TE Vwgh Erkenntnis 2000/3/31 98/02/0125

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Veröffentlicht am 31.03.2000
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §46;
VStG §25 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Breunlich, über die Beschwerde des F in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 9. Februar 1998, Zl. UVS-03/P/44/03915/97, betreffend Übertretung der StVO, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben

Die Bundeshauptstadt (Land) Wien hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 2.500.-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren der beschwerdeführenden Partei wird abgewiesen.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Döbling, vom 19. September 1997 wurde der Beschwerdeführer für schuldig befunden, er habe am 28. Februar 1997 um 17.02 Uhr an einem näher genannten Ort in Wien als Lenker eines dem Kennzeichen nach näher bestimmten Kraftfahrzeugs das Rotlicht der Verkehrslichtsignalanlage nicht beachtet, indem das Fahrzeug nicht vor der dort befindlichen Haltelinie angehalten worden sei. Er habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs. 3 lit. a in Verbindung mit § 38 Abs. 5 StVO begangen, weshalb über ihn eine Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt wurde.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung. Von der belangten Behörde wurde u.a. am 16. Dezember 1997 im Gegenstand eine mündliche Verhandlung durchgeführt, wobei der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers am Schluss dieser Verhandlung den Antrag auf Einvernahme einer näher genannten Zeugin zum Beweis dafür beantragte, dass die für den Beschwerdeführer maßgebliche Ampel beim Überqueren der Haltelinie Grünlicht in eventu Gelblicht gezeigt habe.

Die belangte Behörde vertagte daraufhin die mündliche Verhandlung auf den 9. Februar 1998 und lud zu diesem Termin die vom Beschwerdeführer namhaft gemachte Zeugin. In der Niederschrift über diese zuletzt genannte Verhandlung wurde u.a. angemerkt, dass sich die Zeugin entschuldigt habe. Ferner wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Einvernahme dieser Zeugin zu einem späteren Zeitpunkt von der belangten Behörde abgewiesen, weil "in keinster Weise nachvollziehbar" sei, dass die Mutter eines sieben Wochen alten Kindes nicht ihrer Zeugenpflicht nachkommen könne. Der Verhandlungsleiter schloss in der Folge das Beweisverfahren und verkündete den nunmehr angefochtenen Bescheid (Spruch, wesentliche Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung), wobei der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge gegeben und das vorgenannte Straferkenntnis bestätigt wurde.

In der Begründung des angefochtenen Bescheides wird u.a. ausgeführt, es werde auf Grund des durchgeführten Berufungsverfahrens als erwiesen angenommen, dass der Beschwerdeführer die verfahrensgegenständliche Kreuzung bei Rotlicht überfahren habe. Diese Feststellung ergebe sich aus der Aussage des in der mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde zeugenschaftlich einvernommenen Meldungslegers sowie aus dem Inhalt des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes.

Der Antrag auf Verlegung der mündlichen Verhandlung sei deshalb abzuweisen gewesen, weil für die belangte Behörde nicht nachvollziehbar gewesen sei, warum eine Zeugin am Erscheinen zu der mündlichen Verhandlung gehindert sein sollte. Insbesondere habe die Zeugin "nicht erst am Tag vor der mündlichen Verhandlung erfahren, Mutter eines sieben Wochen alten Kindes zu sein". Die Vertagungsbitte sei durch den Beschwerdeführer und die Zeugin erst äußerst kurzfristig vor dem festgelegten Verhandlungstermin eingebracht worden. Sie erscheine schon deshalb als "unbotmäßig", weil sowohl die Kenntnis über einen andernorts wahrzunehmenden Termin als auch die Tatsache des zu stillenden Kindes den Antragstellern schon längerfristig habe bekannt sein müssen. Der Beschwerdeführer habe es somit selbst zu verantworten, dass die verfahrensgegenständliche Berufungsentscheidung ohne die Festsetzung eines weiteren - dritten - Verhandlungstermins ergangen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat erwogen:

In der Beschwerde wird u.a. ausgeführt, die belangte Behörde belaste denangefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, wenn sie einen zum Erscheinen und zur Aussage allenfalls unwilligen Entlastungszeugen, der zu einem für die Entscheidung für die Schuldfrage wesentlichen Thema namhaft gemacht worden sei, nicht vernehme, zumal der Behörde zur Erfüllung der Zeugenpflicht entsprechende Zwangsmittel zur Verfügung stünden.

Bereits mit diesem Vorbringen zeigt der Beschwerdeführer die Wesentlichkeit eines Verfahrensmangels auf. Gemäß § 25 Abs. 2 VStG sind die der Entlastung des Beschuldigten dienlichen Umstände in gleicher Weise zu berücksichtigen wie die belastenden. Demnach sind Belastungs- und Entlastungszeugen in gleicher Weise zu hören, soweit dies für die Klarstellung des Sachverhaltes erforderlich ist. Wohl findet die Pflicht zur Ermittlung der Wahrheit im Verwaltungsstrafverfahren ihre Grenze darin, dass von weiteren Erhebungen abgesehen werden kann, wenn der Sachverhalt so weit geklärt ist, dass die belangte Behörde auch dann zu einem anderen Ergebnis in der Hauptsache nicht gelangen könnte, wenn die namhaft gemachten Zeugen das bestätigen würden, was der Beschuldigte unter Beweis stellt. Nur unter dieser Voraussetzung darf ein beantragter Zeugenbeweis abgelehnt werden. Die Behörde darf jedoch nicht ausschließlich Belastungszeugen vernehmen und dann erklären, angesichts dieser Zeugenaussage sei jede weitere Beweisaufnahme unerheblich (vgl. dazu näher das hg. Erkenntnis vom 10. April 1991, Zl. 90/03/0162,0199).

Ferner ist es Pflicht der belangten Behörde, einen allenfalls unwilligen Zeugen zum Erscheinen und zur Aussage zu zwingen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 20. Mai 1994, Zl. 94/02/0030, m.w.N.).

Auf Grund der von der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungen kann jedoch - gerade im Hinblick auf die vom Beschwerdeführer in Zweifel gezogene Richtigkeit der Ausführungen des als Zeugen einvernommenen Meldungslegers bezüglich des Standortes zum Tatzeitpunkt, die in diesem Zusammenhang insbesondere im Zuge der mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde durch den Zeugen mehrfach geänderten Darstellungen (vgl. die Niederschrift vom 16. Dezember 1997) und wegen der eingewendeten Möglichkeit einer Fehlbeobachtung durch diesen Zeugen - nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass die belangte Behörde nach Einvernahme der namhaft gemachten Zeugin zu dem vom Beschwerdeführer beantragten Beweisthema zu einem anderen Ergebnis in der Hauptsache kommen könnte. Schon aus diesem Grund war daher der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge von Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben, wobei sich eine Auseinandersetzung mit dem weiteren Beschwerdevorbringen erübrigte.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren des Beschwerdeführers betreffend den Schriftsatzaufwand war abzuweisen, weil nach der am 1. September 1997 in Kraft getretenen Novelle, BGBl. I Nr. 88/1997, zu § 49 Abs. 1 zweiter Satz VwGG (vgl. § 73 Abs. 1 VwGG) der Schriftsatz- und Verhandlungsaufwand nur dann gewährt wird, wenn der

Beschwerdeführer tatsächlich durch einen Rechtsanwalt vertreten wird (vgl. hiezu auch das hg. Erkenntnis vom 27. Mai 1999, Zl. 97/02/0345, m.w.N.).

Wien, am 31. März 2000

Schlagworte

Ablehnung eines Beweismittels

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1998020125.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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