Entscheidungsdatum
22.03.2018Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W159 2168267-1/6E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Clemens KUZMINSKI als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX StA. SOMALIA, gegen den Bescheid Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.07.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 15.02.2018 zu Recht erkannt:
A)
I. Die Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt I. wird gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.
II. Hinsichtlich Spruchpunkt II. wird der Beschwerde stattgegeben und XXXX gemäß §8 Abs. 1 AsylG 2005 idgF der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Somalia zuerkannt.
III. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigten bis zum 22.03.2019 zuerkannt.
IV. Der Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte III. und IV. stattgegeben und diese ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer, ein Staatsbürger von Somalia, gelangte (spätestens) am 20.12.2015 unter Umgehung der Grenzkontrolle nach Österreich und stellte an diesem Tag einen Antrag auf internationalen Schutz. Bei der am 21.12.2015 stattgefundenen Erstbefragung nach dem Asylgesetz durch die XXXX gab er zu seinen Fluchtgründen an, dass er Angst vor der Al-Shabaab habe, da diese seinen Vater mit einem Messer verletzt hätte, deswegen sei er geflüchtet. Der Beschwerdeführer gab als Geburtsdatum den XXXX an. Da Zweifel über die Altersangaben seitens der belangten Behörde bestanden, wurde eine wissenschaftliche Altersbestimmung vorgenommen, wobei jedoch das angegebene Geburtsdatum nicht mit an Sicherheit angrenzender Wahrscheinlichkeit widerlegt wurde.
Da zunächst keine inhaltliche Einvernahme erfolgt ist, erhob der Antragsteller, vertreten durch XXXX , eine Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht. Daraufhin wurde der Beschwerdeführer am 25.07.2017 durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Burgenland einvernommen, wobei der Beschwerdeführer eingangs angab, dass er den Dolmetscher bei der Erstbefragung gut verstanden habe und ihm diese auch rückübersetzt worden sei. Er habe sich bis Juni 2015 mit seiner Familie, nämlich Mutter, Geschwister und Frau in XXXX , im Bezirk XXXX , und zwar in einem eigenen Haus aufgehalten. Er habe seit seiner Ausreise keinen Kontakt mehr zu seiner Familie, da er die Telefonnummer verloren habe und glaube, dass seine Familie verzogen sei und er nicht wisse, wohin. Zwei Jahre lang habe er die Schule besucht, er könne Lesen und Schreiben. Er habe als Verkäufer in einem Lebensmittelstand in XXXX gearbeitet. Sein Vater sei Hilfsarbeiter und Kraftfahrer gewesen, seine Mutter Hausfrau. Sie hätten in Somalia der Mittelschicht angehört. Die Reisekosten hätten die Eltern mit Verwandten gesammelt. Er sei in Somalia traditionell verheiratet, habe aber noch keine Kinder. In Österreich sei er in Bundesbetreuung und besuche einen A1 Deutschkurs.
Zu den Fluchtgründen gefragt, führt er einleitend aus, dass er als Verkäufer auf einen Marktstand gearbeitet habe, der aus einem Verkaufsraum und einem hinterem Bereich bestanden hätte. Zum hinteren Bereich hätte er keinen Zutritt gehabt, sein Arbeitgeber sei ein Scheich mit einem großen Bart gewesen. Dieser habe enge Kontakte zu Al-Shabaab Leuten gehabt. Er habe nicht gewusst, dass sein Arbeitgeber für die Al-Shabaab im hinteren Bereich des Geschäftes Waffen gelagert habe, da der Raum immer verschlossen gewesen sei. Eines Abends sah er, dass der Raum nicht versperrt gewesen sei und habe er nachgesehen, was dort gelagert werde. In Kartons sah er zerlegte Waffen und Nägel, er habe daraufhin schnell den Raum verlassen und die Tür zugemacht. Sein Chef habe ihn gesehen und habe ihn befragt, was er in diesem Raum wolle. Er habe ihm gesagt, dass er Tee nachfüllen habe wollen. Plötzlich sei dieser wütend geworden und habe ihn angeschrien. Er habe gedroht, ihn umzubringen, wenn er verrate, was dort gelagert werde. Der Mann habe seine Familie und auch seine Verwandten gekannt. Er habe ihm gesagt, dass er nur zwei Möglichkeiten hätte, entweder bei ihm weiter zu arbeiten oder er würde ihn umbringen. Er habe daraufhin Angst bekommen und habe verstanden, dass dieser Mann zur Al-Shabaab gehöre und er habe zugestimmt, weiter für ihn zu arbeiten und mit niemandem zu reden. Am Abend sei er sehr verängstigt nach Hause gegangen und habe seinem Vater erzählt, was passiert sei. Er habe in der Nacht nicht geschlafen und beschlossen, von zu Hause wegzugehen und sich bei seiner Tante zu verstecken. Am Vormittag habe ihn dann sein Arbeitgeber angerufen und habe er ihm gesagt, dass er krank sei und nicht wisse, wie lang er krank sei. Daraufhin habe ihn sein Chef mit dem Umbringen bedroht, woraufhin er beschlossen habe, Somalia zu verlassen. Zwei bis drei Wochen habe er sich bei seiner Tante versteckt. Während dieser Zeit hätten Regierungssoldaten herausgefunden, dass im Geschäft seines Arbeitgebers Waffen und Nägel gelagert worden seien. Sie hätten die gelagerten Sachen beschlagnahmt. Der Arbeitgeber sei nicht anwesend gewesen. Daraufhin sei er von seinem Chef angerufen und beschuldigt worden, dass er ihn verraten habe. Auch die Al-Shabaab Leute hätten ihn angerufen und ihm gedroht, ihn umzubringen, da sie behaupteten, dass er das Lager den Regierungssoldaten verraten hätte. Die Al-Shabaab Leute wären daraufhin zu ihm nach Hause gekommen und hätten seinen Vater geschlagen und verletzt.
Er sei dann nach XXXX gereist und von dort nach Äthiopien. Sein Arbeitgeber habe XXXX geheißen, er selbst sei nicht bei der Polizei gewesen und habe nichts verraten. Als die Al-Shabaab ihn zu Hause gesucht habe, sei die ganze Familie anwesend gewesen, verletzt worden sei aber nur sein Vater. Nähere Angaben könne er nicht machen, da er nicht dabei gewesen sei. Er wisse auch das Datum nicht mehr, es sei gegen Abend gewesen. Er wisse auch nicht, ob die Männer nochmal zu ihm nach Hause gekommen wären und nach ihm gesucht hätten. Das Haus seiner Tante sei vom Haus seiner Eltern ca. eine halbe Stunde Fußweg entfernt gewesen. Dort seien keine Al-Shabaab Mitglieder hingekommen. Sein Arbeitgeber habe wohl die ganze Verwandschaft gekannt, aber er wisse nicht, ob er gewusst habe, wo seine Tante wohne. Wer am Abend die Waren im Geschäft übernommen habe, wisse er nicht. Er sei nur unter Tags im Geschäft gewesen. Diese Waren seien teils im Verkaufsraum und teils im hinterem Raum gelagert worden, da habe er einen Schlüssel gehabt. Er wisse auch nicht, ob sein Arbeitgeber nach dem Waffenfund festgenommen worden sei. Bevor ihm sein Arbeitgeber gesagt habe, dass die Sachen, die er gesehen habe, der Al-Shabaab gehören würden, habe er nicht gewusst, dass sein Arbeitgeber bei der Al-Shabaab sei. Drohbriefe habe er keine erhalten, aber er sei mehrmals telefonisch bedroht worden. Weitere Fluchtgründe hätte er keine gehabt. Mit den Polizei- und Justizbehörden des Landes habe er keine Probleme gehabt. Auchs sei er nicht behördlich gesucht worden. Auch Haftbefehl gäbe es keinen. Gefragt, ob er aus ethnischen Gründen eine Verfolgung oder Bedrohung zu befürchten gehabt habe, bejaht er dies und gab an, dass er dem Clan Sheikhal angehöre. Bei einer Rückkehr habe er Angst vor der Al-Shabaab, sie würden ihn töten. Die Al-Shabaab könnte ihn überall finden.
Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.07.2017 zur Zl. XXXX wurde unter Spruchteil I. der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen, unter Spruchteil II. wurde dieser Antrag auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Somalia abgewiesen und unter Spruchteil III. ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung nach Somalia zulässig sei, sowie unter Spruchteil IV. die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen festgelegt.
In der Begründung des Bescheides wurden die oben bereits im wesentlichen Inhalt wiedergegebenen Einvernahmen dargestellt und Feststellungen zu Somalia getroffen.
Beweiswürdigend wurde insbesondere ausgeführt, dass das Vorbringen widersprüchlich gewesen sei, insbesondere hinsichtlich der beruflichen Tätigkeit, der Ausreisekosten und der Darstellungen hinsichtlich des Waffenversteckes. Es sei nicht glaubhaft, dass sein Arbeitgeber aufgrund des Waffenfundes nicht landesweit oder von der Polizei oder den Soldaten gesucht und gefunden worden sei. Schließlich sei auch die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Volksgruppe in XXXX nicht mehr von Bedeutung. Der Antragsteller habe auch eindeutig angegeben, dass er von staatlicher Seite nichts zu befürchten gehabt habe. Unter Würdigung der Aussagen habe der Antragsteller bei einer Rückkehr keine relevanten Gefahren zu befürchten. Er habe vielmehr den Eindruck erweckt, dass es ihm nur darum gegangen sei, gezielt sich in Österreich unter Umgehung der Aufenthaltsbestimmungen niederzulassen. Es habe jedenfalls kein glaubhafter Sachverhalt festgestellt werden können, die die Annahme rechtfertigen würde, dass der Antragsteller in seinem Herkunftsland Verfolgung im Sinne der GFK oder unmenschlicher Behandlung ausgesetzt gewesen sei bzw. bei einer Rückkehr wäre. Aus diesem Grund sei auch nicht der Status eines Asylberechtigen gewähren zu gewesen.
Zu Spruchteil II. wurde nach Darlegung der Bezug habenden Rechtslage und Judikatur insbesondere ausgeführt, dass in XXXX wohl eine schwierige Sicherheitssituation bestehe, diese aber geprägt sei von Anschlägen auf sogenannte "High Profil Ziele", wobei der Beschwerdeführer keineswegs ein derartiges Ziel darstelle. Der Antragsteller sei jung, gesund, intelligent und arbeitsfähig und habe familiäre Anknüpfungspunkte. Es sei daher nicht ersichtlich, dass er im Falle einer Rückkehr nach Somalia nicht das zum Leben Notwendigste erlangen könnte, außerdem leide er keineswegs an einer lebensbedrohenden Krankheit, sodass insgesamt keine Gründe für subsidiären Schutz bestünden.
Zu Spruchpunkt III. wurde zunächst darauf hingewiesen, dass kein schützenswertes Familienleben in Österreich vorliege. Hinsichtlich des Privatlebens wurde darauf hingewiesen, dass der Antragsteller keiner Beschäftigung nachgehe und in Grundversorgung sei und auch sonst keine Hinweise auf eine besondere Integration erkennbar wären. Es sei daher kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen zu erteilen gewesen. Eine Rückkehrentscheidung werde auch im Sinne des Art 8 Abs 2 GFK verhältnismäßig angesehen, es bestünden keine überwiegenden privaten Interessen am Verbleib in Österreich gegenüber den öffentlichen Interessen an einem Verlassen des Bundesgebietes, zumal der Antragsteller auch familiäre Anknüpfungspunkte in Somalia, wo er den Großteil seines Lebens verbracht habe, besitze. Es sei daher eine Rückkehrentscheidung zu erlassen gewesen. Da auch keine Gefährdung im Sinne des §50 FPG habe festgestellt werden können und einer Abschiebung auch keine Empfehlung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte entgegenstehe, sei die Abschiebung nach Somalia auszusprechen gewesen. Weiters seien keine Gründe für die Verlängerung der Frist für die freiwillige Ausreise hervorgekommen.
Gegen diesen Bescheid erhob der Antragsteller, vertreten durch seinen ausgewiesenen Vertreter, fristgerecht gegen alle Spruchteile Beschwerde. Nach geraffter Wiedergabe des bisherigen Vorbringens wurde vorgebracht, dass die Fluchtgeschichte in sich konsistent und schlüssig sei und der Kern der Fluchtgeschichte auch schon in der polizeilichen Erstbefragung, nämlich die Angst vor einer Verfolgung und Tötung durch die Al-Shabaab, vorgebracht worden sei. Außerdem sei die polizeiliche Erstbefragung nicht zu einer ausführlichen Darstellung der Fluchtgründe angetan. Er habe bei der Einvernahme übrigens darauf hingewiesen, dass er die Ausreise nur mit Hilfe von Verwandten habe finanzieren können; der Hinweis auf sein zu geringes Einkommen sei daher unschlüssig. Weiters wurde vorgebracht, dass die Al-Shabaab überall in Somalia weiterhin aktiv sei und ihm auch keine innerstaatliche Fluchtalternative offen stehe. Weiters sei hervorzuheben, dass die Al-Shabaab ihn und nicht seine Familie vernichten wolle und sich diese daher weiterhin in XXXX aufhalten könne. Als Clanangehöriger einer Minderheit, dem Verfolgung oder Zwangsrekrutierung durch die Al-Shabaab drohe, könne er nicht Schutz durch seinen Clan erhalten und die somalische Polizei sei sehr korrupt, er sei daher schutzlos. Dem Beschwerdeführer sei daher Asyl, zumindest aber subsidiärer Schutz wegen der herrschenden Dürre und Hungersnot zu gewähren, wobei diese noch dadurch verstärkt werde, dass Kenia und Jemen massenhaft Somalier zurückschicke.
Das Bundesverwaltungsgericht beraumte eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung für den 15.02.2018 an, zu der sich die belangte Behörde wegen Nichtteilnahme entschuldigen ließ. Der Beschwerdeführer erschien in Begleitung seines ausgewiesenen Vertreters und legte Teilnahmebestätigungen an Basisbildungskursen der XXXX Volkshochschulen, eine Arbeitsbestätigung der Stadtgemeinde XXXX und ein Deutschzertifikat im Niveau A1 vor und brachte vor, dass er im Moment einen Kurs für den Pflichtschulabschluss besuche.
Er halte sein bisheriges Vorbringen aufrecht, wollte aber korrigieren, dass man bei der Ersteinvernahme den Familienstand als "ledig" protokolliert habe, er aber tatsächlich verheiratet sei. Er sei somalischer Staatsangehöriger, besitze aber darüber kein Dokument. Seine Clanzugehörigkeit sei Sheikhal, der Subclan XXXX , er sei Moslem-Sunnit. Die Angehörigen des Clan Sheikhal würden meist in der Stadt XXXX oder in XXXX in der Provinz Hiraan leben, auch in XXXX würden welche leben, aber nicht so viele. Viele seien Koranlehrer und Imame. Es gäbe keine bestimmten Berufe, die Angehörige dieses Clans ausüben würden, mehr wisse er nicht. Sein Subclan sei XXXX . Aufgrund seiner Clanzugehörigkeit sei er in Somalia nicht persönlich benachteiligt worden.
Am XXXX sei er in XXXX geboren, er habe von seiner Geburt bis zur Ausreise in XXXX gelebt. Dieser Bezirk liege in der Mitte von XXXX und nicht am Meer. Gefragt nach wichtigen Gebäuden oder Institutionen im Bezirk gab er an, dass es dort den Kreisverkehr " XXXX " gäbe, das bekannteste Spital von XXXX namens XXXX sowie die XXXX . In der Folge nannte er die zum XXXX führenden Straßen. Gefragt nach militärischer Ausbildungsstätte im Bezirk XXXX gab er an, dass es eine solche gebe, er aber den Namen des Militärlagers nicht nennen könne. Es gäbe auch drei verschiedene Märkte in diesem Bezirk, die er in der Folge namentlich erwähnte.
Er habe zwei Jahre lang die Grundschule besucht. Als er das Land verlassen habe, hätten seine Eltern noch in XXXX gelebt. Sein Vater sei damals verletzt gewesen, aber seit der Ausreise habe er keinen Kontakt mehr zu seinen Eltern. Diese Verletzung habe seinem Vater die Al-Shabaab zugefügt, weil sie von ihm hätte erfahren wollen, wo er sich derzeit aufhalte. Sein Vater habe aber damals auch nicht gewusst, wo er sich aufgehalten habe. Sie hätten ihm mit einem Messer in den rechten Oberschenkel gestochen und auch den Rücken verletzt. Der Beschwerdeführer habe zehn Geschwister, zwei Brüder und acht Schwestern. Wo diese derzeit leben, wisse er nicht. Er habe am XXXX Frau XXXX , welche XXXX geboren sei, geheiratet, das genaue Geburtsdatum seiner Frau wisse er nicht. Ein Freund von ihm, der mit einem LKW nach XXXX unterwegs gewesen sei, habe sie dort gesehen, er wisse aber nicht, ob sie noch immer dort aufhältig sei. Sie hätten keine Kinder. Sein Vater sei Fernfahrer gewesen, er habe Bananen transportiert, davon habe die Familie gelebt, seine Mutter sei Hausfrau gewesen. Er habe ab dem Alter von 15 Jahren als Verkäufer in einem Lebensmittelgeschäft gearbeitet. Über Vorhalt, dass er bei der Erstbefragung (AS 7) als zuletzt ausgeübten Beruf "Schüler" angegeben habe, aber beim BFA (AS 119) - so wie in der Beschwerdeverhandlung - "Verkäufer in einem Marktstand", führte er aus, dass er bei der Polizei nicht danach gefragt worden sei, ob er gearbeitet habe, sondern, ob er einen Beruf gelernt habe und deshalb habe er Schüler angegeben. Gefragt, wie das Geschäft, bei dem er gearbeitet habe, ausgesehen habe, gab er an, dass dieses halb so groß wie der Verhandlungssaal gewesen sei. In der Mitte sei ein Tisch gestanden, hinten seien Regale gewesen, oben seien Mehlspeisen und Süßigkeiten gelagert worden, auch Seifen und Shampoos seien zum Verkauf bereitgehalten worden seien. Weiters sei Reis in verschiedenen Verpackungen im Geschäft gewesen und auf dem Tisch seien auch Kleinigkeiten gelegen. Gefragt, ob dieses Geschäft nur einen oder mehrere Räume gehabt habe, gab er an, dass es dahinter noch ein Zimmer gegeben habe, das zwei verschiedene Eingangstüren gehabt habe. Eine sei eine Durchgangstür zum Geschäft gewesen und eine nach draußen. Dieser Raum sei als Lager verwendet worden. Er habe manchmal dort Waren abgeholt, aber der Inhaber des Geschäftes habe die Durchgangstür immer zugesperrt und er den Schlüssel habe er immer bei sich behalten. Wenn er etwas aus dem Lager gebraucht habe, sei meistens der Chef selbst ins Lager gegangen und habe die Waren geholt. Er selbst habe nur selten diesen Raum betreten. Über Vorhalt, dass er beim BFA einerseits angegeben habe, dass er keinen Zutritt zu diesem Raum gehabt habe (AS 119), andererseits jedoch, dass er für diesen Raum einen Schlüssel gehabt habe (AS 123) gab er an, dass er am Anfang in dieses Lager nicht hinein gehen habe dürfen und erst die letzten acht Monate habe er einen Schlüssel gehabt.
Sein Arbeitgeber habe XXXX geheißen, er habe dem Clan Hawiye angehört und sei ca. XXXX Jahre alt gewesen, er habe auch einen längeren Bart getragen. Er sei streng religiös gewesen, aber er habe nicht gedacht, dass er Kontakt zu Al-Shabaab habe. Über Vorhalt, dass er beim BFA (AS 119) angegeben habe, dass sein Arbeitgeber ein Scheich gewesen sei, was er bisher nicht erwähnt habe, gab er an, dass er einen langen Bart getragen habe und ständig in der Moschee gewesen sei und dass man solche Leute Scheich nennen würde. Gefragt, warum er nicht gewusst habe, dass sein Arbeitgeber Kontakte zu Al-Shabaab gehabt habe bzw. dort Mitglied gewesen sei, gab er an, dass er zu seinem Chef keinen so engen Kontakt gehabt habe. Er sei nur in der Früh gekommen, habe das Geschäft aufgesperrt, dann sei sein Chef gekommen, sie hätten zusammengearbeitet, aber nicht viel geredet, er habe auch keine Symbole der Al-Shabaab im Geschäft entdeckt, auch habe er sich dazu nicht geäußert. Gefragt, was in diesem Lagerraum konkret gelagert worden sei, gab er an, dass es dort viele Kartons gegeben habe, teilweise mit Munition, Nägel oder Handgranaten, in manchen Kartons seien auch kleine Metallgegenstände gewesen. Er habe aber nicht in allen Kartons nachgesehen. Als er die Waffen entdeckt habe, habe er einen Schock gehabt. Gefragt, was die Al-Shabaab mit Nägel hätte anfangen können, gab er an, dass er glaube, wenn sie ein Selbstmordattentat begehen würden, dass sie in die Bombe Nägel hineinfüllen würden, um die Zerstörungskraft zu erhöhen. Als er dieses Lager verlassen habe wollen, haben ihn sein Chef gesehen und er habe ihn gefragt, ob er in diesem Lager gewesen sei, er habe geantwortet, dass er Tee aus dem Lager habe holen wollen. Er habe in weiters gefragt, was er dort gesehen habe. Aus Angst habe er gesagt, dass er nichts gesehen habe. Dann habe er nachgesehen und habe gesehen, dass der Beschwerdeführer in einige Kartons hineingeschaut habe. Er sei dann wütend zurückgekommen und er habe gedacht, dass er ihn schlagen würde, er habe aber das nicht getan. Er habe ihm dann eröffnet, dass diese Waffen der Al-Shabaab gehören würden und, dass er Mitglied der Al-Shabaab sei. Daraufhin habe er ihm gesagt, dass er zwei Möglichkeiten habe, entweder er schließe sich freiwillig der Al-Shabaab an oder er werde ihn töten. Auch wenn er weitererzähle, was er getan habe, werde er getötet. Er habe auch ausdrücklich gesagt, dass er seinem Vater das nicht erzählen dürfe.
Gefragt, warum er in den Kartons nachgesehen habe, gab er an, dass er Tee gesucht habe und nicht genau gewusst habe, wo er gelagert gewesen sei. Es sei für ihn komisch gewesen, dass in den letzten acht Monaten dieses Zimmer abgesperrt gewesen sei, an diesem Tag, an dem er den Tee habe holen wollen, sei sein Chef im Geschäft gewesen, aber er habe telefoniert und da er ihn nicht stören habe wollen, habe er den Schlüssel an sich genommen, der am Tisch gelegen sei. Dieser Vorfall habe sich im Mai 2015 ereignet. Gefragt, ob er gesehen habe, wie von der Al-Shabaab Waffen gebracht oder abgeholt worden seien, gab er an, dass er nur bis 18 Uhr gearbeitet habe und bevor er gegangen sei, habe er die Abrechnung gemacht, anschließend sei sein Chef allein im Geschäft gewesen. Er nehme an, dass in dieser Zeit die Waffen gebracht bzw. abgeholt worden seien. Gefragt, ob er irgendwie bemerkt hätte, dass Leute, die vom Erscheinungsbild her der Al-Shabaab zuzuordnen gewesen wären, öfters bei seinem Chef gewesen wären, gab er an, dass er viele Freunde gehabt hätte, die auch wie Scheichs oder Imame ausgesehen hätten, aber er habe niemanden direkt gesehen, den er hätte verdächtigen können, dass er der Al-Shabaab angehöre. Über Vorhalt, dass er beim BFA (AS 119) angegeben habe, dass ihn sein Chef nach dem Waffenfund vor die Alternative gestellt habe, in dem Geschäft weiterzuarbeiten oder er würde ihn umbringen, nunmehr aber ausführe, dass sein Chef ihn aufgefordert habe, bei der Al-Shabaab mitzuarbeiten, gab er an, dass er gedacht habe, dass ihn sein Chef kündigen würde. Er habe ihn auch bedroht, dort weiter zu arbeiten und habe ihn gefragt, ob er sich der Al-Shabaab anschließen wolle. Gefragt, wie er auf die Drohungen seines Arbeitgebers reagiert habe, gab er an, dass er Angst gehabt habe. Die einzige Möglichkeit, die er gehabt hätte, sei zuzusagen gewesen und wenn er am Abend heimgeschickt werde, sich nicht mehr bei ihm zu melden. Gefragt, warum sein Arbeitgeber ausgerechnet in XXXX Waffen für die Al-Shabaab gelagert habe, dies sehe das BFA als unplausibel an, gab er an, dass es wirklich möglich sei, mitten in XXXX Waffen und Munition für die Al-Shabaab zu lagern. In XXXX sei zwar die AMISOM, aber am Abend sei sie nicht unterwegs. Die meisten Geschäfte würden in der Nacht oder am Abend Ware bekommen. Er habe an diesem Tag des Waffenfundes normal bis zu seinem Arbeitsschluss weitergearbeitet. Bevor er gegangen sei, habe er fast das Gleiche wiederholt, nämlich, dass wenn er das weiter erzähle, getötet werde, egal wo er aufhältig sei und, dass sie ihn finden würden. Er habe ihn weiters aufgefordert, wieder zuverlässig am nächsten Tag zur Arbeit zu erscheinen, wenn er das nicht tue, würde er auch getötet werden.
Er sei dann nach Hause zu seinen Eltern gegangen und habe sich ursprünglich gar nicht getraut, mit seinen Eltern darüber zu reden, aber es sei schwer gewesen, das für sich zu behalten. Er habe es dann anschließend seinem Vater erzählt, sein Vater habe gesagt, dass er sich beruhigen solle und dass sie gemeinsam etwas unternehmen würden. Trotzdem habe er nicht einschlafen können und bevor die Sonne aufgegangen sei, sei er zu seiner Tante väterlicherseits gegangen. Er habe seinem Vater gar nicht gesagt, dass er zu seiner Tante gegangen sei. Sie wohne in XXXX , im Bezirk XXXX . Zu Fuß brauche man zu seiner Tante ca. 45 min. Gefragt, ob zwischen XXXX und und XXXX andere Bezirke gelegen gewesen wären, die er durchqueren habe müssen, gab er an, dass XXXX ein Nachbarbezirk von XXXX sei. Sein Arbeitgeber habe ihn nicht bei seiner Tante gefunden, er habe sich dort nur zwei bis drei Wochen aufgehalten, dann sei er ausgereist. Über Vorhalt, dass er beim BFA (AS 121) gesagt habe, dass sein Arbeitgeber seine gesamte Familie gekannt habe und es dabei unlogisch sei, dass er nicht gewusst habe, wo die Tante wohne und ihn dort nicht gefunden habe, gab er an, dass er wohl seine Tante gekannt habe, aber nicht gewusst habe, wo sie wohne. Al-Shabaab-Mitglieder seien auch bei ihm zu Hause gewesen, sie haben ihn aber nicht gefunden und daher seinen Vater mitgenommen. Er habe das nicht gesehen, aber seine Mutter habe ihm erzählt, dass sein Vater zwei Mal mit einem Messer gestochen worden sei. Nachdem sie von ihm nicht erfahren hätten, wo der Beschwerdeführer genau aufhältig sei, hätten sie seinen Vater wieder freigelassen. Wenn die Al-Shabaab ihn irgendwo sehen würde, würden sie ihn auf der Stelle töten. Den Vater hätten sie nach einigen Stunden, jedenfalls noch am gleichen Abend, wieder frei gelassen.
Schon am ersten Tag habe ihn sein Arbeitgeber angerufen und ihn gefragt, warum er das Geschäft nicht aufgesperrt habe. Er habe geantwortet, dass er krank sei. Daraufhin habe er ihn gefragt, wann er wieder arbeiten komme und er habe geantwortet, dass er das nicht wisse. Er habe ihn dann aufgefordert, nicht daran zu denken, mit der Arbeit aufzuhören, denn sie würden ihn, egal wo er sich verstecke, finden. Nach diesem Anruf habe er sein Handy ausgeschaltet und die Simkarte herausgenommen. Nach einigen Tagen habe er mit seiner Familie telefonieren wollen und habe sein Handy wieder eingeschalten, daraufhin habe er viele Droh-SMS bekommen. Während er diese SMS gelesen habe, sei er auch mit unterdrückter Nummer angerufen worden. Der Anrufer habe gleich gefragt, wo er sich aufhalte. Nachdem er gefragt habe, wer der Anrufer sei, habe dieser angefangen, in zu bedrohen, nämlich, dass er niemanden erzählen dürfe, was er gesehen habe und wenn er sich ihnen anschließen würde, könne er weiterleben.
Nach ca. zwei Wochen seien Regierungstruppen in das Geschäft gestürmt, er wisse nicht, wer diese Informationen an sie weitergeleitet habe. Sein Nachfolger sei auch verhaftet worden, weil er zu diesem Zeitpunkt dort gewesen sei. Was mit seinem Chef passiert sei, wisse er nicht. Wenn er verhaftet oder getötet worden wäre, hätte er das gehört. Nach diesem Vorfall habe er, sobald er sein Handy eingeschalten habe, sofort Drohanrufe bekommen. Sein Vater sei nach der Stürmung des Geschäftes entführt und verletzt worden. Als ihm das seine Mutter mitgeteilt habe, habe er seinen Vater besuchen wollen, aber seine Mutter habe ihm das verboten, weil es zu gefährlich gewesen wäre. In diesem Geschäft habe es auch ein paar Fotos von ihm gegeben. Die Regierungstruppen hätten ihn auch verdächtigt, Mitglied der Al-Shabaab zu sein. Seine Mutter habe ihn bei seiner Tante besucht und erzählt, dass er von der Regierungsseite gesucht werden würde. Er habe nur drei Möglichkeiten gehabt. Entweder freiwillig zur Regierung zu gehen, dann hätten sie ihn verhaftet; freiwillig zur Al-Shabaab zu gehen, dann hätten sie ihn getötet oder das Land zu verlassen, er habe die dritte Möglichkeit gewählt. Von der Stürmung des Geschäftes habe er von seiner Tante erfahren. Wenn in XXXX etwas passiere, würden sich Gerüchte schnell ausbreiten. Über Vorhalt, dass er beim BFA nichts davon erwähnt habe, dass er von der Regierungsseite gesucht werden würde, gab er an, dass er das nicht erwähnt hat, aber dem Dolmetscher gesagt habe, dass er auch von der Regierungsseite gesucht würde. Gefragt, ob man in den Drohanrufen einen Zusammenhang zwischen der Stürmung des Geschäftes durch die Regierungstruppen und seiner Person hergestellt hätte, gab er an, dass als die Regierungstruppen das Geschäft gestürmt hätten, er schon zwei Wochen bei seiner Tante gewesen wäre. Es könnte möglich sein, dass die Al-Shabaab geglaubt habe, dass er der Regierung das verraten habe.
Nachdem er von seiner Mutter erfahren habe, dass sowohl die Al-Shabaab als auch die Regierung nach ihm suche, habe er sich entschlossen, das Land zu verlassen. Er habe nicht gewollt, dass er sich den Rest seines Lebens bei seiner Tante verstecken müsse. Es wäre auch möglich gewesen, dass sein Chef die Adresse seiner Tante und daher seinen Aufenthaltsort ausfindig mache. Er sei daher dann im Juli 2015 mit einem LKW nach Äthiopien gefahren.
Er wisse nicht, wo sich seine Verwandten aufhalten würden, seine Familie habe weder Handys noch ein Festnetz zu Hause. Sein letzter telefonischer Kontakt mit seiner Familie sei gewesen, als er noch in Äthiopien gewesen sei. Die Nummer, über die er seine Familie kontaktiert habe, sei die Nummer seiner Nachbarn gewesen. Diese Nummer habe er aber auf dem Weg nach Europa verloren. Er habe in der Zwischenzeit wieder versucht Kontakt mit seiner Familie herzustellen, aber es sei ihm nicht gelungen.
Es gehe ihm gesundheitlich gut, am Vormittag mache er einen Kurs für den Pflichtschulabschluss, zwei Mal in der Woche arbeite er ehrenamtlich für die Gemeinde XXXX als Straßenkehrer, meistens in der Nähe des Bahnhofs. Er habe schon ein A1 Diplom erworben und auch Basisbildungskurse besucht. Er spiele bei einem Verein namens " XXXX " Fußball, sie würden nur am Samstag spielen, er spiele nur hobbymäßig. Er habe schon österreichische Freunde.
Gefragt, was mit ihm geschehen würde, wenn er nach Somalia zurückkehren würde, gab er an, dass er Angst habe entweder von der Al-Shabaab getötet zu werden oder von den Regierungstruppen verhaftet zu werden. Wenn er irgendwo in XXXX sei, müsse man ihn kennen, sonst würde man ihn verdächtigen. Wenn er genau sage, wer er sei, dann würde er sicher getötet oder verhaftet werden. Außerdem habe er niemanden mehr in Somalia und die Sicherheitslage in Somalia sei weiterhin sehr schlecht. Über Vorhalt, dass sich XXXX unter Kontrolle der AMISOM befinde und dort auf keine Gefahr der Zwangsrekrutierung durch die Al-Shabaab bestehe, mögen auch weiterhin Sprengstoffanschläge vorkommen, gab er an, dass diese Berichte falsch wären und die Al-Shabaab in XXXX machen könne, was sie wolle, in der Nacht und am Land töte sie, wen sie wolle. Er habe damit alles gesagt, was ihm wichtig sei.
Verlesen wurde der aktuelle Strafregisterauszug des Beschwerdeführers.
Dazu ist anzumerken, dass darin wohl Verurteilungen aufscheinen, diese aber einen XXXX bzw. XXXX geborenen algerischen Staatsbürger betreffen und die Taten schon deswegen nicht vom Beschwerdeführer begangen werden konnten, weil er zum Zeitpunkt der Straftaten sich noch gar nicht in Österreich befunden hat. In der Strafregisterauszukunft ist weiters vermerkt, falls die Auskunft die angefragte Person nicht betrifft (was im vorliegenden Fall zutrifft), im Strafregister keine Verurteilung aufscheint.
Gemäß § 45 Abs.3 AVG werden den Verfahrensparteien folgende Dokumente zur Kenntnis gebracht und eine Frist zur Abgabe einer Stellungnahme von zwei Wochen eingeräumt:
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Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Somalia vom 12.01.2018,
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Schweizerische Flüchtlingshilfe, Somalia, Herkunft aus XXXX vom 19.08.2010,
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Wikimapia, Hodan District XXXX ,
Der BFV erklärt, dass er das Länderinformationsblatt nicht benötigt, weil er dieses schon kennt und nahm in die beiden Kurzdokumente Einsicht. Er nahm zu den Länderdokumenten wie folgt in der Verhandlung Stellung:
"Die Angriffe der Al Shabaab sind in den letzten Jahren in XXXX ein bisschen zurückgegangen, aber sie verursachen durchschnittlich ein hohes Maß an Schaden. Die Außenbezirke von XXXX haben eine starke Al Shabaab-Präsenz und die Innenbezirke mindestens eine verdeckte Präsenz und Unterstützung. Im LIB, Seite 32, oben steht. "Korrupte und unbezahlte Soldaten und unzufriedene Clans in der Peripherie ermöglichen es der Al Shabaab XXXX zu infiltrieren." Es ist höchstwahrscheinlich glaubwürdig, früher und auch jetzt, dass die Al Shabaab verschiedene Lagerplätze in der Stadt hat. Gegen die Al Shabaab kann die Sicherheit des Beschwerdeführers durch die Regierung oder durch seinen unbewaffneten Clan nicht garantiert werden.
Es gibt auch Informationen wegen der Dürre und der Nahrungsbeschränkungen, was auch stark auf XXXX zutrifft. Es ist auch bekannt, dass dieses Problem durch Konflikte innerhalb und außerhalb von Clans verstärkt wird. Das bedeutet für ihn, dass er als Angehöriger eines kleinen Clans keine Chance hat und auch über keine familiären Kontakte oder ein sonstiges soziales Netzwerk verfügt."
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat wie folgt festgestellt und erwogen:
1. Feststellungen:
Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer ist Staatsbürger von Somalia und gehört dem Clan Sheikhal an. Er ist am XXXX in XXXX geboren. Ob er tatsächlich, wie von ihm angegeben, im Bezirk XXXX gelebt hat und dort aufgewachsen ist, kann nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden. Er hat zwei Jahr lang die Grundschule besucht und anschließend als Lebensmittelverkäufer gearbeitet. Am XXXX hat er Frau XXXX geheiratet, die beiden haben keiner Kinder. Er hat insgesamt zehn Geschwister, zwei Brüder und acht Schwestern, hat aber mit seinen Familienangehörigen seien Angabe zu folge keinen Kontakt mehr. Zu den Fluchtgründen könne mangels glaubhafter Angaben keine Feststellungen getroffen werden.
Er hat Somalia im Juni 2015 in Richtung Äthiopien verlassen und gelangte spätestens am 20.12.2015 unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich, wo er sogleich einen Antrag auf internationalen Schutz stellte. Er leidet unter keinen organischen oder psychischen Erkrankungen. Er besucht einen Kurs für den Pflichtschulabschluss und arbeitet ehrenamtlich als Straßenkehrer für die Gemeinde XXXX , außerdem spielt er bei einem Fußballverein hobbymäßig Fußball und hat auch schon österreichische Freunde. Er hat aber kein Familienleben in Österreich.
Zu Somalia wird fallbezogen Folgendes festgestellt:
1. Politische Lage
Das Gebiet von Somalia ist de facto in drei unterschiedliche administrative Einheiten unterteilt: a) Somaliland, ein 1991 selbstausgerufener unabhängiger Staat, der von der internationalen Gemeinschaft nicht anerkannt wird; b) Puntland, ein 1998 selbstausgerufener autonomer Teilstaat Somalias; c) das Gebiet südlich von Puntland, das Süd-/Zentralsomalia genannt wird (EASO 8.2014). Im Hinblick auf fast alle asylrelevanten Tatsachen ist Somalia in diesen drei Teilen zu betrachten (AA 1.1.2017).
Im Jahr 1988 brach in Somalia ein Bürgerkrieg aus, der im Jahr 1991 im Sturz von Diktator Siyad Barre resultierte. Danach folgten Kämpfe zwischen unterschiedlichen Clans, Interventionen der UN sowie mehrere Friedenskonferenzen (EASO 8.2014). Seit Jahrzehnten gibt es keine allgemeinen Wahlen auf kommunaler, regionaler oder zentralstaatlicher Ebene. Politische Ämter wurden seit dem Sturz Siad Barres 1991 entweder erkämpft oder unter Ägide der internationalen Gemeinschaft, hilfsweise unter Einbeziehung nicht demokratisch legitimierter traditioneller Strukturen (v.a. Clan-Strukturen) vergeben (AA 1.1.2017).
Im August 2012 endete die Periode der Übergangsregierung (BS 2016). Seit damals gibt es eine politische Entwicklung, die den Beginn einer Befriedung und Stabilisierung sowie eines Wiederaufbaus staatlicher Strukturen markiert. Am 1.8.2012 wurde in Mogadischu eine vorläufige Verfassung angenommen. Seitdem ist die Staatsbildung kontinuierlich vorangeschritten. Das im Dezember 2016 gewählte Parlament stellt dabei auch einen deutlichen demokratischen Fortschritt gegenüber dem 2012 gewählten Parlament dar. Während 2012 135 Clanälteste die Zusammensetzung bestimmten (AA 4.2017a; vgl. UNSC 5.9.2017), waren es 2016 über 14.000 Clan-Repräsentanten (UNHRC 6.9.2017) bzw. 13.000. Während die 54 Mitglieder des Oberhauses von den Parlamenten der Bundesstaaten gewählt wurden, wählten die o.g. Clan-Repräsentanten die 275 auf Clan-Basis ausgewählten Abgeordneten des Unterhauses (UNSC 9.5.2017).
Auch wenn es sich um keine allgemeine Wahl gehandelt hat, ist diese Wahl im Vergleich zu vorangegangenen Wahlen ein Fortschritt gewesen (DW 10.2.2017). Allerdings war auch dieser Wahlprozess problematisch, es gibt zahlreiche Vorwürfe von Stimmenkauf und Korruption (SEMG 8.11.2017). Im Februar 2017 wählte das neue Zweikammerparlament Mohamed Abdullahi Mohamed "Farmaajo" zum Präsidenten; im März bestätigte es Hassan Ali Kheyre als Premierminister (AA 4.2017a; vgl. UNSC 5.9.2017, SEMG 8.11.2017). Das Parlament bestätigte am 29.3.2017 dessen 69-köpfiges Kabinett (UNSC 9.5.2017).
Quellen:
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AA - Auswärtiges Amt (1.1.2017): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia
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AA - Auswärtiges Amt (4.2017a): Somalia - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Somalia/Innenpolitik_node.html, Zugriff 13.9.2017
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BFA - BFA Staatendokumentation (8.2017): Fact Finding Mission Report Somalia. Sicherheitslage in Somalia. Bericht zur österreichisch-schweizerischen FFM, http://www.bfa.gv.at/files/berichte/FFM%20Report_Somalia%20Sicherheitslage_Onlineversion_2017_08_KE_neu.pdf, Zugriff 13.9.2017
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BS - Bertelsmann Stiftung (2016): BTI 2016 - Somalia Country Report,
https://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2016/pdf/BTI_2016_Somalia.pdf, Zugriff 20.11.2017
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DW - Deutsche Welle (10.2.2017): Kommentar: Farmajo, der neue Präsident Somalias - Wie viele Löcher hat der Käse? http://www.dw.com/de/kommentar-farmajo-der-neue-pr%C3%A4sident-somalias-wie-viele-l%C3%B6cher-hat-der-k%C3%A4se/a-37496267, Zugriff 24.11.2017
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EASO - European Asylum Support Office (2.2016): Somalia Security Situation,
http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1457606427_easo-somalia-security-feb-2016.pdf, Zugriff 21.12.2017
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EASO - European Asylum Support Office (8.2014): South and Central Somalia: Country Overview,
http://www.ecoi.net/file_upload/90_1412334993_easo-2014-08-coi-report-somalia.pdf, Zugriff 21.11.2017
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NLMBZ - (Niederlande) Ministerie von Buitenlandse Zaken (11.2017):
Algemeen Ambtsbericht Zuid- en Centraal- Somalië, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1512376193_correctie-aab-zuid-en-centraal-somalie-2017-def-zvb.pdf, Zugriff 10.1.2018
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ÖB - Österreichische Botschaft Nairobi (9.2016): Asylländerbericht Somalia
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SEMG - Somalia and Eritrea Monitoring Group (8.11.2017): Report of the SEMG on Somalia,
https://www.un.org/ga/search/view_doc.asp?symbol=S/2017/924, Zugriff 14.11.2017
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UNHRC - UN Human Rights Council (6.9.2017): Report of the independent expert on the situation of human rights in Somalia http://www.refworld.org/docid/59c12bed4.html, Zugriff 11.11.2017
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UNNS - UN News Service (13.9.2017): Somalia facing complex immediate and long-term challenges, UN Security Council told, http://www.refworld.org/docid/59bfc8b34.html, Zugriff 11.11.2017
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UNSC - UN Security Council (5.9.2017): Report of the Secretary-General on Somalia,
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UNSC - UN Security Council (9.5.2017): Report of the Secretary-General on Somalia,
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USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Somalia, http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm?year=2016&dlid=265300, Zugriff 13.9.2017
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WB - World Bank (18.7.2017): Somalia Economic Update, http://documents.worldbank.org/curated/en/552691501679650925/Somalia-economic-update-mobilizing-domestic-revenue-to-rebuild-Somalia, Zugriff 20.11.2017
2. Sicherheitslage und Situation in den unterschiedlichen Gebieten
Vergleicht man die Areas of Influence der Jahre 2012 und 2017, hat es kaum relevante Änderungen gegeben. Die Regierung und ihre Verbündeten kontrollieren zwar viele Städte, darüber hinaus ist eine Kontrolle aber kaum gegeben. Behörden oder Verwaltungen gibt es nur in den größeren Städten. Der Aktionsradius lokaler Verwaltungen reicht oft nur wenige Kilometer weit. Selbst bei Städten wie Kismayo oder Baidoa ist der Radius nicht sonderlich groß. Das "urban island scenario" besteht also weiterhin, viele Städte unter Kontrolle von somalischer Armee und AMISOM sind vom Gebiet der al Shabaab umgeben. Folglich befinden sich Große Teile des Raumes in Süd-/Zentralsomalia unter der Kontrolle oder zumindest unter dem Einfluss der al Shabaab (BFA 8.2017).
Dahingegen können nur wenige Gebiete in Süd-/Zentralsomalia als frei von al Shabaab bezeichnet werden - etwa Dhusamareb oder Guri Ceel. In Puntland gilt dies für größere Gebiete, darunter Garoowe (BFA 8.2017).
Hinsichtlich der Lesbarkeit untenstehender Karte sind die folgenden Kommentare zu berücksichtigen:
Eine vollständige und inhaltlich umfassende Darstellung kann nicht gewährleistet werden; die Gebietsgrenzen sind relativ, jedoch annähernd (z.B. Problematik der unterschiedlichen Einflusslage bei Tag und Nacht; der Fluktuation entlang relevanter Nachschubwege). Um die Karten übersichtlich zu gestalten, wurde eine Kategorisierung der auf somalischem Boden operierenden
(Konflikt-)Parteien vorgenommen (BFA 8.2017):
a) Alle auf irgendeine Art und Weise mit der somalischen Regierung verbundenen und gleichzeitig gegen al Shabaab gestellten Kräfte wurden als "anti-al-Shabaab Forces" zusammengefasst. Diese Kategorie umfasst neben Bundeskräften (SNA) auch Kräfte der Bundesstaaten (etwa Jubaland, Galmudug, Puntland) sowie AMISOM und bi-lateral eingesetzte Truppen (und damit de facto auch die Liyu Police).
b) Die ASWJ wurde nicht in diese Kategorie aufgenommen, da sie zwar gegen al Shabaab kämpft, die Verbindung zur Bundesregierung aber momentan unklar ist.
c) Einige Clans verfügen über relative Eigenständigkeit, die auch mit Milizen abgesichert ist. Dies betrifft in erster Linie die Warsangeli (Sanaag), Teile der Dulbahante (Sool) und die Macawusleey genannte Miliz in Hiiraan. Keine dieser Milizen ist mit Somaliland, einem somalischen Bundesstaat, mit der somalischen Bundesregierung oder al Shabaab verbunden; sie agieren eigenständig, verfügen aber nur über eingeschränkte Ressourcen.
Operational Areas
d) Operationsgebiete, in welchen die markierten Parteien über relevanten Einfluss verfügen (einfarbig): Dort können die Parteien auf maßgebliche Mittel (Bewaffnung, Truppenstärke, Finanzierung, Struktur, Administration u.a.) zurückgreifen, um auch längerfristig Einfluss zu gewährleisten. Es sind dies die Republik Somaliland;
Puntland; teilweise auch Galmudug; AMISOM in Tandem mit der somalischen Regierung bzw. mit Bundesstaaten; äthiopische Kräfte im Grenzbereich; al Shabaab; Ahlu Sunna Wal Jama'a in Zentralsomalia;
e) Einige Gebiete (schraffiert) - vorwiegend in Süd-/Zentralsomalia - unterliegen dabei dem Einfluss von zwei dermaßen relevanten Parteien.
f) Alle in der Karte eingetragenen Städte und Orte wurden einer der o. g. Parteien zugeordnet. Sie gelten als nicht schraffiert, die Kommentare unter 4.1.2 sind zu berücksichtigen. Soweit bekannt wurden den Städten AMISOM-Stützpunkte oder Garnisonen bi-lateral eingesetzter Truppen zugeordnet. In den Städten ohne eine derartige Präsenz gibt es eine SNA-Präsenz, oder aber Sicherheitskräfte der einzelnen Bundesstaaten; oder Somalilands.
g) Operationsgebiete, in welchen kleinere Parteien über eingeschränkten Einfluss verfügen (strichliert): Dort sind neben den o. g. relevanten Parteien noch weitere Parteien mit eingeschränkter Ressourcenlage aktiv. Ihr Einfluss in diesen Operationsgebieten ist von wechselnder Relevanz und hängt von den jeweiligen verfügbaren Ressourcen und deren Einsatz ab (BFA 8.2017).
Bild kann nicht dargestellt werden
Bild kann nicht dargestellt werden
(BFA 8.2017)
Zwischen Nord- und Süd-/Zentralsomalia sind gravierende Unterschiede bei den Zahlen zu Gewalttaten zu verzeichnen (ACLED 2016; vgl. ACLED 2017).
Quellen:
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ACLED - Armed Conflict Location & Event Data Project/University of Sussex (2017): Africa Data, Version 8 (1997-2017), https://www.acleddata.com/data/, Zugriff 10.1.2018
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ACLED - Armed Conflict Location & Event Data Project/University of Sussex (2016): Africa Data, Version 7 (1991-2016), http://www.acleddata.com/data/, Zugriff 21.12.2017
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BFA - BFA Staatendokumentation (8.2017): Fact Finding Mission Report Somalia. Sicherheitslage in Somalia. Bericht zur österreichisch-schweizerischen FFM, http://www.bfa.gv.at/files/berichte/FFM%20Report_Somalia%20Sicherheitslage_Onlineversion_2017_08_KE_neu.pdf, Zugriff 13.9.2017
3. Benadir / Mogadischu
Mogadischu bleibt weiterhin unter Kontrolle von Regierung und AMISOM (AI 22.2.2017). Die Stadtverwaltung von Mogadischu ist verhältnismäßig präsent und aktiv (BFA 8.2017). Schritte von Stadt- und Bundesregierung haben bei der Sicherheitslage zu einer Verbesserung geführt - speziell durch die Aufstellung der Mogadishu Stabilization Mission (MSM). Die Zahl von Angriffen der al Shabaab im jeweiligen Ramadan ist von 269 im Jahr 2015 auf 208 im Jahr 2017 zurückgegangen. Andererseits scheint sich die al Shabaab aufgrund der Erfolge der Sicherheitskräfte zunehmend auf Sprengstoffanschläge zu verlegen, welche unter der Zivilbevölkerung ein höheres Maß an Schaden verursachen (UNSC 5.9.2017). Regelmäßig kommt es zu sogenannten komplexen Anschlägen in Mogadischu, wobei ein Sprengstoffanschlag mit dem Einsatz einiger weniger bewaffneter Selbstmordkämpfer kombiniert wird. Ziele sind i.d.R. Hotels oder Restaurants, die häufig von Behördenbediensteten oder Sicherheitskräften frequentiert werden (SEMG 8.11.2017).
Der Einsatz von Artillerie (Mörsern) mit Ziel Mogadischu ist wieder im Steigen begriffen. Im ersten Halbjahr 2017 kam es zu zwölf derartigen Angriffen, im Gesamtjahr 2016 waren es 17 (SEMG 8.11.2017). Am 12.6. und am 4.7.2017 wurden insgesamt neun Mörsergranaten auf Stadtgebiet abgeschossen (UNSC 5.9.2017). Dabei verfügt al Shabaab nunmehr auch über schwere, von AMISOM erbeutete Mörser (120mm), was ihre Möglichkeiten erweitert (SEMG 8.11.2017). Es ist höchst unwahrscheinlich, dass al Shabaab wieder die Kontrolle über Mogadischu erlangt (DIS 9.2015; vgl. EASO 2.2016). Es gibt in der Stadt auch kein Risiko mehr, von der al Shabaab zwangsrekrutiert zu werden (BFA 8.2017; vgl. UKUT 3.10.2014, vgl. EGMR 10.9.2015). Es besteht zwar gemäß mehreren Berichten kein Risiko, alleine aufgrund der eigenen Clanzugehörigkeit angegriffen zu werden. Trotzdem sind Clan und Clanzugehörigkeit in Mogadischu nach wie vor relevant (SEM 31.5.2017).
Die Sicherheitslage hat sich als