TE Bvwg Erkenntnis 2018/3/21 W226 2149042-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 21.03.2018
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Entscheidungsdatum

21.03.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

W226 2149042-1/12E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. WINDHAGER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Russische Föderation, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.02.2017, Zl. 609529708-1580897 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 27.02.2018 zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1 und 8 Abs. 1 AsylG 2005, § 57 AsylG 2005, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm. § 9 BFA-VG, § 52 Abs. 2 Z 2 FPG, § 52 Abs. 9 FPG, § 46 FPG sowie § 55 Abs. 1 bis 3 FPG als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige der Russischen Föderation und Angehörige der tschetschenischen Volksgruppe, stellte am 09.11.2012 einen Antrag auf internationalen Schutz. Zum Nachweis ihrer Identität legte sie einen russischen Inlandsreisepass vor. In ihrer Erstbefragung am selben Tag gab sie zusammengefasst an, dass ihr Sohn und ihr geschiedener Ehegatte in Österreich leben würden. Sie selbst sei schlepperunterstützt mittels PKW über die Ukraine illegal in Österreich eingereist. Die Reise habe ihr Neffe organisiert und habe diese 3000 USD gekostet.

Zu ihrem Fluchtgrund befragt führte sie aus, dass sie zu ihrem Sohn wolle. Leute von der Polizei hätten ihren Sohn gesucht und sei sie auch ausgefragt worden. Sie habe Angst, dass ihr Neffe Probleme bekomme und habe deswegen ihr Land verlassen. Im Fall ihrer Rückkehr könne nichts schlechtes passieren, außer dass sie getötet werden würde.

Am 23.10.2013 wurde die Beschwerdeführerin zu ihrem Antrag auf internationalen Schutz einvernommen. Sie gab an, Staatsangehörige der Russischen Föderation, Angehörige der Tschetschenischen Volksgruppe und dem muslimischen Glauben zugehörig zu sein. Sie sei geschieden und Mutter eines volljährigen Sohnes, welcher in Österreich als Flüchtling anerkannt sei. Im Herkunftsstaat habe sie sich ihren Lebensunterhalt durch Gelegenheitsarbeiten erwirtschaftet. Geregelte Arbeitsmöglichkeiten gäbe es nicht, sie habe in Geschäften und im Kindergarten ausgeholfen. Auf Nachfrage, warum sie ihren Herkunftsstaat verlassen habe, gab sie an, sie habe nur einen einzigen Sohn und zwei Schwestern. Ihr Sohn habe Probleme gehabt. Er hätte in die "nicht offizielle" Armee eingezogen werden sollen. Auf Vorhalt, dass ihr Sohn Russland vor drei Jahren verlassen habe und ob das für sie ein Problem gewesen sei, gab sie an, sie hätten seine Probleme von ihr wissen wollen. Sie seien immer gekommen und hätten sie verhört. Es seien immer wieder Ladungen für ihn gekommen und als er nicht hingegangen sei, seien sie immer wieder gekommen. Sie habe gesagt, dass er krank sei. Schlussendlich sei sie aufgefordert worden, ihnen die Adresse ihres Sohnes zu geben. Aus diesen Gründen hätte sie sich zur Ausreise entschlossen. Auf Nachfrage, ob es körperliche Übergriffe gegeben hätte, verneinte sie und gab an, dass man ihr nur Angst gemacht und gefordert habe, sie solle die Adresse ihres Sohnes bekannt geben.

Auf Nachfrage führte die Beschwerdeführerin an, niemals politisch tätig gewesen zu sein. Gefragt, ob es weitere Probleme gegeben habe, führte sie an, es gäbe Probleme, wie den Zwang zur Verschleierung. Derzeit sollten Frauen nicht ohne Verschleierung aus dem Haus gehen, sie habe das nicht gemacht.

Die Beschwerdeführerin gab außerdem an, sie habe in Österreich keine anderen Angehörigen. Sie habe Probleme mit ihrem Blutdruck. Dafür bekomme sie Tabletten von ihrem Hausarzt. Sie sei ausgebildete Buchhalterin und habe auch gearbeitet. In Österreich mit dem Computer zu arbeiten werde sie wahrscheinlich nicht schaffen. Sie wolle schon arbeiten, aber was speziell, wisse sie nicht.

Am 13.05.2014 wurde der Beschwerdeführerin zu den aktuellen Länderinformationen Parteiengehör eingeräumt.

Die Beschwerdeführerin führte in ihrer Stellungnahme vom 05.06.2014 im Wesentlichen aus, dass tschetschenische Frauen eine besonders vulnerable Gruppe bilden würden, welche Schutz im Sinne der GFK bedürfen würden. Weiters müsse davon ausgegangen werden, dass sie als ältere und alleinstehende tschetschenische Frau nicht in der Lage sein werde, selbstständig und ohne Unterstützung von Seiten des Staates und ohne familiären Rückhalt ihr Überleben zu sichern und sie folglich in eine ausweglose Lage geraten würde. Zudem sei sie aufgrund der familiären Angehörigeneigenschaft zu ihrem Sohn, welchem mit Bescheid des Bundesasylamtes der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, gefährdet, Opfer von Verfolgung von Seiten der Sicherheitskräfte zu werden. In Tschetschenien sei die Praxis der Kollektivbestrafung von Familienangehörigen nach wie vor vorherrschend. In ihrem Fall sei es bereits zu Drohungen gekommen.

Am 09.02.2016 wurde der Beschwerdeführerin erneut Parteiengehör zu den aktuellen Länderinformationen eingeräumt und wurde ihr die Möglichkeit gegeben, ihr Vorbringen zu ergänzen.

In ihrer Stellungnahme vom 30.03.2016 brachte die Beschwerdeführerin vor, dass ihr Sohn wegen Mitgliedschaft an einer terroristischen Vereinigung vom Landesgericht XXXX noch nicht rechtskräftig verurteil worden sei, was bedeute, dass die Beschwerdeführerin auf Grund der Sippenhaftung im Falle einer Abschiebung nach Tschetschenien mit dem Tod bedroht sei. Die Verurteilung des Sohnes bedeute nichts anderes als die Zugehörigkeit zum Emirat Kaukasus, das in Opposition zu XXXX stehe.

Am 10.01.2017 wurde die Beschwerdeführerin vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion XXXX, niederschriftlich einvernommen. Sie gab an, Tabletten für den Blutdruck zu nehmen, sonst an keinen gravierenden Krankheiten zu leiden. Befragt, ob sich an den Gründen für ihre Flucht seit der Erstbefragung und der ersten Einvernahme etwas geändert habe, gab sie an, es sei ein bisschen schlimmer geworden. Ihr einziger Sohn sei inhaftiert. Er stehe im Verdacht, in XXXX gewesen zu sein. Weiters gab sie zusammengefasst an, sie habe nach ihrer Einreise nach Österreich nicht mehr mit ihrem Sohn in einem gemeinsamen Haushalt gelebt. Sie hätte immer guten Kontakt zu ihrem Sohn gehabt. Zu dessen Aufenthaltsstatus befragt, gab sie an, dass dieser anerkannter Flüchtling sei und sich seit 2010 oder 2011 in Österreich aufhalte.

Befragt zu ihrer Ausbildung, gab sie an, Buchhalterin gelernt zu haben und danach im Geschäft ihrer Schwester Lebensmittel und Kleider verkauft zu haben. Die Schwester habe das Geschäft verkauft und bekomme eine Rente. Sie selbst habe bis zur Ausreise in ihrem Elternhaus gelebt. In diesem Haus würden ihre jüngere Schwester und zwei Neffen wohnen. Alle würden arbeiten. Im Heimatland hätte sie noch Cousinen und Cousins zweiten Grades. Kontakt habe sie noch zu beiden Schwestern. In Österreich habe sie keine nahen Familienangehörigen, aber entfernte Verwandte.

Zu ihrem Fluchtgrund befragt, gab sie zusammengefasst an, ihr Sohn habe einen Einberufungsbefahl gekommen und sei aus diesem Grund ausgereist. Nach seiner Ausreise seien noch mehrerer Einberufungsbefehle gekommen und sie sei unterdrückt worden. Man habe von ihr den Aufenthaltsort ihres Sohnes wissen wollen. Sie habe ihre Familienmitglieder nicht in diese Probleme mit hineinziehen wollen und sei ausgereist. Ihr Sohn sei 18 Jahre alt gewesen, als er ausgereist sei. Nach der Ausreise des Sohnes seien zwei Einberufungsbefehle gekommen, genau wisse sie es aber nicht mehr. Die Befehle habe ihr der Briefträger persönlich gebracht. Auf Nachfrage, wer den Aufenthaltsort ihres Sohnes wisse habe wollen, gab sie an, die Militärleute und der Bezirkspolizist. Sie seien zweimal gemeinsam zu ihrem Elternaus gekommen. Ob nach ihrer Ausreise weitere Personen gekommen seien, wisse sie nicht. Ihr sei nicht geglaubt worden, dass sie nicht wisse, wo ihr Sohn sei und sei ihr gesagt worden, dass sie gemeinsam mit ihm Verantwortung tragen werde. Der Kindesvater und die Familie seien zu diesem Zeitpunkt schon in Österreich gewesen. Sie sei dann ca. 3 Monate zwischen dem Elternhaus und der älteren Schwester gependelt und dann am 07.11.2012 ausgereist. Konkreten Auslöser für die Ausreise habe es nicht gegeben. Sie habe nur ein Kind und ihr Sohn habe gewollt, dass sie zu ihm komme. Ohne ihn habe sie kein Leben. Auf Nachfrage, ob sie mit ihrem Sohn zurück in die Russische Föderation gehen werde, gab sie an, es nicht zu wissen. Sie werde dort sowieso getötet, weil ihr Sohn inXXXX gewesen sei. Auf Vorhalt, dass es keine Todesstrafe gäbe, nur weil ihr Sohn in XXXX war, antwortete sie, man solle im Internet schauen und werde dort auf diese Frage die Antwort finden.

Die Beschwerdeführerin führte in der Einvernahme wiederholt an, dass ihr Sohn nicht in XXXX gewesen sei.

Zum Familienstand ihres Sohnes befragt, gab sie an, dieser sei mit ihrer Schwiegertochter traditionell verheiratet und einen Monat nach der Eheschließung verhaftet worden. Ihre Schwiegertochter lebe in Wien. Sie werde von der Schwiegertochter nicht finanziell unterstützt.

Die Beschwerdeführerin gab an, in Österreich von der Grundversorgung zu leben. Sie besuche einen Deutschkurs, helfe bei der Caritas bei der Reinigung und in der Schule beim Schulbuffet. Die österreichischen Nachbarinnen würden sie zu Kaffee und Tee einladen. In ihrer Freizeit lese sie gerne, auch auf Deutsch. Sie verstehe zwar nicht alles, schreibe es aber ab. Sie stricke auch. Sie leiste gemeinnützige Arbeit, besuche das Pfarramt und gebe sich Mühe. Befragt, was sie über Österreichs Kultur und Geschichte wisse, gab sie an, dass die Österreicher sehr hilfsbereit und ehrlich seien. In Österreich gäbe es schöne Wasserfälle und Gebirge. Salzburg sei wunderschön.

Auf Nachfrage gab die Beschwerdeführerin an, in Österreich keine Probleme mit Behörden, Polizei, Gericht oder anderen Institutionen gehabt zu haben. Sie habe sich außerhalb Russlands nicht politisch betätigt. Weder als Tschetschenin noch als Sunnitin würde ihr Verfolgung drohen.

Mit dem im Spruch angeführten Bescheid des BFA vom 07.02.2017 wurde unter Spruchteil I. der Antrag auf internationalen Schutz vom 09.11.2012 bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen und unter Spruchteil II. gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 leg. cit. dieser Antrag auch bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf die Russische Föderation abgewiesen. Unter Spruchteil III. wurde der Beschwerdeführerin ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2006 nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm. § 9 BFA-VG wurde gegen die Beschwerdeführerin eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführerin in die Russische Föderation gemäß § 46 FPG zulässig ist und gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchteil IV.).

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin durch ihren gewillkürten Vertreter rechtzeitig Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Geltend gemacht wurden Feststellungs- und Begründungsmängel, Ignorieren des Parteienvorbringens, Unschlüssigkeit der Beweiswürdigung, Verkennen der Sachlage und unrichtige rechtliche Beurteilung.

Nach Wiedergabe des Sachverhalts wurde insbesondere die Begründung der belangten Behörde moniert, welche die Sachlage in mehrfacher Hinsicht verkannt habe. So habe die belangte Behörde behauptet, dass es nicht plausibel sei, dass Militärangehörige sich über einen längeren Zeitraum damit begnügen würden, dass sich der Aufenthaltsort des Sohnes nicht ermitteln lasse. Es könne schon sein, dass die belangte Behörde die Ängste und Bedenken der Beschwerdeführerin angesichts des Erscheinens der Militärbehörde bei ihr, in einer etwas übertriebenen Art und Weise dargestellt habe. Man dürfe nicht außer Acht lassen, dass die Beschwerdeführerin "offensichtlich von einschlägigen Aktivitäten des Sohnes bereits in der Heimat Kenntnis hatte und deshalb fürchtete, dies sei auch den Militärbehörden bekannt." Außerdem würden gerade Tschetschenen in letzter Zeit in die Ostukraine einberufen werden und dass dorthin niemand freiwillig gehen wolle, sei wohl nachvollziehbar.

Weiters wurde die Beweiswürdigung der belangten Behörde moniert, nach der die Beschwerdeführer überhaupt keine Bedrohung durch die Militärbehörden glaubwürdig und nachvollziehbar vorbringen habe können, da es ureigenste Aufgabe des Militärs sei, für die Einziehung wehrfähiger Männer zum Militärdienst zu sorgen; dass ihr Sohn nicht mit ihr im gleichen Haushalt gemeldet gewesen und ja überhaupt nur eine geringe Anzahl von Personen wegen Wehrdienstverweigerung bestraft werde, sehr selten sei mit Sanktionen zu rechnen. Trotz der nicht erfolgten Meldung des Sohnes an der Adresse der Mutter sei es "das wohl Denklogischte", wenn die Behörde die nächsten Verwandten des Sohnes der Beschwerdeführerin aufsuchen würden, wenn sie seiner nicht habhaft werden können. Niemand solle den Militärdienstbehörden ihre ureigensten Aufgaben ansprechen, niemand könne jedoch behaupten, dass die diesbezüglichen Angaben der Beschwerdeführerin nicht logisch seien.

Der im Bescheid behauptete wirtschaftliche Grund für die Flucht sei auf weiter Flur nicht erkennbar.

Die Beschwerdeführerin sei offensichtlich eine "Mitwisserin ihres Sohnes" hinsichtlich "dessen vermuteten bzw. ihr bekannten Aktivitäten". Aus diesem Grunde habe sie sich von den Militärbehörden bedrängt und verfolgt gefühlt, was sehr gut nachvollziehbar sei, "angesichts der unsäglichen Verhältnisse im russischen Militär".

Hinsichtlich ihrer Erkrankungen habe die Beschwerdeführer in ihrer Heimat keinen Zugang zu vernünftigen und leistbaren Therapien.

Bedauerlich sei, dass die belangte Behörde die Verurteilung des Sohnes nicht zur Kenntnis genommen habe. Es solle doch bekannt sein, dass die Russische Föderation, in engster Kooperation mit der EU, den USA und anderen Ländern hinsichtlich russischer Staatsbürger stehe, die im Verdacht stehen würden, den IS in Syrien, Irak, Afghanistan und Libyen zu unterstützen. Bei einer Rückkehr der Beschwerdeführerin in die Russische Föderation würden dieser Drangsalierungsmaßnahmen, Belästigung und außerlegale Gewalt drohen.

Am 27.02.2018 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht im Beisein der Beschwerdeführerin, ihres Vertreters sowie eines Dolmetschers für die Sprache Russisch eine mündliche Beschwerdeverhandlung statt, in welcher im Wesentlichen die persönlichen und familiären Umstände der Beschwerdeführerin, ihre Fluchtgründe, sowie das aktuelle LIB der Staatendokumentation zur Russischen Föderation erörtert wurden.

Zu ihren Fluchtgründen befragt wiederholte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen ihr bisheriges Vorbringen, nachdem sie nach der Flucht ihres Sohnes von den Behörden kontaktiert worden sei, weil ihr Sohn nicht zum Militärdienst erschienen sei. Weiters gab sie Auskunft zu ihren Verwandten. Sie habe im Herkunftsstaat, zwei Schwestern, zwei Neffen und zwei Tanten. In Österreich habe sie einen Cousin und dessen Lebensgefährtin, mit der er traditionell verheiratet sei. Sie stehe in regelmäßigem Kontakt mit der Lebensgefährtin des Sohnes und habe ihren Sohn im Gefängnis besucht. Das könne sie jetzt nicht mehr, da sie keinen geeigneten Ausweis habe.

Weiters führte sie an, Angst zu haben, sie werde aufgrund der Verurteilung ihres Sohnes Probleme bekommen. Andere Verwandte seien wegen der Verurteilung nicht kontaktiert worden. Die Behörden würden über sie Informationen über den Sohn bekommen wollen, damit sie ihn später töten könnten.

Ferner sagte die Beschwerdeführerin aus, sie wisse nicht, warum ihr im Herkunftsstaat der Zugang zur Medizin verwehrt sein sollte.

Die Beschwerdeführerin legte im Verfahren folgende Unterlagen vor:

* Teilnahmebestätigung Deutschkurs für Anfänger (AS 81);

* Bestätigung der Volksschule XXXX, XXXX, vom 23.05.2013 darüber, dass die Beschwerdeführerin jeden Donnerstag für mindestens drei Stunden in der Schule hilft, um die "Gesunde Jause" zuzubereiten (AS 83) mit Zeitungsartikel (AS 85);

* Teilnahmebestätigung Deutschkurs für leicht fortgeschrittene (AS 101;

* Bestätigung der Leiterin der Volksschule XXXX,XXXX, vom 02.06.2016 über die regelmäßige Mitarbeit der Beschwerdeführerin beim Projekt "Gesunde Jause" (AS 196);

* Bestätigung der Pfarre XXXX vom 02.06.2016 über die unentgeltliche Mitarbeit der Beschwerdeführerin bei Reinigungsarbeiten in der Pfarre (AS 197);

* Teilnahmebestätigung Interreligiöse Gesprächsgruppe im XXXX (AS 198);

* Teilnahmebestätigung Deutschkurs A1 Teil 2 für AsylwerberInnen vom 02.05.2016 (AS 200);

* Undatiertes Empfehlungsschreiben XXXX (AS 201);

* Radiologischer Befund hinsichtlich beider Kniegelenke mit Diagnose inzipiente Gonarthorse beidseits (AS 343);

* Bestätigung der Caritas über das unentgeltliche Verrichten diverser Hilfstätigkeiten im XXXX vom 15.01.2017 (AS 357);

* Teilnahmebestätigung XXXX (AS 359);

* ÖSD Zertifikat A1 (AS 371);

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Beweis wurde Erhoben durch Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung am 27.02.2018; durch Einsichtnahme in den Inhalt des vorliegenden Verwaltungsaktes der Beschwerdeführerin, beinhaltend die niederschriftliche Erstbefragung am 09.11.2012 und die niederschriftliche Einvernahmen der Beschwerdeführerin vor den Asylbehörden am 23.10.2013 und am 10.01.2017, die Stellungnahmen der Beschwerdeführerin vom 05.06.2014 und vom 30.03.2016, den Bescheid des BFA vom 07.02.2017 sowie die Beschwerde vom 05.01.2017; durch Einsichtnahme in die vorgelegten Unterlagen; durch Einholung von Auszügen aus ZMR, GVS und Strafregister; und schließlich durch Einsichtnahme in die Länderinformationen zum Herkunftsstaat (aktuelles Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zur Russischen Föderation, Stand 21.07.2017).

1. Feststellungen:

Feststellungen zur Beschwerdeführerin:

Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige der Russischen Föderation, der tschetschenischen Volksgruppe und dem muslimischen Glauben zugehörig. Die Beschwerdeführerin legte bei der Antragstellung einen russischen Inlandspass vor. Die Identität der Beschwerdeführerin steht fest.

Die Beschwerdeführerin stellte am 09.11.2012 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz, der mit dem im Spruch genannten angefochtenen Bescheid abgewiesen wurde.

Die Beschwerdeführerin hält sich nach illegaler Einreise durchgehend im Bundesgebiet auf.

Nicht festgestellt werden kann, dass der Beschwerdeführerin in der Russischen Föderation mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine an asylrelevante Merkmale anknüpfende Verfolgung maßgeblicher Intensität - oder eine sonstige Verfolgung maßgeblicher Intensität - in der Vergangenheit gedroht hat bzw. aktuell droht.

Nicht festgestellt werden kann weiters, dass die Beschwerdeführerin im Fall der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Russische Föderation in ihrem Recht auf Leben gefährdet, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen würde oder von der Todesstrafe bedroht wäre.

Es kann ferner nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin im Falle ihrer Rückkehr in den Herkunftsstaat in eine existenzgefährdende Notlage geraten würde und ihr die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen wäre.

Darüber hinaus kann nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin an einer dermaßen schweren, akut lebensbedrohlichen und zudem im Herkunftsstaat nicht behandelbaren Erkrankung leidet, welche eine Rückkehr in die Russische Föderation iSd. Art. 3 EMRK unzulässig machen würde.

Trotz ihres durchgehenden Aufenthaltes im Bundesgebiet konnte die Beschwerdeführerin keine fortgeschrittene Integration nachweisen. Sie bezieht Leistungen aus der Grundversorgung und ist nicht selbsterhaltungsfähig. Sie spricht Deutsch auf A1 Niveau, hilft regelmäßig beim Herrichten einer "Gesunden Jause" in einer Schule mit, und verrichtet freiwillig unbezahlt Hilfs- und Reinigungsarbeiten in der Pfarre und bei der Caritas.

Die Beschwerdeführerin ist strafgerichtlich unbescholten.

Die Beschwerdeführerin ist geschieden. Sie war in ihrem Herkunftsstaat berufstätig. In Tschetschenien leben zwei Schwestern, zwei Tanten und zwei Neffen der Beschwerdeführerin. Zuletzt lebte die Beschwerdeführerin mit ihrer jüngeren Schwester und zwei Neffen in ihrem Elternhaus, welches nach wie vor in Familienbesitz ist. Der volljährige Sohn der Beschwerdeführerin und sie haben in Österreich nicht in einem gemeinsamen Haushalt gelebt. Der Sohn der Beschwerdeführerin ist in Österreich asylberechtigt und wurde im Jahr XXXXrechtskräftig gem. §§ 278a und b StGB (Mitgliedschaft an einer kriminellen Organisation und einer terroristischen Vereinigung) zu einer fünfjährigen Freiheitsstrafe verurteilt, welche er derzeit verbüßt. Der Sohn der Beschwerdeführerin ist traditionell verheiratet, mit der Schwiegertochter steht die Beschwerdeführerin in regelmäßigem Kontakt. Im Bundesgebiet leben der Cousin der Beschwerdeführerin und dessen Lebensgefährtin.

Länderfeststellungen zum Herkunftsstaat der Beschwerdeführerin:

1. Politische Lage

Die Russische Föderation hat knapp 143 Millionen Einwohner (CIA 15.6.2017, vgl. GIZ 7.2017c). Die Russische Föderation ist eine föderale Republik mit präsidialem Regierungssystem. Am 12. Juni 1991 erklärte sie ihre staatliche Souveränität. Die Verfassung der Russischen Föderation wurde am 12. Dezember 1993 verabschiedet. Das russische Parlament besteht aus zwei Kammern, der Staatsduma (Volksvertretung) und dem Föderationsrat (Vertretung der Föderationssubjekte) (AA 3.2017a). Der Staatspräsident der Russischen Föderation verfügt über sehr weitreichende exekutive Vollmachten, insbesondere in der Außen- und Sicherheitspolitik. Seine Amtszeit beträgt sechs Jahre. Amtsinhaber ist seit dem 7. Mai 2012 Wladimir Putin (AA 3.2017a, vgl. EASO 3.2017). Er wurde am 4. März 2012 (mit offiziell 63,6% der Stimmen) gewählt. Es handelt sich um seine dritte Amtszeit als Staatspräsident. Dmitri Medwedjew, Staatspräsident 2008-2012, übernahm am 8. Mai 2012 erneut das Amt des Ministerpräsidenten. Seit der Wiederwahl von Staatspräsident Putin im Mai 2012 wird eine Zunahme autoritärer Tendenzen beklagt. So wurden das Versammlungsrecht und die Gesetzgebung über Nichtregierungsorganisationen erheblich verschärft, ein föderales Gesetz gegen "Propaganda nicht-traditioneller sexueller Beziehungen" erlassen, die Extremismus-Gesetzgebung verschärft sowie Hürden für die Wahlteilnahme von Parteien und Kandidaten beschlossen, welche die Wahlchancen oppositioneller Kräfte weitgehend zunichtemachen. Der Druck auf Regimekritiker und Teilnehmer von Protestaktionen wächst, oft mit strafrechtlichen Konsequenzen. Der Mord am Oppositionspolitiker Boris Nemzow hat das Misstrauen zwischen Staatsmacht und außerparlamentarischer Opposition weiter verschärft (AA 3.2017a). Mittlerweile wurden alle fünf Angeklagten im Mordfall Nemzow schuldig gesprochen. Alle fünf stammen aus Tschetschenien. Der Oppositionelle Ilja Jaschin hat das Urteil als "gerecht" bezeichnet, jedoch sei der Fall nicht aufgeklärt, solange Organisatoren und Auftraggeber frei sind. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow hat verlautbart, dass die Suche nach den Auftraggebern weiter gehen wird. Allerdings sind sich Staatsanwaltschaft und Nebenklage, die die Interessen der Nemzow-Familie vertreten, nicht einig, wen sie als potenziellen Hintermann weiter verfolgen. Die staatlichen Anklagevertreter sehen als Lenker der Tat Ruslan Muchutdinow, einen Offizier des Bataillons "Nord", der sich in die Vereinigten Arabischen Emirate abgesetzt haben soll. Nemzows Angehörige hingegen vermuten, dass die Spuren bis "zu den höchsten Amtsträgern in Tschetschenien und Russland" führen. Sie fordern die Befragung des Vizebataillonskommandeurs Ruslan Geremejew, der ein entfernter Verwandter von Tschetscheniens Oberhaupt Ramsan Kadyrow ist (Standard 29.6.2017). Ein Moskauer Gericht hat den Todesschützen von Nemzow zu 20 Jahren Straflager verurteilt. Vier Komplizen erhielten Haftstrafen zwischen 11 und 19 Jahren. Zudem belegte der Richter Juri Schitnikow die fünf Angeklagten aus dem russischen Nordkaukasus demnach mit Geldstrafen von jeweils 100.000 Rubel (knapp 1.500 Euro). Die Staatsanwaltschaft hatte für den Todesschützen lebenslange Haft beantragt, für die Mitangeklagten 17 bis 23 Jahre (Kurier 13.7.2017).

Russland ist formal eine Föderation, die aus 83 Föderationssubjekten besteht. Die im Zuge der völkerrechtswidrigen Annexion erfolgte Eingliederung der ukrainischen Krim und der Stadt Sewastopol als Föderationssubjekte Nr. 84 und 85 in den russischen Staatsverband ist international nicht anerkannt. Die Föderationssubjekte genießen unterschiedliche Autonomiegrade und werden unterschiedlich bezeichnet (Republiken, Autonome Gebiete, Autonome Kreise, Regionen, Gebiete, Föderale Städte). Die Föderationssubjekte verfügen jeweils über eine eigene Legislative und Exekutive. In der Praxis unterstehen die Regionen aber finanziell und politisch dem föderalen Zentrum (AA 3.2017a).

Die siebte Parlamentswahl in Russland hat am 18. September 2016 stattgefunden. Gewählt wurden die 450 Abgeordneten der russischen Duma. Insgesamt waren 14 Parteien angetreten, unter ihnen die oppositionellen Parteien Jabloko und Partei der Volksfreiheit (PARNAS). Die Wahlbeteiligung lag bei 47,8%. Die meisten Stimmen bei der Wahl, die auch auf der Halbinsel Krim abgehalten wurde, erhielt die von Ministerpräsident Dmitri Medwedew geführte Regierungspartei "Einiges Russland" mit gut 54%. Nach Angaben der Wahlkommission landete die Kommunistische Partei mit 13,5% auf Platz zwei, gefolgt von der nationalkonservativen LDPR mit 13,2%. Die nationalistische Partei "Gerechtes Russland" erhielt 6%. Diese vier Parteien waren auch bislang schon in der Duma vertreten und stimmten in allen wesentlichen Fragen mit der Mehrheit. Den außerparlamentarischen Oppositionsparteien gelang es nicht die Fünf-Prozent-Hürde zu überwinden. In der Duma verschiebt sich die Macht zugunsten der Regierungspartei "Einiges Russland". Die Partei erreicht im Parlament mit 343 Sitzen deutlich die Zweidrittelmehrheit, die ihr nun Verfassungsänderungen ermöglicht. Die russischen Wahlbeobachter von der NGO Golos berichteten auch in diesem Jahr über viele Verstöße gegen das Wahlrecht (GIZ 4.2017a, vgl. AA 3.2017a).

Das Verfahren am Wahltag selbst wurde offenbar korrekter durchgeführt als bei den Dumawahlen im Dezember 2011. Direkte Wahlfälschung wurde nur in Einzelfällen gemeldet, sieht man von Regionen wie Tatarstan oder Tschetschenien ab, in denen Wahlbetrug ohnehin erwartet wurde. Die Wahlbeteiligung von über 90% und die hohen Zustimmungsraten in diesen Regionen sind auch nicht geeignet, diesen Verdacht zu entkräften. Doch ist die korrekte Durchführung der Abstimmung nur ein Aspekt einer demokratischen Wahl. Ebenso relevant ist, dass alle Bewerber die gleichen Chancen bei der Zulassung zur Wahl und die gleichen Möglichkeiten haben, sich der Öffentlichkeit zu präsentieren. Der Einsatz der Administrationen hatte aber bereits im Vorfeld der Wahlen - bei der Bestellung der Wahlkommissionen, bei der Aufstellung und Registrierung der Kandidaten sowie in der Wahlkampagne - sichergestellt, dass sich kein unerwünschter Kandidat und keine missliebige Oppositionspartei durchsetzen konnte. Durch restriktives Vorgehen bei der Registrierung und durch Behinderung bei der Agitation wurden der nichtsystemischen Opposition von vornherein alle Chancen genommen. Dieses Vorgehen ist nicht neu, man hat derlei in Russland vielfach erprobt und zuletzt bei den Regionalwahlen 2014 und 2015 erfolgreich eingesetzt. Das Ergebnis der Dumawahl 2016 demonstriert also, dass die Zentrale in der Lage ist, politische Ziele mit Hilfe der regionalen und kommunalen Verwaltungen landesweit durchzusetzen. Insofern bestätigt das Wahlergebnis die Stabilität und Funktionsfähigkeit des Apparats und die Wirksamkeit der politischen Kontrolle. Dies ist eine der Voraussetzungen für die Erhaltung der politischen Stabilität (RA 7.10.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (3.2017a): Russische Föderation - Innenpolitik,

http://www.auswaertiges-amt.de/sid_167537BE2E4C25B1A754139A317E2F27/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/RussischeFoederation/Innenpolitik_node.html, Zugriff 21.6.2017

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CIA - Central Intelligence Agency (15.6.2017): The World Factbook, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/rs.html, Zugriff 21.6.2017

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EASO - European Asylum Support Office (3.2017): COI-Report Russian Federation - State Actors of Protection, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1489999668_easocoi-russia-state-actors-of-protection.pdf, Zugriff 21.6.2017

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GIZ Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (4.2017a): Russland, Geschichte und Staat, https://www.liportal.de/russland/geschichte-staat/#c24819, Zugriff 21.6.2017

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GIZ Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (7.2017c): Russland, Gesellschaft, https://www.liportal.de/russland/gesellschaft/, Zugriff 11.7.2017

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Kurier.at (13.7.2017): Nemzow-Mord: 20 Jahre Straflager für Mörder,

https://kurier.at/politik/ausland/nemzow-mord-20-jahre-straflager-fuer-moerder/274.903.855, Zugriff 13.7.2017

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RA - Russland Analysen (7.10.2016): Nr. 322, Bewegung in der russischen Politik?,

http://www.laender-analysen.de/russland/pdf/RusslandAnalysen322.pdf, Zugriff 21.6.2017

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Standard (29.7.2017): Alle Angeklagten im Mordfall Nemzow schuldiggesprochen,

http://derstandard.at/2000060550142/Alle-Angeklagten-im-Mordfall-Nemzow-schuldig-gesprochen, Zugriff 30.6.2017

1.1. Tschetschenien

Die Tschetschenische Republik ist eine der 21 Republiken der Russischen Föderation. Betreffend Fläche und Einwohnerzahl - 15.647 km2 und fast 1,3 Millionen Einwohner/innen (2010) - ist Tschetschenien mit der Steiermark vergleichbar. Etwa die Hälfte des tschetschenischen Territoriums besteht aus Ebenen im Norden und Zentrum der Republik. Heutzutage ist die Republik eine nahezu monoethnische: 95,3% der Bewohner/innen Tschetscheniens gaben 2010 an, ethnische Tschetschenen/innen zu sein. Der Anteil ethnischer Russen/innen an der Gesamtbevölkerung liegt bei 1,9%. Rund 1% sind ethnische Kumyk/innen, des Weiteren leben einige Awar/innen, Nogaier/innen, Tabasar/innen, Türk/innen, Inguschet/innen und Tatar/innen in der Republik (Rüdisser 11.2012).

Den Föderationssubjekten stehen Gouverneure vor. Gouverneur von Tschetschenien ist Ramsan Kadyrow. Er gilt als willkürlich herrschend. Russlands Präsident Putin lässt ihn aber walten, da er Tschetschenien "ruhig" hält. Tschetschenien wird überwiegend von Geldern der Zentralregierung finanziert. So erfolgte der Wiederaufbau von Tschetscheniens Hauptstadt Grosny vor allem mit Geldern aus Moskau (BAMF 10.2013, vgl. RFE/RL 19.1.2015).

In Tschetschenien gilt Ramsan Kadyrow als Garant Moskaus für Stabilität. Mit Duldung der russischen Staatsführung hat er in der Republik ein autoritäres System geschaffen, das vollkommen auf seine eigene Person ausgerichtet ist und größtenteils außerhalb des föderalen Rechtsrahmens funktioniert. So musste im Mai 2016 der Vorsitzende des Obersten Gerichts Tschetscheniens zurücktreten, nachdem er von Kadyrow kritisiert worden war, obwohl die Ernennung/Entlassung der Richter in die föderale Kompetenz fällt. Fraglich bleibt auch die föderale Kontrolle über die tschetschenischen Sicherheitskräfte, deren faktische Loyalität vorrangig dem Oberhaupt der Republik gilt. Im Juni 2016 beschloss das tschetschenische Parlament die vorzeitige Selbstauflösung, um vorgezogene Neuwahlen im September 2016, wenn auch das Republikoberhaupt gewählt wird, durchzuführen. Die Entscheidung erklärte man mit potentiellen Einsparungen durch das Zusammenlegen der beiden Wahlgänge, Experten gehen jedoch davon aus, dass Kadyrow einen Teil der Abgeordneten durch jüngere, aus seinem Umfeld stammende Politiker ersetzen möchte. Bei den Wahlen vom 18. September 2016 lag die Wahlbeteiligung in Tschetschenien weit über dem landesweiten Durchschnitt. Den offiziellen Angaben zufolge wurde Kadyrow mit über 97% der Stimmen im Amt des Oberhauptes der Republik bestätigt. Unabhängige Medien berichteten über Unregelmäßigen bei den Wahlen, in deren Vorfeld HRW über Druckausübung auf Kritiker des derzeitigen Machthabers berichtet hatte (ÖB Moskau 12.2016). In Tschetschenien hat das Republikoberhaupt Ramsan Kadyrow ein auf seine Person zugeschnittenes repressives Regime etabliert. Vertreter russischer und internationaler NGOs berichten von Gewalt und Menschenrechtsverletzungen, einem Klima der Angst und Einschüchterung (AA 24.1.2017).

Gegen vermeintliche Extremisten und deren Angehörige, aber auch gegen politische Gegner, wird hart vorgegangen. Anfang 2016 sorgte Kadyrow landesweit für Aufregung, als er die liberale Opposition in Moskau als Staatsfeinde bezeichnete, die darauf aus wären, Russland zu zerstören. Nachdem er dafür von Menschenrechtlern, aber auch von Vertretern des präsidentiellen Menschenrechtsrats scharf kritisiert worden war, wurde in Grozny eine Massendemonstration zur Unterstützung Kadyrows organisiert. Im März ernannte Präsident Putin Kadyrow im Zusammenhang mit dessen im April auslaufender Amtszeit zum Interims-Oberhaupt der Republik und drückte seine Unterstützung für Kadyrows erneute Kandidatur aus. Bei den Wahlen im September 2016 wurde Kadyrow laut offiziellen Angaben bei hoher Wahlbeteiligung mit überwältigender Mehrheit für eine weitere Amtszeit von fünf Jahren gewählt, wohingegen unabhängige Medien von krassen Regelverstößen bei der Wahl berichteten (ÖB Moskau 12.2016). Im Vorfeld dieser Wahlen zielten lokale Behörden auf Kritiker und Personen, die als nicht loyal zu Kadyrow gelten ab, z.B. mittels Entführungen, Verschwindenlassen, Misshandlungen, Todesdrohungen und Androhung von Gewalt gegenüber Verwandten (HRW 12.1.2017).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (24.1.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation

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BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (10.2013):

Protokoll zum Workshop Russische Föderation/Tschetschenien am 21.-22.10.2013 in Nürnberg

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HRW - Human Rights Watch (12.1.2017): World Report 2017 - Russia, http://www.ecoi.net/local_link/334746/476500_de.html, Zugriff 28.6.2017)

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ÖB Moskau (12.2016): Asylländerbericht Russische Föderation

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RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (19.1.2015): The Unstoppable Rise Of Ramzan Kadyrov, http://www.rferl.org/content/profile-ramzan-kadyrov-chechnya-russia-putin/26802368.html, Zugriff 21.6.2017

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Rüdisser, V. (11.2012): Russische Föderation/Tschetschenische Republik. In: Länderinformation n°15, Österreichischer Integrationsfonds,

http://www.integrationsfonds.at/themen/publikationen/oeif-laenderinformation/, Zugriff 21.6.2017

1.2. Dagestan

[...]

2. Sicherheitslage

Wie verschiedene Anschläge mit zahlreichen Todesopfern in den letzten Jahren gezeigt haben, kann es in Russland, auch außerhalb der Kaukasus-Region, jederzeit zu Attentaten kommen. Zuletzt kam es am 3.4.2017 in Sankt Petersburg zu einem Anschlag in der Metro, der Todesopfer und Verletzte forderte. Die russischen Behörden haben zuletzt ihre Warnung vor Attentaten bekräftigt und rufen zu besonderer Vorsicht auf (AA 21.7.2017b). Den Selbstmordanschlag in der St. Petersburger U-Bahn am 3.4.2017 hat nach Angaben von Experten eine Gruppe mit mutmaßlichen Verbindungen zum islamistischen Terrornetzwerk Al-Qaida für sich reklamiert. Das Imam-Schamil-Bataillon habe den Anschlag mit 15 Todesopfern nach eigenen Angaben auf Anweisung des Al-Qaida-Chefs Ayman al-Zawahiri verübt, teilte das auf die Überwachung islamistischer Internetseiten spezialisierte US-Unternehmen SITE am Dienstag mit (Standard 25.4.2017). Der Selbstmordattentäter Akbarschon Dschalilow stammte aus der kirgisischen Stadt Osch. Zehn Personen, die in den Anschlag verwickelt sein sollen, sitzen in Haft, sechs von ihnen wurden in St. Petersburg, vier in Moskau festgenommen. In russischen Medien wurde der Name eines weiteren Mannes aus der Gegend von Osch genannt, den die Ermittler für den Auftraggeber des Anschlags hielten: Siroschiddin Muchtarow, genannt Abu Salach al Usbeki. Der Angriff, sei eine Vergeltung für russische Gewalt gegen muslimische Länder wie Syrien und für das, was in der russischen Nordkaukasus-Teilrepublik Tschetschenien geschehe; die Operation sei erst der Anfang. Mit Terrorangriffen auf und in Russland hatte sich zuletzt nicht Al-Qaida, sondern der sogenannte Islamische Staat gebrüstet, so mit jüngsten Angriffen auf Sicherheitskräfte in Tschetschenien und der Stadt Astrachan. Laut offizieller Angaben sollen 4.000 Russen und 5.000 Zentralasiaten in Syrien und dem Irak für den IS oder andere Gruppen kämpfen. Verteidigungsminister Schoigu behauptete Mitte März 2016, es seien durch Russlands Luftschläge in Syrien "mehr als 2.000 Banditen" aus Russland, unter ihnen 17 Feldkommandeure getötet worden (FAZ 26.4.2017).

Russland tritt als Protagonist internationaler Terrorismusbekämpfung auf und begründet damit seinen Militäreinsatz in Syrien. Vom Beginn des zweiten Tschetschenienkriegs 1999 bis ins Jahr 2013 sah es sich mit 75 größeren Terroranschlägen auf seinem Staatsgebiet konfrontiert, die Hunderte Zivilisten das Leben kosteten. Verantwortlich dafür war eine über Tschetschenien hinausgehende Aufstandsbewegung im Nordkaukasus. Gewaltzwischenfälle am Südrand der Russischen Föderation gingen 2014 um 46% und 2015 um weitere 51% zurück. Auch im Global Terrorism Index, der die Einwirkung des Terrorismus je nach Land misst, spiegelt sich diese Entwicklung wider. Demnach stand Russland 2011 noch an neunter Stelle hinter mittelöstlichen, afrikanischen und südasiatischen Staaten, weit vor jedem westlichen Land. Im Jahr 2016 rangierte es dagegen nur noch auf Platz 30 hinter Frankreich (Platz 29), aber vor Großbritannien (Platz 34) und den USA (Platz 36). Nach der Militärintervention in Syrien Ende September 2015 erklärte der IS Russland den Jihad und übernahm die Verantwortung für den Abschuss eines russischen Passagierflugzeugs über dem Sinai mit 224 Todesopfern. Seitdem ist der Kampf gegen die Terrormiliz zu einer Parole russischer Außen- und Sicherheitspolitik geworden, auch wenn der russische Militäreinsatz in Syrien gewiss nicht nur von diesem Ziel bestimmt ist, sondern die Großmachtrolle Russlands im Mittleren Osten stärken soll. Moskau appelliert beim Thema Terrorbekämpfung an internationale Kooperation (SWP 4.2017).

Russland hat den sog. IS erst Ende Dezember 2014 auf seine Liste terroristischer Organisationen gesetzt und dabei andere islamistische Gruppierungen außer Acht gelassen, in denen seine Staatsbürger, insbesondere Tschetschenen und Dagestaner, in Syrien und im Irak ebenfalls aktiv sind - wie die Jaish al-Muhajireen-wal-Ansar, die überwiegend von Kämpfern aus dem Nordkaukasus gegründet wurde. Ausländische und russische Beobachter, darunter die kremlkritische Novaja Gazeta im Juni 2015, erhoben gegenüber den Sicherheitsbehörden Russlands den Vorwurf, der Abwanderung von Jihadisten aus dem Nordkaukasus und anderen Regionen nach Syrien tatenlos, wenn nicht gar wohlwollend zuzusehen, da sie eine Entlastung für den Anti-Terror-Einsatz im eigenen Land mit sich bringe. Tatsächlich nahmen die Terroraktivitäten in Russland selber ab (SWP 10.2015). In der zweiten Hälfte des Jahres 2014 kehrte sich diese Herangehensweise um, und Personen, die z.B. Richtung Türkei ausreisen wollten, wurden an der Ausreise gehindert. Nichtsdestotrotz geht der Abgang von gewaltbereiten Dschihadisten weiter und Experten sagen, dass die stärksten Anführer der Aufständischen, die dem IS die Treue geschworen haben, noch am Leben sind. Am 1.8.2015 wurde eine Hotline eingerichtet, mit dem Ziel, Personen zu unterstützen, deren Angehörige in Syrien sind bzw. planen, nach Syrien zu gehen. Auch Rekrutierer und Personen, die finanzielle Unterstützung für den Dschihad sammeln, werden von den Sicherheitsbehörden ins Visier genommen. Einige Experten sind der Meinung, dass das IS Rekrutierungsnetzwerk eine stabile Struktur in Russland hat und Zellen im Nordkaukasus, in der Wolga Region, Sibirien und im russischen Osten hat (ICG 14.3.2016).

Das Kaukasus-Emirat, das seit 2007 den islamistischen Untergrundkampf im Nordkaukasus koordiniert, ist seit Ende 2014 durch das Überlaufen einiger Feldkommandeure zum IS von Spaltungstendenzen erschüttert und geschwächt. Dem russischen Islamexperten Aleksej Malaschenko zufolge reisten gar Offizielle aus der Teilrepublik Dagestan nach Syrien, um IS-Kämpfer aus dem Kaukasus darin zu bestärken, ihren Jihad im Mittleren Osten und nicht in ihrer Heimat auszutragen. Der IS verstärkte 2015 seine russischsprachige Propaganda in Internet-Foren wie Furat Media, ohne dass die Behörden laut Novaja Gazeta diesem Treiben große Aufmerksamkeit widmeten. Am 23. Juni 2015 rief der IS-Sprecher Muhammad al-Adnani ein ‚Wilajat Kavkaz', eine Provinz Kaukasus, als Teil des IS-Kalifats aus. Es war ein propagandistischer Akt, der nicht bedeutet, dass der IS in dieser Region militärisch präsent ist oder sie gar kontrolliert, der aber den zunehmenden Einfluss dieser Terrormiliz auf die islamistische Szene im Nordkaukasus symbolisiert. Zuvor hatten mehr und mehr ideologische und militärische Führer des Kaukasus Emirats dem ‚Kalifen' Abu Bakr al-Baghdadi die Treue geschworen und sich von al-Qaida abgewandt. Damit bestätigte sich im islamistischen Untergrund im Nordkaukasus ein Trend, dem zuvor schon Jihad-Netzwerke in Nordafrika, Jemen, Pakistan und Afghanistan gefolgt waren. Seitdem mehren sich am Südrand der Russischen Föderation die Warnungen vor einer Bedrohung durch den sogenannten Islamischen Staat. Kurz zuvor hatten die föderalen und lokalen Sicherheitsorgane noch den Rückgang terroristischer Aktivitäten dort für sich reklamiert. Als lautester Mahner tut sich wieder einmal der tschetschenische Republikführer Ramzan Kadyrow hervor. Er rief alle muslimischen Länder dazu auf, sich im Kampf gegen den IS, den er mit Iblis-Staat - also Teufelsstaat - übersetzt, zusammenzuschließen. Für Kadyrow ist der IS ein Produkt anti-islamischer westlicher Politik, womit er sich im Einklang mit der offiziellen Sichtweise des Kremls befindet, der dem Westen regelmäßig fatale Eingriffe im Mittleren Osten vorwirft. Terroristische Aktivitäten im Nordkaukasus, die eindeutig den Überläufern zum IS zuzuschreiben sind, haben sich aber bislang nicht verstärkt. Bis September 2015 wurden nur zwei Anschläge in Dagestan der IS-Gefolgschaft zugeschrieben: die Ermordung des Imam einer Dorfmoschee und ein bewaffneter Angriff auf die Familie eines Wahrsagers. Auch im Südkaukasus mehren sich die Stimmen, die vor dem IS warnen (SWP 10.2015).

Bis ins Jahr 2015 hinein hat Russland die vom sogenannten Islamischen Staat ausgehende Gefahr eher relativiert und die Terrormiliz als einen von vielen islamistischen Akteuren abgetan, die das mit Moskau verbündete Assad-Regime, die ‚legitime Regierung Syriens', bekämpfen. In seiner jährlichen Tele-Konferenz mit der Bevölkerung am 18. April 2015 hatte Präsident Putin noch geäußert, der IS stelle keine Gefahr für Russland dar, obwohl die Sicherheitsbehörden schon zu diesem Zeitpunkt eine zunehmende Abwanderung junger Menschen nach Syrien und Irak registriert und vor den Gefahren gewarnt hatten, die von Rückkehrern aus den dortigen Kampfgebieten ausgehen könnten. Wenige Tage später bezeichnete Außenminister Lawrow den IS in einem Interview erstmals als Hauptfeind Russlands (SWP 10.2015).

Innerhalb der extremistischen Gruppierungen ist ein Ansteigen der Sympathien für den IS - v.a. auch auf Kosten des sog. Kaukasus-Emirats - festzustellen. Nicht nur die bislang auf Propaganda und Rekrutierung fokussierte Aktivität des IS im Nordkaukasus erregt die Besorgnis der russischen Sicherheitskräfte. Ein Sicherheitsrisiko stellt auch die mögliche Rückkehr von nach Syrien oder in den Irak abwandernden russischen Kämpfern dar. Laut diversen staatlichen und nichtstaatlichen Quellen kann man davon ausgehen, dass die Präsenz russischer Kämpfer in den Krisengebieten Syrien und Irak mehrere tausend Personen umfasst. Gegen IS-Kämpfer, die aus den Krisengebieten Syrien und Irak zurückkehren, wird v.a. gerichtlich vorgegangen. Zu Jahresende 2015 liefen laut Angaben des russischen Innenministeriums rund 880 Strafprozesse, die meisten davon basierend auf den relevanten Bestimmungen des russischen StGB zur Teilnahme an einer terroristischen Handlung, der Absolvierung einer Terror-Ausbildung sowie zur Organisation einer illegalen bewaffneten Gruppierung oder Teilnahme daran. Laut einer INTERFAX-Meldung vom 2.12.2015 seien in Russland bereits über 150 aus Syrien zurückgekehrte Kämpfer verurteilt worden. Laut einer APA-Meldung vom 27.7.2016 hat der Leiter des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB erläutert, das im Vorjahr geschätzte 3.000 Kämpfer nach Russland aus den Kriegsgebieten in Syrien, Irak oder Afghanistan zurückkehrt seien, wobei 220 dieser Kämpfer im besonderen Fokus der Sicherheitskräfte zur Vorbeugung von Anschlägen ständen. In einem medial verfolgten Fall griffen russische Sicherheitskräfte im August 2016 in St. Petersburg auf mutmaßlich islamistische Terroristen mit Querverbindungen zum Nordkaukasus zu. Medienberichten zufolge wurden im Verlauf des Jahres 2016 über 100 militante Kämpfer in Russland getötet, in Syrien sollen über 2.000 militante Kämpfer aus Russland bzw. dem GUS-Raum getötet worden sein (ÖB Moskau 12.2016).

Der russische Präsident Wladimir Putin setzt tschetschenische und inguschetische Kommandotruppen in Syrien ein. Bis vor kurzem wurden reguläre russische Truppen in Syrien überwiegend als Begleitcrew für die Flugzeuge eingesetzt, die im Land Luftangriffe fliegen. Von wenigen bemerkenswerten Ausnahmen abgesehen - der Einsatz von Artillerie und Spezialtruppen in der Provinz Hama sowie von Militärberatern bei den syrischen Streitkräften in Latakia - hat Moskau seine Bodeneinsätze bislang auf ein Minimum beschränkt. Somit repräsentiert der anhaltende Einsatz von tschetschenischen und inguschetischen Brigaden einen strategischen Umschwung seitens des Kremls. Russland hat nun in ganz Syrien seine eigenen, der sunnitischen Bevölkerung entstammenden Elitetruppen auf dem Boden. Diese verstärkte Präsenz erlaubt es dem sich dort langfristig eingrabenden Kreml, einen stärkeren Einfluss auf die Ereignisse im Land auszuüben. Diese Streitkräfte könnten eine entscheidende Rolle spielen, sollte es notwendig werden, gegen Handlungen des Assad-Regimes vorzugehen, die die weitergehenden Interessen Moskaus im Nahen Osten unterlaufen würden. Zugleich erlauben sie es dem Kreml, zu einem reduzierten politischen Preis seine Macht in der Region zu auszubauen (Mena Watch 10.5.2017). Welche Rolle diese Brigaden spielen sollen, und ihre Anzahl sind noch nicht sicher. Es wird geschätzt, dass zwischen 300 und 500 Tschetschenen und um die 300 Inguscheten in Syrien stationiert sind. Obwohl sie offiziell als "Militärpolizei" bezeichnet werden, dürften sie von der Eliteeinheit Speznas innerhalb der tschetschenischen Streitkräfte rekrutiert worden sein (FP 4.5.2017).

Für den Kreml hat der Einsatz der nordkaukasischen Brigaden mehrere Vorteile. Zum einen reagiert die russische Bevölkerung sehr sensibel auf Verluste der russischen Armee in Syrien. Verluste von Personen aus dem Nordkaukasus würden wohl weniger Kritik hervorrufen. Zum anderen ist der wohl noch größere Vorteil jener, dass sowohl Tschetschenen, als auch Inguscheten fast alle sunnitische Muslime sind und somit derselben islamischen Richtung angehören, wie ein Großteil der syrischen Bevölkerung. Die mehrheitlich sunnitischen Brigaden könnten bei der Bevölkerung besser ankommen, als ethnisch russische Soldaten. Außerdem ist nicht zu vernachlässigen, dass diese Einsatzkräfte schon über Erfahrung am Schlachtfeld verfügen, beispielsweise vom Kampf in der Ukraine (FP 4.5.2017).

Bis jetzt war der Einsatz der tschetschenischen und inguschetischen Bodentruppen auf Gebiete beschränkt, die für den Kreml von entscheidender Bedeutung waren. Obwohl es momentan eher unwahrscheinlich scheint, dass die Rolle der nordkaukasischen Einsatzkräfte bald ausgeweitet wird, agieren diese wohl weiterhin als die Speerspitze in Moskaus Strategie, seinen Einfluss in Syrien zu vergrößern (FP 4.5.2017).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (21.7.2017b): Reise- und Sicherheitshinweise, http://www.auswaertiges-amt.de/sid_93DF338D07240C852A755BB27CDFE343/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/Nodes/RussischeFoederationSicherheit_node.html, Zugriff 21.7.2017

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FAZ (26.4.2017):"Erst der Anfang", http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/anschlag-in-st-petersburg-russland-steht-im-visier-von-terror-14989012.html, Zugriff 21.7.2017

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FP - Foreign Policy (4.5.2017): Putin h

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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