TE Bvwg Erkenntnis 2018/3/27 W117 2161338-1

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Veröffentlicht am 27.03.2018
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Entscheidungsdatum

27.03.2018

Norm

BFA-VG §22a Abs1 Z3
B-VG Art.133 Abs4
Dublin III-VO Art.28 Abs2
FPG §76 Abs2 Z2
VwGVG §35 Abs1

Spruch

W117 2161338-1/15E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Andreas Druckenthaner als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA. Algerien, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, vom 11.06.2017, Zahl: 830854106/170685566, sowie die Anhaltung in Schubhaft zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 22a Abs. 1 Z 3 BFA-VG idgF, Art 28 Abs. 2 Dublin III-VO, § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG idgF stattgegeben und der Schubhaftbescheid sowie die Anhaltung in Schubhaft vom 11.06.2017 bis 20.06.2017 um 12:10 Uhr für rechtswidrig erklärt.

II. Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG idgF werden die Anträge auf Aufwandersatz abgewiesen.

III. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Verfahrensgang:

Die Verwaltungsbehörde ordnete im Anschluss an die Schubhafteinvernahme des Beschwerdeführers vom 11.06.2017 mit dem (oben) im Spruch angeführten, gegenständlich angefochtenen Bescheid (Hervorhebung durch den Einzelrichter) "gemäß § 76 Absatz 2 Ziffer 1 Fremdenpolizeigesetz, BGBl I Nr. 100/2005 (FPG) idgF, iVm § 57 Absatz 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl Nr. 51/1991 (AVG) idgF" die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer Rückkehrentscheidung und der Sicherung der Abschiebung an.

Die Verwaltungsbehörde führte unter anderem aus (Hervorhebungen im Original):

"Verfahrensgang

* Sie reisten illegal in das Bundesgebiet ein und stellten am 21.06.2013 einen Antrag auf internationalen Schutz.

* Der Antrag auf internationalen Schutz wurde mittels Bescheid am 30.07.2013 aufgrund der Zuständigkeit eines anderen Staates abgewiesen (§ 5) und wurde eine Ausweisung gegen Sie erlassen. Der Bescheid erwuchs mit 07.08.2013 in Rechtskraft.

[...]

Rechtliche Beurteilung

[...]

"Gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG können Fremde festgenommen oder angehalten werden (Schubhaft), sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit bzw. Durchführbarkeit in Asylverfahren oder um die Abschiebung zu sichern. Für die Anordnung der Schubhaft muss Fluchtgefahr und Verhältnismäßigkeit vorliegen."

[...]

Gegen diesen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl sowie gegen die (fortdauernde) Anhaltung des BF in Schubhaft erhob dieser binnen offener Frist am 13.06.2017 das Rechtsmittel der Beschwerde gemäß § 22a BFA-VG, rügte die Schubhaftanordnung als rechtswidrig und beantragte die Feststellung der Unzulässigkeit der Fortsetzung der Schubhaft und schließlich Kostenersatz.

Im Zuge der Aktenvorlage erstattete die Verwaltungsbehörde eine Stellungnahme und verzeichnete Kosten im angeführten Ausmaß (Hervorhebung im Original):

Mit Erkenntnis, W117 2161338-1/6E, vom 20.06.2017 traf das Bundesverwaltungsgericht folgende Entscheidung:

"I. Die Beschwerde wird gemäß § 22a Abs. 1 Z 3 BFA-VG idgF, Art 28 Abs. 2 Dublin III-VO, § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG idgF iVm § 76 Abs. 3 Satz 1, Z 1, Z 2 FPG idgF als unbegründet abgewiesen.

II. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG idgF, Art 28 Abs. 2 Dublin III-VO, § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG idgF iVm § 76 Abs. 3 Satz 1, Z 1, Z 2 FPG idgF wird festgestellt, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen.

III. Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG idgF iVm § 1 Z. 3 und Z. 4 VwG-AufwErsV idgF, hat die beschwerdeführende Partei dem Bund Aufwendungen in Höhe von € 426,20 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

IV. Der Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Kostenersatz wird gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG idgF abgewiesen.

V. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig."

In Bezug auf Spruchpunkt I. führte das Bundesverwaltungsgericht in rechtlicher Hinsicht aus:

[...]

"Indem der Beschwerdeführer

* 2013 den Ausgang des österreichischen Asylverfahrens nicht abwartete und sich ohne Kenntnis der österreichischen Behörden nach Deutschland/Frankreich absetzte;

* in der Folge zwischen Deutschland und Frankreich während des von ihm in Deutschland betriebenen Asylverfahrens alle zwei Monate hin- und her pendelte;

* sich danach wieder illegal nach Österreich begab;

* aber nur zu Besuchszwecken, also ohne Absicht hier länger zu verweilen;

* den Asyl(folgeantrag) in der Schubhafteinvernahme erst nach Eröffnung der Schubhaftandrohung stellte,

hat der Beschwerdeführer ein Gesamtverhalten gesetzt, welches nur den Schluss zulässt, dass er eine ihn drohende Abschiebung vereiteln oder zumindest massiv zu erschweren versuchte und auch in der Folge zu umgehen trachtet."

In diesem Sinne "rechtfertigen bestimmte Tatsachen die Annahme, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird" - §76 Abs. 3 1. Satz FPG.

Da der Beschwerdeführer den Ausgang seines (ersten) Asylverfahrens nicht abwartete und sich illegal nach Deutschland/Frankreich begab, ist im Besonderen § 76 Abs. 3 Z1 FPG erfüllt.

Mit der neuerlichen illegalen Einreise nach rechtskräftigem Abschluss des ersten Asylverfahrens hat der Beschwerdeführer aber auch den Fluchtgefahrindikator der Z 2 leg.cit erfüllt, da er entgegen "einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist".

Darauf aufbauend ist im Rahmen der Prüfung der Verhältnismäßigkeit den öffentlichen Interessen an der Einhaltung der Rechtsordnung der Vorrang gegenüber den privaten Interessen des Beschwerdeführers an seiner Reiseneigung und seinen Besuchsambitionen - der Beschwerdeführer pendelte im Zeitraum ab Sommer 2013 bis zu seiner neuerlichen Einreise in Österreich alle zwei Monate zwischen Frankreich und Deutschland hin und her und wollte den Cousin in Wien besuchen - einzuräumen.

Auch in zeitlicher Hinsicht stößt die bis dato nicht allzu lange Anhaltung bis zum Entscheidungszeitpunkt auf keine Bedenken. Zur Frage der Verhältnismäßigkeit siehe auch noch Spruchpunkt II.

Hinsichtlich der Anwendung eines gelinderen Mittels ist § 77 FPG idgF maßgeblich:

[...]

Im vorliegenden Fall scheidet mangels finanzieller Mittel die Anwendung der Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z. 3 des § 77 FPG idgF aus.

Insbesondere aber auch durch sein bisheriges jüngst gezeigtes Verhalten, nämlich die illegale Einreise nach Österreich zum bloßen Besuchszweck seines in Österreich nicht registrierten Cousins drängte und drängt sich aber auch nicht der Schluss zu, dass "sie sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion melden" würde/gemeldet hätte; dies gilt/galt auch für "die Anordnung, in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen", hatte doch der Beschwerdeführer schon hinsichtlich seines ersten rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens jedes Interesse vermissen lassen:

"F: Warum haben sich 2013 nicht nach Ihrem Verfahren erkundigt?

A: Weil der Asylantrag auf jeden Fall abgelehnt worden wäre."

Im Ergebnis konnte daher bereits die Verwaltungsbehörde aufgrund dieses vom Beschwerdeführer gezeigten Verhaltens annehmen, dass "sie sich nicht im Rahmen gelinderer Mittel zur fremdenpolizeilichen Verfügung gehalten" hätte.

Wie aber aufgezeigt, vermag die Beschwerde zu keiner Änderung der Annahme des Bestehens erheblicher Fluchtgefahr führen, sodass sich im Ergebnis der Schubhaftbescheid und die darauf aufbauende Anhaltung bis zum Entscheidungszeitpunkt - hinsichtlich des Ausspruches der Fortsetzung der Schubhaft siehe sogleich.

Die Verwaltungsbehörde hat mit ihren bereits mehrfach zitierten Ausführungen im Ergebnis das Bestehen von Fluchtgefahr im Sinne des Vorliegens

"bestimmter Tatsachen", welche "die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird" (§ 76 Abs. 3 1. Satz FPG idgF)

rechtlich richtig beurteilt."

Dagegen erhob der Beschwerdeführer außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof, über die dieser wie folgt entschied:

"I. den Beschluss gefasst: Die Revision wird, soweit sie sich gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Erkenntnisses (Ausspruch nach § 22a Abs. 3 BFA-VG) richtet, zurückgewiesen.

II. zu Recht erkannt: Im Übrigen wird das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben."

Begründend führte der Verwaltungsgerichtshof zu Spruchpunkt II. entscheidungswesentlich aus:

"Unter diesem Gesichtspunkt macht die Revision geltend, das BVwG sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, weil es entgegen dem ausdrücklichen Antrag in der Beschwerde keine mündliche Verhandlung durchgeführt und das Parteiengehör verletzt habe. Außerdem habe es die Schubhaftbeschwerde zu Unrecht auf Grundlage von Art. 28 Abs. 2 Dublin III-VO iVm § 76 Abs. 2 Z 2 FPG abgewiesen, weil das BFA die Schubhaft auf § 76 Abs. 2 Z 1 FPG gestützt habe.

Der letztgenannte Vorwurf trifft zu.

Mit dem Bescheid des BFA vom 11. Juni 2017 war gegen den Revisionswerber Schubhaft nach § 76 Abs. 2 Z 1 FPG zum Zweck der Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer Rückkehrentscheidung und zum Zweck der Sicherung der Abschiebung angeordnet worden. Auf Grund der dagegen erhobenen Beschwerde nach § 22a BFA-VG wäre es Aufgabe des BVwG gewesen, diesen Bescheid - und in weiterer Folge die darauf gegründete Anhaltung in Schubhaft - einer Überprüfung zu unterziehen. Im Rahmen dieser Überprüfung wäre die Rechtmäßigkeit des konkret erlassenen Bescheides zu beurteilen gewesen; es hätte also geklärt werden müssen, ob es am 11. Juni 2017 rechtens war, über den Revisionswerber Schubhaft nach § 76 Abs. 2 Z 1 FPG zu den genannten Sicherungszwecken zu verhängen und diese Schubhaft bis zum Zeitpunkt der Entscheidung des BVwG aufrecht zu erhalten.

Dem hat das BVwG im Zuge seiner Beschwerdeabweisung unter Spruchpunkt I. des angefochtenen Erkenntnisses nicht Rechnung getragen. Vielmehr zog es dabei ausgehend von der Annahme, es gehe im vorliegenden Fall um die Sicherung eines "Dublin-Verfahrens", eigenständig den Schubhafttatbestand nach § 76 Abs. 2 Z 2 FPG heran und beurteilte die Rechtmäßigkeit der Schubhaftverhängung sowie der auf deren Basis erfolgten Anhaltung des Revisionswerbers in Schubhaft ex post auf dieser Grundlage. Damit hat das BVwG seine Prüfungspflicht verkannt und sich in rechtswidriger Weise - korrigierend - an die Stelle des BFA gesetzt. Eine solche "Sanierung" eines behördlichen Schubhaftbescheides, die - durch Änderung der Rechtsgrundlage - auf einen "Austausch" der tatsächlich verhängten Schubhaft gegen jene, die das BVwG für richtig erachtet, hinausläuft (konkret insbesondere zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Anordnung zur Außerlandesbringung statt im Hinblick auf die Erlassung einer Rückkehrentscheidung), kommt nicht in Betracht (vgl. in diesem Sinn das Erkenntnis VwGH 20.12.2013, 2012/21/0182; siehe zuletzt auch das Erkenntnis VwGH 5.10.2017, Ro 2017/21/0007, Rn. 10 f)."

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die Beschwerde wie folgt erwogen:

Sachverhalt:

Der BF stellte erstmals am 21.06.2013 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Dieser Antrag wurde mittels Bescheid vom 30.07.2013 gem. §5 AsylG zurückgewiesen. Der Bescheid erwuchs am 07.08.2013 in Rechtskraft.

Am 11.06.2017 stellte der Beschwerdeführer im Rahmen seiner Schubhafteinvernahme einen Asylfolgeantrag.

Am 13.06.2017 fand die Erstbefragung des Beschwerdeführers zu diesem Asylfolgeantrag statt. Ebenfalls am 13.06.2017 wurde ihm die Mitteilung gem. § 28 Abs 2 AsylG übergeben und mitgeteilt, dass Konsultationsverfahren mit Frankreich und Deutschland geführt werden.

Mit Bescheid des BFA vom 11. Juni 2017 wurde gegen den Beschwerdeführer (aber) die Schubhaft nach § 76 Abs. 2 Z 1 FPG (statt richtigerweise nach § 76 Abs. 2 Z 2 FPG) zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer Rückkehrentscheidung und zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet.

Mit Erkenntnis, W117 2161338-1/6E, vom 20.06.2017, dem Beschwerdeführervertreter im Faxwege zugestellt am 20.06.2017 um 12:11 Uhr, wurde die von derVerwaltungsbehörde angeordnete Schubhaft als "im Ergebnis richtig" (Spruchpunkt I.) bestätigt und die (vom Verwaltungsgerichtshof unbeanstandet gebliebene) Zulässigkeit der Fortsetzung der Schubhaft ausgesprochen (Spruchpunkt II.).

Entscheidungsgrundlage:

* gegenständliche Aktenlage;

Würdigung der Entscheidungsgrundlage:

Der Sachverhalt ist schriftlich eindeutig dokumentiert: Die Verwaltungsbehörde hatte, wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem teilbehebenden Erkenntnis festhielt, die Entscheidung über die Anordnung der Schubhaft insofern auf die unrichtige Rechtsbestimmung (des § 76 Abs. 2 Z 1 FPG) gestützt, als sie aufgrund des Asylverfahren eine Entscheidung nach §76 Abs. 2 Z 2 - "Dublin-Verfahren" - hätte treffen müssen; zu den Konsequenzen siehe rechtliche Beurteilung.

Die exakte Zustellung der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes an den Beschwerdeführer ergibt sich aus dem Sendungsprotokoll.

Da also der Sachverhalt aufgrund des Akteninhaltes im Zusammenhalt mit der Beschwerde als geklärt anzusehen war, war von der Durchführung einer Verhandlung abzusehen.

Rechtliche Beurteilung:

Zuständigkeit

Gemäß Artikel 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) idgF erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden

1. gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit;

2. gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wegen Rechtswidrigkeit;

3. wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch eine Verwaltungsbehörde;

4. gegen Weisungen gemäß Art. 81a Abs. 4.

Gemäß § 9 Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

§ 7 Abs. 1 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr 87/2012 idgF, lautet:

(1) Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet über

1. Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes,

2. Beschwerden gegen Bescheide der Vertretungsbehörden gemäß dem 11. Hauptstück des FPG,

3. Beschwerden gegen Maßnahmen unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt gemäß dem 1. Hauptstück des 2. Teiles des BFA-VG und gemäß dem 7. und 8. Hauptstück des FPG,

4. Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesamtes und

5. Beschwerden gegen Bescheide des Bundesministers für Inneres in Verfahren gemäß §§ 3 Abs. 2 Z 1 bis 6 und 4 Abs. 1 Z 1 und 2

Gemäß § 7 Abs. 2 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der Verwaltungsgerichtshof einer Revision oder der Verfassungsgerichtshof einer Beschwerde gegen ein Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes gemäß Abs. 1 stattgegeben hat.

Für das gegenständliche Verfahren ist sohin das Bundesverwaltungsgericht zuständig.

Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr 33/2013 idgF, geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft. Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu Spruchpunkt I. (Schubhaftbescheid, Anhaltung in Schubhaft):

Entsprechend dem Fremdenrechtsänderungsgesetz 2015 - FrÄG 2015 vom 18.06.2015, BGBl. I Nr. 70/2015, lautet §22a des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG) wie folgt:

§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

Da gemäß § 56 (3) leg. cit "Die §§ 7, 8, 13 Abs. 6, 15, die Überschrift des 5. Hauptstückes und die §§ 16 bis 22b samt Überschriften, §§ 26 Abs. 1 letzter Satz, 27 Abs. 1 Z 12 und § 58 sowie das Inhaltsverzeichnis in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 68/2013 mit 1. Jänner 2014 in Kraft treten" (Hervorhebung durch den Einzelrichter), also auch der neu geschaffene §22a, bildet diese Bestimmung im gegenständlichen Fall die formelle Grundlage.

Materielle Rechtsgrundlage:

Da es im vorliegenden Fall um die Sicherung eines sogenannten "Dublin-Verfahrens" ging - eine Rückführung nach Deutschland bzw. Frankreich stand im Raum - ist zunächst In materieller Hinsicht

Art 28 Abs. 2 Dublin III-VO entscheidungsrelevant:

Zwecks Sicherstellung von Überstellungsverfahren, dürfen die Mitgliedstaaten im Einklang mit dieser Verordnung, wenn eine erhebliche Fluchtgefahr besteht, nach einer Einzelfallprüfung die entsprechende Person in Haft nehmen und nur im Falle dass Haft verhältnismäßig ist und sich weniger einschneidende Maßnahmen nicht wirksam anwenden lassen.

Darauf aufbauend wiederum folgende innerstaatliche Norm des mit 20. Juli 2015 im Rahmen des Fremdenrechtsänderungsgesetzes 2015 - FrÄG 2015 in Kraft getretenen Fremdenpolizeigesetzes 2005, welche in der anzuwendenden geltenden Fassung lautet:

§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur dann angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder der Abschiebung notwendig ist und sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

2. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Da dem Bundesverwaltungsgericht nach den obzitierten Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes eine "Sanierung" des erstinstanzlichen Bescheides verwehrt ist, sich die Verwaltungsbehörde nach der Aktenlage auf eine falsche Rechtsgrundlage, nämlich auf § 76 Abs. 2 Z 1 FPG (statt richtigerweise auf § 76 Abs. 2 Z2 FPG) stützte, war der Schubhaftbescheid wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit zu beheben. Als logische Konsequenz daraus war aber auch die auf dieser rechtswidrigen Entscheidung basierende Anhaltung in Schubhaft bis zum Ausspruch der Fortsetzung durch das Bundesverwaltungsgericht als rechtswidrig festzustellen.

Zu Spruchpunkt II. (Kostenbegehren):

In der Frage des Kostenanspruches - beide Parteien begehrten den Ersatz ihrer Aufwendungen - sind gemäß § 56 (3) leg. cit. die §§22

(1a) leg. cit. und § 35 VwGVG die maßgeblichen Normen - diese lauten:

§22 (1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Be schwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

§ 35 VwGVG

(1) Dem Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbar verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (Art. 130 Abs. 1 Z 2 b B-VG) obsiegende Partei hat Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei.

(2) Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei.

(3) Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei.

Da nunmehr keine der Verfahrensparteien vollständig obsiegte - der Verwaltungsgerichtshof bestätigte den ursprünglichen Fortsetzungsausspruch des Bundesverwaltungsgerichtes, siehe Darstellung im Verfahrensgang, steht also entgegen dem ursprünglichen Ausspruch des Bundesverwaltungsgerichtes in seiner (vom VwGH teilbehobenen) Entscheidung vom 20.06.2017, siehe damaligen Spruchpunkt III., keiner der Parteien der Ersatz ihrer Aufwendungen zu.

Zu Spruchpunkt V.: (Revision):

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Wie der oben dargelegten rechtlichen Beurteilung zu Spruchpunkt I. und II. zu entnehmen ist, warf die Tatsachenlastigkeit des gegenständlichen Falles keine Auslegungsprobleme der anzuwendenden Normen auf, schon gar nicht waren - vor dem Hintergrund der bereits bestehenden Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes - Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen. Die Revision war daher in Bezug auf sämtliche Spruchpunkte nicht zuzulassen.

Schlagworte

Kostentragung, Rechtsanschauung des VwGH, Rechtsgrundlage,
Rechtswidrigkeit, Schubhaftbeschwerde

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W117.2161338.1.00

Zuletzt aktualisiert am

10.04.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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