TE Bvwg Erkenntnis 2018/3/21 W192 2184982-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 21.03.2018
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Entscheidungsdatum

21.03.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52
FPG §55

Spruch

W192 2184982-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Ruso als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.10.2017, Zahl 1109224204-160423335, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß den §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z. 3, 57 AsylG 2005 i. d. g. F., § 9 BFA-VG i. d. g. F. und §§ 52, 55 FPG i. d. g. F. als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte nach illegaler Einreise am 22.03.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Bei der Erstbefragung am Tag der Antragstellung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der Beschwerdeführer an, er gehöre der Volksgruppe der Paschtunen sowie dem islamischen Glauben sunnitischer Ausrichtung an, stamme aus der Provinz Nangarhar, wo sich seine Eltern, drei Brüder und eine Schwester aufhielten, und sei minderjährig. Er sei schlepperunterstützt über den Iran, die Türkei, Bulgarien, Serbien und Ungarn nach Österreich gelangt, sein Zielland sei Norwegen gewesen. Zu seinem Fluchtgrund führte der Beschwerdeführer aus, seine Brüder seien bei der Armee, weshalb seine Familie durch die Taliban mit dem Tod bedroht worden wäre. Die Taliban hätten bei einem Angriff seinen Cousin getötet. Aus Angst um das Leben des Beschwerdeführers hätte sein Vater beschlossen, dass dieser das Land verlassen müsse. Außerdem sei die Sicherheitslage in seiner Provinz sehr schlecht; die Taliban und die Daesh seien sehr aktiv. Im Falle einer Rückkehr fürchte der Beschwerdeführer, getötet zu werden.

Aus einem durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl in Auftrag gegebenen gerichtsmedizinischen Sachverständigen-Gutachten zur forensischen Alterseinschätzung vom 06.10.2016 ergibt sich ein im Bereich der Minderjährigkeit gelegenes Mindestalter des Beschwerdeführers zum Untersuchungszeitpunkt.

Nach Zulassung seines Verfahrens erfolgte am 13.07.2017 eine niederschriftliche Einvernahme des - zwischenzeitlich volljährigen - Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl. Der Beschwerdeführer gab eingangs an, sich psychisch und physisch zur Durchführung der Einvernahme in der Lage zu fühlen, er sei gesund und benötige keine Medikamente. Bis dato habe er wahrheitsgemäße Angaben erstattetet. Er habe seine Heimat im Jahr 2016 verlassen, er stamme aus einem Ort in der Provinz Nangarhar, wo er etwa sieben Jahre lang die Schule besucht hätte. Er sei ledig und habe keine Kinder; er habe drei Brüder und eine Schwester, über den aktuellen Aufenthaltsort seiner Familie wisse er nicht Bescheid. Der Beschwerdeführer habe zuletzt vor seiner Ausreise Kontakt zu seiner Familie gehabt. Der Beschwerdeführer habe sich zuletzt bei seinem Onkel mütterlicherseits aufgehalten, welcher ihm bei der Ausreise geholfen hätte. Die Taliban hätten ihr Haus überfallen, als der Beschwerdeführer gerade nicht zu Hause, sondern bei dem erwähnten Onkel aufhältig gewesen wäre. Er wisse lediglich, dass zwei Cousins väterlicherseits bei dem Überfall schwer verletzt worden wären. Sein kleiner Neffe sei von den Taliban getötet worden. Darüber, ob die restlichen Familienmitglieder überlebt hätten, habe er keine Informationen. Er würde diese sehr vermissen. Sein Vater habe den Beschwerdeführer eine Nacht vor besagtem Überfall auf ihr Haus zum Onkel geschickt; die Taliban hätten ihnen zuvor gedroht. Bei jenem Onkel habe er sich eine Nacht lang aufgehalten. An dem Tag, als er zum Onkel geschickt worden wäre, sei nachts ihr Haus überfallen worden. Am nächsten Tag habe sein Onkel ihn aus der Heimat weggeschickt, wo sich dieser nunmehr aufhalte, sei dem Beschwerdeführer nicht bekannt. Dieser habe ebenfalls in der Provinz Nangarhar, eine etwa 20-minütige Autofahrt von seinem Elternhaus entfernt, gelebt. Weitere Angehörige in der Heimat habe er nicht. Ein Onkel väterlicherseits sei von den Taliban erschossen worden, dessen beiden Söhne seien bei dem Überfall schwer verletzt worden. Der Beschwerdeführer habe nur noch diesen einen Onkel mütterlicherseits. Seine Familie habe ihren Lebensunterhalt durch Arbeit der älteren Brüder und des Vaters des Beschwerdeführers finanziert, der Beschwerdeführer selbst sei Schüler gewesen und habe seinen Vater in der Landwirtschaft unterstützt, einen Beruf habe er nicht erlernt.

Die weitere Befragung zu den Ausreisegründen des Beschwerdeführers vernahm im Wesentlichen den folgenden Verlauf:

"(...) LA: Was war der ausschlaggebende Grund für Ihre Ausreise aus Ihrer Heimat?

VP: Zuerst haben die Taliban eine Bombe vor unserer Straße gelegt. Ein Bruder von mir arbeitet für die Amerikaner, zwei dienen der Nationalarmee. Nachdem die Bombe gelegt wurde, wurde mein Onkel väterlicherseits, der auch unser Dorfvorsteher war, mit einem Drohbrief bedroht. Er wurde aufgefordert, seine Neffen, also meine Brüder dazu zu bringen, ihre Arbeit aufzugeben. Sie haben nicht lange gezögert und ihn dann erschossen.

LA: Hat Ihre Familie mit Ihrem Onkel zusammengelebt?

VP: Ja. Befragt, in unserem Haus lebten mein Onkel väterlicherseits, seine Frau, meine beiden Cousins väterlicherseits, die Ehefrau von meinem Bruder, das Kind von meinem Bruder und seiner Frau, meine Brüder, die meistens in der Arbeit waren, und meine Eltern.

LA: Wann und wo ereignete sich der Vorfall, als Ihr Onkel erschossen wurde?

VP: Zehn Tage nachdem mein Onkel erschossen wurde, hat mein Vater ein Ultimatum bekommen, dass er binnen zwei Tagen dafür zu sorgen hat, seine Söhne aus der Nationalarmee rauszuholen.

Obige Frage nochmals gestellt!

VP: 13 Tage vor meiner Flucht, als ich das Haus meines Onkels verlassen habe. Befragt, er wurde auf der Straße erschossen, laut den Erzählungen. Die Menschen haben ein Fahrzeug beobachtet, aus dem Männer ausgestiegen sind und auf ihn geschossen haben. Er wollte in sein Auto einsteigen.

Ich habe mich mit meinem Vater auf unseren Feldern aufgehalten, das war nachdem mein Onkel erschossen wurde. Sie kamen auf uns zu. Es waren fünf Männer. Der eine hat sich mit meinem Vater unterhalten. Die anderen standen etwas weiter weg. Sie haben meinem Vater vorgeworfen, dass seine Söhne den Ungläubigen dienen. Sie haben zu meinem Vater gesagt: "Deinen Bruder haben wir getötet. Du hast genau zwei Tage Zeit, deine anderen Söhne dort raus zu nehmen, aus der Armee, ansonsten nehmen wir diesen, sie zeigten auf mich, mit und töten ihn!"

Wir hatten große Angst. Mein Vater hat dann entschieden, dass er mich zum Onkel mütterlicherseits schickt. Er hat mich sofort zum Onkel geschickt.

LA: Wie gelangten Sie zu Ihrem Onkel?

VP: Mein Vater hat mich mit dem Auto zum Onkel begleitet. Er hat mich gefahren und ist dann zurückgekehrt.

LA: Was haben Sie alles zu Ihrem Onkel mitgenommen?

VP: Ich habe nicht großartig viel mitnehmen können. Ich hatte große Angst.

Frage wird wiederholt!

VP: Ich habe nichts mitgenommen, außer der Kleidung, die ich trug.

LA: Hat Ihnen Ihr Vater mitgeteilt, für wie lange Sie beim Onkel bleiben bzw. wurde etwas vereinbart?

VP: Er meinte, dass ich zwei Tage beim Onkel bleiben soll. Niemand hat damit gerechnet, dass sie in der Nacht unser Haus überfallen. Mein Neffe wurde trauriger Weise getötet. Meine Cousins wurden schwer verletzt.

LA: Wie alt war Ihr Neffe?

VP: Cirka 11.

LA: Erzählen Sie von Ihren Brüdern, seit wann sind diese bei der Nationalarmee?

VP: Ich würde sagen, seit cirka zwölf Jahren seit Karzai an die Macht kam. Befragt, mein Bruder (...) ist zuerst der Armee beigetreten, (...) arbeitet für die Amerikaner. (...) dient seit cirka drei Jahren der Nationalarmee.

Die internen Informationen über die Nationalarmee habe ich nicht. Zwei meiner Brüder sind in der Provinz Kunar stationiert, an der vordersten Front. (...) arbeitet am Flughafen (...) für die Amerikaner. Er ist eine Vertrauensperson der Amerikaner.

LA: Was macht Ihr Bruder am Flughafen?

VP: Er hat über seine genauen Arbeiten nicht gesprochen. Ich weiß darüber nichts. Er hat mit meinem Vater gesprochen. Befragt, ich selbst wollte zuerst die Schule besuchen. In der Zukunft wollte ich auch wie meine Geschwister meiner Heimat dienen. Es ist viel zu problematisch geworden.

LA: Aus welchem Grund bekam Ihr Onkel den Drohbrief, was denken Sie?

VP: Weil er der Dorfvorsteher war. Mein Vater war schon geschwächt. Mein Onkel väterlicherseits war so etwas wie ein Oberhaupt von unserer Familie.

LA: Woher und vor allem was wissen Sie von dem Drohbrief?

VP: Dieser Drohbrief wurde vor unsere Haustüre gelegt. In der Früh hat mein Onkel persönlich diesen Brief aufgehoben. Mein Vater und ich haben den Brief gesehen. Im Drohbrief stand: "Deine Neffen dienen dem Staat. Sie sollen ihre Arbeit aufgeben. Ansonsten töten wir euch alle!"

LA: War dies der gesamte Inhalt des Briefes? Gab es ein Datum oder einen Stempel?

VP: Mein Onkel hat den Brief vorgelesen. Ich habe auch den Brief gesehen, aber ein Datum habe ich mir nicht gemerkt.

LA: Was ist mit dem Brief passiert?

VP: Er hat den Brief vor uns zerrissen und meinte, wir sollen uns keine Sorgen machen, das Leben geht weiter.

LA: Gab es vor diesem Brief bereits Schwierigkeiten mit den Taliban?

VP: Ja, die Bombe wurde vor unsere Tür gelegt und dies war der erste Vorfall.

LA: Wann ereignete sich dieser Vorfall?

VP: Etwa vier oder fünf Tage, bevor mein Onkel den Brief erhalten hat wurde die Bombe gelegt.

LA: Haben Sie die Bombe gesehen, ist diese explodiert?

VP: Es kam zu einer Explosion. Wir waren alle zu Hause. Es kam aber niemand zu Schaden.

LA: Erzählen Sie bitte mehr über die Explosion, z.B. zu welcher Tageszeit trug sich diese zu, wie stark war diese, was taten Sie zu jener Zeit etc.?

VP: Ich war zu Hause, es war gegen Mittag. Ich saß zu Hause und habe nichts gemacht. Dann kam es zu einer großen Explosion. Wir liefen nach draußen, Gott sei Dank wurde auf der Straße niemand verletzt. Befragt, vor unserem Haus gibt es eine Straße. Die anderen Häuser sind etwas weiter entfernt. Es gab eine gewaltige Explosion, deswegen liefen wir nach draußen. Es bildete sich eine Art Krater.

LA: Was geschah weiter?

VP: Wir sind wie ins Haus. Draußen auf der Straße war niemand. Wir haben uns zu Hause aufgehalten. Dann gab es den Drohbrief.

LA: Nach wie vielen Tagen gab es den Brief?

VP: Nach cirka 4-5 Tagen.

LA: Was taten Sie in diesen vier Tagen? Haben Sie das Haus verlassen?

VP: Ich habe mich nicht getraut, hinauszugehen. Ich habe aber in Begleitung meines Vaters die Felder aufgesucht. Es bestand große Gefahr. Ich hatte Angst davor, grausam getötet zu werden.

LA: Was war mit Ihren Brüdern, wurden diese über die Explosion bzw. den Drohbrief in Kenntnis gesetzt?

VP: Ja, sie wurden verständigt. Sie konnten ihren Dienstort aber deswegen nicht verlassen.

LA: Wer hat Ihre Brüder informiert?

VP: Mein Vater. Befragt, er hat sie angerufen. Das Gespräch hat er aber nicht vor mir fortgesetzt.

LA: Sie gaben vorhin an, dass Ihr Brüder in Kunar stationiert waren, wie oft sahen Sie diese?

VP: Sie konnten nicht nach Hause kommen. Früher, bevor es zur Explosion kam, haben Sie uns in den Ferien besucht. Nach dem Bombenanschlag haben sie uns nicht mehr besucht.

LA: Das heißt in welchen Abständen sahen Sie Ihre Brüder?

VP: Vor dem Bombenanschlag haben sie uns regelmäßig besucht, je nach ob sie freibekamen oder nicht.

...

LA: Warum denken Sie, begannen die Probleme mit den Taliban ausgerechnet im Jahre 2016?

VP: Die Taliban haben zunehmend die Kontrolle in unserer Gegend übernommen. Sie haben sich erkundigt, so begannen die Probleme.

LA: Worüber haben sich diese erkundigt?

VP: Sie haben Verbindungen zu den Menschen in der Umgebung. Sie sind eigentlich auch aus dieser Gegend.

Obige Frage nochmals gestellt!

VP: Sie haben uns vorgeworfen, dass unsere Brüder ungläubig sind, dass sie von der Religion abgefallen sind.

LA: Wurde Ihnen dies vorgeworfen, oder wie darf ich das verstehen?

VP: Es hat mich genauso betroffen, obwohl meine Brüder diese Arbeit ausgeübt haben.

LA: Wurden Sie selbst jemals seitens der Taliban bezüglich der Brüder angesprochen?

VP: Ja, auf den Feldern haben sie auf mich gezeigt.

LA: Kam dies öfters vor?

VP: Nein. Nachdem mein Onkel getötet wurde, haben sie uns auf den Feldern aufgesucht.

LA: Wie viel Zeit verging zwischen Erhalt des Drohbriefes und der Ermordung Ihres Onkels?

VP: Cirka 3 Tage danach.

LA: Hat Ihr Onkel den Brief ernst genommen bzw. hat er etwas unternommen?

VP: Er hat ihn vor uns zerrissen und es als gleichgültig aufgefasst. Er meinte, das Leben geht weiter.

LA: Wissen Sie, zu welcher Tageszeit Ihr Onkel erschossen wurde?

VP: Die Uhrzeit weiß ich nicht. Er wollte nach Hause, es passierte gegen Nachmittag. Befragt, ich weiß nicht genau, von wo er gekommen ist, er wurde am Nachhauseweg erschossen.

LA: Was ist mit dem Leichnam Ihres Onkels passiert?

VP: Sein Leichnam wurde nach Hause gebracht. Es war ein furchtbarer Schmerz, auch für Fremde. Dann haben wir ihn begraben.

LA: Wer hat Ihren Onkel nach Hause gebracht?

VP: Einige Dorfbewohner, ich weiß aber nicht, wie viele.

LA: Wer hat Sie und Ihre Familie über die Tötung des Onkels informiert?

VP: Niemand hat uns informiert. Sein Leichnam wurde nach Hause gebracht. Befragt, ich habe die Leiche meines Onkels gesehen.

LA: Wie ging es seiner Frau?

VP: Unzumutbar. Was hätten sie aber machen sollen. Sie haben geschrien und geweint.

LA: Waren Sie bei der Beerdigung anwesend?

VP: Mir ging es sehr schlecht, auch psychisch. Ich bin zu Hause geblieben.

LA: Wie lange waren Sie danach noch im Elternhaus?

VP: Etwa zehn oder elf Tage später kamen die Männer auf unsere Felder. Genau weiß ich es nicht. Es war eine sehr schwierige Zeit.

LA: Wie haben Sie diese Tage verbracht?

VP: Es war eine sehr schwierige, problematische Zeit. Ich habe mich dann zu Hause aufgehalten. Ich hatte auch Angst um mich.

LA: Haben Sie zu dieser Zeit die Schule besucht?

VP: Nein. Nach dem Bombenanschlag habe ich die Schule aufgegeben.

LA: Zu welcher Tageszeit ereignete sich der Vorfall auf den Feldern?

VP: Es war gegen Mittag, als die Männer kamen. Es gab keine Begrüßung, gleich der Vorwurf, warum mein Vater seine Söhne den Ungläubigen dienen lässt. Sie haben ganz stolz gesagt: "Wir haben deinen Bruder getötet!"

LA: Kannten Sie die Männer?

VP: Nein. Sie trugen einen schwarzen Turban, die Gesichter waren maskiert.

LA: Wie waren die Männer unterwegs?

VP: Ich habe sie zu Fuß gesehen. Befragt, sie waren zu fünft.

LA: Was geschah weiter?

VP: Nachdem sie das Ultimatum von zwei Tagen gestellt haben, sind sie abgezogen. Mein Vater hat nur gesagt: "Ich befolge eurer Anweisung!" Was hätte er sonst sagen sollen.

LA: Sind Sie dann weiter am Feld geblieben?

VP: Nein, wir gingen nach Hause. Mein Vater hat dann gesagt, dass ich zum Onkel mütterlicherseits muss. Ich habe noch zu Hause übernachtet. Mein Vater meinte: "Morgen bringe ich dich zu deinem Onkel!"

LA: Wissen Sie, hat Ihr Vater nach diesem Vorfall Kontakt mit den Brüdern aufgenommen?

VP: Ich habe es nicht mitbekommen, ich weiß es nicht.

LA: Zu welcher Tageszeit fuhren Sie dann zum Onkel?

VP: Es war am Tag, die Uhrzeit weiß ich nicht mehr. Es war aber zeitig, ich habe in der Nacht kaum geschlafen, aus Angst.

LA: Wusste Ihr Onkel, dass Sie kommen?

VP: Nein. Mein Vater hat sich davor mit meinem Onkel mütterlicherseits beraten. Er wusste aber nicht, dass mich mein Vater zu ihm bringt. Als ich bei meinem Onkel war, hat er mir indirekt vorgeworfen, dass durch mich für ihn auch Probleme entstehen. In der Nacht wurde dann das Haus überfallen.

LA: Was wissen Sie über den Überfall?

VP: Mein Onkel wurde angerufen. Er war ganz nervös und sagte mir, dass unser Haus überfallen wurde. Er meinte: "Du musst morgen hier weg, sie werden dich nicht am Leben lassen!"

LA: Wer hat Ihren Onkel angerufen?

VP: Das weiß ich nicht.

LA: Haben Sie versucht, mit irgendjemand aus Ihrer Familie Kontakt aufzunehmen?

VP: Ich habe es versucht, es ging aber nicht. Mein Onkel meinte, dass ich mich auf mich konzentrieren soll.

LA: Wie haben Sie versucht, Kontakt aufzunehmen?

VP: Ich habe zu meinem Onkel gesagt, dass er zu Hause anrufen soll.

Er meinte: "Das geht nicht mehr."

LA: Ist es richtig, dass Sie nicht wissen, was konkret passiert ist?

VP: Mein Onkel meinte, dass man ihm mitgeteilt hat, dass meine Cousins schwer verletzt und mein Neffe getötet wurde.

LA: Wie ging es Ihnen, als Sie dies erfuhren?

VP: Ich bin zusammen gebrochen. Ich habe meinen Kopf gegen die Wand geschlagen. Ich habe Alpträume und weiß bis jetzt nicht, wer überlebt hat und ob man mir etwas verheimlicht.

LA: Ist es richtig, dass Ihre Ausreise vom Onkel finanziert und organisiert wurde?

VP: Er hat sich um alles gekümmert.

LA: Das Ganze ist jetzt eineinhalb Jahre her, haben Sie den Versuch unternommen, mit irgendjemand Kontakt aufzunehmen, um in Erfahrung zu bringen, was mit Ihrer Familie ist?

VP: Die Lage hat sich in meiner Provinz verschlechtert. Ich habe versucht, mehr zu erfahren, es ist mir aber nicht gelungen. Befragt, ich habe hier Leute, die auch Afghanen sind, gefragt, ob sie jemanden in meiner Gegend kennen. Keiner war bereit mir zu helfen.

LA: Haben Sie versucht, telefonisch Kontakt mit jemand aus dem Dorf aufzunehmen, beispielsweise mit den Nachbarn?

VP: Wie soll ich dort anrufen?

LA: Was meinen Sie mit Ihrer letzten Aussage?

VP: Ich kann keine Verbindung herstellen, ich habe auch keine Nummern, die ich anrufen kann.

LA: Was ist Ihre Furcht im Falle einer Rückkehr in die Heimat?

VP: Sie werden mich auf eine grausame Art und Weise töten. Ich würde meinen Tod hier akzeptieren. Hier würde es schnell gehen, dort würden sie mich quälen und dann töten.

LA: Könnten Sie nicht woanders innerhalb Ihrer Heimat leben z.B. in Kabul?

VP: Nein. Ganz Afghanistan ist unsicher, wenn man von dieser Gruppierung verfolgt wird, ist man nirgendwo sicher. Ich kann nicht täglich darauf warten und hoffen, dass ich nicht getötet werde. Bei der Einreise ging es mir sehr schlecht. Mein psychischer Zustand war sehr schlecht. Die Reise war schwer.

V: Aus welchem Grund gaben Sie bei Ihrer ersten Einvernahme im März 2016 an, dass Sie selbst Ihre Reise organisiert haben?

VP: Das habe ich so nicht gesagt. Ich habe niemanden gekannt.

LA: Wie viel hat Ihre Reise gekostet?

VP: Ich wusste anfangs nicht, wie viel für mich bezahlt wurde. In der Türkei hat mir dann ein Schlepper 100 Euro gegeben und gesagt, mein Onkel hätte ihm 6.000 gegeben. Ich habe ehrlich gesagt, vergessen, welche Währung. Als ich hier ankam, wurden mir die 100 Euro abgenommen, freundlicher Weise wieder aber zurückgegeben.

V: Aus welchem Grund wurde in der damaligen Einvernahme protokolliert, dass Ihr Cousin getötet wurde, wenn Sie heute vom Onkel sprechen?

VP: Ich kann mich genau erinnern, dass ich gesagt habe, dass mein Onkel getötet und meine Cousins verletzt wurden. Ich habe nur diesen Onkel, der getötet wurde.

V: Aus welchem Grund erwähnten Sie damals nicht s von dem Übergriff auf Ihr Elternhaus?

VP: Ich habe es gesagt, man sagte mir aber, dass solche Details in der großen Einvernahme aufgenommen werden. Alle anderen Probleme, die ich habe, sollte ich dann bei der nächsten Einvernahme erzählen.

(...)"

Zu seinen Lebensumständen in Österreich führte der Beschwerdeführer im Wesentlichen aus, er lebe von staatlicher Unterstützung, sei kein Mitglied in einem Verein oder einer sonstigen Organisation und verfüge auch darüber hinaus über keine besonderen Bindungen zu Österreich. Er habe hier keine Verwandten. In seiner Freizeit spiele er Volleyball und Fußball, auch habe er einige Freunde beim Deutschkurs kennengelernt. Sein Wunsch sei es, in Zukunft die von Österreich erhaltene Unterstützung zurückzugeben, er wolle Polizist werden.

Vorgelegt wurden ein Unterstützungsschreiben vom 11.07.2017, eine Bestätigung über die gemeinnützige Tätigkeit des Beschwerdeführers auf einem Bauhof, Deutschkursteilnahmebestätigungen (A1) vom 11.07.2016, vom 20.04.2017, vom 12.05.2017 sowie vom 07.07.2017, eine Bestätigung über die Teilnahme an einem integrativen Workshop vom 12.05.2017 sowie eine Kopie eines bezughabenden Zeitungsartikels und ein Bericht sowie Fotos über die Teilnahme des Beschwerdeführers an einer Friedenswanderung.

Abschließend erklärte der Beschwerdeführer, all seine Gründe vorgebracht zu haben und bestätigte nach Rückübersetzung seiner Angaben die Richtigkeit und Vollständigkeit der Niederschrift durch seine Unterschrift.

2. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. § 57 AsylG nicht erteilt, gem. § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen sowie festgestellt, dass seine Abschiebung gem. § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt III.) und gem. § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für seine freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt IV.).

Die Behörde stellte fest, dass der Beschwerdeführer seine Heimatprovinz Nangarhar aufgrund der Taliban verlassen hätte, diesem jedoch eine innerstaatliche Fluchtalternative in Kabul, Mazar-e Sharif und Herat zur Verfügung stünde. Im Falle des Beschwerdeführers liege eine relevante Gefährdungslage in Bezug auf dessen Heimatprovinz, nicht jedoch hinsichtlich des gesamten Staatsgebiets vor. Die Lage in den zuvor genannten Städten erweise sich als relativ sicher. Den Feststellungen zur Sicherheitslage in Kabul lasse sich klar entnehmen, dass stattfindende Anschläge regelmäßig gegen Einrichtungen der Regierung oder der internationalen Hilfskräfte abzielen würden, nicht jedoch gegen die Zivilbevölkerung gerichtet wären, welche von diesen folglich nur am Rande betroffen wäre. Die Regierung behalte die Kontrolle über Kabul und Transitrouten, die afghanischen Sicherheitskräfte seien in der Lage, die größeren Bevölkerungszentren effektiv zu schützen. Kabul sei über einen internationalen Flughafen sicher zu erreichen, von dort aus könne auch Herat auf dem Luftweg erreicht werden. Der Beschwerdeführer sei jung, arbeitsfähig und leide an keinen gesundheitlichen Einschränkungen, weshalb es diesem auch ohne familiären Rückhalt möglich sein werde, sein Existenzminimum zu sichern. Unter Berücksichtigung der derzeitigen Situation in Afghanistan sei nicht davon auszugehen, dass die Taliban gleichsam im gesamten Staatsgebiet unumschränkt die tatsächliche Macht ausüben würden, vielmehr stelle gerade der mit militärischen Mitteln geführte Kampf gegen die Taliban und andere terroristische Bewegungen eine prioritäre Aufgabe der afghanischen Sicherheitskräfte dar, welche dabei maßgeblich von den in Afghanistan stationierten internationalen Truppen unterstützt würden. Überdies wäre es dem Beschwerdeführer möglich, Unterstützung durch vor Ort tätige Organisationen und Vereine zu bekommen, auch stünde es ihm als freiwilligem Rückkehrer offen, auf Reintegrationsunterstützung durch IOM zurückzugreifen. Er würde demnach nicht in eine finanziell oder wirtschaftlich ausweglose Lage geraten. Wenn auch in Afghanistan eine wirtschaftlich schwierigere Situation als in Österreich bestünde, so sei in einer Gesamtbetrachtung unter Berücksichtigung der individuellen Situation des Beschwerdeführers festzuhalten, dass von einer lebensbedrohlichen Notlage im Herkunftsstaat, welche bei einer Rückkehr eine unmenschliche Behandlung iSd Art 3 EMRK indizieren würde, aus Sicht der belangten Behörde nicht gesprochen werden könne.

Da der Beschwerdeführer über keine familiären Bindungen in Österreich verfüge und angesichts der kurzen Dauer seines Aufenthaltes keine schützenswerten privaten Anknüpfungspunkte begründet habe, würden keine Hinderungsgründe gegen eine Rückkehrentscheidung vorliegen.

3. Gegen diesen Bescheid brachte der Beschwerdeführer durch seine nunmehrige Rechtsvertretung mit Schriftsatz vom 24.11.2017 fristgerecht Beschwerde ein. Begründend wurde nach zusammenfassender Wiedergabe des Fluchtvorbringens des Beschwerdeführers im Wesentlichen ausgeführt, die Behörde habe das Verfahren mit mangelhaften Ermittlungen belastet, zumal detaillierte Berichte zur Sicherheitslage in Nangarhar, zur Bedrohung durch die Taliban und zur Sippenhaft durch die Taliban von Familienmitgliedern von (angeblichen) Unterstützern der Regierungstruppen, insbesondere in der Provinz Nangarhar, fehlen würden. Darüber hinaus habe die Behörde es unterlassen, sich mit der Schutzfähigkeit der Behörden sowie mit der Frage, ob der Beschwerdeführer nicht bereits aufgrund seiner Asylantragstellung in Österreich Verfolgung befürchten müsste, auseinanderzusetzen. Die herangezogenen Länderberichte erwiesen sich zudem nicht als hinreichend aktuell. Zur prekären Sicherheitslage in Afghanistan werde auf ergänzendes, auszugsweise zitiertes, Berichtsmaterial verwiesen. Es sei allgemein bekannt, dass sich die Sicherheitslage in Kabul während der letzten Monate durch zahlreiche Anschläge mit zivilen Todesopfern drastisch verschlechtert hätte, die diesbezüglichen Feststellungen im angefochtenen Bescheid würden sich auf lückenhafte, veraltete Informationen stützen und in keiner Weise die aktuelle Realität widerspiegeln. Gerade für Rückkehrer aus dem Ausland stelle sich die Situation mangels ausreichender Unterstützung als besonders prekär dar. Die Feststellung der Behörde, dass der Beschwerdeführer unter Berücksichtigung seiner persönlichen Situation im Falle einer Rückkehr in keine existenzbedrohende Notlage gedrängt würde, erweise sich als unrichtig. Der Beschwerdeführer verfüge über keine Fachausbildung, er würde keine Arbeit finden und daher, auch mangels staatlicher Unterstützungsmöglichkeiten, in eine Existenz bedrohende Notlage gedrängt werden, zudem wäre er auch in den Städten Kabul, Mazare-e Sharif und Herat einer Verfolgung durch die Taliban ausgesetzt. Die Behörde habe es unterlassen, Feststellungen zur Glaubhaftigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers zu treffen, diese habe lediglich festgestellt, dass der Beschwerdeführer seine Heimatprovinz aufgrund der Taliban verlassen hätte und diesem eine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung stünde, wobei sich die diesbezügliche Beweiswürdigung als unschlüssig erweise. Gemäß den UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender von April 2016 gehöre der Beschwerdeführer aufgrund der Tätigkeit seiner Brüder bei der Nationalarmee einer besonderen Risikogruppe an, in diesem Zusammenhang werde auch auf eine ACCORD-Anfragebeantwortung vom 30.08.2017 zur Sippenhaft durch Taliban von Familienmitgliedern von (angeblichen) Unterstützern der Regierungstruppen verwiesen. Hätte sich die Behörde mit dem gesamten plausiblen Vorbringen des Beschwerdeführers in der gesetzlich vorgesehenen Art und Weise auseinandergesetzt, so wäre sie zu dem Schluss gekommen, dass dem Beschwerdeführer in seinem Herkunftsland asylrelevante Verfolgung drohe. Die GFK-Relevanz ergebe sich aus der Zugehörigkeit des Beschwerdeführers zur sozialen Gruppe der Familie sowie aus einer ihm von den Taliban unterstellten politischen bzw. religiösen Gesinnung, wobei der afghanische Staat ihn nicht in ausreichender Weise von der von privater Seite ausgehenden Verfolgung schützen könne. Das BVwG habe in der Vergangenheit in ähnlichen Konstellationen wiederholt Asyl zuerkannt. Eine innerstaatliche Fluchtalternative bestünde nicht, da sich die Verfolgung auf das gesamte Staatsgebiet beziehe und zudem die Sicherheitsalge im gesamten Staatsgebiet derart prekär wäre, dass dem Beschwerdeführer eine Niederlassung außerhalb seiner Heimatprovinz nicht zumutbar wäre. Dies ergebe sich einerseits aus der im gesamten Staatsgebiet prekären Sicherheitslage, andererseits aus dem Umstand, dass der Beschwerdeführer bereits versucht hätte, in Kabul Fuß zu fassen, jedoch auch dort aufgespürt worden wäre, was von der Behörde übergangen worden wäre. Dem Beschwerdeführer wäre daher Asyl, in eventu subsidiärer Schutz, zuzuerkennen gewesen. Der Beschwerdeführe zeige sich überdies um eine positive Integration bemüht, respektiere die Gesetze und sei strafrechtlich unbescholten. Dieser beherrsche die deutsche Sprache bereits sehr gut, von Juli 2017 bis September 2017 habe er einen Deutschkurs Niveau A1 besucht. Seit Herbst 2017 besuche der Beschwerdeführer eine Handelsakademie, dieser habe viele österreichische Freunde und sei in seiner Wohngemeinschaft gut integriert. Insofern bestünde ein schützenswertes Privatleben im Sinne des Artikels 8 EMRK. Die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung wurde beantragt. Beiliegend wurde eine Deutschkursteilnahmebestätigung vom 14.09.2017, eine Schulbesuchsbestätigung mitsamt einem Schreiben des Schuldirektors vom 14.11.2017 sowie ein Empfehlungsschreiben vom 13.11.2017 übermittelt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

1.1. zur Person des Beschwerdeführers:

Der volljährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Afghanistan, gehört der Volksgruppe der Paschtunen an und ist Muslim sunnitischer Ausrichtung. Seine Identität steht nicht fest. Er stammt aus der Provinz Nangarhar, wo er zuletzt die Schule besuchte und seinen Vater in der Landwirtschaft unterstützte. Der damals minderjährige Beschwerdeführer reiste im März 2016 illegal ins Bundesgebiet ein, wo er am 22.03.2016 gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte. Im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers hielten ich zuletzt dessen Eltern, seine drei Brüder, eine Schwester sowie ein Onkel mütterlicherseits auf; der aktuelle Aufenthaltsort seiner Familienmitglieder steht nicht fest.

Der Beschwerdeführer hat den Herkunftsstaat eigenen Angaben zufolge verlassen, da seine Familie in ihrem Herkunftsort in der Provinz Nangarhar aufgrund der Tätigkeit der drei älteren Brüder des Beschwerdeführers für die afghanische Nationalarmee bzw. die amerikanischen Truppen durch die Taliban bedroht worden sei, welche einen Onkel väterlicherseits des Beschwerdeführers getötet und in weiterer Folge einen Angriff auf das Elternhaus des Beschwerdeführers verübt hätten, bei welchem ein Neffe des Beschwerdeführers getötet und zwei Cousins schwer verletzt worden wären. Aufgrund einer tags zuvor gegenüber seinem Vater ausgesprochenen Drohung gegen die Person des Beschwerdeführers, habe dieser sich zum Zeitpunkt des Angriffs bei einem Onkel mütterlicherseits aufgehalten, welcher tags darauf dessen Ausreise aus Afghanistan in die Wege geleitet hätte.

Es wird zugrunde gelegt, dass dem Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in seine Herkunftsprovinz in Afghanistan ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen würde. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan und einer Ansiedelung außerhalb seiner Heimatprovinz, insbesondere in der Stadt Kabul, besteht für den Beschwerdeführer keine solche Bedrohungssituation. Es besteht kein maßgebliches Risiko, dass der Beschwerdeführer in Kabul aufgrund der Tätigkeit seiner Brüder für die Nationalarmee bzw. für die amerikanischen Truppen Verfolgung durch eine Talibangruppierung unterliegen würde. Als alleinstehender gesunder leistungsfähiger Mann im berufsfähigen Alter ohne festgestellten besonderen Schutzbedarf liefe der Beschwerdeführer auch nicht Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Der Beschwerdeführer leidet an keinen Erkrankungen.

Der unbescholtene Beschwerdeführer ist seit seiner Antragstellung im März 2016 durchgehend auf Grund des vorläufigen Aufenthaltsrechts in seinem Asylverfahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig und bestreitet den Lebensunterhalt im Rahmen der Grundversorgung. Der Beschwerdeführer ist ledig und hat keine Kinder. Der Beschwerdeführer verfügt über geringe Deutschkenntnisse; er hat in Österreich Deutschkurse (A1) besucht, aber keine Zertifikate über abgelegte Prüfungen vorgelegt. Seit Herbst 2017 besucht er eine Handelsakademie im Bundesgebiet und bemüht sich durch Teilnahme an diversen Projekten um eine soziale Integration. Er hat in Österreich keine Verwandten und keine sonstigen engen familienähnlichen Bindungen.

1.2. Zur Lage im Herkunftsstaat:

...

Politische Lage

Nach dem Sturz des Taliban-Regimes im Jahr 2001 wurde eine neue Verfassung erarbeitet (IDEA o.D.), und im Jahre 2004 angenommen (Staatendokumentation des BFA 7.2016; vgl. auch: IDEA o.D.). Sie basiert auf der Verfassung aus dem Jahre 1964. Bei Ratifizierung sah diese Verfassung vor, dass kein Gesetz gegen die Grundsätze und Bestimmungen des Islam verstoßen darf und alle Bürger Afghanistans, Mann und Frau, gleiche Rechte und Pflichten vor dem Gesetz haben (BFA Staatendokumentation des BFA 3.2014; vgl. Max Planck Institute 27.1.2004).

Die Innenpolitik ist seit der Einigung zwischen den Stichwahlkandidaten der Präsidentschaftswahl auf eine Regierung der Nationalen Einheit (RNE) von mühsamen Konsolidierungsbemühungen geprägt. Nach langwierigen Auseinandersetzungen zwischen den beiden Lagern der Regierung unter Führung von Präsident Ashraf Ghani und dem Regierungsvorsitzenden (Chief Executive Officer, CEO) Abdullah Abdullah sind kurz vor dem Warschauer NATO-Gipfel im Juli 2016 schließlich alle Ministerämter besetzt worden (AA 9.2016). Das bestehende Parlament bleibt erhalten (CRS 12.1.2017) - nachdem die für Oktober 2016 angekündigten Parlamentswahlen wegen bisher ausstehender Wahlrechtsreformen nicht am geplanten Termin abgehalten werden konnten (AA 9.2016; vgl. CRS 12.1.2017).

Parlament und Parlamentswahlen

Generell leidet die Legislative unter einem kaum entwickelten Parteiensystem und mangelnder Rechenschaft der Parlamentarier gegenüber ihren Wähler/innen. Seit Mitte 2015 ist die Legislaturperiode des Parlamentes abgelaufen. Seine fortgesetzte Arbeit unter Ausbleiben von Neuwahlen sorgt für stetig wachsende Kritik (AA 9.2016). Im Jänner 2017 verlautbarte das Büro von CEO Abdullah Abdullah, dass Parlaments- und Bezirksratswahlen im nächsten Jahr abgehalten werden (Pajhwok 19.1.2017).

Die afghanische Nationalversammlung besteht aus dem Unterhaus, Wolesi Jirga, und dem Oberhaus, Meshrano Jirga, auch Ältestenrat oder Senat genannt. Das Unterhaus hat 249 Sitze, die sich proportional zur Bevölkerungszahl auf die 34 Provinzen verteilen. Verfassungsgemäß sind für Frauen 68 Sitze und für die Minderheit der Kutschi 10 Sitze im Unterhaus reserviert (USDOS 13.4.2016 vgl. auch: CRS 12.1.2017).

Das Oberhaus umfasst 102 Sitze. Zwei Drittel von diesen werden von den gewählten Provinzräten vergeben. Das verbleibende Drittel, wovon 50% mit Frauen besetzt werden müssen, vergibt der Präsident selbst. Zwei der vom Präsidenten zu vergebenden Sitze sind verfassungsgemäß für die Kutschi-Minderheit und zwei weitere für Behinderte bestimmt. Die verfassungsmäßigen Quoten gewährleisten einen Frauenanteil von 25% im Parlament und über 30% in den Provinzräten. Ein Sitz im Oberhaus ist für einen Sikh- oder Hindu-Repräsentanten reserviert (USDOS 13.4.2016).

Die Rolle des Zweikammern-Parlaments bleibt trotz mitunter erheblichem Selbstbewusstsein der Parlamentarier begrenzt. Zwar beweisen die Abgeordneten mit der kritischen Anhörung und auch Abänderung von Gesetzentwürfen in teils wichtigen Punkten, dass das Parlament grundsätzlich funktionsfähig ist. Zugleich nutzt das Parlament seine verfassungsmäßigen Rechte, um die Regierungsarbeit destruktiv zu behindern, deren Personalvorschläge z. T. über längere Zeiträume zu blockieren und sich Zugeständnisse teuer abkaufen zu lassen. Insbesondere das Unterhaus spielt hier eine unrühmliche Rolle und hat sich dadurch sowohl die RNE als auch die Zivilgesellschaft zum Gegner gemacht (AA 9.2016).

Parteien

Der Terminus Partei umfasst gegenwärtig eine Reihe von Organisationen mit sehr unterschiedlichen organisatorischen und politischen Hintergründen. Trotzdem existieren Ähnlichkeiten in ihrer Arbeitsweise. Einer Anzahl von ihnen war es möglich die Exekutive und Legislative der Regierung zu beeinflussen (USIP 3.2015).

Die afghanische Parteienlandschaft ist mit über 50 registrierten Parteien stark zersplittert. Die meisten dieser Gruppierungen erscheinen jedoch mehr als Machtvehikel ihrer Führungsfiguren, denn als politisch-programmatisch gefestigte Parteien. Ethnischer Proporz, persönliche Beziehungen und ad hoc geformte Koalitionen genießen traditionell mehr Einfluss als politische Organisationen. Die Schwäche des sich noch entwickelnden Parteiensystems ist auf fehlende strukturelle Elemente (wie z.B. ein Parteienfinanzierungsgesetz) zurückzuführen, sowie auf eine allgemeine Skepsis der Bevölkerung und der Medien. Reformversuche sind im Gange - werden aber durch die unterschiedlichen Interessenlagen immer wieder gestört, etwa durch das Unterhaus selbst (AA 9.2016).

Im Jahr 2009 wurde ein neues Parteiengesetz eingeführt, welches von allen Parteien verlangte sich neu zu registrieren und zum Ziel hatte ihre Zahl zu reduzieren. Anstatt wie zuvor die Unterschrift von 700 Mitgliedern, müssen sie nun 10.000 Unterschriften aus allen Provinzen erbringen. Diese Bedingung reduzierte tatsächlich die Zahl der offiziell registrierten Parteien von mehr als 100 auf 63, trug aber scheinbar nur wenig zur Konsolidierung des Parteiensystems bei (USIP 3.2015).

Unter der neuen Verfassung haben sich seit 2001 zuvor islamistisch-militärische Fraktionen, kommunistische Organisationen, ethno-nationalistische Gruppen und zivilgesellschaftliche Gruppen zu politischen Parteien gewandelt. Sie repräsentieren einen vielgestaltigen Querschnitt der politischen Landschaft und haben sich in den letzten Jahren zu Institutionen entwickelt. Keine von ihnen ist eine weltanschauliche Organisation oder Mobilmacher von Wähler/innen, wie es Parteien in reiferen Demokratien sind (USIP 3.2015). Eine Diskriminierung oder Strafverfolgung aufgrund exilpolitischer Aktivitäten nach Rückkehr aus dem Ausland ist nicht anzunehmen. Auch einige Führungsfiguren der RNE sind aus dem Exil zurückgekehrt, um Ämter bis hin zum Ministerrang zu übernehmen. Präsident Ashraf Ghani verbrachte selbst die Zeit der Bürgerkriege und der Taliban-Herrschaft in den 1990er Jahren weitgehend im pakistanischen und US-amerikanischen Exil (AA 9.2016).

Friedens- und Versöhnungsprozess:

Im afghanischen Friedens- und Versöhnungsprozess gibt es weiterhin keine greifbaren Fortschritte. Die von der RNE sofort nach Amtsantritt konsequent auf den Weg gebrachte Annäherung an Pakistan stagniert, seit die afghanische Regierung Pakistan der Mitwirkung an mehreren schweren Sicherheitsvorfällen in Afghanistan beschuldigte. Im Juli 2015 kam es erstmals zu direkten Vorgesprächen zwischen der afghanischen Regierung und den Taliban über einen Friedensprozess, die aber nach der Enthüllung des jahrelang verschleierten Todes des Taliban-Führers Mullah Omar bereits nach der ersten Runde wieder eingestellt wurden. Die Reintegration versöhnungswilliger Aufständischer bleibt weiter hinter den Erwartungen zurück, auch wenn bis heute angeblich ca. 10.000 ehemalige Taliban über das "Afghanistan Peace and Reintegration Program" in die Gesellschaft reintegriert wurden (AA 9.2016).

Hezb-e Islami Gulbuddin (HIG)

Nach zweijährigen Verhandlungen (Die Zeit 22.9.2016), unterzeichneten im September 2016 Vertreter der afghanischen Regierung und der Hezb-e Islami ein Abkommen (CRS 12.1.2017), das der Hezb-e Islami Immunität für "vergangene politische und militärische" Taten zusichert. Dafür verpflichtet sich die Gruppe alle militärischen Aktivitäten einzustellen (DW 29.9.2016). Einen Tag nach Unterzeichnung des Friedensabkommen zwischen der Hezb-e Islami und der Regierung, erklärte erstere in einer Stellungnahme eine Waffenruhe (The Express Tribune 30.9.2016). Das Abkommen beinhaltet unter anderem die Möglichkeit eines Regierungspostens für Hekmatyar; auch soll sich die afghanische Regierung bemühen, int. Sanktionen gegen Hekmatyar aufheben zu lassen (CRS 12.1.2017). Sobald internationale Sanktionen aufgehoben sind, wird von Hekmatyar erwartet, nach 20 Jahren aus dem Exil nach Afghanistan zurückkehren. Im Jahr 2003 war Hekmatyar von den USA zum "internationalen Terroristen" erklärt worden (NYT 29.9.2016). Schlussendlich wurden im Februar 2017 die Sanktionen gegen Hekmatyar von den Vereinten Nationen aufgehoben (BBC News 4.2.2017).

Quellen:

? AA - Auswärtiges Amt (9.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan

? BBC News (4.2.2017): Afghan warlord Hekmatyar sanctions dropped by UN, http://www.bbc.com/news/world-asia-38867280, Zugriff 9.2.2017

? CRS - Congressional Research Service (12.1.2017): Afghanistan:

Post-Taliban Governance, Security, and U.S. Policy, https://www.fas.org/sgp/crs/row/RL30588.pdf, Zugriff 24.1.2017

? CRS - U.S. Congressional Research Service (12.1.2015):

Afghanistan: Politics, Elections, and Government Performance, http://www.fas.org/sgp/crs/row/RS21922.pdf, Zugriff 20.10.2015

? Die Zeit (22.9.2016): Kabul schließt Friedensabkommen mit berüchtigtem Milizenführer Hekmatjar, http://www.zeit.de/news/2016-09/22/afghanistan-kabul-schliesst-friedensabkommen-mit-beruechtigtem-milizenfuehrer-hekmatjar-22113008, Zugriff 5.10.2016

? DW - Deutsche Welle (29.9.2016): Friedensabkommen in Afghanistan unterzeichnet,

http://www.dw.com/de/friedensabkommen-in-afghanistan-unterzeichnet/a-35923949, Zugriff 5.10.2016

? IDEA - The International Institute for Democracy and Electoral Assistance (o.D.): Afghanistan: An Electoral Management Body Evolves,

http://www.oldsite.idea.int/publications/emd/upload/EMD_CS_Afghanistan.pdf, Zugriff 13.2.2017

? Max Planck Institut (27.1.2004): Die Verfassung der Islamischen Republik Afghanistan,

http://www.mpipriv.de/files/pdf4/verfassung_2004_deutsch_mpil_webseite.pdf, Zugriff 11.9.2014

? NZZ - Neue Zürcher Zeitung (8.7.2014): Afghanischer Wahlsieger Ashraf Ghani,

http://www.nzz.ch/international/asien-und-pazifik/technokrat-populist-choleriker-1.18339044, Zugriff 31.10.2014

? NZZ - Neue Zürcher Zeitung (22.1.2015): Leerlauf in Kabul Afghanistans endlose Regierungsbildung, http://www.nzz.ch/international/asien-und-pazifik/afghanistans-endlose-regierungsbildung-1.18466841, Zugriff 2.11.2015

? NYT - The New York Times (29.9.2016): Afghan President, Insurgent Warlord Sign Peace Agreement,

http://www.nytimes.com/aponline/2016/09/29/world/asia/ap-as-afghanistan-peace-agreement.html?_r=0; Zugriff 5.10.2016

? Pajhwok (19.1.2017): Wolesi Jirga, district council elections next year,

http://www.pajhwok.com/en/2017/01/19/wolesi-jirga-district-council-elections-next-year, Zugriff 24.1.2017

? Staatendokumentation des BFA (7.2016): Dossier der Staatendokumentation, AfPak - Grundlagen der Stammes- & Clanstruktur,

http://www.bfa.gv.at/files/berichte/AFGH_Stammes_und%20Clanstruktur_Onlineversion_2016_07.pdf, Zugriff 23.1.2017

? Staatendokumentation des BFA (3.2014): Afghanistan; 2014 and beyond,

http://www.bfa.gv.at/files/broschueren/AFGH_Monographie_2014_03.pdf, Zugriff 24.1.2017

? The Express Tribune (30.9.2016): Afghanistan's Hizb-e-Islami declares ceasefire after peace deal, http://tribune.com.pk/story/1191258/afghanistans-hizb-e-islami-declares-ceasefire-peace-deal/, Zugriff 5.10.2016

? Tolonews (19.1.2017): Hizb-e-Islami Slams Taliban As An Ignorant, Fanatic Group,

http://www.tolonews.com/afghanistan/hizb-e-islami-slams-taliban-ignorant-fanatic-group, Zugriff 31.1.2017

? USIP - United States Institute of Peace (3.2015): Political Parties in Afghanistan,

http://www.usip.org/sites/default/files/SR362-Political-Parties-in-Afghanistan.pdf, Zugriff 2.11.2015

Sicherheitslage

Die Sicherheitslage ist beeinträchtigt durch eine tief verwurzelte militante Opposition. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, Transitrouten, Provinzhauptstädten und den Großteil der Distriktzentren. Die afghanischen Sicherheitskräfte zeigten Entschlossenheit und steigerten auch weiterhin ihre Leistungsfähigkeit im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand. Die Taliban kämpften weiterhin um Distriktzentren, bedrohten Provinzhauptstädte und eroberten landesweit kurzfristig Hauptkommunikationsrouten; speziell in Gegenden von Bedeutung wie z.B. Kunduz City und der Provinz Helmand (USDOD 12.2016). Zu Jahresende haben die afghanischen Sicherheitskräfte (ANDSF) Aufständische in Gegenden von Helmand, Uruzgan, Kandahar, Kunduz, Laghman, Zabul, Wardak und Faryab bekämpft (SIGAR 30.1.2017).

In den letzten zwei Jahren hatten die Taliban kurzzeitig Fortschritte gemacht, wie z.B. in Helmand und Kunduz, nachdem die ISAF-Truppen die Sicherheitsverantwortung den afghanischen Sicherheits- und Verteidigungskräften (ANDSF) übergeben hatten. Die Taliban nutzen die Schwächen der ANDSF aus, wann immer sie Gelegenheit dazu haben. Der IS (Islamischer Staat) ist eine neue Form des Terrors im Namen des Islam, ähnlich der al-Qaida, auf zahlenmäßig niedrigerem Niveau, aber mit einem deutlich brutaleren Vorgehen. Die Gruppierung operierte ursprünglich im Osten entlang der afghanisch-pakistanischen Grenze und erscheint, Einzelberichten zufolge, auch im Nordosten und Nordwesten des Landes (Lokaler Sicherheitsberater in Afghanistan 17.2.2017).

INSO beziffert die Gesamtzahl sicherheitsrelevanter Vorfälle in Afghanistan im Jahr 2016 mit 28.838 (INSO 2017).

1.12.2015 - 15.2.2016 16.2.2016 - 19.5.2016 20.5.2016 - 15.8.2016 16.8.2016 - 17.11.2016 1.12.2015 - 17.11.2016

sicherheitsrelevante Vorfälle 4.014 6.122 5.996 6.261 22.393

Bewaffnete Zusammenstöße 2.248 3.918 3.753 4.069 13.988

Vorfälle mit IED¿s 770 1.065 1.037 1.126 3.998

gezielte Tötungen 154 163 268 183 768

Selbstmordattentate 20 15 17 19 71

(UN GASC 13.12.2016; UN GASC 7.9.2016; UNGASC10.6.2016; UN GASC 7.3.2016; Darstellung durch die Staatendokumentation des BFA )

Mit Stand September 2016, schätzen Unterstützungsmission der NATO, dass die Taliban rund 10% der Bevölkerung beeinflussen oder kontrollieren. Die afghanischen Verteidigungsstreitkräfte (ANDSF) waren im Allgemeinen in der Lage, große Bevölkerungszentren zu beschützen. Sie hielten die Taliban davon ab, Kontrolle in bestimmten Gegenden über einen längeren Zeitraum zu halten und reagierten auf Talibanangriffe. Den Taliban hingegen gelang es, ländliche Gegenden einzunehmen; sie kehrten in Gegenden zurück, die von den ANDSF bereits befreit worden waren, und in denen die ANDSF ihre Präsenz nicht halten konnten. Sie führten außerdem Angriffe durch, um das öffentliche Vertrauen in die Sicherheitskräfte der Regierung, und deren Fähigkeit, für Schutz zu sorgen, zu untergraben (USDOD 12.2016). Berichten zufolge hat sich die Anzahl direkter Schussangriffe der Taliban gegen Mitglieder der afghanischen Nationalarmee (ANA) und afghaninischen Nationalpolizei (ANP) erhöht (SIGAR 30.1.2017).

Einem Bericht des U.S. amerikanischen Pentagons zufolge haben die afghanischen Sicherheitskräfte Fortschritte gemacht, wenn auch keine dauerhaften (USDOD 12.2016). Laut Innenministerium wurden im Jahr 2016 im Zuge von militärischen Operationen - ausgeführt durch die Polizei und das Militär - landesweit mehr als 18.500 feindliche Kämpfer getötet und weitere 12.000 verletzt. Die afghanischen Sicherheitskräfte versprachen, sie würden auch während des harten Winters gegen die Taliban und den Islamischen Staat vorgehen (VOA 5.1.2017).

Obwohl die afghanischen Sicherheitskräfte alle Provinzhauptstädte sichern konnten, wurden sie von den Taliban landesweit herausgefordert: intensive bewaffnete Zusammenstöße zwischen Taliban und afghanischen Sicherheitskräften verschlechterten die Sicherheitslage im Berichtszeitraum (16.8. - 17.11.2016) (UN GASC 13.12.2016; vgl. auch: SCR 30.11.2016). Den afghanischen Sicherheitskräften gelang es im August 2016, mehrere große Talibanangriffe auf verschiedene Provinzhauptstädte zu vereiteln, und verlorenes Territorium rasch wieder zurückzuerobern (USDOD 12.2016).

Kontrolle von Distrikten und Regionen

Den Aufständischen misslangen acht Versuche, die Provinzhauptstadt einzunehmen; den Rebellen war es möglich, Territorium einzunehmen. High-profile Angriffe hielten an. Im vierten Quartal 2016 waren 2,5 Millionen Menschen unter direktem Einfluss der Taliban, während es im 3. Quartal noch 2,9 Millionen waren (SIGAR 30.1.2017).

Laut einem Sicherheitsbericht für das vierte Quartal, sind 57,2% der 407 Distrikte unter Regierungskontrolle bzw. -einfluss; dies deutet einen Rückgang von 6,2% gegenüber dem dritten Quartal: zu jenem Zeitpunkt waren 233 Distrikte unter Regierungskontrolle, 51 Distrikte waren unter Kontrolle der Rebellen und 133 Distrikte waren umkämpft. Provinzen, mit der höchsten Anzahl an Distrikten unter Rebelleneinfluss oder -kontrolle waren: Uruzgan mit 5 von 6 Distrikten, und Helmand mit 8 von 14 Distrikten. Regionen, in denen Rebellen den größten Einfluss oder Kontrolle haben, konzentrieren sich auf den Nordosten in Helmand, Nordwesten von Kandahar und die Grenzregion der beiden Provinzen (Kandahar und Helmand), sowie Uruzgan und das nordwestliche Zabul (SIGAR 30.1.2017).

Rebellengruppen

Regierungsfeindliche Elemente versuchten weiterhin durch Bedrohungen, Entführungen und gezielten Tötungen ihren Einfluss zu verstärken. Im Berichtszeitraum wurden 183 Mordanschläge registriert, davon sind 27 gescheitert. Dies bedeutet einen Rückgang von 32% gegenüber dem Vergleichszeitraum im Jahr 2015 (UN GASC 13.12.2016). Rebellengruppen, inklusive hochrangiger Führer der Taliban und des Haqqani Netzwerkes, behielten ihre Rückzugsgebiete auf pakistanischem Territorium (USDOD 12.2016).

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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