TE Bvwg Erkenntnis 2018/3/22 W150 2150874-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 22.03.2018
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Entscheidungsdatum

22.03.2018

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W150 2150874-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. KLEIN als Einzelrichter über die Beschwerde von Herrn XXXX , geb. XXXX .1997, StA. Syrien, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH, Steinergasse 3/12, 1170 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.02.2017, Zl. XXXX , zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung BGBl. I Nr. 145/2017, der Status eines Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein syrischer Staatsangehöriger, stellte am 15.09.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Am 16.09.2015 wurde der Beschwerdeführer durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Erstbefragung unterzogen. Im Rahmen dieser Befragung gab er im Wesentlichen an, dass er in XXXX geboren worden sowie ledig sei, der Volksgruppe der Araber zugehöre und sich zum muslimischen Glauben bekenne. Der Beschwerdeführer habe sieben Jahre lang die Grundschule besucht. Seine Eltern würden noch in Syrien leben, diese hätte sich getrennt. Er habe fünf Brüder sowie sechs Halbbrüder und drei Halbschwestern. Ein mit ihm gemeinsam ausgereister Cousin befinde sich in Wien. Die Ausreise sei "25 Tage vor der gegenständlichen Erstbefragung" illegal aus Syrien in die Türkei erfolgt. Befragt zu seinen Fluchtgründen gab der Beschwerdeführer an, dass der Krieg in Syrien der Grund für seine Flucht gewesen sei. Bei einer Rückkehr befürchte er durch den IS ermordet zu werden. Vorgelegt wurde ein Antrag auf einen syrischen Personalausweis.

3. Am 12.01.2017 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) niederschriftlich einvernommen. Im Zuge dieser Einvernahme gab der Beschwerdeführer an, dass er gesund sei und sich weder in ärztlicher Behandlung noch Therapie befinde und auch keine Medikamente einnähme. Zur Erstbefragung stellte er fest, dass der den Dolmetscher nicht so gut verstanden habe, da er Ägypter gewesen sei, und er habe deswegen nicht so viel sagen können. Rückübersetzt sei ihm diese Befragung nicht worden. Er habe in Syrien keinen Personalausweis besessen sondern nur einen Personalausweisschein, mit dem ein solcher beantragt worden sei. Bis zu seiner Ausreise lebte er in seiner Heimatprovinz, sein Vater habe es ihm nicht erlaubt, diese wegen der Lage und der Gefahr zu verlassen. Vorgelegt wurden zusätzlich Kopien des Personalausweises des Vaters des Beschwerdeführers, von Auszügen aus dem Familienbuch und ein Zeugnis über den Grundschulabschluss. Die Originale zu beschaffen sei dem Beschwerdeführer nicht möglich. Der Personalausweis sei in XXXX beantragt worden, der Beschwerdeführer habe ihn jedoch nicht mehr abholen können, da in dem Gebiet das Regime gewesen sei und jeder der dort aufgetaucht sei, wäre festgenommen worden. Einen Reisepass habe der Beschwerdeführer nie besessen. Befragt zu seiner Fluchtroute gab er an, dass er die syrische Grenze illegal zu Fuß in Richtung der Türkei überquert habe. Dies sei glaublich am 22.08.2015 gewesen. Seine Fluchtgründe betreffend gab der Beschwerdeführer an, dass er wegen des Krieges aus Syrien geflohen sei. Es gäbe auch sehr viele Gruppierungen sowie auch den IS. Diese würden junge Männer zwangsrekrutieren. Der Beschwerdeführer habe weder selbst töten noch getötet werden wollen. Deswegen habe sein Vater auch gewollt, dass er ausreise. Der ausschlaggebende Grund für seine Flucht sei gewesen, dass "alle Gruppierungen einen rekrutieren wollen" würden. Auf die Frage, wieso er nicht mit seinem Vater ausgereist sei, gab der Beschwerdeführer an, dass er und sein Bruder ledig seien und sich der Vater Sorgen gemacht und deswegen seine Söhne vorgeschickt hätte. Sein Bruder und er seien gemeinsam von zu Hause weggegangen, in Syrien hätten sie sich getrennt, er wisse nicht was mit ihm passiert sei. Zuletzt habe er gehört, dass dieser sich in Jordanien befinde. Der IS sei ca. im Februar/März 2015 in sein Heimatgebiet gekommen. Er sei nicht persönlich bedroht worden, ob seine Familie bedroht worden war, wisse er nicht. Seinen Militärdienst habe er noch nicht absolviert und auch kein Militärbuch bekommen. Nochmalig gab der Beschwerdeführer an, dass er niemanden töten und auch nicht selbst getötet werden wolle. Das letzte Mal bei einer Behörde gewesen sei er bei der Beantragung seines Ausweises, danach nicht mehr, da er aus XXXX komme und die Behörde jeden der von dort komme festnehmen würde. Dies möglicherweise, da der Aufstand in XXXX begonnen habe. Nach der Rückübersetzung der angefertigten Niederschrift gab der Beschwerdeführer ergänzend an, dass Minderjährige in Syrien kein Militärbuch bekämen und dass er gehört habe, dass ihm bekannte Personen zwangsrekrutiert worden seien.

4. Mit Bescheid vom 16.02.2017 - zugestellt am 20.02.2017 - wies das BFA den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt (Spruchpunkt III.).

Festgestellt wurde, dass die Identität des Beschwerdeführers aufgrund der Nichtvorlage von Identitätsdokumenten nicht feststehe. Er habe sein Heimatland im August 2015 aufgrund des Bürgerkrieges verlassen. Es habe nicht festgestellt werden können, dass er sein Herkunftsland aus wohlbegründeter Furcht verlassen habe, es drohe dem Beschwerdeführer keine asylrelevante Gefahr.

Begründend führte das BFA im Wesentlichen dazu aus, dass der Beschwerdeführer bei der Erstbefragung angegeben habe, dass er das Land wegen des Kriegszustandes verlassen habe. Bei seiner Einvernahme vor dem BFA hätte er hinzugefügt, dass der IS junge Männer rekrutieren würde und er nicht töten oder getötet werden habe wollen. Er habe seine Heimat als volljähriger Mann verlassen. Da er beim Beantragen seines Personalausweises minderjährig gewesen sei und seitdem nie wieder die Behörde aufgesucht habe, habe er weder ein Militärbuch noch einen Einberufungsbefehl erhalten. Es sei im gesamten Ermittlungsverfahren nicht hervorgekommen, dass der Beschwerdeführer Angst gehabt habe willkürlich zum syrischen Militär eingezogen zu werden, er habe jedoch angegeben, dass viele Gruppierungen wie der IS junge Männer zwangsrekrutieren wollen würden. Da Syrien keine generelle Mobilmachung anstrebe und der Beschwerdeführer keinen Einberufungsbefehl erhalten habe, ging das BFA nicht davon aus, dass der Beschwerdeführer von einer Rekrutierung betroffen gewesen sein hätte können. Das BFA gehe auch nicht von einer Zwangsrekrutierung aus, da der Beschwerdeführer von seinem Vater aufgetragen bekommen hätte seine Heimatregion nicht zu verlassen um einer möglichen Gefahr aus dem Weg zu gehen. Daraus ergäbe sich, dass die Heimatprovinz des Beschwerdeführers bis zu einem gewissen Grade sicher sei. Auch die Angaben des Beschwerdeführers, dass Bürger aus XXXX sofort festgenommen werden würden, sei eine reine Spekulation und lasse sich aus der Staatendokumentation nicht entnehmen. Glaubhaft sei eine generelle Furcht vor dem IS und den Warlords und es sei auch verständlich, dass der Vater des Beschwerdeführers angesichts des Bürgerkrieges und der daraus entstandenen Situation aus Angst für diesen beschlossen habe, dass der Beschwerdeführer Syrien verlassen solle, da ein möglicher Wehrdienst in naher Zukunft aufgrund des Alters des Beschwerdeführers in Betracht zu ziehen gewesen wäre.

Zusammenfassend wurde rechtlich geschlossen, dass der Beschwerdeführer keinen Fluchtgrund im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention glaubhaft bzw. geltend gemacht habe.

5. Gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides erhob der Beschwerdeführer fristgerecht am 17.03.2017 Beschwerde und brachte im Wesentlichen vor, dass er als wesentlichen Grund für seine Flucht die Gefahr einer Zwangsrekrutierung genannt habe. Er habe zwar vor seiner Flucht noch keinen Einberufungsbefehl erhalten, er habe jedoch von Zwangsrekrutierungen gewusst. Er habe auch die Befürchtung von Seiten der syrischen Behörden aufgrund seiner Herkunft aus XXXX verhaftet zu werden. Der Beschwerdeführer habe als Fluchtgrund eine befürchtete Zwangsrekrutierung durch die am Bürgerkrieg in Syrien beteiligten Kriegsparteien geltend gemacht. Er habe auch angegeben, dass er Kenntnis von Zwangsrekrutierungen und Festnahmen durch das Regime habe, das BFA habe aber entsprechendes Nachfragen unterlassen. Der Beschwerdeführer hätte sonst angeben können, dass vor seiner Flucht einer seiner Freunde vom syrischen Militär zwangsrekrutiert worden sei. Diese Information habe der Beschwerdeführer von der Familie seines Freundes erhalten. Weiters seien seine Brüder 2013 wegen der Teilnahme an einer Demonstration von den syrischen Sicherheitskräften festgenommen und für 21 Tage angehalten worden. Während dieser Zeit seien sie auch gefoltert worden. 2011 habe der Beschwerdeführer selbst an Demonstrationen teilgenommen, damals seien diese noch friedlich gewesen. Als die Sicherheitskräfte begonnen hätten auf Demonstranten zu schießen, habe ihm sein Vater die Teilnahme verboten. Ein Onkel und der Cousin des Beschwerdeführers seien bei solchen Demonstrationen von den Sicherheitskräften erschossen worden. Auch 2011 sei ein weiterer Cousin des Beschwerdeführers vom syrischen Militär eingezogen und - laut Informationen die der Beschwerdeführer erhalten habe - getötet worden. All diese Angaben hätte der Beschwerdeführer bei einer entsprechenden Befragung angeben können. Das BFA aber habe ihre Befragung auf die vorgebrachte Zwangsrekrutierung beschränkt. Weiters habe das BFA in seinem Bescheid ausgeführt, dass der Beschwerdeführer im Verfahren keine Furcht vor einer willkürlichen Zwangsrekrutierung durch das syrische Militär geltend gemacht habe, was aktenwidrig sei, da dieser sehr wohl mehrfach vorgebracht habe eine Rekrutierung sowie einen Kriegseinsatz zu fürchten. Das BFA hätte auch die getroffenen Länderfeststellungen nur mangelhaft gewürdigt. Zusätzlich zu einer Gefahr der Zwangsrekrutierung trete auch die Gefahr einer Verfolgung aufgrund einer unterstellten politischen Gesinnung aufgrund seiner Herkunft aus XXXX hinzu. Weiters drohe dem Beschwerdeführer eine Verfolgung wegen einer unterstellten regimefeindlichen Gesinnung wegen der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Familie, unter anderem aufgrund der Teilnahme seiner Brüder an Demonstrationen und einer damit zur Schau gestellten regimefeindlichen Gesinnung.

6. Mit Schreiben vom 21.03.2017, eingelangt am 23.03.2017, legte das BFA den gegenständlichen Verfahrensakt - ohne von der Möglichkeit einer Beschwerdevorentscheidung Gebrauch zu machen - dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grundlage des erhobenen Antrags auf internationalen Schutz vom 15.09.2015, der Einvernahmen des Beschwerdeführers durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und des BFA, der Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid des BFA vom 16.02.2017, der im Verfahren vorgelegten Unterlagen, der Einsichtnahme in die bezughabenden Verwaltungsakten, in das Zentrale Melderegister, Fremdeninformationssystem, Strafregister und Grundversorgungs-Informationssystem werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers

Die Identität des Beschwerdeführers steht nicht fest. Er ist syrischer Staatsangehöriger, spricht Arabisch und bekennt sich zur muslimischen sunnitischen Religion. Soweit im Bescheid und Verfahren Namen und Geburtsdaten genannt werden, dient dies nur zur Individualisierung und stellt eine Verfahrensidentität dar.

Der Beschwerdeführer ist wahrscheinlich 1997 geboren und somit jedenfalls im wehrdienstfähigen Alter. Es droht dem Beschwerdeführer daher die reale Gefahr, dass er in Syrien (bei einer nunmehrigen Rückkehr) zum Militärdienst bei der syrischen Armee eingezogen wird und er ist im Zusammenhang mit der Einziehung, der Ableistung und/oder der Verweigerung des Militärdienstes der Gefahr erheblicher Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.

1.2. Zur maßgeblichen Situation in Syrien

Aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zuletzt aktualisiert am 25.01.2018:

"Die syrischen Streitkräfte - Wehr- und Reservedienst:

Seit Jahren versuchen immer mehr Männer die Rekrutierung zu vermeiden, indem sie beispielsweise das Land verlassen oder lokalen bewaffneten Gruppen beitreten, die das Regime unterstützen. Jenen, die den Militärdienst verweigern, oder auch ihren Familienangehörigen, können Konsequenzen drohen. Es ist schwer zu sagen, in welchem Ausmaß die Rekrutierung durch die syrische Armee in verschiedenen Gebieten Syriens, die unter der Kontrolle verschiedener Akteure stehen, tatsächlich durchgesetzt wird, und wie dies geschieht. In der syrischen Armee herrscht zunehmende Willkür und die Situation kann sich von einer Person zur anderen unterscheiden (FIS 23.8.2016).

Die Rekrutierung von männlichen Syrern findet nach wie unvermindert statt (DRC/DIS 8.2017). Für männliche syrischen Staatsbürger und Palästinenser, welche in Syrien leben, ist ein Wehrdienst von 18 oder 21 Monaten ab dem Alter von 18 Jahren verpflichtend, außerdem gibt es einen freiwilligen Militärdienst. Frauen können ebenfalls freiwillig einen Militärdienst ableisten (CIA 5.12.2017; vgl. FIS 23.8.2016; vgl. BFA 8.2017). Diejenigen männlichen palästinensischen Flüchtlinge, im Alter von 18 bis 42 Jahren, welche vor 1956 bei der General Administration for Palestine Arab Refugees (GAPAR) registriert waren, und deren Nachkommen müssen den verpflichtenden Wehrdienst bei der Palästinensischen Befreiungsarmee (PLA), einer Einheit der syrischen Streitkräfte, ableisten. Für diese Palästinenser gelten die gleichen Voraussetzungen für den Wehrdienst wie für Syrer (BFA 8.2017). [Informationen zu Palästinensern finden sich auch unter Abschnitt "15.1. Palästinensische Flüchtlinge"]

Laut Gesetz sind in Syrien junge Männer im Alter von 17 Jahren dazu aufgerufen, sich ihr Militärbuch abzuholen und sich einer medizinischen Untersuchung zu unterziehen. Im Alter von 18 Jahren wird man einberufen, um den Wehrdienst abzuleisten. Wenn bei der medizinischen Untersuchung ein gesundheitliches Problem festgestellt wird, wird man entweder vom Wehrdienst befreit, oder muss diesen durch Tätigkeiten, die nicht mit einer Teilnahme an einer Kampfausbildung bzw. -einsatz verbunden sind, ableisten. Wenn eine Person physisch tauglich ist, wird sie entsprechend ihrer schulischen bzw. beruflichen Ausbildung eingesetzt. "Rekrut" ist der niedrigste Rang, und die Rekruten müssen eine 45-tägige militärische Grundausbildung absolvieren. Männer mit niedrigem Bildungsstand werden häufig in der Infanterie eingesetzt, während Männer mit einer höheren Bildung oft in prestigeträchtigeren Positionen eingesetzt werden. Gebildetere Personen kommen damit auch mit höherer Wahrscheinlichkeit in Positionen, in denen sie über andere Personen Bericht erstatten oder diese bestrafen müssen (BFA 8.2017).

Normalerweise werden Einberufungsbefehle schriftlich mit der Post zugestellt, zur Zeit wird jedoch eher auf persönlichem Wege zum verpflichtenden Militärdienst rekrutiert, um ein Untertauchen der potentiellen Rekruten möglichst zu verhindern. Zu diesem Zweck werden Mitarbeiter des Rekrutierungsbüros zum Haus der Wehrpflichtigen geschickt. Wenn der Gesuchte zu Hause ist, wird er direkt mitgenommen. Wenn er nicht zu Hause ist, wird der Familie mitgeteilt, dass er sich bei der nächsten Kaserne zu melden habe. Es gibt immer wieder Razzien, wie zum Beispiel Anfang Mai 2017, als bei einem Fußballspiel in Tartus alle Männer beim Verlassen des Stadions versammelt und zum Dienst verpflichtet wurden. Einige Zeit zuvor gab es einen weiteren Vorfall, bei dem vor einem Einkaufszentrum in Damaskus alle wehrfähigen Männer eingesammelt und rekrutiert wurden. Auch ein "Herauspflücken" bei einem der zahlreichen Checkpoints ist weit verbreitet. Die Altersgrenze ist auf beiden Enden des Altersspektrums nur theoretisch und jeder Mann in einem im weitesten Sinne wehrfähigen Alter, kann rekrutiert werden (BFA 8.2017; vgl. FIS 23.8.2016; vgl. Syria Direct 7.12.2017). Berichten zufolge besteht aber auch für - teils relativ junge - Minderjährige die Gefahr, in Zusammenhang mit der Wehrpflicht an Checkpoints aufgehalten zu werden und dabei Repressalien ausgesetzt zu sein (UNHCR 30.11.2016). Wenn eine persönliche Benachrichtigung nicht möglich ist, können Männer, die das wehrfähige Alter erreichen, auch durch Durchsagen im staatlichen Fernsehen, Radio oder der Zeitung zum Wehrdienst aufgerufen werden (DIS 26.2.2015).

Die syrische Armee hat durch Todesfälle, Desertionen und Überlaufen zu den Rebellen einen schweren Mangel an Soldaten zu verzeichnen (FIS 23.8.2016; vgl. ISW 8.3.2017). Viele weigern sich, der Armee beizutreten. Die regulären Rekrutierungsmethoden werden in Syrien noch immer angewendet, weil das Regime zeigen will, dass sich nichts verändert hat, und das Land nicht in totaler Anarchie versinkt. Es gibt auch Männer im kampffähigen Alter, die frei in Syrien leben. Dem Regime liegt nicht daran, alle wehrtauglichen Personen in die Flucht zu treiben. Es werden nämlich auch künftig motivierte Kämpfer benötigt (FIS 23.8.2016).

Bei der Einreise nach Syrien über den Flughafen Damaskus oder andere Einreisepunkte in Gebiete, die vom syrischen Regime kontrolliert werden, wird bei Männern im wehrfähigen Alter überprüft, ob diese ihren Militärdienst bereits abgeleistet haben. Selbst wenn sie ihren Militärdienst bereits absolviert haben, kommt es vor, dass Männer im wehrfähigen Alter erneut zwangsrekrutiert werden (IRB 19.1.2016; vgl. Zeit 10.12.2017).

Im November 2017 beschloss das syrische Parlament eine Gesetzesnovelle der Artikel 74 und 97 des Militärdienstgesetzes. Die Novelle besagt, dass jene, die das Höchstalter für die Ableistung des Militärdienstes überschritten haben und den Militärdienst nicht abgeleistet haben, und auch nicht aus anderen gesetzlich vorgesehenen Gründen vom Wehrdienst befreit sind, eine Kompensationszahlung von 8.000 USD oder dem Äquivalent in SYP leisten müssen. Diese Zahlung muss innerhalb von drei Monaten nach Erreichen des Alterslimits geleistet werden. Wenn diese Zahlung nicht geleistet wird, ist die Folge eine einjährige Haftstrafe und die Zahlung von 200 USD für jedes Jahr, um welches sich die Zahlung verzögert, wobei der Betrag 2000 USD oder das Äquivalent in SYP nicht übersteigen soll. Jedes begonnene Jahr der Verzögerung wird als ganzes Jahr gerechnet. Außerdem kann basierend auf einem Beschluss des Finanzministers das bewegliche und unbewegliche Vermögen der Person, die sich weigert den Betrag zu bezahlen, konfisziert werden (SANA 8.11.2017; vgl. SLJ 10.11.2017; vgl. PAR 15.11.2017)

Zusatzinformationen zum Reservedienst

Gemäß Artikel 15 des Gesetzesdekrets Nr. 30 von 2007 bleibt ein syrischer Mann nach Beendigung des Pflichtwehrdienstes, und wenn er sich gegen einen Eintritt in den Militärdienst als Berufssoldat entscheidet, Reservist und kann bis zum Erreichen des 42. Lebensjahres in den aktiven Dienst einberufen werden. Vor dem Ausbruch des Konflikts bestand der Reservedienst im Allgemeinen nur aus mehreren Wochen oder Monaten Ausbildung zur Auffrischung der im Militär erforderlichen Fähigkeiten, und die Regierung berief Reservisten nur selten ein. Seit 2011 hat sich das jedoch geändert. Es liegen außerdem einzelne Berichte vor, denen zufolge die Altersgrenze für den Reservedienst erhöht wird, wenn die betreffende Person besondere Qualifikationen hat (das gilt z.B. für Ärzte, Panzerfahrer, Luftwaffenpersonal, Artilleriespezialisten und Ingenieure für Kampfausrüstung). Manche Personen werden zum Reservedienst einberufen, andere wiederum nicht, was von vielen verschiedenen Faktoren abhängt (BFA 8.2017). Bei der Einberufung von Reservisten ist das Alter weniger entscheidend als der Beruf oder die Ausbildung einer Person, sowie Rang und Position während des bereits abgeleisteten Militärdienstes oder die Einheit, in der gedient wurde (DIS 26.2.2015; vgl. DRC/DIS 8.2017). Es scheint, dass es schwieriger wird, einen Aufschub zu erlangen, je länger der Konflikt andauert (BFA 8.2017). Reservisten können je nach Gebiet und Fall auch im Alter von 50 bis 60 Jahren zum aktiven Dienst einberufen werden. Sie werden z.B. mittels Brief, den die Polizei persönlich zustellt, oder an Checkpoints rekrutiert (FIS 23.8.2016).

Das Militärbuch zeigt lediglich Informationen über den verpflichtenden Wehrdienst und nicht, ob eine Person Reservist ist oder nicht. Männer können ihren Dienst-/Reservedienststatus bei der Militärbehörde überprüfen. Die meisten würden dies jedoch nur auf informellem Weg tun, um zu vermeiden, sofort rekrutiert zu werden. Es ist sehr schwierig zu sagen, ob jemand tatsächlich zum Reservedienst einberufen wird (BFA 8.2017).

Befreiung und Aufschub

Es gibt verschiedene Gründe, um vom Militärdienst befreit zu werden. Der einzige Sohn einer Familie, Studenten oder Versorger der Familie können vom Wehrdienst befreit werden oder diesen aufschieben. Außerdem sind Männer mit Doppelstaatsbürgerschaft, die den Wehrdienst bereits in einem anderen Land abgeleistet haben, üblicherweise vom Wehrdienst befreit (FIS 23.8.2016; vgl. DIS 26.2.2015). Diese Ausnahmen sind theoretisch immer noch als solche definiert, die Situation in der Praxis ist jedoch anders. Präsident al-Assad versucht den Druck in Bezug auf den Wehrdienst zu erhöhen, und es gibt nun weniger Befreiungen und Aufschübe beim Wehrdienst. Generell werden die Regelungen nun strenger durchgesetzt, außerdem gibt es Gerüchte, dass Personen trotz einer Befreiung oder eines Aufschubs rekrutiert werden. Was die Regelungen zur Befreiung oder zum Aufschub des Wehrdienstes betrifft, so hat man als einziger Sohn der Familie noch die besten Chancen. Das Risiko der Willkür ist jedoch immer gegeben (BFA 8.2017; vgl. DRC/DIS 8.2017).

Unbestätigte Berichte legen nahe, dass der Geheimdienst innerhalb kurzer Zeit über den Wegfall von Aufschubgründen informiert ist, und diese auch digital überprüft werden. Zuvor mussten Studenten den Status ihres Studiums selbst dem Militär melden, in den letzten zwei Jahren wird der Status von Studenten aktiv überprüft. Generell werden Universitäten nun strenger überwacht und von diesen wird nun verlangt, dass sie das Militär über die Anwesenheit bzw. Abwesenheiten der Studenten informieren. Kürzlich gab es eine Änderung bezüglich des Aufschubs aufgrund eines Lehramts-Studiums. Zuvor war es möglich, einen Aufschub des Wehrdienstes zu erwirken, wenn man ein Lehramts-Masterstudium begann, unabhängig davon welches Bachelor-Studium man zuvor absolviert hatte. Dieser Aufschubgrund funktioniert nun nur noch, wenn man auch den Bachelorabschluss im Lehramtsstudium gemacht hat (BFA 8.2017).

Es gibt Beispiele, dass Männer sich durch die Bezahlung von Bestechungsgeldern vom Wehrdienst freigekauft haben, was jedoch keineswegs als einheitliche Praxis betrachtet werden kann, sondern schlicht Willkür darstellt. So war es vor dem Konflikt gängige Praxis sich vom Wehrdienst freizukaufen, was einen aber nicht davor schützt, im Zuge des aktuellen Konfliktes - manchmal sogar Jahre danach - trotzdem eingezogen zu werden (BFA 8.2017).

Es gibt ein Gesetz, das syrischen Männern, die mehr als fünf Jahre außerhalb des Landes gelebt haben, gegen Zahlung eines Bußgeldes die Befreiung vom Militärdienst ermöglicht. Diese Gebühr wurde von 5.000 USD auf 8.000 USD erhöht (BFA 8.2017).

Christliche und muslimische religiöse Führer können weiterhin den Kriegsdienst verweigern, wobei muslimische Führer eine Abgabe bezahlen müssen, um vom Kriegsdienst befreit zu werden (USDOS 15.8.2017). Zunehmend zieht die Regierung, wie berichtet wird, zuvor "geschützte" Personen wie Studenten, Beamte und Häftlinge zum Militärdienst ein (BFA 8.2017; vgl. UNHCR 3.11.2017). Von Staatsangestellten wird erwartet, dass sie dem Staat zur Verfügung stehen. Um sich ein "Pool" von potentiell zur Verfügung Stehenden zu sichern, wurde ein Dekret bezüglich Staatsangestellte und Wehrdienst erlassen: Laut Legislativdekret Nr. 33 von 2014 wird das Dienstverhältnis von Staatsangestellten beendet, wenn sie sich der Einberufung zum Wehr- oder Reservedienst entziehen (BFA 8.2017). Hierzu gab es bereits Ende 2016 ein Dekret, welches jedoch nicht umfassend durchgesetzt wurde. Im November 2017 gab es eine erneute Direktive des Premierministers Imad Khamis, laut der "die Anstellung von jenen beendet werden soll, die den verpflichtenden Wehrdienst oder den Reservedienst vermeiden". Dieser Direktive folgten bereits Entlassungen, wobei nicht bekannt ist, in welchem Ausmaß sie stattfinden (Syria Direct 7.12.2017). Gerade auch in alawitischen Gebieten gibt es eine Verbindung zwischen Staatsangestellten und der Notwendigkeit der Erfüllung bürgerlicher Pflichten (BFA 8.2017).

Entlassungen

Es liegen aktuell keine Informationen zu Entlassungen von Soldaten aus dem Militärdienst vor, es ist jedoch möglich, dass dies trotzdem vorkommt. Viele Männer haben Angst, nicht mehr aus dem Dienst entlassen zu werden, wenn sie einmal eingezogen werden. Manche Männer, die den verpflichtenden Wehrdienst bereits abgeleistet haben, werden wieder zum Dienst einberufen, oder der Dienst mancher Männer wird einfach verlängert (BFA 8.2017; vgl. FIS 23.8.2016; vgl. DIS 26.2.2015). Es gibt Männer in der Armee, die seit dem Beginn der Revolution 2011 in der Armee sind. Mittlerweile ist Desertion häufig der einzige Ausweg (FIS 23.8.2016; vgl. DIS 26.2.2015).

Amnestien

Seit 2011 hat der syrische Präsident für Mitglieder bewaffneter oppositioneller Gruppen, Wehrdienstverweigerer und Deserteure eine Serie von Amnestien erlassen, die Straffreiheit vorsahen, wenn sie sich innerhalb einer bestimmten Frist zum Militärdienst melden. Am 17. Februar 2016 veröffentlichte der Präsident das Gesetzesdekret Nr. 8, mit dem Deserteure innerhalb und außerhalb von Syrien sowie Wehrdienstverweigerer und Reservisten eine Amnestie erhalten. Es gibt keine Informationen darüber, wie viele Personen die Amnestie genutzt haben. In manchen Fällen wurden Personen aus der Haft entlassen, wobei die Regierung jedoch danach eine erneute Welle von Verhaftungen durchführte. In diesem Zusammenhang ist nicht klar, aus welchem Grund bestimmte Personen freigelassen werden und ob die Amnestie jenen hilft, die davon profitieren sollten [also Wehrdienstverweigerern oder Deserteuren, Anm.], oder anderen Personen. Menschenrechtsorganisationen und Beobachter haben diese Amnestien wiederholt als intransparent und unzureichend kritisiert. Ihrer Ansicht nach profitierten davon nicht die vorgeblich angesprochenen Personengruppen (BFA 8.2017; vgl. FIS 23.8.2016; vgl. Reuters 20.7.2016).

Wehrdienstverweigerung / Desertion

Besonders aus dem Jahr 2012 gibt es Berichte von desertierten syrischen Soldaten, welche gezwungen wurden, auf unbewaffnete Zivilisten und Protestierende, darunter Frauen und Kinder, zu schießen. Falls sie sich weigerten, wären sie Gefahr gelaufen, erschossen zu werden (AI 6.2012).

Wehrdienstverweigerer werden laut Gesetz in Friedenszeiten mit ein bis sechs Monaten Haft bestraft, die Wehrpflicht besteht dabei weiterhin fort. In Kriegszeiten wird Wehrdienstverweigerung laut Gesetz, je nach den Umständen, mit Gefängnisstrafen von bis zu 5 Jahren bestraft. Nach Verbüßen der Strafe muss der Wehrdienstverweigerer weiterhin den regulären Wehrdienst ableisten. Bei einer Wehrdienstverweigerung hat man die Möglichkeit sich zu verstecken und das Haus nicht mehr zu verlassen, das Land zu verlassen, sich durch Bestechung freizukaufen oder einer anderen Gruppierung beizutreten. Bezüglich Konsequenzen einer Wehrdienstverweigerung gehen die Meinungen der Quellen auseinander. Während die einen eine Foltergarantie und Todesurteil sehen, sagen andere, dass Verweigerer sofort eingezogen werden (BFA 8.2017). Die Konsequenzen hängen jedoch vom Profil und den Beziehungen der Person ab. Wenn es eine Verbindung zu einer oppositionellen Gruppe gibt, wären die Konsequenzen ernster (DIS 26.2.2015).

Wenn jemand den Wehrdienst verweigert und geflohen ist, gibt es die Möglichkeit seinen Status zu "regularisieren", wobei möglicherweise auch ein signifikanter Betrag zu entrichten ist (gerüchteweise bis zu 8.000 USD). Eine solche "Regularisierung" schützt allerdings nicht automatisch vor Repressalien oder einer zukünftigen Rekrutierung. Berichten zufolge betrachtet die Regierung Wehrdienstverweigerung nicht nur als eine strafrechtlich zu verfolgende Handlung, sondern auch als Ausdruck von politischem Dissens und mangelnder Bereitschaft, das Vaterland gegen "terroristische" Bedrohungen zu schützen (BFA 8.2017).

Desertion wird gemäß dem Militärstrafgesetz von 1950 in Friedenszeiten mit ein bis fünf Jahren Haft bestraft und kann in Kriegszeiten bis zu doppelt so lange Haftstrafen nach sich ziehen. Deserteure, die zusätzlich außer Landes geflohen sind (so genannte externe Desertion), unterliegen Artikel 101 des Militärstrafgesetzbuchs, der eine Strafe von fünf bis zehn Jahren Haft in Friedenszeiten und 15 Jahre Haft in Kriegszeiten vorschreibt. Desertion im Angesicht des Feindes ist mit lebenslanger Haftstrafe zu bestrafen. In schwerwiegenden Fällen wird die Todesstrafe verhängt (BFA 8.2017).

In vielen Fällen erwartet Deserteure der Tod. Möglicherweise werden sie inhaftiert, befragt und gefoltert, wobei die Behandlung eines Deserteurs auch davon abhängt wer er ist, welcher Konfession er angehört, wie wohlhabend er ist etc. Die große Sorge vieler ist hierbei auch, dass dies nicht nur den Tod des Deserteurs oder die Vergeltung gegen ihn, sondern auch Maßnahmen gegen seine Familie nach sich ziehen kann. Die gängige Vorgehensweise ist, Deserteure nicht zurück an die Front zu schicken, sondern sie zu töten. Berichten zufolge werden sie an Ort und Stelle erschossen. Theoretisch ist ein Militärgerichtsverfahren vorgesehen und Deserteure könnten auch inhaftiert und dann strafrechtlich verfolgt werden. Außergerichtliche Tötungen passieren dennoch (BFA 8.2017; vgl. FIS 23.8.2017). Für ‚desertierte', vormals bei der Armee arbeitende Zivilisten gelten dieselben Konsequenzen wie für einen Deserteur. Solche Personen werden als Verräter angesehen, weil sie über Informationen über die Armee verfügen (FIS 23.8.2016).

Im Gegensatz zum Beginn des Konfliktes haben sich mittlerweile die Gründe für Desertion geändert: Nun desertieren Soldaten, weil sie kampfmüde sind und dem andauernden Krieg entkommen wollen (BFA 8.2017).

Auch Familien von Deserteuren oder Wehrdienstverweigerern haben mit Konsequenzen zu rechnen. Eine Familie kann von der Regierung unter Druck gesetzt werden, wenn der Deserteur dadurch vielleicht gefunden werden kann. Familienmitglieder (auch weibliche) können festgenommen werden, um den Deserteur dazu zu bringen, sich zu stellen. Manchmal wird ein Bruder oder der Vater eines Deserteurs ersatzweise zur Armee rekrutiert (FIS 23.8.2016; vgl. BFA 8.2017).

In Gebieten, welche durch sogenannte Versöhnungsabkommen wieder unter die Kontrolle des Regimes gebracht wurden, werden häufig Vereinbarungen bzgl. Wehrdienst getroffen. Manche Vereinbarungen besagen, dass Männer nicht an die Front geschickt, sondern stattdessen bei der Polizei eingesetzt werden. Berichten zufolge wurden solche Zusagen von der Regierung aber bisweilen auch gebrochen, was jedoch schwer zu beweisen ist (BFA 8.2017).

Quellen:

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AI - Amnesty International (6.2012): Amnesty Journal Juni 2012 - Operation Freiheit,

http://www.amnesty.de/journal/2012/juni/operation-freiheit, Zugriff 12.12.2017

-

BFA - BFA Staatendokumentation (8.2017): Fact Finding Mission Report Syrien - mit ausgewählten Beiträgen zu Jordanien, Libanon und Irak,

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Treatment of returnees upon arrival at Damascus International Airport and international land border crossing points, including failed refugee claimants, people who exited the country illegally, and people who have not completed military service; factors affecting treatment, including age, ethnicity and religion (2014 - December 2015) [SYR105361.E],

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SLJ - Syrian Law Journal via Twitter (10.11.2017): Kurznachricht vom 10.11.2017 08:37,

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UNHCR - UN High Commissioner for Refugees (30.11.2016): Ergänzende aktuelle Länderinformationenen; Syrien: Militärdienst, https://www.ecoi.net/file_upload/1930_1481012908_coi-military-recruitment-syria.pdf, Zugriff 12.12.2017

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UNHCR - UN High Commissioner for Refugees (3.11.2017):

International Protection Considerations with Regard to People Fleeing the Syrian Arab Republic; Update V, https://www.ecoi.net/file_upload/90_1509950296_2017-11-03-unhcr-syria-protection-considerations-v.pdf, Zugriff 12.12.2017

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USDOS - US Department of State (15.8.2017): 2015 Report in International Religious Freedom - Syria, https://www.ecoi.net/local_link/345237/489032_de.html, Zugriff 12.12.2017

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Zeit Online (10.12.2017): Der Weg zurück nach Syrien, http://www.zeit.de/politik/ausland/2017-12/syrien-fluechtlinge-rueckkehr/komplettansicht, Zugriff 11.12.2017".

In seinen Richtlinien "zum Schutzbedarf von Personen, die aus der Arabischen Republik Syrien fliehen" vom Oktober 2014 geht UNHCR u.a. von folgenden "Risikoprofilen" aus: "Personen, die tatsächlich oder vermeintlich in Opposition zur Regierung stehen - darunter fallen auch Wehrdienstverweigerer".

(Quelle: UNHCR-Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus der Arabischen Republik Syrien fliehen, November 2016)

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Person der Beschwerdeführer ergeben sich entsprechend den Akteninhalten aus der Kenntnis der Landessprache, Lebensumstände und der örtlichen Gegebenheiten. Originaldokumente wurden nicht vorgelegt. Das Nichtfeststehen der Identität wurde im Rahmen der verfahrensgegenständlichen Beschwerde nicht gerügt. Die Altersangabe des Beschwerdeführers erscheint durchaus plausibel; dem Akteninhalt zufolge ergaben sich diesbezüglich bis dato auch keine Zweifel.

Aus den Länderfeststellungen ergibt sich, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Syrien mit hoher Wahrscheinlichkeit seinen Wehrdienst antreten müsste; seine Absicht, die Ableistung des Wehrdienstes zu verweigern, ergibt sich aus seinem diesbezüglich glaubwürdigen Vorbringen.

Die Feststellungen zur Situation in Syrien beruhen auf den genannten (nunmehr aktualisierten) Quellen, die schon das BFA seinem Bescheid zugrunde legte und die im Wesentlichen inhaltsgleich blieben. Es handelt sich um Berichte verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender staatlicher und nichtstaatlicher Institutionen und Personen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes, schlüssiges Gesamtbild der Situation in Syrien ergeben. Angesichts der Seriosität der angeführten Erkenntnisquellen und der Plausibilität der überwiegend übereinstimmenden Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, es läge in Bezug auf ihn eine Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 55/1955 (Genfer Flüchtlingskonvention, in der Folge: GFK) vor, weil er die Ableistung eines Militärdienstes in seinem Herkunftsstaat ablehne, so erweisen sich die diesbezüglichen Ausführungen als glaubhaft.

In einem Fall wie dem vorliegenden, in dem es um eine behauptete Bedrohung durch das syrische Regime (wegen "Wehrdienstverweigerung") geht, kommt es nicht (unbedingt) darauf an, ob eine Einberufung zum Militärdienst (vor der Ausreise) bereits erfolgt ist, ob eine behördliche Suche (wegen des Militärdienstes) bereits (vor der Ausreise) stattgefunden hat oder ob die Ausreise legal erfolgen konnte, sondern vielmehr darauf, mit welcher Wahrscheinlichkeit von einem Einsatz beim Militär (im Falle einer nunmehrigen Rückkehr/Wiedereinreise in den Herkunftsstaat) auszugehen ist, was anhand der Situation (hinsichtlich der Einberufung zum Militärdienst) im Herkunftsstaat und anhand des Profils der betroffenen Person zu beurteilen ist. Aus den - bereits im verfahrensgegenständlichen Bescheid des BFA getätigten - Feststellungen zu den Voraussetzungen/Kriterien einer Wehrdiensteinberufung in Syrien (diesen Feststellungen zufolge besteht in Syrien ein verpflichtender Wehrdienst für männliche Staatsbürger ab dem Alter von 18 Jahren, alle Männer zwischen 18 und 42 Jahren - wobei diese Altersgrenze mittlerweile nur mehr als Richtlinie herangezogen werden kann, da diese nicht mehr genau eingehalten wird - kommen für den Militärdienst in Frage und es kommt aufgrund der angespannten Situation in Syrien und der Schwierigkeiten für die syrische Regierung, neue Rekruten auszuheben, zu Einberufungen auch von Männern, die ihren Wehrdienst bereits abgeleistet haben und zur Aufhebung von Militärdienstaufschüben) und den persönlichen Umständen des Beschwerdeführers ergibt sich, dass eine Person mit dem Profil des Beschwerdeführers in Syrien angesichts des dortigen innerstaatlichen Konfliktes und des Mangels an Soldaten, die sich zum Dienst melden, mit erheblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen muss (musste), zum Militärdienst eingezogen zu werden.

Es ist daher angesichts der Feststellungen davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer die Einziehung durch die syrische Armee mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit (im Falle einer Rückkehr/Wiedereinreise nach Syrien) droht.

Vor dem Hintergrund der dem gegenständlichen Verfahren zugrunde gelegten Länderfeststellungen erweisen sich die Aussagen des Beschwerdeführers als plausibel.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da eine Senatsentscheidung in den einschlägigen Bundesgesetzen nicht vorgesehen ist, liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idF BGBl. I Nr. 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer eheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Zu Spruchpunkt A):

3.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Asylantrag gestellt hat, soweit der Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder wegen Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 55/1955 (Genfer Flüchtlingskonvention, in der Folge: GFK) droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der RL 2004/83/EG des Rates verweist). Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG 2005 ist der Asylantrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005) offen steht oder wenn er einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG 2005) gesetzt hat.

Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK (idF des Art. 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 78/1974) - deren Bestimmungen gemäß § 74 AsylG 2005 unberührt bleiben - ist, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren."

Zentraler Aspekt des Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. zB VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 25.01.2001, 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.01.2001, 2001/20/0011). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 09.09.1993, 93/01/0284; 23.11.2006, 2005/20/0551); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet.

Bei der Entscheidung, ob eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung besteht, handelt es sich immer um eine Prognoseentscheidung, die eine auf die Zukunft gerichtete Verfolgung verlangt. Das Wort "Furcht" bezieht sich dabei nicht nur auf Personen, die tatsächlich verfolgt wurden, sondern auch auf solche, die einer Situation aus dem Wege gehen möchten, die eine Gefahr der Verfolgung in sich birgt. (vgl. UNHCR, Ergänzende aktuelle Länderinformationen Syrien: Militärdienst, vom 30. November 2016, S. 1)

Wenn Asylsuchende in bestimmten Landesteilen vor Verfolgung sicher sind und ihnen insoweit auch zumutbar ist, den Schutz ihres Herkunftsstaates in Anspruch zu nehmen, bedürfen sie nicht des Schutzes durch Asyl (vgl. zB VwGH 24.03.1999, 98/01/0352 mwN; 15.03.2001, 99/20/0036). Damit ist nicht das Erfordernis einer landesweiten Verfolgung gemeint, sondern vielmehr, dass sich die asylrelevante Verfolgungsgefahr für den Betroffenen - mangels zumutbarer Ausweichmöglichkeit innerhalb des Herkunftsstaates - im gesamten Herkunftsstaat auswirken muss (VwSlg. 16.482 A/2004). Das Zumutbarkeitskalkül, das dem Konzept einer "internen Flucht- oder Schutzalternative" (VwSlg. 16.482 A/2004) innewohnt, setz

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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