Entscheidungsdatum
27.03.2018Norm
B-VG Art.133 Abs4Spruch
W209 2011034-1/10E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Reinhard SEITZ als Vorsitzenden und den Richter Mag. Harald WÖGERBAUER sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Gerald SOMMERHUBER als Beisitzer in der Beschwerdesache XXXX , vertreten durch Haßlinger Haßlinger & Planic Rechtsanwälte, Obere Schmiedgasse 7, 8530 Deutschlandsberg, gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Kärnten, vom 04.07.2014, GZ: 610-826061-001, betreffend Abweisung eines Antrages auf Entschädigung nach dem Impfschadengesetz gemäß §§ 1b und 3 Impfschadengesetz beschlossen:
A)
In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Sozialministeriumservice zurückverwiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. XXXX , VSNR XXXX , (in der Folge der Beschwerdeführer) hat am 15.01.2013 beim Sozialministeriumservice, Landesstelle Steiermark, einen Antrag auf Versorgung nach dem Heeresversorgungsgesetz (HVG) gestellt, welcher an die Landesstelle Kärnten (in der Folge die belangte Behörde) zur Überprüfung des Anspruches nach dem Impfschadengesetz weitergeleitet wurde. Dem Antrag lag das Vorbringen zu Grunde, der Beschwerdeführer sei am 04.10.2012 gegen Hepatitis A und B sowie Meningokokken geimpft worden und in der Folge am Guillain Barre Syndrom erkrankt.
2. In einem von der belangten Behörde eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten wird von Univ. Prof. Dr. XXXX , Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie, (im Folgenden Univ. Prof. Dr. M.A.) basierend auf der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers vom 03.07.2013, im Ergebnis ausgeführt, dass das Guillain Barre Syndrom nach Hepatitis Impfungen in einem von 10.000 Fällen zu tragen komme. Ein zeitlicher Zusammenhang zwischen der Impfung und dem Beginn der Symptomatik sei grundsätzlich möglich, da der Beschwerdeführer 24 Tage nach der Impfung an diesem Syndrom erkrankt sei, jedoch betrage die normale Inkubationszeit zwischen zwei und drei Wochen. Ein Guillain Barre Syndrom entwickle sich typischerweise als autoimmunologische Erkrankung in Reaktion auf einen durchgemachten Infekt und in der Behandlungskartei des Beschwerdeführer sei ein grippaler Infekt eingetragen gewesen. Da der Beschwerdeführer am 04.10.2012 zwei Impfungen erhalten habe, am 16.10.2012 eine Behandlung eines grippalen Infekts begonnen habe und am 22.10.2012 sich beginnende Symptome eines Guillain Barre Syndroms gezeigt hätten, sei wahrscheinlich anzunehmen, dass das Guillain Barre Syndrom als autoimmunologische Reaktion auf diesen grippalen Infekt anzusehen sei.
4. Im Rahmen des von der belangten Behörde eingeräumten Parteiengehörs hat der Beschwerdeführer die Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens aus jenem Fachgebiet, in dessen Bereich die Beurteilung der autoimmunologischen Reaktionen fällt, beantragt und hierzu vorgebracht, die Beurteilung, ob eine autoimmunologische Reaktion auf den angeblichen grippalen Infekt zurückzuführen sei, sei nicht durch eine Sachverständige aus dem Fachbereich der Neurologie und Psychiatrie zu beurteilen. Der Befund "grippaler Infekt" sei darüber hinaus eine Fehldiagnose gewesen und der Beschwerdeführer habe bereits am Guillain Barre Syndrom gelitten, es habe aber kein ärztliches Interesse daran bestanden, einen Zusammenhang zwischen der Impfung und dem Guillain Barre Syndrom herzustellen. Daher sei die Schlussfolgerung der Sachverständigen auch dahingehend falsch, dass die neurologische Symptomatik erst 11 bis 12 Tage später aufgetreten sei, sondern es wäre vielmehr bei ordnungsgemäßer Begutachtung bereits anstatt der Diagnose grippaler Infekt die Diagnose Guillain Barre Syndrom zu stellen gewesen. Zum Beweis hierfür beantragte der Beschwerdeführer die Einvernahme Dris. XXXX (in weitere Folge Dr. P.F.), jener praktischer Arzt, der die richtige Diagnose gestellt habe und den Beschwerdeführer auf das Guillain Barre Syndrom hin behandelt habe.
5. In der von der belangten Behörde zur Überprüfung der Einwendungen eingeholten medizinischen Stellungnahme vom 27.05.2014 wird von der leitenden Ärztin Dr. XXXX (im Folgenden Dr. G.A.) im Wesentlichen ausgeführt, dass das eingeholte Sachverständigengutachten schlüssig und die zusätzliche Befragung eines praktischen Arztes nicht erforderlich sei. Das Guillain Barre Syndrom stehe mit großer Wahrscheinlichkeit im Zusammenhang mit dem eindeutig aus den Behandlungsunterlagen hervorgehenden grippalen Infekt.
6. Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde den Antrag auf Entschädigung nach dem Impfschadengesetz gemäß § 1b und § 3 Impfschadengesetz abgewiesen. Die gesetzlichen Bestimmungen zitierend führt die belangte Behörde aus, dass die angeschuldigten Impfungen gegen Hepatitis B als auch gegen Meningokokken einer Impfung im Sinne des § 1b Impfschadengesetz entspreche. Da die zum Zeitpunkt der Vornahme der Impfung geltende Verordnung BGBl. II Nr. 148/2012 die Impfung Hepatitis A nicht umfasst habe, stelle diese keine empfohlene Impfung im Sinne des § 1b Impfschadengesetz dar, weswegen eine Entschädigung schon aus diesem Grund ausscheide. Das eingeholte Sachverständigengutachten von Univ. Prof. Dr. M.A., wonach die Kausalität als nur wenig wahrscheinlich anzusehen sei, werde als schlüssig erkannt und in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zugrunde gelegt. Zu den im Rahmen des Parteiengehörs erhobenen Einwendungen sei von Dr. G.A. eine ärztliche Stellungnahme eingeholt worden, wonach das Vorbringen nicht geeignet sei, das Sachverständigengutachten zu entkräften oder eine Erweiterung des Ermittlungsverfahrens zu rechtfertigen.
7. Gegen diesen Bescheid wurde von der bevollmächtigten Vertretung des Beschwerdeführers fristgerecht Beschwerde erhoben und im Wesentlichen vorgebracht, der Bescheid sei aufgrund von Verletzungen der Verfahrensvorschriften rechtswidrig. Einerseits sei das Parteiengehör verletzt worden, da die Stellungnahme Dris. G.A. dem Beschwerdeführer nie zur Kenntnis gebracht worden sei und so nicht überprüfbar sei, wie die Ärztin zu ihren Schlussfolgerungen gekommen und aus welchem Fachgebiet sie sei. Andererseits habe die belangte Behörde ihre Begründungspflicht verletzt, da der Bescheid es vermissen lasse, die Stellungnahme Dris. G.A. zu zitieren, sodass nicht ersichtlich ist, wieso die Behörde diese als schlüssig ansehe und weshalb die Befragung eines praktischen Arztes als nicht erforderlich gesehen werde. Der Bescheid sei rechtswidrig, da bei einem entsprechend der materiellen Wahrheit verpflichteten Ermittlungsverfahren sich herausgestellt hätte, dass das Guillain Barre Syndrom auf die erfolgten Impfungen zurückzuführen sei. Dass die belangte Behörde das Sachverständigengutachten von Univ. Prof. Dr. M.A. als schlüssig befunden und in freier Beweiswürdigung dem Bescheid zugrunde gelegt habe, stelle einen klassischen Fall der vorgreifenden Beweiswürdigung dar, da jener Arzt, der die richtige Behandlung eingeleitet habe, nicht vernommen worden sei, obwohl dieser hätte beweisen können, dass das Guillain Barre Syndrom nicht auf den grippalen Infekt, sondern auf die Impfung zurückzuführen sei. Die belangte Behörde habe es unterlassen, sich mit dem Einwand des Beschwerdeführers dahingehend auseinanderzusetzen, dass die Diagnose des grippalen Infekts falsch gewesen sei und bereits am 16.10.2012 das Guillain Barre Syndrom festgestellt hätte werden müssen. Die belangte Behörde wäre bei tatsächlicher Prüfung des maßgeblichen Sachverhaltes zu dem Schluss gekommen, dass der Antrag auf Entschädigung nach dem Impfschadengesetz begründet sei und dem Antrag stattzugeben gewesen wäre.
8. Am 22.08.2014 legte die belangte Behörde die Beschwerde samt den Bezug habenden Verwaltungsakten dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.
9. Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 22.01.2016 wurde die gegenständliche Rechtssache der bisher zuständigen Gerichtabteilung abgenommen und am 04.02.2016 der Gerichtsabteilung W209 neu zugewiesen.
10. Am 03.04.2017 wurde die belangte Behörde im Hinblick auf das Vorbringen des Beschwerdeführers bezüglich des Vorliegens einer Fehldiagnose hinsichtlich des am 16.10.2012 diagnostizierten grippalen Infektes um ergänzende Stellungnahme - basierend auf der Aktenlage - ersucht. Konkret wurde ersucht, die bereits im behördlichen Verfahren hinzugezogene Sachverständige Univ. Prof. Dr. M., Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie, zu beauftragen, zu folgenden Fragen Stellung zu nehmen:
"1. Wurde bei der Erstellung des Gutachtens vom 03.07.2013 die im Akt aufscheinenden ärztlichen Unterlagen als Grundlage hinzugezogen, wobei auch die Aufzeichnungen vom 08.10.2012 bezüglich einer "Impfreaktion" und vom 22.10.2012 bezüglich dem "Kreislaufkollaps" berücksichtig wurde oder erfolgte die Kausalitätsbeurteilung ausschließlich auf Grundlage der Diagnose "grippaler Infekt" vom 16.10.2012?
2. Ist aus den Behandlungskarteikarten eine bereits zum Zeitpunkt des grippalen Infektes bestandene Lähmungserscheinung abzuleiten bzw. wäre diese, die der behandelnde Arzt laut Angaben des Beschwerdeführers auf einen "Muskelfaserriss" zurückführte, in den Behandlungskarteikarten aufgelistet worden, wenn der Beschwerdeführer dies dem behandelnden Arzt mitgeteilt hätte?
3. Hätte der behandelnde Arzt bei Vorliegen von Lähmungserscheinungen unter Berücksichtigung des Kreislaufkollaps am 22.10.2012 sowie dem Auftreten einer Impfreaktion am 08.10.2012 anstelle des grippalen Infekts mit einer Temperatur von 36.7°C bereits das Guillain Barre Syndrom feststellen können oder wären die vom Beschwerdeführer angegebenen Symptome für eine Diagnose noch nicht ausreichend gewesen?"
11. Das am 17.10.2017 übermittelte ergänzende Sachverständigengutachten ging jedoch auf die o.a. Fragestellungen nicht ein.
12. Auf das neuerliche Ersuchen des Bundesverwaltungsgerichtes vom 19.10.2017 langte am 14.02.2018 eine ergänzende Stellungnahme von Univ. Prof. Dr. M.A. ein, der zufolge man schon am 22.10.2012 (oder auch schon davor) zumindest differentialdiagnostisch das Vorliegen eines Guillain Barre Syndroms annehmen hätte müssen und die Symptome bereits durchaus ausreichend für diese Verdachtsdiagnose gewesen wären, wenn die Angaben des Beschwerdeführers zutreffend seien, dass er bereits zu diesem Zeitpunkt ein Taubheitsgefühl im rechten Fuß gemerkt habe und auch nicht gut gehen habe können. Hinweise darauf fänden sich in der Anamnese des Arztbriefes des LKH Linz vom 19.11.2012 und im klinisch-psychologischen Befund des Sanitätszentrums Süd vom 14.01.2013.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 88a Abs. 1 des Heeresversorgungsgesetzes (HVG), BGBl. Nr. 27/1964, idF BGBl. I Nr. 57/2015 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide in Angelegenheiten des HVG durch einen Senat, dem ein fachkundiger Laienrichter angehört. Gemäß § 3 Abs. 3 Impfschadengesetz, BGBl. Nr. 371/1973, ist § 88a Abs. 1 HVG im Verfahren nach dem Impfschadengesetz sinngemäß anzuwenden. Im Beschwerdefall liegt somit Senatszuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013, idF BGBl. I Nr. 122/2013 geregelt (§ 1 leg.cit.).
Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nichts anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Zu A)
Die im gegenständlichen Fall anzuwendenden maßgeblichen Rechtsvorschriften lauten:
§ 1b Impfschadengesetz, BGBl. Nr. 371/1973, idF BGBl. Nr. 278/1991:
"§ 1b. (1) Der Bund hat ferner für Schäden nach Maßgabe dieses Bundesgesetzes Entschädigung zu leisten, die durch eine Impfung verursacht worden sind, die nach einer gemäß Abs. 2 erlassenen Verordnung zur Abwehr einer Gefahr für den allgemeinen Gesundheitszustand der Bevölkerung im Interesse der Volksgesundheit empfohlen ist.
(2) Der Bundesminister für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz hat durch Verordnung jene Impfungen zu bezeichnen, die nach dem jeweiligen Stand der medizinischen Wissenschaft zur Abwehr einer Gefahr für den allgemeinen Gesundheitszustand der Bevölkerung im Interesse der Volksgesundheit empfohlen sind.
(3) Nach Maßgabe dieses Bundesgesetzes ist Entschädigung jedenfalls für Schäden zu leisten, die durch im jeweils ausgestellten Mutter-Kind-Pass genannte Impfungen verursacht worden sind."
§ 3 Impfschadengesetz, BGBl. Nr. 371/1973, idF BGBl. I Nr. 71/2013:
"§ 3. (1) (Anm.: aufgehoben durch BGBl. I Nr. 59/2013)
(2) Über Ansprüche auf Entschädigung nach diesem Bundesgesetz entscheidet das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen.
(3) Soweit dieses Bundesgesetz nicht Abweichendes bestimmt, sind die §§ 2, 31a, 54 bis 60, 65 bis 67, 69 bis 72, 73a, 82, 83 Abs. 1, 85 Abs. 1 erster Satz und Abs. 2, 86, 87, 87a Abs. 1 bis 3, 87b, 88, 88a, 92 bis 94a und 98a Abs. 7 und 8 HVG sinngemäß anzuwenden.
(4) und (5) ..."
Die am 29.12.2006 in Kraft getretene Verordnung der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen über empfohlene Impfungen 2006, BGBl. II Nr. 526/2006, idF BGBl. II Nr. 148/2012 lautet auszugsweise:
"§ 1. Impfungen im Sinne des § 1b Abs. 2 des Impfschadengesetzes sind Impfungen - auch in Kombination - gegen
1. Diphtherie,
2. Frühsommermeningoencephalitis,
3. Haemophilus influenzae b,
4. Hepatitis B,
5. Masern,
6. Meningokokken,
7. Mumps,
8. Pertussis (Keuchhusten),
9. Pneumokokken,
10. Poliomyelitis (Kinderlähmung),
11. Rotavirus-Infektionen,
12. Röteln,
13. Tetanus (Wundstarrkrampf).
Die maßgebliche Bestimmung des Heeresversorgungsgesetzes (HVG), BGBl. Nr. 27/1964, lautet:
§ 2 HVG idF BGBl. I Nr. 162/2015:
"§ 2. (1) Eine Gesundheitsschädigung ist als Dienstbeschädigung im Sinne des § 1 anzuerkennen, wenn und insoweit die festgestellte Gesundheitsschädigung zumindest mit Wahrscheinlichkeit auf das schädigende Ereignis oder die der Dienstleistung eigentümlichen Verhältnisse ursächlich zurückzuführen ist. Wenn dem schädigenden Ereignis oder den der Dienstleistung eigentümlichen Verhältnissen nur ein ursächlicher Anteil an einer Gesundheitsschädigung zugemessen werden kann, die mit Hilflosigkeit oder Blindheit (§§ 27, 28) verbunden ist, ist der die Hilflosigkeit oder Blindheit verursachende Leidenszustand zur Gänze als Dienstbeschädigung im Sinne des § 1 anzuerkennen.
(2) Die Glaubhaftmachung eines ursächlichen Zusammenhanges durch hierzu geeignete Beweismittel genügt für die Anerkennung einer Gesundheitsschädigung als Dienstbeschädigung, wenn die obwaltenden Verhältnisse die Beschaffung von Urkunden oder amtlichen Beweismitteln zur Führung des Nachweises der Ursächlichkeit ausschließen.
(3) Eine Gesundheitsschädigung gilt, wenn für sie auch nur eine Versorgungsleistung (§ 4) zuerkannt worden ist, für immer, und zwar auch bei der Inanspruchnahme jeder anderen Versorgungsleistung (§ 4) als Dienstbeschädigung im Sinne des Abs. 1. Dies gilt jedoch nicht für die Zuerkennung eines Zuschusses zu den Kosten für Diätverpflegung."
Die maßgebliche Bestimmung des Heeresentschädigungsgesetzes (HEG), BGBl. I Nr. 162/2015 idgF, lautet:
§ 44 HEG idF BGBl. I Nr. 162/2015:
"Abschnitt III
§ 44. (1) Das Heeresversorgungsgesetz (HVG) BGBl. Nr. 27/1964, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I. Nr. 81/2013, tritt mit Ablauf des 30. Juni 2016 außer Kraft. Soweit in diesem Bundesgesetz auf das HVG verwiesen wird, bezieht sich dies auf die vor der Aufhebung gültige Fassung.
(2) Soweit in den Sozialentschädigungsgesetzen auf das HVG verwiesen wird, bezieht sich dies auf die vor der Aufhebung gültige Fassung.
(3) Soweit in anderen Bundesgesetzen auf das HVG verwiesen wird, gelten diese Verweisungen als Verweisungen auf dieses Bundesgesetz sowie auf die nach dem HVG beantragten und nach dem 30. Juni 2016 weiter gebührenden Leistungen. Soweit es sich um erst ab dem 1. Juli 2016 zuerkannte Leistungen nach diesem Bundesgesetz handelt, für die bereits die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt zuständig ist, gelten dafür die in Bundesgesetzen enthaltenen Verweisungen auf Versehrten- und Hinterbliebenenrenten nach dem ASVG.
(4) Verweisungen auf das HVG oder auf die Heeresversorgung in bundesfinanzgesetzlichen Vorschriften gelten als Verweisungen auf dieses Bundesgesetz."
Fallbezogen ergibt sich daraus Folgendes:
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung aufgrund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder aufgrund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer eheblichen Kostenersparnis verbunden ist. Gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen, wenn die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen hat. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
Nach dem klaren Wortlaut des § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG ist Voraussetzung für eine Aufhebung und Zurückverweisung nach dieser Bestimmung das Fehlen notwendiger Ermittlungen des Sachverhaltes seitens der belangten Behörde.
Das Modell der Aufhebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG, allerdings mit dem Unterschied, dass die Notwendigkeit der Durchführung einer mündlichen Verhandlung nach § 28 Abs. 3 VwGVG nicht erforderlich ist (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren 2013, § 28 VwGVG, Anm. 11.)
§ 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bildet damit die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Verwaltungsgerichtes, wenn "die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen" hat.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063, zur Auslegung des § 28 Abs. 3 zweiter Satz ausgeführt hat, wird eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinn einer "Delegierung" der Entscheidung an das Verwaltungsgericht, vgl. Holoubek, Kognitionsbefugnis, Beschwerdelegitimation und Beschwerdegegenstand, in: Holoubek/Lang (Hrsg), Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, erster Instanz, 2013, Seite 127, Seite 137; siehe schon Merli, Die Kognitionsbefugnis der Verwaltungsgerichte erster Instanz, in: Holoubek/Lang (Hrsg), Die Schaffung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz, 2008, Seite 65, Seite 73 f).
Gemäß der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG somit insbesondere auch dann in Betracht, wenn die Behörde bloß ansatzweise ermittelt hat bzw. gravierende Ermittlungslücken im verwaltungsbehördlichen Verfahren bestehen (vgl. nochmals das oben zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063).
Der angefochtene Bescheid erweist sich in Bezug auf den zu ermittelnden Sachverhalt aus folgenden Gründen als gravierend mangelhaft:
Maßgebend für die Entscheidung über den Antrag des Beschwerdeführers auf Entschädigung nach dem Impfschadengesetz ist die Kausalität der bei dem Beschwerdeführer festgestellten Gesundheitsschädigungen und den am 04.10.2012durchgeführten Impfungen.
Der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nach besteht der Anspruch auf Entschädigung nach dem Impfschadengesetz nicht nur bei einem "Kausalitätsnachweis", sondern schon im Falle der "Kausalitätswahrscheinlichkeit". Von der Wahrscheinlichkeit der Kausalität einer Impfung für die betreffende Gesundheitsschädigung im Sinne der §§ 1 und 3 Abs. 3 Impfschadengesetz iVm § 2 HVG ist jedenfalls dann auszugehen, wenn auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens anzunehmen ist, dass die drei Kriterien (entsprechende Inkubationszeit, entsprechende Symptomatik, keine andere wahrscheinlichere Ursache) erfüllt sind (vgl. u.a. VwGH 15.07.2011, Zl. 2008/11/0199, 28.06.2011, Zl. 2007/11/0200, 17.11.2009, Zl. 2007/11/0005).
Dazu hat die belangte Behörde im angefochtenen Verfahren unzureichend Ermittlungen geführt, wodurch sich der angefochtene Bescheid in Bezug auf den zu ermittelnden Sachverhalt als grob mangelhaft erweist.
Die befasste Sachverständige wurde nicht zu den im Rahmen des Parteiengehörs erhobenen substantiierten Einwendungen des Beschwerdeführers befragt, sondern es wurde lediglich eine auf der Aktenlage basierende Stellungnahme der leitenden Ärztin eingeholt. Eine fundierte Auseinandersetzung mit dem Antragsvorbringen bzw. den Einwendungen ist nicht erfolgt.
Die Behörde hat die Pflicht, für die Durchführung aller zur Klarstellung des Sachverhaltes erforderlichen Beweise zu sorgen und auf das Parteivorbringen, soweit es für die Feststellung des Sachverhaltes von Bedeutung sein kann, einzugehen. Die Behörde darf sich über erhebliche Behauptungen und Beweisanträge nicht ohne Ermittlungen und ohne Begründung hinwegsetzen (VwGH 14.04.201, 2007/08/0134). Auf Beweisanträge von Parteien muss nur dann nicht eingegangen werden, wenn sie offenbar unerheblich sind. Ein angebotener Zeugenbeweis darf daher nach ständiger Rechtsprechung nur dann von vornherein abgelehnt werden, wenn er objektiv gesehen nicht geeignet ist, zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes beizutragen (VwGH 01.10.2001, 99/10/0217). Von der Aufnahme gegebenenfalls beantragter Beweise ist u.a. dann abzusehen, wenn die unter Beweis zu stellenden Tatsachen als richtig anerkannt oder unerheblich sind (VwGH 17.09.1997, 93/13/0180).
Die belangte Behörde setzte sich mit dem Einwand des Beschwerdeführers, er habe an keinem grippalen Infekt gelitten und das Guillain Barre Syndrom sei schon vorher vorgelegen, nicht auseinander. Sie stützte sich vielmehr auf das Sachverständigengutachten von Univ. Prof. Dr. M.A. vom 03.07.2015 und die Stellungnahme Dris. G.A., wonach aus den Befundberichten eindeutig hervorgehe, dass ein grippaler Infekt vorgelegen sei. Die belangte Behörde lehnte jedoch die Befragung des den Beschwerdeführer behandelnden Dr. P.F. als nicht erforderlich ab, da die Aussagen der Gutachterin Univ. Prof. Dr. M.A. zur autoimmunologischen Reaktion medizinisch eindeutig nachvollziehbar seien, übernahm dies jedoch offenbar aus der fast wortgleichen Stellungnahme Dris. G.A. Da Dr. P.F. jener praktischer Arzt war, der die abschließende Diagnose Guillian Barre Syndrom stellte, ist dessen Befragung nicht von vornherein ungeeignet, zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes beizutragen. Eine Befragung Dris. P.F. ist daher erforderlich, um eine vollständige und ausreichend qualifizierte Prüfung zu gewährleisten.
Die Sachverständige Univ. Prof. Dr. M.A. ist in ihrem Gutachten zu dem Ergebnis gekommen, dass die Möglichkeit eines Zusammenhanges zwischen dem Guillain Barre Syndrom und der erfolgten Hepatitis B Impfung gegeben sei, obwohl dies selten vorkomme. Sie ging aber aufgrund des Vorliegens eines grippalen Infektes davon aus, dass gerade dieser Kausalverlauf als wahrscheinlicher anzusehen ist, ohne den Kausalzusammenhang zwischen Impfung und dem Guillain Barre Syndrom vollständig auszuschließen.
In ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 14.02.2018 führt die Sachverständige schließlich klarstellend aus, dass man schon am 22.10.2012 (oder auch schon davor) zumindest differentialdiagnostisch das Vorliegen eines Guillain Barre Syndroms annehmen hätte müssen und die Symptome bereits durchaus ausreichend für diese Verdachtsdiagnose gewesen wären, wenn die Angaben des Beschwerdeführers zutreffend seien, dass er bereits zu diesem Zeitpunkt ein Taubheitsgefühl im rechten Fuß gemerkt habe und auch nicht gut gehen habe können.
Es ist daher nicht nachvollziehbar, warum die belangte Behörde darauf verzichtet hat, das Ermittlungsverfahren dahingehend zu erweitern, den vom Beschwerdeführer beantragten Zeugen zum Vorliegen derartiger Symptome einzuvernehmen und allenfalls ein ergänzendes Gutachten zu den Ergebnissen dieser Zeugenbefragung einzuholen.
Aus den dargelegten Gründen ist davon auszugehen, dass die belangte Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen hat und sich der vorliegende Sachverhalt zur Beurteilung der Kausalität der angeschuldigten Impfung als so mangelhaft erweist, dass weitere Ermittlungen bzw. konkrete Sachverhaltsfeststellungen erforderlich sind.
Das Ergebnis des verwaltungsbehördlichen Ermittlungsverfahrens, welches der angefochtenen Entscheidung zugrunde gelegt worden ist, vermag daher die angefochtene Entscheidung, dass keine Entschädigung nach dem Impfschadengesetz gebührt, nicht zu tragen.
Im fortgesetzten Verfahren wird sich die belangte Behörde unter Berücksichtigung der Ergebnisse des erweiterten Ermittlungsverfahrens unter Einbeziehung des Beschwerdevorbringens mit der Frage des Vorliegens bzw. Nichtvorliegens einer Kausalität zwischen den angeschuldigten Impfungen und dem eingetretenen Guillain Barre Syndrom auseinanderzusetzen und das Vorliegen für die Voraussetzungen für die beantragte Entschädigung neuerlich zu beurteilen haben.
Von den Ergebnissen des weiteren Ermittlungsverfahrens wird der Beschwerdeführer mit der Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme in Wahrung des Parteiengehörs in Kenntnis zu setzen sein.
Eine Nachholung des durchzuführenden Ermittlungsverfahrens durch das Bundesverwaltungsgericht liegt im vorliegenden Fall im Lichte obiger rechtlicher Ausführungen und unter Berücksichtigung der bereits genannten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht im Sinne des Gesetzes. Dass eine unmittelbare weitere Beweisaufnahme durch das Bundesverwaltungsgericht "im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden" wäre, ist - angesichts des mit dem bundesverwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren als Mehrparteienverfahren verbundenen erhöhten Aufwandes - auch nicht ersichtlich.
Die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 VwGVG sind somit im gegenständlichen Beschwerdefall nicht gegeben. Da der maßgebliche Sachverhalt im Fall des Beschwerdeführers noch nicht feststeht und vom Bundesverwaltungsgericht auch nicht rasch und kostengünstig festgestellt werden kann, war in Gesamtbeurteilung der dargestellten Erwägungen der angefochtene Bescheid des Bundessozialamtes gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG zu beheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückzuverweisen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.
Schlagworte
Ermittlungspflicht, Gutachten, Kassation, Kausalität, mangelndeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W209.2011034.1.00Zuletzt aktualisiert am
10.04.2018