Vertreter jede Möglichkeit genommen worden, der Verkündung beizuwohnen.
Ferner sei im angefochtenen Bescheid - so der Beschwerdeführer weiter - mit keinem Wort erwähnt worden, dass dieser Bescheid bereits am 1. Juli 1998 mündlich verkündet worden sei. Es diene auch nicht der Rechtssicherheit, nach einer öffentlichen mündlichen Verkündung eine derart lange Zeit verstreichen zu lassen. Von der Verhandlung, in der die "angebliche mündliche Verkündung" gewesen sei, habe der Beschwerdeführer keinerlei Protokoll erhalten, genau so nicht von der Verhandlung, bei welcher er anwesend gewesen sei.
Es entspricht allerdings der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass durch die Verkündung eines Bescheides auch in Abwesenheit der Parteien Verjährungsfristen gewahrt werden, sofern die Parteien ordnungsgemäß geladen waren; eine Verkündung ist nach § 67g AVG in Verbindung mit § 51f Abs. 2 VStG auch zulässig, wenn die Parteien nicht anwesend sind (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 25. Jänner 1995, Zl. 94/03/0292). Dies gilt auch hinsichtlich der Frist des § 51 Abs. 7 VStG (vgl. die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, S. 1066 zitierte hg. Judikatur).
Im Beschwerdefall hat sich der ausgewiesene Vertreter des Beschwerdeführers im Zuge der vor der belangten Behörde am 23. Juni 1998 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung vorzeitig - laut der den Verwaltungsakten zuliegenden Niederschrift um 09.40 Uhr - entfernt (Ende der Verhandlung um 10.12 Uhr), ohne dass ihm gegenüber der Verkündungstermin (für den 1. Juli 1998) kundgemacht wurde oder eine diesbezügliche Ladung erfolgte.
Allerdings war bei dieser Verhandlung vom 23. Juni 1998 auch der Beschwerdeführer persönlich anwesend und gab einen "Ladungsverzicht" für die auf den 1. Juli 1998 vertagte "Verhandlung zur Verkündung des Berufungsbescheides" bekannt.
Da der Beschwerdeführer im Verfahren vor der belangten Behörde einen ausgewiesenen Rechtsvertreter hatte, war die belangte Behörde auf Grund des § 9 Abs. 1 ZustG grundsätzlich gehalten, auch Ladungen zu mündlichen Verhandlungen an diesen Vertreter zu richten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Dezember 1996, Zlen. 96/02/0552, 0553), zumal nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs eine allgemeine Bevollmächtigung zur Vertretung auch die Ermächtigung zur Empfangnahme von Schriftstücken im Sinne des § 9 Abs. 1 ZustG beinhaltet (vgl. die bei Walter-Thienel, Verwaltungsverfahren, 2. Auflage, Band I, S. 1921, unter E 21 zu § 9 ZustG wiedergegebene hg. Judikatur).
Nach § 10 Abs. 6 AVG (in Verbindung mit § 24 VStG) schließt die Bestellung eines Bevollmächtigten allerdings nicht aus, dass der Vollmachtgeber im eigenen Namen Erklärungen abgibt. Es stand dem Beschwerdeführer daher frei, durch Erklärung eines "Ladungsverzichts" gegenüber der belangten Behörde auf jegliche (weitere) Ladung - auch mit Wirkung für seinen Vertreter - für die mündliche Verhandlung am 1. Juli 1998 zu verzichten. Die belangte Behörde war infolge des erklärten Ladungsverzichts somit nicht gehalten, den Beschwerdeführer bzw. dessen Rechtsvertreter zur mündlichen Verhandlung am 1. Juli 1998 zu laden. Es ist auf Grund des vom Beschwerdeführer erklärten Ladungsverzichts in Verbindung mit der Bekanntgabe eines neuen Verhandlungstermins gegenüber dem Beschwerdeführer anlässlich der mündlichen Verhandlung am 23. Juni 1998 von einer ordnungsgemäßen Ladung des Beschwerdeführers im Sinne des § 51f Abs. 2 VStG hinsichtlich der mündlichen Verhandlung am 1. Juli 1998 auszugehen, weshalb eine (vor Ablauf der Fristen nach § 31 Abs. 3 bzw. § 51 Abs. 7 VStG erfolgte) Verkündung der Berufungsentscheidung am 1. Juli 1998 - trotz Abwesenheit des Beschwerdeführers bzw. dessen Rechtsvertreters - zulässig war. Der angefochtene Bescheid wurde mit der Verkündung auch rechtlich existent (vgl. in diesem Zusammenhang auch den hg. Beschluss vom 2. August 1996, Zl. 95/02/0503).
Dem steht mangels gesetzlicher Regelung auch nicht entgegen, dass die am 1. Juli 1998 erfolgte Verkündung nicht in der Begründung des angefochtenen Bescheides erwähnt wurde bzw. dass zwischen der Verkündung und der Zustellung einer schriftlichen Ausfertigung des angefochtenen Bescheides an den Beschwerdeführer ein relativ langer Zeitraum vergangen ist. Auch die gerügte unterlassene Übermittlung von Abschriften von Niederschriften über die beiden vor der belangten Behörde abgehaltenen mündlichen Verhandlungen vermag an der Wirksamkeit der rechtzeitigen Verkündung des angefochtenen Bescheides nichts zu ändern.
Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie im dargestellten Umfang gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Im Hinblick auf die verschiedene Senatszuständigkeit bezüglich der Behandlung der gleichfalls im angefochtenen Bescheid entschiedenen Berufung gegen eine Übertretung nach dem SPG war die Entscheidung über den Kostenabspruch der weiteren Entscheidung durch den Verwaltungsgerichtshof betreffend die Behandlung dieser Angelegenheit vorzubehalten.
Wien, am 31. März 2000
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1999020298.X00Im RIS seit
20.11.2000