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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
FrG 1997 §36 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Bayjones und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Ogris, über die Beschwerde des P in W, geboren am 4. September 1963, vertreten durch Mag. Dr. Ingrid Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rotenturmstraße 19, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 27. Juli 1999, Zl. SD 148/99, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 27. Juli 1999 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen jugoslawischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen.
Der Beschwerdeführer sei bereits von November 1984 bis Mitte Februar 1985 in Österreich polizeilich gemeldet gewesen, verfüge jedoch erst seit Sommer 1985 über einen Sichtvermerk. Am 28. April 1988 sei er wegen des Vergehens der Sachbeschädigung zu einer bedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von zehn Tagen rechtskräftig verurteilt worden. Am 9. Jänner 1989 sei er wegen des Vergehens des Diebstahles und im Jahr 1993 wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung jeweils zu einer Geldstrafe rechtskräftig verurteilt worden. Am 3. Juni 1993 sei er wegen des Vergehens der falschen Beweisaussage vor Gericht zu einer bedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Monaten rechtskräftig verurteilt worden. Daraufhin sei er am 22. März 1994 von der Erstbehörde verwarnt und darauf hingewiesen worden, dass er bei einem neuerlichen Rechtsbruch mit der Ergreifung fremdenpolizeilicher Maßnahmen zu rechnen habe. Am 5. Juli 1995 sei er wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Betruges und des Vergehens der Untreue zu einer (unbedingten) Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren verurteilt worden. Einer dagegen erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung sei vom Obersten Gerichtshof am 11. Juni 1996 keine Folge gegeben worden. Dieser Verurteilung sei zu Grunde gelegen, dass der Beschwerdeführer im November 1991 als Kreditvermittler den Leiter der Kreditabteilung eines Geldinstitutes in Kenntnis der Rückzahlungsunfähigkeit eines Ehepaares zur Gewährung eines Kredites in der Höhe von S 220.000,-- an dieses Ehepaar veranlasst habe. Zudem habe er durch die Vorspiegelung, dass die im Zeitraum von 1991 bis 1992 von ihm an ein Geldinstitut vermittelten Kreditwerber rückzahlungsfähig und -willig seien, diesem Geldinstitut einen Schaden in der Höhe von über S 500.000,-- zugefügt, wobei er in der Absicht gehandelt habe, sich durch wiederkehrende Begehung derartiger Delikte eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen. Auch diese Verurteilung habe den Beschwerdeführer nicht davon abhalten können, neuerlich straffällig zu werden. Er sei am 24. April 1997 wegen Veruntreuung und schweren Betruges zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von zehn Monaten rechtskräftig verurteilt worden, weil er Anfang 1996 einen von ihm geleasten PKW Mercedes 500 SE nach Jugoslawien verbracht und dort ohne Bezahlung der Leasingraten für sich verwendet habe. Überdies habe er am 5. November 1996 in Ungarn einer Person eine gefälschte Rechnung, die mit einem falschen Stempel eines Zollamtes versehen gewesen sei, übergeben und diese Person zur Geltendmachung der Mehrwertsteuer-Rückerstattung in der Höhe von S 42.484,-- durch Vorlage dieser Rechnung beauftragt.
Es liege somit zweifellos der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG vor. Bei der Beurteilung des Gesamtfehlverhaltens des Beschwerdeführers falle neben der gewerbsmäßigen Tatbegehung ins Gewicht, dass er sich auch durch rechtskräftige Verurteilungen nicht davon habe abhalten lassen, neuerlich - noch dazu einschlägig - straffällig zu werden. Dies bringe eine krasse Geringschätzung der Rechte anderer sowie fremden Eigentums zum Ausdruck. Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes sei daher im Grund des § 36 Abs. 1 FrG gerechtfertigt.
Der Beschwerdeführer habe zuletzt bis 14. Mai 1997 über einen Aufenthaltstitel verfügt und halte sich seither ohne erforderliche Berechtigung im Bundesgebiet auf. Seinen Angaben zufolge habe er seit Juli 1986 mit Ausnahme der Haftzeiten nahezu ununterbrochen gearbeitet. Derzeit beziehe er Arbeitslosenunterstützung. Seine Gattin betreibe eine Firma, an der er beteiligt sei. Aufgrund des langjährigen inländischen Aufenthaltes und im Hinblick darauf, dass er mit seiner gesamten Familie (Gattin und drei Kinder) im Bundesgebiet lebe, liege ohne Zweifel ein mit dem Aufenthaltsverbot verbundener Eingriff in das Privat- und Familienleben vor. Das bisherige Verhalten des Beschwerdeführers habe mehr als augenfällig verdeutlicht, dass er nicht in der Lage oder nicht gewillt sei, die zum Schutz fremden Vermögens aufgestellten strafrechtlichen Normen einzuhalten. Schon aus diesem Grund könne eine Prognose nicht positiv ausfallen. Auch die Art und Schwere der den letzten Verurteilungen zu Grunde liegenden Straftaten lasse die Erlassung des Aufenthaltsverbotes dringend geboten und daher im Grund des § 37 Abs. 1 FrG als zulässig erscheinen.
Im Rahmen der Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 2 FrG sei zu berücksichtigen, dass der aus dem langjährigen Aufenthalt des Beschwerdeführers ableitbaren Integration insofern kein entscheidendes Gewicht zukomme, als die dafür erforderliche soziale Komponente durch das strafbare Verhalten des Beschwerdeführers erheblich beeinträchtigt werde. Allfälligen Unterhaltsverpflichtungen gegenüber seinen Kindern könne er - wenn auch möglicherweise in eingeschränkter Form - vom Ausland aus nachkommen. Ein gewisser Mindestkontakt zu seiner Familie könne dadurch aufrecht erhalten werden, dass er von dieser im Ausland besucht werde. Die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie wögen nicht schwerer als die gegenläufigen öffentlichen Interessen.
Dem Beschwerdeführer hätte vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes, insbesondere vor den betrügerischen Handlungen gegen fremdes Eigentum beginnend ab 1991, die Staatsbürgerschaft nicht verliehen werden können, weil er schon damals im Sinn des § 10 Abs. 1 Z. 6 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG) keine Gewähr dafür geboten habe, keine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit zu bilden. Überdies habe er damals noch nicht zehn Jahre den Hauptwohnsitz im Bundesgebiet gehabt.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, der Sache nach inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. In der Beschwerde bleibt die Ansicht der belangten Behörde, dass vorliegend der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG verwirklicht sei, unbekämpft. Der Gerichtshof hegt auf dem Boden der maßgeblichen Sachverhaltsfeststellungen gegen diese Beurteilung keine Bedenken.
Im Hinblick auf das große öffentliche Interesse an der Verhinderung der Eigentumskriminalität ist auch die Auffassung der belangten Behörde, es sei im Hinblick auf das den Verurteilungen zu Grunde liegende Fehlverhalten die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt, unbedenklich.
2. Bei der Interessenabwägung gemäß § 37 FrG hat die belangte Behörde den langjährigen inländischen Aufenthalt des Beschwerdeführers, das Zusammenleben mit der Gattin und den drei Kindern, seine Beteiligung am Unternehmen seiner Gattin sowie die Tatsache, dass er ab Juli 1986 mit Ausnahme der Haftzeiten berufstätig gewesen sei, derzeit jedoch Arbeitslosenunterstützung beziehe, berücksichtigt. Entgegen der Beschwerdemeinung beruht die Feststellung über den derzeitigen Bezug von Arbeitslosenunterstützung auf keinem Verfahrensmangel, hat doch der Beschwerdeführer sowohl in seiner Stellungnahme vom 17. November 1998 als auch in der Berufung vorgebracht, derzeit Arbeitslosenunterstützung zu beziehen.
Zutreffend hat die belangte Behörde darauf verwiesen, dass die soziale Komponente der aus der Aufenthaltsdauer des Beschwerdeführers ableitbaren Integration durch die Straftaten beeinträchtigt werde (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 14. März 2000, Zl. 99/18/0451).
Der vorgebrachte Umstand, dass der Gattin und den Kindern des Beschwerdeführers die Verleihung der Staatsbürgerschaft bereits zugesichert worden sei, bewirkt keine über den Stellenwert des langjährigen inländischen Aufenthaltes des Beschwerdeführers mit seiner Familie hinausgehende zusätzliche Stärkung der persönlichen Interessen.
Den privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet steht die Beeinträchtigung der maßgeblichen öffentlichen Interessen durch das den festgestellten Verurteilungen zu Grunde liegende Fehlverhalten gegenüber. Der Beschwerdeführer hat im Zeitraum von 1991 bis 1992 mit der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung derartiger strafbarer Handlungen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (gewerbsmäßig im Sinn des § 70 StGB), mehrere Betrugshandlungen mit einem Gesamtschadensausmaß von über S 500.000,-- sowie das Vergehen der Untreue begangen. Trotz der aus diesem Grund verhängten unbedingten Freiheitsstrafe im Ausmaß von zwei Jahren und ungeachtet des Umstandes, dass ihm bereits am 22. März 1994 die Ergreifung fremdenpolizeilicher Maßnahmen für den Fall eines weiteren Rechtsbruches angedroht worden war, hat er im Jahr 1996 einen PKW veruntreut und einen weiteren schweren Betrug begangen. Er hat damit das große öffentliche Interesse an der Verhinderung der Eigentumskriminalität in gravierender und beharrlicher Weise beeinträchtigt. Die Ansicht der belangten Behörde, dass die Erlassung des Aufenthaltsverbotes zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (Verhinderung strafbarer Handlungen, Schutz der Rechte anderer, Wahrung des wirtschaftlichen Wohles des Landes) dringend geboten sei (§ 37 Abs. 1 FrG) und die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 37 Abs. 2 FrG) begegnet daher keinen Bedenken.
Zu Recht hat die belangte Behörde darauf verwiesen, dass ein - eingeschränkter - Kontakt des Beschwerdeführers mit seiner Familie dadurch aufrecht erhalten werden kann, dass er von seiner Gattin und den Kindern im Ausland besucht werde. Entgegen der Beschwerde sind derartige Besuche auch nach Erlangung der österreichischen Staatsbürgerschaft durch die Gattin und die Kinder des Beschwerdeführers möglich. Im Übrigen muss der durch das Aufenthaltsverbot bewirkte, zweifellos bedeutende Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers aus den dargestellten Gründen im öffentlichen Interesse in Kauf genommen werden.
3.1. Der Beschwerdeführer meint, die Erlassung des Aufenthaltsverbotes sei gemäß § 38 Abs. 1 Z. 3 FrG unzulässig und führt dazu ins Treffen, dass er sich im Zeitpunkt der Verurteilung vom 5. Juli 1995 bereits zehn Jahre im Inland aufgehalten habe und ihm daher gemäß § 10 Abs. 1 Z. 1 StbG die Staatsbürgerschaft hätte verliehen werden können. Die davor liegenden Verurteilungen hätten von der belangten Behörde nicht herangezogen werden dürfen, weil sie bereits getilgt seien.
3.2. Gemäß § 38 Abs. 1 Z. 3 FrG darf ein Aufenthaltsverbot nicht erlassen werden, wenn dem Fremden vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 StbG verliehen hätte werden können, es sei denn, der Fremde wäre wegen einer gerichtlich strafbaren Handlung rechtskräftig zu mehr als zwei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden.
Beim "maßgeblichen Sachverhalt" im Sinn dieser Gesetzesstelle handelt es sich im Fall eines auf strafbare Handlungen gegründeten Aufenthaltsverbotes nicht um die Verurteilung, sondern um das zu Grunde liegende Fehlverhalten. Bei der Beurteilung der Zulässigkeit eines Aufenthaltsverbotes im Grund des § 38 Abs. 1 Z. 3 FrG ist zu prüfen, ob der Fremde vor Verwirklichung des ersten der von der Behörde zulässigerweise zur Begründung des Aufenthaltsverbotes herangezogenen Umstände, die in ihrer Gesamtheit die Maßnahme tragen, die Voraussetzungen für die Verleihung der Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 StbG erfüllte. (Vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom 17. September 1998, Zl. 98/18/0170.)
Die belangte Behörde hat zutreffend als ersten Umstand jedenfalls das der Verurteilung vom 5. Juli 1995 zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von zwei Jahren zu Grunde liegende Fehlverhalten zur Begründung des Aufenthaltsverbotes herangezogen. Dieses Fehlverhalten wurde unstrittig bereits ab dem Jahr 1991 gesetzt. In diesem Zeitpunkt erfüllte der Beschwerdeführer die für die Verleihung der Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 Z. 1 StbG erforderliche Dauer des inländischen Hauptwohnsitzes von mindestens zehn Jahren noch nicht. Schon aus diesem Grund steht § 38 Abs. 1 Z. 3 FrG der Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht entgegen.
Hinzugefügt sei, dass die Verurteilung des Beschwerdeführers vom 30. Juni 1993 zu einer bedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Monaten noch nicht getilgt ist, weil gemäß § 4 Abs. 1 Tilgungsgesetz die Tilgung aller Verurteilungen nur gemeinsam eintritt, wenn jemand rechtskräftig verurteilt wird, bevor eine oder mehrere frühere Verurteilungen getilgt sind. Der Beschwerdeführer hat aber innerhalb der - gemäß § 3 Abs. 1 Z. 2 Tilgungsgesetz fünfjährigen - Tilgungsfrist der Verurteilung vom 30. Juni 1993 die weiteren, jedenfalls noch nicht getilgten Verurteilungen erlitten.
4. Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 31. März 2000
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1999180343.X00Im RIS seit
14.11.2001