Entscheidungsdatum
21.03.2018Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W215 2148638-1/7E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. STARK über die Beschwerde von XXXX, geb.XXXX, Staatsangehörigkeit Eritrea, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.02.2017, Zahl 1053134604-150249893, beschlossen:
A)
In Erledigung der Beschwerde wird der Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß
§ 28 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 (VwGVG), zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 (B-VG), in der Fassung BGBl. I Nr. 51/2012, nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
1. Der damals mündige minderjährige Beschwerdeführer reiste zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt illegal in das österreichische Bundesgebiet und stellte am 10.03.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.
In der Erstbefragung am 10.03.2015 gab der Beschwerdeführer in Gegenwart eines Dolmetschers für die Sprache Tigrinya zusammengefasst an Staatsangehöriger von Eritrea zu sein, wo er die erste neun Jahre seines Lebens gelebt habe. Danach habe er sechs Jahre mit seiner Schwester und seiner Mutter in Äthiopien gelebt. Die Großmutter lebe nach wie vor in Eritrea. Äthiopien habe der Beschwerdeführer Ende 2014 verlassen und sei über den Sudan bis nach Österreich gereist. Gefragt warum der Beschwerdeführer sein Land verlassen habe (Fluchtgrund), gab dieser an, dass er Eritrea als Kind mit seiner Mutter verlassen habe. Äthiopien habe der Beschwerdeführer verlassen, weil er dort keine Arbeit habe. Er sei nach Europa gekommen um seine Familie finanziell zur unterstützen. Der Beschwerdeführer wolle ich Österreich lernen und arbeiten. Gefragt, was der Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr in seine Heimat fürchte, gab er an "die Armut". Gefragt, ob es konkrete Hinweise gibt, dass dem Beschwerdeführer bei einer Rückkehr unmenschliche Behandlung, unmenschliche Straft oder die Todesstraft drohen, oder ob er im Fall seiner Rückkehr in seinen Heimatstaat mit irgendwelchen Sanktionen zu rechnen habe, verneinte der Beschwerdeführer.
Mit Vollmacht der Bezirkshauptmannschaft XXXX vom XXXX, Zahl XXXX, wurde dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mitgeteilt, dass der XXXX für die Vertretung im Asylverfahren bevollmächtigt worden sei.
Der Beschwerdeführer wurde im Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 26.07.2015 in Gegenwart eines Dolmetschers für die Sprache Tigrinya, eines für ihn bestellten gesetzlichen Vertreters sowie einer Vertrauensperson niederschriftlich befragt und gab unter anderem an, dass er in Äthiopien keine Aufenthaltsstatus gehabt habe. Der Beschwerdeführer könne sich ein wenig an das Leben in Eritrea erinnern. Dieses sei schlecht und er immer bei seinen Eltern gewesen. Gefragt, ob der Beschwerdeführer wissen, warum er aus Eritrea ausgereist sei, gab er wörtlich an: "Wir hatten nichts und jeder ab 18 muss zum Militär". Gefragt, warum der Beschwerdeführer damals mit seiner Familie aus Eritrea weggegangen sei, gab er wörtlich an: "Weil wir arm waren." Gefragt, warum der Beschwerdeführer nicht in Äthiopien geblieben sei, gab er an, dass seine Mutter dort nichts hatte, keine Arbeit und keine Aufenthaltsbewilligung. Der Beschwerdeführer sei Staatsangehöriger von Eritrea. Der Beschwerdeführer wurde aufgefordert sich eine Geburtsurkunde seines Herkunftsstaates zu besorgen. Gefragt warum der Beschwerdeführer einen Asylantrag gestellt habe und nicht nach Eritrea zurück könne gab er an, weil er in Österreich zur Schule gehe. Im Fall seiner Rückkehr nach Eritrea würde ihn wegen seiner illegalen Ausreise Gefängnis erwarten und das Militär. Der Beschwerdeführer wolle nicht zum Militär in Eritrea, weil man dort lebenslang bleibe, man bekomme kein Gehalt und sei vom Militär abhängig. Wegen der Gesetzlosigkeit in Eritrea habe der Beschwerdeführer Angst vor dem Militär. Die gesetzliche Vertreterin fragte ob die Mutter oder der Onkel des Beschwerdeführers Probleme mit dem Militär in Eritrea gehabt hätten. Der Beschwerdeführer antwortete, dass die Regierung in Eritrea gedacht habe, dass sein Onkel ein äthiopischer Spion und dieser daher vorbeugend geflohen sei. Die Mutter habe mit dem Militär ein Problem gehabt. Sie habe als Freiwillige Essen für das Militär zubereitet. Das Problem sei gewesen, dass die Mutter des Beschwerdeführers kein Geld dafür bekommen habe. Daher habe sie den Beschwerdeführer nicht unterstützen könne und sei deshalb weggegangen.
Mit Beschluss des Bezirksgerichtes XXXX vom XXXX, Zahl XXXX, wurde der zuständige XXXX, mit der Obsorge für den mündigen minderjährigen Beschwerdeführer betraut.
Der Beschwerdeführer wurde am 26.07.2016, in Gegenwart eines Dolmetschers für die Sprache Tigrinya, einer gesetzlichen Vertreterin und einer Vertrauensperson niederschriftlich zu seinen persönlichen Daten befragt.
Am 20.09.2016 langte eine schriftliche Stellungnahme des gesetzlichen Vertreters beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein und wurde unter anderem auch eine Taufbestätigung aus Eritrea in Vorlage gebracht.
Im Bescheid des Bundesasylamtes vom 07.02.2017, Zahl 1053134604-150249893, wurde die Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführer nicht festgestellt und sein Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß
§ 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). In Spruchpunkt II. des Bescheides wurde gemäß § 8 Abs. 6 AsylG der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen. In Spruchpunkt III. wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. In Spruchpunkt IV. wurde ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt.
Gegen diesen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.02.2017, Zahl 1053134604-150249893, zugestellt am 08.02.2017, wurde fristgerecht am 22.02.2017 gegenständliche Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben. In der Beschwerde wurde unter anderem auch der Antrag gestellt, das Verfahren an die Behörde erster Instanz zur Ermittlung und Feststellung des Sachverhaltes zurückzuverweisen.
2. Die Beschwerdevorlage vom 24.02.2017 langte am 28.02.2017 im Bundesverwaltungsgericht ein.
Zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes wurde für den 16.03.2018 eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht anberaumt. Es erschienen der mittlerweile volljährige Beschwerdeführer und eine Vertreterin. Das ordnungsgemäß geladene Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hatte sich bereits in den Beschwerdevorlagen für die Verhandlung entschuldigt. Die Verhandlungsschrift wurde dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl noch am selben Tag übermittelt.
Am 19.03.2018 langte eine schriftliche Stellungnahme des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl beim Bundesverwaltungsgericht ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz, BGBl. I Nr. 10/2013 (BVwGG), entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt Einzelrichterzuständigkeit vor.
Dieses Bundesgesetz regelt das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes (§ 1 VwGVG).
Entgegenstehende Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht sind, bleiben unberührt
Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen (§ 28 Abs. 1 VwGVG). Soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss (§ 31 Abs. 1 VwGVG).
Zu A)
1. Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Wie eben ausgeführt, ist gemäß § 17 VwGVG der IV. Teil des AVG und somit auch
§ 66 Abs. 2 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51/1991 (AVG), in der Fassung BGBl. I Nr. 158/1998, nicht anzuwenden.
Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn
1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (§ 28 Abs. 2 VwGVG).
Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist (§ 28 Abs. 3 VwGVG).
Das Modell der Aufhebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG, setzt im Unterschied dazu aber nicht auch die Notwendigkeit der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung voraus (Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren, Stand der Rechtslage 01.01.2014, § 28 VwGVG, Anmerkung 11).
§ 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG bildet damit die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Verwaltungsgerichtes, wenn "die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen" hat.
Aus der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu der vergleichbaren Bestimmung des
§ 66 Abs. 2 AVG ergibt sich, dass nur Mängel der Sachverhaltsfeststellung d.h. im Tatsachenbereich zur Behebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit berechtigen (vgl. VwGH 19.01.2009, 2008/07/0168; VwGH 23.05.1985, 84/08/0085).
Der Verwaltungsgerichtshof hat mit den Erkenntnissen vom 21.11.2002, 2002/20/0315 und 2000/20/0084, grundsätzliche Ausführungen zur Anwendbarkeit des § 66 Abs. 2 AVG im Asylverfahren im Allgemeinen und durch den Unabhängigen Bundesasylsenat im Besonderen getätigt.
Dabei hat er im letztgenannten insbesondere ausgeführt:
"Bei der Abwägung der für und gegen eine Entscheidung gemäß § 66 Abs. 2 AVG sprechenden Gesichtspunkte muss nämlich auch berücksichtigt werden, dass das Asylverfahren nicht nur möglichst kurz sein soll. Zur Sicherung seiner Qualität hat der Gesetzgeber einen Instanzenzug vorgesehen, der zur belangten Behörde und somit zu einer gerichtsähnlichen, unparteilichen und unabhängigen Instanz als besonderem Garanten eines fairen Asylverfahrens führt (vgl. bereits das Erkenntnis vom 16. April 2002, Zahl 99/20/0430). Die der belangten Behörde in dieser Funktion schon nach der Verfassung zukommende Rolle einer obersten Berufungsbehörde (Art. 129c 1 B-VG) wird aber ausgehöhlt und die Einräumung eines Instanzenzuges zur bloßen Formsache degradiert, wenn sich das Asylverfahren einem erstinstanzlichen Verfahren vor der Berufungsbehörde nähert, weil es das Bundesasylamt ablehnt, auf das Vorbringen sachgerecht einzugehen und brauchbare Ermittlungsergebnisse in Bezug auf die Verhältnisse im Herkunftsstaat in das Verfahren einzuführen. Diese über die Unvollständigkeit der Einvernahme hinaus gehenden Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens sprechen auch bei Bedachtnahme auf die mögliche Verlängerung des Gesamtverfahrens unter dem Gesichtspunkt, dass eine ernsthafte Prüfung des Antrages nicht erst bei der "obersten Berufungsbehörde" beginnen und zugleich - abgesehen von der im Sachverhalt beschränkten Kontrolle der letztinstanzlichen Entscheidung durch den Verwaltungsgerichtshof - bei derselben Behörde enden soll, für die mit der Amtsbeschwerde bekämpfte Entscheidung."
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063-4, unter anderem ausgeführt, dass gemäß den Bestimmungen des § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG bereits nach dem Wortlaut die Aufhebung eines Bescheides einer Verwaltungsbehörde durch ein Verwaltungsgericht nicht in Betracht kommt, wenn der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt feststeht (vgl. auch Art. 130 Abs. 4 Z 1 BVG). Dies wird jedenfalls dann der Fall sein, wenn der entscheidungsrelevante Sachverhalt bereits im verwaltungsbehördlichen Verfahren geklärt wurde, zumal dann, wenn sich aus der Zusammenschau der im verwaltungsbehördlichen Bescheid getroffenen Feststellungen (im Zusammenhalt mit den dem Bescheid zu Grunde liegenden Verwaltungsakten) mit dem Vorbringen in der gegen den Bescheid erhobenen Beschwerde kein gegenläufiger Anhaltspunkt ergibt. Weiters wird zusammengefasst ausgeführt, dass auch eine an der verfassungsrechtlichen Vorgabe des Art. 130 Abs. 4 B-VG orientierte Auslegung ergibt, dass eine Aufhebung des Bescheides der Verwaltungsbehörde jedenfalls erst dann in Betracht kommt, wenn die in § 28 Abs. 2 VwGVG normierten Voraussetzungen, die eine Pflicht des Verwaltungsgerichtes zur "Entscheidung in der Sache selbst" nach sich ziehen, nicht vorliegen. Aus den im Erkenntnis wiedergegeben Gesetzesmaterialien zur Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 ist ersichtlich, dass dem Verwaltungsgericht in den in Art. 130 Abs. 4 B-VG vorgesehenen und in § 28 Abs. 2 VwGVG angeordneten Fällen eine kassatorische Entscheidung nicht offensteht. Damit normiere § 28 VwGVG für die überwiegende Anzahl der Fälle die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte, in der Sache selbst zu entscheiden. Derart wird (wie erwähnt) der sich schon aus Art. 130 Abs. 4 B-VG ergebenden Zielsetzung, dass die Verwaltungsgerichte grundsätzlich in der Sache selbst entscheiden sollen, Rechnung getragen. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinn einer "Delegierung" der Entscheidung an das Verwaltungsgericht, vgl. Holoubek, Kognitionsbefugnis, Beschwerdelegitimation und Beschwerdegegenstand, in: Holoubek/Lang (Hrsg), Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, erster Instanz, 2013, Seite 127, Seite 137; siehe schon Merli, Die Kognitionsbefugnis der Verwaltungsgerichte erster Instanz, in: Holoubek/Lang (Hrsg), Die Schaffung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz, 2008, Seite 65, Seite 73f).
2. Im Fall des Beschwerdeführers erweist sich der angefochtene Bescheid in Bezug auf den ermittelten Sachverhalt aus folgenden Gründen als mangelhaft:
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat den Herkunftsstaat des Beschwerdeführers nicht festgestellt bzw. ist davon ausgegangen, dass dieser nicht feststellbar ist und hat in Folge keine Länderfeststellungen getroffen.
Gemäß § 2 Abs. 1 Z 17 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 145/2017, ist ein Herkunftsstaat der Staat, dessen Staatsangehörigkeit der Fremde besitzt, oder - im Falle der Staatenlosigkeit - der Staat seines früheren gewöhnlichen Aufenthaltes.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Beschluss vom 03.05.2016, Ra 2016/18/0062, unter anderem ausgesprochen, dass die klare Anordnung des § 2 Abs. 1 Z 17 AsylG als Herkunftsstaat den Staat bestimmt, dessen Staatsangehörigkeit Fremde besitzen, oder - im Falle der Staatenlosigkeit - den Staat ihres früheren gewöhnlichen Aufenthaltes. Herkunftsstaat im Sinne dieser Bestimmung ist somit primär jener Staat, zu dem ein formelles Band der Staatsbürgerschaft besteht. Nur im Falle der Staatenlosigkeit wird subsidiär auf sonstige feste Bindungen zu einem Staat in Form eines dauernden (gewöhnlichen) Aufenthaltes zurückgegriffen (Hinweis E vom 10. Dezember 2009, 2008/19/0977, mit Verweis auf das zur gleichlautenden Vorgängerbestimmung des § 1 Z 4 AsylG 1997 ergangene E vom 22. Oktober 2002, 2001/01/0089). Im Erkenntnis vom 26.05.2011, 2011/23/0093, hat der Verwaltungsgerichtshof in diesem Zusammenhang ausgeführt, dass auf welchen Staat diese Voraussetzungen im Einzelfall zutreffen, von den Asylbehörden zu ermitteln und festzustellen ist. Bei Asylwerbern, die ihren wahren Herkunftsstaat verheimlichen, kann dessen Feststellung - in Ermangelung eines Hinweises auf eine asylrelevante Verfolgung in einem anderen als dem wahrheitswidrig vorgetäuschten Herkunftsstaat - für die Entscheidung über die Asylgewährung entbehrlich sein.
Kann der Herkunftsstaat des Asylwerbers nicht festgestellt werden, ist der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen. Diesfalls ist eine Rückkehrentscheidung zu verfügen, wenn diese gemäß
§ 9 Abs. 1 und 2 BFA-VG nicht unzulässig ist (§ 8 Abs. 6 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 68/2013). In der RV 952 XXII. GP wird zu § 8 Abs. 6 AsylG unter anderem ausgeführt, dass nur dann der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen ist, wenn festgestellt werden kann, aus welchem Staat der Asylwerber kommt; das wird jedenfalls dann möglich sein, wenn der Asylwerber glaubwürdige Angaben über seinen Herkunftsstaat macht, die nicht - etwa im Wege einer Sprachanalyse - falsifiziert wurden.
In Asylverfahren wird davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer sein Vorbringen, wenn er dieses nicht beweisen kann, zumindest glaubhaft zu machen hat. Die "bloße" Glaubhaftmachung besteht, im Unterschied zum vollen Beweis, darin, dass die Herbeiführung eines behördlichen Urteils über die Wahrscheinlichkeit (oder die "vernünftige Möglichkeit") einer Tatsache genügt. "Glaubhaftmachung" ist daher als - im Gegensatz zum vollen Beweis - herabgesetztes Beweismaß zu verstehen.
Der damals noch minderjährige Beschwerdeführer hat in allen niederschriftlichen Befragungen im erstinstanzlichen Verfahren angegeben Staatsangehöriger von Eritrea zu sein. Er sei im Alter von neun Jahren mit seiner Mutter nach Äthiopien gegangen, wo er sechs Jahre gelebt habe. Im Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wird zwar in nachvollziehbare Weise dargelegt, dass auf Grund der Länderfeststellungen davon auszugehen ist, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers in Äthiopien legal war und der Beschwerdeführer zumindest eine Aufenthaltsberechtigung hatte, es wird jedoch nicht festgestellt, dass der Beschwerdeführer die Staatangehörigkeit von Äthiopien angenommen hat. Der Beschwerdeführer spricht Tigrinya und hat mit seinem konstanten Vorbringen Staatsangehöriger von Eritrea zu sein sowie der Vorlage einer Taufbescheinigung versucht glaubhaft darzulegen, dass er Staatsangehöriger von Eritrea ist. Dieses Vorbringen wäre entweder als glaubhaft gemacht zu werten gewesen oder hätte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl feststellen und nachvollziehbar begründen müssen, dass der Beschwerdeführer nunmehr Staatsangehöriger von Äthiopien ist sowie in Folge die entsprechenden Länderberichte zum festgestellten Herkunftsstaat dem Beschwerdeführer im Verfahren zur Kenntnis zu bringen gehabt. Würde das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den in diesem konkreten Fall (zu) einfachen Weg wählen und seiner Aufgabe einen Herkunftsstaat festzustellen - trotz des Umstandes, dass Indizien dafür vorliegen, dass es entweder Eritrea oder Äthiopien ist - nicht nachkommen, hätte das die für den Beschwerdeführer nachteilige Konsequenz, dass jedenfalls sein Antrag auf internationalen Schutz bezüglich des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 6 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 68/2013, abzuweisen wäre. Alleine die Tatsache, dass der Beschwerdeführer ein Aufenthaltsrecht in Äthiopien nicht nachweisen konnte kann wohl nicht automatisch dazu führen, dass das Bundesamt für Fremdenwesen davon ausgeht, dass der Beschwerdeführer seine Staatsangehörigkeit verheimlicht, die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zum Thema Glaubhaftmachung ignoriert und keinen Herkunftsstaat feststellt.
Zur Klarstellung sei erwähnt, dass die im Spruch angeführte "Staatsangehörigkeit Eritrea" bloß der Zuteilung des Beschwerdeaktes nach der Geschäftsverteilung dient und mangels Feststellung und Begründung keine Bindungswirkung für das erstinstanzliche Verfahren hat; vielmehr wird es Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens sein einen konkreten Herkunftsstaat begründet festzustellen. Die dargelegten Umstände müssen insgesamt jedenfalls als maßgeblicher Mangel angesehen werden, welcher einer weiteren niederschriftliche Befragung des Beschwerdeführers bedarf, in welcher dem Beschwerdeführer Länderberichte zum festgestellten Herkunftsstaat zur Kenntnis zu bringen sein werden.
Eine Nachholung des durchzuführenden Ermittlungsverfahrens und eine erstmalige Ermittlung und Beurteilung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Bundesverwaltungsgericht kann - im Lichte der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 66 Abs. 2 AVG - nicht im Sinne des Gesetzes liegen. Wie der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sinngemäß zu entnehmen ist, sollte eine ernsthafte Prüfung eines Antrages und Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes jedenfalls nicht erst bei der Beschwerdebehörde beginnen, da dies nicht nur eine "Delegierung" der Aufgaben des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl an das Bundesverwaltungsgericht bedeuten, sondern auch den in der Rechtsordnung bewusst vorgesehenen Instanzenzug zur bloßen Formsache degradieren würde.
Da der maßgebliche Sachverhalt noch nicht feststeht, war in Gesamtbeurteilung der dargestellten Erwägungen der angefochtene Bescheid wie in der Beschwerde beantragt gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG zu beheben und die Angelegenheiten zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückzuverweisen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBl. Nr. 10/1985 (VwGG), in der Fassung BGBl. I Nr. 33/2013, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Im konkreten Fall ist die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG, in der Fassung BGBl. I Nr. 51/2012, nicht zulässig weil diese Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Dieser Beschluss beschäftigt sich mit der Tatsache, dass in diesem konkreten Fall die Feststellung eines Herkunftsstaates unterblieben ist. Es ergaben sich im Lauf des Verfahrens keine Hinweise auf das Vorliegen von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung.
In den rechtlichen Ausführungen zu Spruchteil A wurde ausführlich unter Bezugnahme auf die diesbezügliche Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ausgeführt, dass dadurch beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Sachverhalt nicht umfassend ermittelt wurde. Betreffend die Anwendbarkeit des § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG im gegenständlichen Fall liegen keine grundsätzlichen Rechtsfragen vor, weil § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG inhaltlich
§ 66 Abs. 2 AVG (mit Ausnahme des Wegfalls des Erfordernisses der Durchführung einer mündlichen Verhandlung) entspricht und zusätzlich zur bisherigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes betreffend die Zurückverweisung wegen mangelhafter Sachverhaltsermittlungen auch das Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063-4, heranzuziehen ist. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Im Übrigen trifft § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG eine klare im Sinne einer eindeutigen Regelung (vgl. OGH 22.03.1992, 5 Ob 105/90), weshalb keine Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung vorliegen.
Schlagworte
Behebung der Entscheidung, Ermittlungspflicht, Herkunftsstaat,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W215.2148638.1.00Zuletzt aktualisiert am
06.04.2018