Entscheidungsdatum
26.03.2018Norm
AsylG 2005 §10Spruch
W202 2173018-1/13E
im namen der republik!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Bernhard SCHLAFFER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb.XXXX, StA. Indien, gegen die Spruchpunkte I. bis IV. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.09.2017, Zl. 1164090009/170948545, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 23.03.2018 zu Recht erkannt:
A)
I. Die Beschwerde wird gemäß §§ 3, 8, 10, 57 AsylG 2005 idgF, § 9 BFA-VG sowie §§ 46 und 52 FPG idgF abgewiesen.
II. Gemäß § 55 Abs. 2 FPG beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer, ein indischer Staatsangehöriger, stellte am 15.08.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz und wurde dazu am selben Tag durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes niederschriftlich einvernommen.
Zu seinem Fluchtgrund brachte der Beschwerdeführer im Zuge der Erstbefragung vor, dass am 06.06.2016 die Hindufundamentalisten vor ihrem Tempel einen Protest veranstaltet hätten und sie mit diesen einen Streit begonnen hätten. Bei diesem Streit sei der Beschwerdeführer verletzt worden. Im November oder Dezember 2016 hätten ihre Gegner ihr heiliges Buch zerrissen und es sei zu Unruhen gekommen. In diesem Streit seien mehrere Leute verletzt worden, darunter auch der Beschwerdeführer. Der Beschwerdeführer habe zudem jemanden verletzt. Ihr Anführer habe sie angewiesen, dass sie ihre Dörfer beobachteten und sich selbst verteidigten. In ihrem Dorf sei es dann zu Streitereien gekommen und der Beschwerdeführer sei attackiert worden, einmal im Jänner und einmal im Februar 2017. Am 11.03. seien die Wahlen gewesen und die Kongresspartei habe diese gewonnen. Diese Partei hätte sie nicht unterstützt und daher sei die Situation schlechter geworden. Sie hätten ihre Familie mehrmals bedroht und deswegen habe sein Vater zu ihm gesagt, dass er Indien verlassen solle. Im Falle einer Rückkehr in seine Heimat habe er Angst. Die Lage sei sehr schlecht, er könne nicht zurück nach Indien. Er sei von der Shiv Sena mit dem Leben bedroht worden.
Während seiner Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) am 14.09.2017 gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen Folgendes zu Protokoll (Fehler im Original):
" (...)F.: Haben Sie gegen eine der anwesenden Personen aufgrund einer möglichen Befangenheit oder aus sonstigen Gründen irgendwelche Einwände.
A.: Nein.
F.: Haben Sie Dokumente, welche Ihre Identität beweisen.
A.: Nein, denn ich habe nichts.
F.: Werden Sie im Verfahren von einem Rechtsanwalt vertreten.
A.: Nein.
F.: Haben Sie irgendwo außerhalb von Österreich um Asyl angesucht.
A.: Nein.
F.: Wie geht es Ihnen gesundheitlich?
A.: Mir geht es gut. Ich bin gesund.
F.: Befinden Sie sich in ärztlicher Behandlung oder sonst in Therapie?
A.: Nein.
F.: Nehmen Sie Medikamente?
A.: Nein.
F.: Sind sie einvernahmefähig. Sind Sie geistig und körperlich in der Lage heute die Einvernahme durchzuführen?
A.: Ja.
F.: Können Sie die lateinische Schrift lesen?
A.: Ja.
F.: Können Sie Deutsch.
A.: Nein.
F.: Verstehen Sie den Dolmetscher einwandfrei?
A.: Ja, ich spreche Panjabi und bin damit einverstanden, dass die Einvernahme heute in der Sprache Panjabi durchgeführt wird.
F.: Welche Sprachen, außer Panjabi sprechen Sie noch?
A.: Ich spreche Panjabi und Hindi und ein bisschen Englisch.
Ich wurde darauf aufmerksam gemacht, dass ich jederzeit bei Verständigungsschwierigkeiten beim Dolmetscher rückfragen kann.
Mir wird weiters zur Kenntnis gebracht, dass die nachträgliche Behauptung von Verständigungs-schwierigkeiten der freien Beweiswürdigung unterliegen.
Sollten Sie ein gültiges Reisedokument besitzen, wird Ihnen zur Kenntnis gebracht, dass ein entsprechender Gebrauch des Dokumentes, welcher ein Unterschutzstellen unter den Herkunftsstaat indiziert, einen Asyl-Aberkennungsgrund darstellen kann.
Mir wird mitgeteilt dass sämtliche mit der Einvernahme in Verbindung stehenden Organwalter (auch der Dolmetsch) gesetzlich über sämtliche von mir getätigten Angaben zur Verschwiegenheit verpflichtet sind und eine Verletzung dieser Verschwiegenheitspflicht mit Geld- und Freiheitsstrafe bedroht ist. Sie werden weiters darauf hingewiesen, dass Ihre Angaben im Asylverfahren vertraulich behandelt und nicht an die Behörden Ihres Heimatlandes weitergeleitet werden.
Ich wurde über die Möglichkeit der Zustellung eines Schriftstückes durch Hinterlegung im Akt aufgeklärt. Ich wurde auf die Bestimmungen des § 8 Abs. 2 und § 23 ZustellG hingewiesen und darauf, dass die Zustellung durch Hinterlegung bei der Behörde erfolgt, sollte Ihre Abgabestelle nicht bekannt sein.
Sollte ich über keine Abgabestelle verfügen, wird mir empfohlen, zumindest einmal pro Woche auf der Amtstafel des BFA nachzusehen, ob für mich ein Schriftstück hinterlegt wurde bzw. einen Zustellbevollmächtigten namhaft zu machen.
V.: Es ist unumgänglich, dass Sie die Wahrheit sagen, nichts verschweigen und alle zur Begründung des Antrages auf internationalen Schutz erforderlichen Anhaltspunkte selbständig und über Nachfrage wahrheitsgemäß darlegen.
Auf die Folgen einer wahrheitswidrigen Aussage und der damit verbundenen allenfalls für Sie nachteilig verlaufenden Glaubwürdigkeitsprüfung wurden Sie bereits und werden Sie auch heute erneut ausdrücklich hingewiesen.
Ebenso wurden Sie bereits und werden Sie auch heute erneut auf Ihre Mitwirkungspflichten gemäß § 15 AsylG 2005 und auf die Folgen einer allfälligen Verletzung der Mitwirkungspflichten hingewiesen. Falsche Angaben Ihre Identität bzw. Nationalität betreffend können strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Täuschungen über die Identität, die Nationalität oder über die Echtheit von Dokumenten können zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer rechtzeitig eingebrachten Berufung führen. Über die Rechtsfolgen und deren allgemeine nicht mögliche Einbringung neuer Tatsachen, in dem Fall, dass Ihrem Ersuchen um Gewährung von internationalem Schutz vom Bundesasylamt nicht nachgekommen wird (Neuerungsverbot) wurden Sie bereits im Zuge der Ersteinvernahme und werden Sie hiermit ebenfalls erneut hingewiesen.
F.: Sind Sie mit Recherchen unter Einhaltung der asyl- und datenschutzrechtlichen Bestimmungen in Ihrem Heimatstaat einverstanden?
A.: Ich erkläre mich ausdrücklich damit einverstanden, dass in meinem Herkunftsstaat unter Einhaltung der asyl- und datenschutzrechtlichen Bestimmungen Recherchen durchführt werden."
F.: Sind Sie für den Fall der Vorlage von Dokumenten mit deren vorläufiger Einbehaltung zwecks Übersetzung und Echtheitsüberprüfung einverstanden?
A.: Ja.
Danach gefragt, gebe ich an, ich bin Staatsbürger von Indien, gehöre der Volksgruppe der Punjabi und der Religion der Sikh an. Ich bin ledig und habe keine Kinder.
F.: Aus welchem Gebiet/welcher Region Ihres Heimatlandes kommen Sie?
A.: Ich wurde im Dorf XXXX geboren und bin dort aufgewachsen. Ich habe dort auch mein bisheriges Leben bis zu meiner Ausreise verbracht. Meine Adresse dort ist XXXX, Gemeinde XXXX, BezirkXXXX, Punjab, Indien.
F.: Sind Ihre Eltern Staatsbürger von Indien?
A.: Ja, auf Nachfrage gebe ich an, mein Vater heißt XXXX und meine Mutter heißt XXXX.
F.: Seit wann halten Sie sich in Österreich auf?
A.: Seit 14.08.2017.
F.: Wenn Sie im Besitz von Beweismitteln bzw. Identitätsdokumenten sind, legen Sie diese bitte vor.
A.: Ich habe keine Dokumente. Ich reiste mit meinem eigenen authentischen Reisepass aus Indien aus. Nachgefragt der Schlepper hat mir den Reisepass als ich in Russland war, abgenommen.
F.: Welche Schul- bzw. Berufsausbildung haben Sie, welchen Beruf haben Sie.
A.: Ich habe von Ende des Jahres 1991 bis 2006 die Schule besucht. Zuerst die Schule in XXXX und dann die Schule in XXXX. Nach der Schule habe ich zu Hause in der Landwirtschaft meines Vaters mitgearbeitet. Das habe ich bis zu meiner Ausreise aus Indien gemacht.
F.: Wann war der letzte Arbeitstag?
A.: Ich habe bis einen Tag vor meiner Ausreise gearbeitet. Da wir auch Tiere hatten gab es immer was zu tun.
F.: Wie lautet der Name des Vaters, Geburtsdatum und Wohnort?
A.: Mein Vater heißt XXXX, sein genaues Geburtsdatum ist mir nicht bekannt, er ist ca. 50 Jahre alt.
F.: Wie lautet der Name der Mutter, Geburtsdatum und Wohnort?
A.: Meine Mutter heißt XXXX, sie ist im Jänner 2015 verstorben. Ich weiß ihr Geburtsdatum nicht. 2015 war sie zwischen 45 und 50 Jahre alt.
F.: Wovon leben die Familie im Herkunftsland?
A.: Von der eigenen Landwirtschaft. Wir haben auch 5 Kühe. Wir haben außerdem noch ein Geschäftlokal vermietet. In diesem Geschäft wird Holz verkauft.
F.: Haben Sie Geschwister?
A.: Ich habe noch eine Schwester. Ihr Name ist XXXX. Ihr genaues Geburtsdatum weiß ich nicht. Sie wurde im Jahr 1991 geboren. Sie ist bereits verheiratet und wohnt mit Ihrer Familie in XXXX.
F.: Hat Ihr Vater Geschwister?
A.: Er hat eine Schwester. Sie lebt in der Stadt XXXX zusammen mit Ihrer Familie.
F.: Hatte Ihre Mutter Geschwister?
A.: Sie hat 3 Brüder und eine Schwester. Es wohnen alle zusammen mit Ihren Familien im Dorf XXXX.
F.: Sind alle Verwandten Punjabi und Angehörige der Sikh?
A.: Ja, alle.
F.: Schildern Sie kurz Ihren Reiseweg.
A.: Ich bin von meinem Heimatdorf nach XXXX und dann weiter nach Delhi mit dem Zug. Von Delhi bin ich mit dem Flugzeug nach Russland. Ausgemacht war mit dem Schlepper, dass ich nach London komme. Der Schlepper ist aber dann durch verschiedene Wälder auf einer mir unbekannten Route bis nach Österreich gereist. Ich wollte eigentlich nach London.
F.: Wo waren Sie die letzte Nacht vor ihrer Ausreise aufhältig?
A.: Ich war das Monat vor der Ausreise in Delhi. Der Schlepper hat in dieser Zeit meine Reise organisiert.
Auf Nachfrage gebe ich an, bei Pind Lopoke handelt es sich um ein Dorf mit ca. 10.000 Einwohnern. Die Einwohner sind mehrheitlich Punjabi und Angehörige Sikh.
F.: Beschreiben Sie Ihre Unterkunft.
A.: Meine Familie hat ein Haus mit 4 Zimmer, 2 Bäder, Küche, Toilette.
F.: Reisten Sie schlepperunterstützt nach Österreich ein?
A.: Ja.
F.: Warum wählten Sie Österreich?
A.: Ich hatte mit dem Schlepper vereinbart nach London zu kommen. Ich wollte eigentlich nicht nach Österreich.
F.: Geben Sie chronologisch und lückenlos die Aufenthaltsorte der letzten drei Jahre in Ihrer Heimat an.
A.: Immer im Heimatort.
F.: Haben Sie den von Ihnen angegebenen Familiennamen in Ihrem Herkunftsstaat auch schon geführt?
A.: Ja. Dieser Name ist auch in meinem Reisepass gestanden.
F.: Sind Sie in Ihrer Heimat vorbestraft?
A.: Nein.
F.: Standen Sie je vor Gericht?
A.: Nein.
F.: Waren Sie in Ihrem Heimatland inhaftiert?
A.: Nein.
F.: Hatten Sie Probleme mit den Behörden in der Heimat?
A.: Nein.
F.: Bestehen gegen Sie aktuelle staatliche Fahndungsmaßnahmen wie Aufenthaltsermittlung, Haftbefehl, Strafanzeige, Steckbrief, etc.?
A.: Nein.
F.: Sind oder waren Sie politisch tätig?
A.: Nein.
F.: Sind oder waren Sie Mitglied einer politischen Partei?
A.: Nein.
F.: Sind Sie Mitglied einer Organisation?
A.: Nein.
F.: Haben oder hatten Sie sonstige Probleme aufgrund eines Naheverhältnisses zu einer Organisation, das heißt einem Club oder Verein?
A.: Nein.
F.: Hatten Sie in ihrem Herkunftsstaat aufgrund Ihres Religionsbekenntnisses Probleme?
A.: Ja.
F.: Hatten Sie in Ihrem Heimatland Probleme aufgrund Ihrer Volksgruppenzugehörigkeit?
A.: Nein.
F.: Hatten Sie gröbere Probleme mit Privatpersonen (Blutfehden, Racheakte etc.)?
A.: Nein.
F.: Nahmen Sie in ihrem Heimatland an bewaffneten oder gewalttätigen Auseinandersetzungen teil?
A.: Nein.
F.: Schildern Sie die Gründe, warum sie Ihr Heimatland verlassen und einen Asylantrag gestellt haben, von sich aus vollständig und wahrheitsgemäß.
Sie werden darauf hingewiesen, dass falsche Angaben die Glaubwürdigkeit Ihres Vorbringens beeinträchtigen können.
Sollten Sie zu irgendeinem Zeitpunkt vor österreichischen Behörden falsche Angaben gemacht haben oder sollte es zu sonstigen Ungereimtheiten gekommen sein, so werden Sie aufgefordert, dies jetzt bekannt zu geben.
Soweit Sie auf Ereignisse Bezug nehmen, werden Sie auch aufgefordert, den Ort und die Zeit zu nennen, wann diese stattfanden und die Personen, die daran beteiligt waren.
A.: Ich bin Mitglied der Partei Saromani Akalidal Amratsar. Unsere Gegner sind die Hindu Fundamentalisten Shivsena. Im Juni 2016 haben die Hindu Fundamentalisten einen Protest vor unseren Tempel abgehalten wobei ich auch verletzt wurde. Im November oder Dezember 2016 haben unsere Gegner unser heiliges Buch zerrissen und es kam auch hier zu Unruhen. Ich wurde auch hier wieder verletzt und habe auch jemanden verletzt. Unser Führer hat uns angewiesen, dass wir auf unsere Dörfer und Tempel selbst aufpassen sollen. In meinem Dorf ist es dann im Jänner und Februar zu Streitereien gekommen, bei denen ich einmal im Feburar 2017 attackiert wurde. Am 11. März wurden dann Wahlen abgehalten. Bei den Wahlen hat dann die Partei Congress gewonnen. Wir haben dann auch von dieser Partei keine Unterstützung bekommen. Meine Familie wurde dann bedroht und mein Vater hat daher gesagt, es wäre besser, wenn ich das Land verlasse.
F.: Ist Ihr Vater auch Mitglied der Partei Saromani Akalidal Amratsar?
A.: Nein. Nur mein Großvater und ich sind Mitglied. Nachgefragt mein Großvater lebt auch in unserem Haus bei meinem Vater.
F.: Wurden Sie im Februar 2017 aufgrund dessen, dass Sie attackiert wurden, verletzt?
A.: Nein. Sie haben eigentlich nur unser Haus attackiert. Ich war nicht zu Hause. Ich habe gehört, dass mit Stangen gegen unser Haus geschlagen wurde. Es wurde niemand verletzt. Zu meinem Vater wurde gesagt, dass ich der Partei austreten soll.
F.: Wurden Sie im Juni 2016 / November bzw. Dezember 2016 verletzt?
A.: Im Juni 2016 bekam ich einen Schlag auf das rechte Bein. Man sieht davon jetzt nichts mehr. Ich hatte damals einige Tage Schmerzen. Im November bzw. Dezember 2016 bekam ich einen Schlag auf das linke Knie und auch auf den Kopf. Ich ging daraufhin in unserem Dorf zu einer Arzt Apotheke um mich dort ansehen zu lassen.
F.: Seit wann sind Sie Mitglied der Partei?
A.: Seit ungefähr 3 oder 4 Jahren.
F.: Was sind die Ziele der Partei?
A.: Die Partei möchte die Unabhängigkeit von Indien und eine autonome Regierung von Kalistan.
F.: Hatten Sie irgendwelche Probleme als Sie in Delhi waren?
A.: Nein.
V.: Lt. den der ho. Behörde vorligenden Informationen gehen die indischen Behörde rigoros gegen die Fundamentalisten vor. Was sagen Sie dazu?
A.: Das stimmt.
F.: Haben Sie versucht sich unter den Schutz der staatlichen Behörde zu stellen?
A.: Die Regierung ist eigentlich gegen uns. Die indische Regierung sind selbst Fundamentalisten.
F.: Wann reisten Sie aus Indien aus?
A.: Ich glaube es war Ende Mai 2017. Nachgefragt von Februar bis zu meiner Ausreise Ende Mai 2017 hatte ich keine Probleme.
F.: Wie geht es Ihrer Familie (Vater, Großvater, Schwester) aktuell?
A.: Gut. Es gibt keine Probleme. Der letzte Kontakt war erst gestern per Telefon. Nachgefragt seit meiner Ausreise aus Indien gab es überhaupt keine Probleme.
F.: Gibt es noch andere Gründe, warum Sie Ihren Herkunftsstaat verlassen haben?
A.: Nein.
F.: Haben Sie sämtliche Gründe, warum Sie die Heimat verlassen haben, vollständig geschildert?
A.: Ja.
F.: Gibt es aus Ihrer Sicht Gründe, die gegen eine Ausweisung sprechen? Haben Sie familiäre Interessen in Österreich?
A.: Ich habe niemanden hier.
F.: Leben Sie mit jemandem in Österreich zusammen, wenn ja, seit wann?
A.: Ja. Ich wohne in 4040 Linz, XXXXXXXX Ich wohne dort bei einem indischen Mann den ich in Linz in einem Tempel kennengelernt habe. Der Tempel befindet sich in Linz, XXXX. Die genaue Adresse weiß ich nicht.
F.: Haben Sie weitere Verwandte in Österreich?
A.: Ich habe hier keine Verwandten.
F.: Haben Sie private Interessen (Grundstücke, Firmen, Aktien) in Österreich? Wenn ja, konkretisieren Sie diese!
A.: Nein.
F.: Falls seitens ho. Behörde eine Rückkehrentscheidung erlassen wird, besteht Interesse an freiwilliger Ausreise?
A.: Nein.
F.: Sind Sie in irgendwelchen Vereinen tätig?
A.: Nein.
F.: Besuchten Sie in Österreich irgendwelche Kurse oder absolvierten sie eine Ausbildung?
A.: Nein.
F.: Von welchen finanziellen Mitteln bestreiten Sie Ihren derzeitigen Lebensunterhalt?
A.: Ich wohne privat.
F.: Sind Sie derzeit berufstätig?
A.: Ich arbeite nicht.
F.: Wurden Sie in Österreich jemals von einem Gericht verurteilt oder mit einem Aufenthaltsverbot oder einer Ausweisung belegt.
A.: Nein.
F.: Haben Sie sämtliche Gründe, die Sie veranlasst haben, Ihr Heimatland zu verlassen, vollständig geschildert.
A.: Ja.
F.: Wurde Ihnen ausreichend Zeit eingeräumt, Ihre Probleme vollständig und so ausführlich, wie Sie es wollten, zu schildern.
A.: Ja.
F.: Wollen Sie noch etwas angeben, was ihnen besonders wichtig erscheint.
A.: Nein.
F.: Über welche Vermögenswerte verfügen Sie (Schmuck, Bargeld, Wertgegenstände).
A.: Nichts.
F.: Welche Absichten haben Sie, wie stellen Sie sich Ihre Zukunft (in Österreich) vor?
A.: Hier ist es schön, ich will hier bleiben. In Zukunft möchte auch hier arbeiten.
V.: Sie werden darüber informiert, dass aus datenschutzrechtlichen Gründen keine telefonischen Auskünfte zu Ihrem Verfahren erteilt werden. Sie haben die Möglichkeit im Rahmen des Parteienverkehrs (Montag bis Freitag 08.00 - 12.00 Uhr) Akteneinsicht zu nehmen, sich schriftlich nach Ihrem Verfahren zu erkundigen oder über einen Vertreter Informationen einzuholen.
Ländervorhalt: Beiliegender Ländervorhalt wird der Antragstellerin/dem Antragsteller genannt und dessen Inhalt erörtert (die Unterlagen liegen auf und es kann in diese während der gesamten Einvernahme Einsicht genommen werden).
F.: Möchten Sie gleich zum Ländervorhalt Stellung nehmen oder möchten Sie innerhalb einer Stellungnahmefrist von 1 Woche Stellung nehmen.
A.: Ich verzichte darauf.
Nach erfolgter Rückübersetzung gebe ich an, dass meine Angaben richtig und vollständig sind.
F.: Haben Sie den Dolmetscher während der g e s a m t e n Einvernahme einwandfrei verstanden.
A.: Ja.
F.: Hat der Dolmetscher das rückübersetzt, was Sie gesagt haben.
A.: Ja.
F.: Wollen Sie an der Art der Einvernahme irgendetwas beanstanden.
Sie werden ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht, dass Ihnen Beanstandungen nicht zum Nachteil gereichen. Sie werden vielmehr darauf hingewiesen, dass nachträgliche Beanstandungen der freien Beweiswürdigung unterliegen und eventuell als Schutzbehauptungen qualifiziert werden können.
A.: Ich habe keine Beanstandungen. Ich habe eine Kopie der Niederschrift erhalten.
(...)"
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 18.09.2017 wies das Bundesamt den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gem. § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gem. § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien (Spruchpunkt II.) ab, erteilte einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. § 57 AsylG nicht, erließ gem. § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 2 Z 2 FPG und stellte fest, dass seine Abschiebung gem. § 46 FPG nach Indien zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gem. § 55 Abs. 1-3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).
Begründend führte das BFA aus, dass dem Vorbringen des Beschwerdeführers kein Glauben geschenkt werde. Für die von ihm behaupteten Vorfälle hätten trotz einer Google-Recherche und einer Recherche in den Datenbanken der Staatendokumentation keine Nachweise oder Bestätigungen gefunden werden können. Auch hätten weder im aktuellen Länderinformationsblatt noch anhand einer Google-Recherche Hinweise darauf gefunden werden können, dass Mitglieder der Shiromani Akali Dal Ziel von Repressalien von staatlicher Seite her wären. Wenn man bedenke, dass seine gesamte Familie, darunter sein Großvater, der laut seinen eigenen Angaben selbst Mitglied der Shiromani Akali Dal wäre, sein Vater und seine Schwester bis heute im Heimatdorf verblieben seien und seit ihrer Ausreise auch keinerlei Probleme gehabt hätten und auch er selbst berichtet habe, von Ende Dezember 2016 bis Ende April 2017 und einen weiteren Monat in Delhi bis zu seiner Ausreise Ende Mai 2017 keinerlei Probleme gehabt zu haben, so könne jedenfalls nicht von einer aktuellen, konkreten und maßgeblichen Verfolgungsgefahr ausgegangen werden. Die Behörde gehe jedenfalls nicht davon aus, dass eine Verfolgung aufgrund einer politischen Zugehörigkeit bestehe.
Rechtlich führte das BFA zu Spruchpunkt I. aus, dass der Beschwerdeführer keinerlei Umstände glaubhaft vorgebracht habe, die die Annahme rechtfertigen würden, dass er persönlich in seinem Heimatstaat Verfolgung im Sinne der GFK, das heiße, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung, ausgesetzt wäre. Aus der allgemeinen Lage in Indien eine Verfolgung seiner Person abzuleiten, wäre verfehlt, da die allgemeine Lage nicht dergestalt sei, dass grundsätzlich jeder Bürger des Landes einer Verfolgung oder akuten Verfolgungsgefahr ausgesetzt sei.
Zu Spruchpunkt II. führte das BFA aus, dass das Bestehen einer Gefährdungssituation bereits unter Spruchpunkt I. geprüft und verneint worden sei. Weder aus seinen Angaben noch aus den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens sei im konkreten Fall ersichtlich, dass jene gemäß der Judikatur des EGMR geforderte Exzeptionalität der Umstände vorliegen würde, um die Außerlandesschaffung seiner Person im Hinblick auf außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegende Gegebenheiten im Zielstaat im Widerspruch zu Art. 3 EMRK erscheinen zu lassen. Seine Existenz sei durch seine eigene Arbeitsfähigkeit und die familiäre Unterstützung gesichert.
Zu Spruchpunkt III. führte das Bundesamt aus, dem Beschwerdeführer werde eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" nach § 57 AsylG 2005 nicht erteilt.
Der Beschwerdeführer habe keine sozialen oder familiären Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet, es bestehe kein Eingriff in sein Familienleben. Weiters führte das Bundesamt eine Abwägung im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK durch und kam zu dem Schluss, dass die öffentlichen Interessen an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung die privaten Interessen des Beschwerdeführers überwiegen würden, sodass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung zulässig sei. Da eine Gefährdung im Sinne des § 50 FPG nicht vorliege, sei im Falle der Durchsetzbarkeit der Rückkehrentscheidung sowie bei Vorliegen der in § 46 Abs. 1 Z 1-4 FPG genannten Voraussetzungen seine Abschiebung nach Indien zulässig.
Der Beschwerdeführer erhob gegen den gegenständlichen Bescheid rechtzeitig Beschwerde.
Nach Zusammenfassung seines bisherigen Vorbringens führte die Beschwerde aus, dass die Aussagen des Beschwerdeführers der Wahrheit entsprächen und die Furcht des Beschwerdeführers in seinem Herkunftsland wohlbegründet sei. Die Befürchtungen des Beschwerdeführers verletzt, misshandelt oder getötet zu werden, seien nicht spekulativ sondern realistisch. Eine von Privatpersonen ausgehenden Verfolgung könne Asylrelevanz zukommen, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage sei diese Verfolgungshandlungen zu unterbinden. Im Fall des Beschwerdeführers sei eine Verfolgung mit entsprechender Intensität aufgrund von Konventionsgründen durch Dritte mit ausreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten. Die allgemeine Situation in seiner Heimat sei weiterhin und möglicherweise verschärft massiv instabil und eine Abschiebung des Beschwerdeführers wäre unverantwortlich.
Der Beschwerdeführer bemühe sich um einen legalen Aufenthalt in Österreich, habe bisher stets mit den Behörden kooperiert, stehe zu den westlichen und demokratischen Werten und fühle sich in Österreich sehr wohl. Er habe soziale Kontakte zu Österreichern geknüpft und habe familienähnliche Bindungen. Auch werde der Beschwerdeführer von seinen Freunden in jeder Angelegenheit unterstützt und bestehe eine finanzielle Abhängigkeit. Er sei in sozialer und gesellschaftlicher Art und Weise sehr gut im Bundesgebiet integriert. Eine Ausweisung würde in Anbetracht der vollständigen Integration in die privatrechtlichen Belange eingreifen. Der Beschwerdeführer sei arbeitsfähig und arbeitswillig und im Falle der Erteilung eines Aufenthaltstitels werde er keine Belastung für eine Gebietskörperschaft darstellen. Der Beschwerdeführer erfülle zahlreiche Kriterien für die Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen. Die Behörde sei ihrer Ermittlungspflicht nicht nachgekommen.
Die Beschwerde beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge den bekämpften Bescheid dahingehend abändern, dass dem Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz Folge gegeben und ihm der Status des Asylberechtigten, in eventu der Status des subsidiär Schutzberechtigten erteilt werde, in eventu, den Bescheid zu beheben und zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt zurückzuverweisen, in eventu dem Beschwerdeführer einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. § 57 AsylG zu erteilen zu erteilen sowie eine mündliche Beschwerdeverhandlung anzuberaumen.
Am 23.03.2018 führte das Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, zu der der Beschwerdeführer unentschuldigt nicht erschienen ist.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Indien. Er stammt aus dem Punjab und bekennt sich zum Sikhismus. In seiner Heimat besuchte er 14 Jahre lang die Schule. Danach half der Beschwerdeführer in der familieneigenen Landwirtschaft mit. Diese Arbeit verrichtete der Beschwerdeführer bis einen Tag vor dem Beginn seiner Ausreise. In Indien halten sich sein Vater, seine Schwester sowie weitere Verwandte des Beschwerdeführers auf. Der Beschwerdeführer verließ Ende Mai 2017 sein Heimatland und reiste per Flugzeug vom Flughafen Delhi nach Russland aus. Über den Landweg gelangte der Beschwerdeführer schließlich in das Bundesgebiet, wo er am 14.08.2017 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte.
Eine konkrete Gefährdung des Beschwerdeführers in seiner Heimat Indien konnte nicht festgestellt werden.
Anhaltspunkte für eine fortgeschrittene Integration des Beschwerdeführers liegen nicht vor. Der Beschwerdeführer verfügt im Bundesgebiet über keinerlei Familienangehörige, er lebt auch nicht in einer Lebensgemeinschaft. Der Beschwerdeführer ist gesund und erwerbsfähig.
Zur Lage in Indien:
Politische Lage
Indien ist mit über 1,2 Milliarden Menschen und einer multireligiösen und multiethnischen Gesellschaft die bevölkerungsreichste Demokratie der Welt (CIA Factbook 12.12.2016; vgl. auch: AA 16.8.2016, BBC 27.9.2016). Die - auch sprachliche - Vielfalt Indiens wird auch in seinem föderalen politischen System reflektiert, in welchem die Macht von der Zentralregierung und den Bundesstaaten geteilt wird (BBC 27.9.2016). Die Zentralregierung hat deutlich größere Kompetenzen als die Regierungen der Bundesstaaten (AA 9.2016a). Im Einklang mit der Verfassung haben die Bundesstaaten und Unionsterritorien ein hohes Maß an Autonomie und tragen die Hauptverantwortung für Recht und Ordnung (USDOS 13.4.2016). Die Hauptstadt New Delhi hat einen besonderen Rechtsstatus (AA 9.2016a).
Die Gewaltenteilung zwischen Parlament und Regierung entspricht britischem Muster (AA 16.8.2016), der Grundsatz der Gewaltenteilung von Legislative, Exekutive und Judikative ist durchgesetzt (AA 9.2016a). Die Unabhängigkeit der Gerichtsbarkeit, die über einen dreistufigen Instanzenzug verfügt, ist verfassungsmäßig garantiert (AA 16.8.2016). Das oberste Gericht in New Delhi steht an der Spitze der Judikative (GIZ 11.2016). Die Entscheidungen der staatlichen Verwaltung (Bürokratie, Militär, Polizei) unterliegen überdies der Kontrolle durch die freie Presse des Landes, die nicht nur in den landesweiten Amtssprachen Hindi und Englisch, sondern auch in vielen der Regionalsprachen publiziert wird. Indien hat zudem eine lebendige Zivilgesellschaft (AA 9.2016a).
Indien ist eine parlamentarische Demokratie und verfügt über ein Mehrparteiensystem und ein Zweikammerparlament (USDOS 13.4.2016). Die Legislative besteht aus einer Volkskammer (Lok Sabha) und einer Staatenkammer (Rajya Sabha). Darüber hinaus gibt es Parlamente auf Bundesstaatsebene (AA 16.8.2016).
Der Präsident ist das Staatsoberhaupt und wird von einem Wahlausschuss gewählt, während der Premierminister Leiter der Regierung ist (USDOS 13.4.2016). Das Präsidentenamt bringt vor allem repräsentative Aufgaben mit sich, im Krisenfall verfügt der Präsident aber über weitreichende Befugnisse. Seit Juli 2012 ist Präsident Pranab Kumar Mukherjee indisches Staatsoberhaupt (AA 9.2016a). Das wichtigste Amt innerhalb der Exekutive bekleidet aber der Premierminister (GIZ 11.2016).
Wahlen zum Unterhaus finden nach einfachem Mehrheitswahlrecht ("first-past-the-post") alle fünf Jahre statt, zuletzt im April/Mai 2014 mit knapp 830 Millionen Wahlberechtigten (AA 16.8.2016). Dabei standen sich drei große Parteienbündnisse gegenüber: Die United Progressive Alliance (UPA) unter Führung der Kongresspartei, die National Democratic Alliance (NDA) unter Führung der Bharatiya Janata Party (BJP - Indische Volkspartei) und die so genannte Dritte Front, die aus elf Regional- und Linksparteien besteht sowie die aus einem Teil der India-Against-Corruption-Bewegung hervorgegangene Aam Aadmi Party (AAP) (GIZ 11.2016; vgl. auch: FAZ 16.5.2014). Abgesehen von kleineren Störungen, verliefen die Wahlen korrekt und frei (AA 16.8.2016).
Als deutlicher Sieger mit 336 von 543 Sitzen löste das Parteienbündnis NDA (AA 16.8.2016), mit der hindu-nationalistischen BJP (AA 9.2016a) als stärkster Partei (282 Sitze), den Kongress an der Regierung ab (AA 16.8.2016). Die seit 2004 regierende Kongress-geführte Koalition unter Manmohan Singh erlitt hingegen große Verluste, womit Sonia Gandhi und Sohn Rahul nun auf die Oppositionsbank rücken (Eurasisches Magazin 24.5.2014; vgl. auch:
FAZ 16.5.2014, GIZ 11.2016). Die AAP, die 2013 bei der Wahl in Delhi 28 von 70 Sitzen erringen konnte, errang landesweit nun nur vier Sitze (GIZ 11.2016; vgl. auch: FAZ 16.5.2014). Der BJP Spitzenkandidat, der bisherige Ministerpräsident von Gujarat, Narendra Modi, wurde zum Premierminister gewählt (AA 16.8.2016) und steht seit 16.5.2014 (GIZ 11.2016) einem 65-köpfigen Kabinett vor (AA 16.8.2016).
Die seit 2014 im Amt befindliche neue Regierung will nicht nur den marktwirtschaftlichen Kurs fortsetzen, sondern ihn noch intensivieren, indem bürokratische Hemmnisse beseitigt und der Protektionismus verringert werden soll. Ausländische Investoren sollen verstärkt aktiv werden (GIZ 12.2016).
Unter Premierminister Modi betreibt Indien eine aktivere Außenpolitik als zuvor. Die frühere Strategie der "strategischen Autonomie" wird zunehmend durch eine Politik "multipler Partnerschaften" mit allen wichtigen Ländern in der Welt überlagert. Wichtigstes Ziel der indischen Außenpolitik ist die Schaffung eines friedlichen und stabilen globalen Umfelds für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes und die Profilierung als aufstrebende Großmacht (AA 9.2016b). Ein ständiger Sitz im VN-Sicherheitsrat ist dabei weiterhin ein strategisches Ziel (GIZ 12.2016). Gleichzeitig strebt Indien eine stärkere regionale Verflechtung mit seinen Nachbarn an. Indien ist Dialogpartner der südostasiatischen Staatengemeinschaft (Association of Southeast Asian Nations - ASEAN) und Mitglied im "ASEAN Regional Forum" (ARF). Auch bilateral hat Indien in den letzten Monaten seine Initiativen in den Nachbarländern verstärkt. Überdies nimmt Indien am East Asia Summit und seit 2007 auch am Asia-Europe Meeting (ASEM) teil. In der BRICS-Staatengruppe (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika) hat Indien im Februar 2016 von Russland den diesjährigen Vorsitz übernommen. Bei ihrem Treffen in Ufa im Juli 2015 beschloss die Shanghai Cooperation Organisation (SCO), Indien und Pakistan nach Abschluss der Beitrittsprozeduren als Vollmitglieder aufzunehmen (AA 9.2016b).
Die Beziehungen zum gleichfalls nuklear gerüsteten Nachbarn Pakistan haben sich jüngst erneut zugespitzt. In den Jahrzehnten seit der Unabhängigkeit haben sich wiederholt Phasen des Dialogs und der Spannungen bis hin zur kriegerischen Auseinandersetzung abgelöst.
Größtes Hindernis für eine Verbesserung der Beziehungen ist weiterhin das Kaschmirproblem (AA 9.2016b).
Indien ist durch das Nuklearabkommen mit den USA ein Durchbruch gelungen. Obwohl es sich bis heute weigert, dem Atomwaffensperrvertrag beizutreten, bedeutet das Abkommen Zugang zu Nukleartechnologie. Ebenfalls positiv hat sich das Verhältnis Indiens zu China entwickelt. Zwar sind die strittigen Grenzfragen noch nicht geklärt, aber es wurden vertrauensbildende Maßnahmen vereinbart, um zumindest in dieser Frage keinen Konflikt mehr herauf zu beschwören. Auch ist man an einer weiteren Steigerung des bilateralen Handels interessiert, der sich binnen eines Jahrzehnts mehr als verzehnfacht hat (GIZ 12.2016).
Die Beziehungen zu Bangladesch sind von besonderer Natur, teilen die beiden Staaten doch eine über 4.000 km lange Grenze, kontrolliert Indien die Oberläufe der wichtigsten Flüsse Bangladeschs, und war Indien maßgeblich an der Entstehung Bangladeschs beteiligt. Schwierige Fragen wie Transit, Grenzverlauf, ungeregelter Grenzübertritt und Migration, Wasserverteilung und Schmuggel werden in regelmäßigen Regierungsgesprächen erörtert. Die Beziehungen des Landes zur EU sind vor allem in wirtschaftlicher Hinsicht von besonderer Bedeutung. Die EU ist der größte Handels- und Investitionspartner Indiens. Der Warenhandel in beide Richtungen hat sich faktisch stetig ausgeweitet (GIZ 12.2016).
Quellen:
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AA - Auswärtiges Amt (16.8.2016): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien
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AA - Auswärtiges Amt (9.2016a): Indien, Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/sid_AC539C62A8F3AE6159C84F7909652AC5/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Indien/Innenpolitik_node.html, Zugriff 5.12.2016
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AA - Auswärtiges Amt (9.2016b): Indien, Außenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/sid_F210BC76845F7B2BE813A33858992D23/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Indien/Aussenpolitik_node.html, Zugriff 29.12.2016
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BBC - British Broadcasting Corporation (27.9.2016): India country profile - Overview,
http://www.bbc.co.uk/news/world-south-asia-12557384, Zugriff 5.12.2016
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CIA - Central Intelligence Agency (15.11.2016): The World Factbook
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India,
https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/in.html, Zugriff 9.1.2017
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Eurasisches Magazin (24.5.2014): Wohin geht die größte Demokratie der Erde?,
http://www.eurasischesmagazin.de/artikel/Indien-nach-den-Wahlen-eine-Analyse/14017, Zugriff 4.1.2017
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FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung (16.5.2014): Modi ist Mann der Stunde,
http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/fruehaufsteher/wahlentscheid-in-indien-modi-ist-der-mann-der-stunde-12941572.html, Zugriff 4.1.2017
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GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (12.2016): Indien,
http://liportal.giz.de/indien/geschichte-staat.html, Zugriff 5.12.2016
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GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmBH (11.2016): Indien, Wirtschaftssystem und Wirtschaftspolitik, http://liportal.giz.de/indien/wirtschaft-entwicklung/, Zugriff 5.12.2016
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USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - India, http://www.ecoi.net/local_link/322482/461959_de.html, Zugriff 5.12.2016
Sicherheitslage
Indien ist reich an Spannungen entlang von Ethnien, Religionen, Kasten und auch Lebensperspektiven. Widersprüche, Gegensätze oder Konflikte entladen sich in den gesellschaftlichen Arenen und werden von der Politik aufgegriffen, verarbeitet und teilweise instrumentalisiert (GIZ 11.2016). Blutige Terroranschläge haben in den vergangenen Jahren in Indiens Millionen-Metropolen wiederholt Todesopfer gefordert (Eurasisches Magazin 24.5.2014). Die Spannungen im Nordosten des Landes gehen genauso weiter wie die Auseinandersetzung mit den Naxaliten (GIZ 11.2016). Das staatliche Gewaltmonopol wird gebietsweise von den Aktivitäten der "Naxaliten" in Frage gestellt (AA 16.8.2016).
Terroristische Anschläge in den vergangenen Jahren (Dezember 2010 in Varanasi, Juli 2011 Mumbai, September 2011 New Delhi und Agra, April 2013 in Bangalore, Mai 2014 Chennai und Dezember 2014 Bangalore) und insbesondere die Anschläge in Mumbai im November 2008 haben die Regierung unter Druck gesetzt. Von den Anschlägen der letzten Jahre wurden nur wenige restlos aufgeklärt und die als Reaktion auf diese Vorfälle angekündigten Reformvorhaben zur Verbesserung der indischen Sicherheitsarchitektur wurden nicht konsequent umgesetzt (AA 24.4.2015). Das South Asia Terrorism Portal verzeichnet in einer Aufstellung für das Jahr 2011 1.073 Todesopfer durch terrorismusrelevante Gewalt, für das Jahr 2012 803, für das Jahr 2013 885, für das Jahr 2014 976 für das Jahr 2015 722 und für das Jahr 2016 835 [Anmerkung: die angeführten Zahlen beinhalten Zivilisten, Sicherheitskräfte und Terroristen] (SATP 9.1.2017).
Konfliktregionen sind Jammu und Kashmir, die nordöstlichen Regionen und der maoistische Gürtel. In Jharkhand und Bihar setzten sich die Angriffe von maoistischen Rebellen auf Sicherheitskräfte und Infrastruktur fort. In Punjab kam es bis zuletzt durch gewaltbereite Regierungsgegner immer wieder zu Ermordungen und Bombenanschlägen. Neben den islamistischen Terroristen tragen die Naxaliten (maoistische Untergrundkämpfer) zur Destabilisierung des Landes bei. Von Chattisgarh aus kämpfen sie in vielen Unionsstaaten (von Bihar im Norden bis Andrah Pradesh im Süden) mit Waffengewalt gegen staatliche Einrichtungen. Im Nordosten des Landes führen zahlreiche Separatistengruppen einen Kampf gegen die Staatsgewalt und fordern entweder Unabhängigkeit oder mehr Autonomie (United Liberation Front Assom, National Liberation Front Tripura, National Socialist Council Nagaland, Manipur People's Liberation Front etc.). Der gegen Minderheiten wie Moslems und Christen gerichtete Hindu-Radikalismus wird selten von offizieller Seite in die Kategorie Terror eingestuft, vielmehr als "communal violence" bezeichnet (ÖB 12.2016).
Gegen militante Gruppierungen, die meist für die Unabhängigkeit bestimmter Regionen eintreten und/oder radikalen Auffassungen anhängen, geht die Regierung mit großer Härte und Konsequenz vor. Sofern solche Gruppen der Gewalt abschwören, sind in der Regel Verhandlungen über ihre Forderungen möglich. Gewaltlose Unabhängigkeitsgruppen können sich politisch frei betätigen (AA 16.8.2016).
Pakistan und Indien
Pakistan erkennt weder den Beitritt Jammu und Kaschmirs zur indischen Union im Jahre 1947 noch die seit dem ersten Krieg im gleichen Jahr bestehende de-facto-Aufteilung der Region auf beide Staaten an. Indien hingegen vertritt den Standpunkt, dass die Zugehörigkeit Jammu und Kaschmirs in seiner Gesamtheit zu Indien nicht zur Disposition steht (AA 9.2016b). Seit 1947 gab es bereits drei Kriege, davon zwei aufgrund des umstrittenen Kaschmirgebiets. Friedensgespräche, die 2004 begannen, wurden trotz Spannungen wegen der Kaschmirregion und sich immer wieder ereignenden schweren Bombenaschlägen bis zu den von Islamisten durchgeführten Anschlägen in Mumbai 2008, fortgesetzt (BBC 27.9.2016).
Indien wirft Pakistan vor, Infiltrationen von Terroristen auf indisches Staatsgebiet zumindest zu dulden, wenn nicht zu befördern. Größere Terroranschläge in Indien in den Jahren 2001 und 2008 und der jüngste terroristische Angriff auf eine Militärbasis im indischen Teil Kaschmirs hatten die Spannungen in den bilateralen Beziehungen erheblich verschärft. Indien reagierte auf den Anschlag, bei dem 18 indische Soldaten ums Leben kamen, mit einer begrenzten Militäroperation ("surgical strike") im pakistanisch kontrollierten Teil Kaschmirs, die sich nach indischen Angaben gegen eine bevorstehende terroristische Infiltration richtete. In der Folge kommt es immer wieder zu Schusswechseln zwischen Truppenteilen Indiens und Pakistans an der Waffenstillstandslinie in Kaschmir. Indien sieht Pakistan in der Verantwortung für die terroristischen Bedrohungen an seiner Nordwestgrenze und erhöht den Druck auf den Nachbarn, um wirksame pakistanische Maßnahmen gegen den Terrorismus zu erreichen (AA 9.2016b). Bei einem Treffen in New York Ende September 2013 vereinbarten die Premierminister Singh und Sharif lediglich, den Waffenstillstand künftig besser einhalten zu wollen (GIZ 11.2016a). Der von 2014-2015 Hoffnung gebende Dialogprozess zwischen beiden Seiten ist über die aktuellen Entwicklungen zum Stillstand gekommen. Noch am Weihnachtstag 2015 hatte Premierminister Modi seinem pakistanischen Amtskollegen einen Überraschungsbesuch abgestattet und damit kurzzeitig Hoffnungen auf eine Entspannung aufkeimen lassen (AA 9.2016b).
Quellen:
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AA - Auswärtiges Amt (24.4.2015): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Indien
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AA - Auswärtiges Amt (16.8.2016): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien
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AA - Auswärtiges Amt (9.2016b): Indien - Außenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/sid_09493FC61FD08185D486477F8D93E1EE/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Indien/Aussenpolitik_node.html, Zugriff 5.12.2016