Entscheidungsdatum
22.03.2018Norm
Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1Spruch
W255 2167143-1/7E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Ronald EPPEL, MA als Vorsitzenden und den Richter Mag. Gerhard HÖLLERER sowie den fachkundigen Laienrichter Dr. Rainer GEISSLER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Niederösterreich, vom 21.07.2017, OB: XXXX , betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang
1. Der Beschwerdeführer stellte am 14.04.2017 beim Sozialministeriumservice, Landesstelle Niederösterreich (in der Folge: belangte Behörde), handschriftlich einen Antrag auf Ausstellung eines Parkausweises.
2. Die belangte Behörde holte in der Folge ein Sachverständigengutachten eines Facharztes für Orthopädie ein. In dem auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers erstatteten Gutachten vom 14.06.2017 wurden die Funktionseinschränkungen der Leidenspositionen
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:
Pos.Nr.
GdB %
1
Hüfttotalendoprothese links, Coxarthrose rechts Wahl dieser Position mit dem oberen Rahmensatz, da Beugung bis 90° möglich, aber deutliche Einschränkung der Drehfähigkeit.
02.05.08
40
Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule Wahl dieser Position mit dem unteren Rahmensatz, da mäßige Funktionsbehinderung ohne neurologisches Defizit.
02.01.02
30
zugeordnet und
ein Gesamtgrad der Behinderung von 50 von Hundert (v.H.) medizinisch festgestellt. Begründend führte der Sachverständige aus, dass Leiden 1 durch Leiden 2 um eine Stufe erhöht werde, da es eine relevante Zusatzbehinderung ist.
3. Mit Schreiben vom 03.07.2017 ersuchte die belangte Behörde den Beschwerdeführer die offiziellen Antragsformulare des Sozialministeriumservice auszufüllen und zu übermitteln, damit die Anträge bearbeitet werden können.
4. Am 11.07.2017 legte der Beschwerdeführer die ausgefüllten Antragsformulare zur Ausstellung eines Behindertenpasses und eines Parkausweises gemäß § 29b StVO vor.
5. Am 19.07.2017 wurde ein Behindertenpass an den Beschwerdeführer versandt.
6. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 21.07.2017 wurde der Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" gemäß §§ 42 und 45 Bundebehindertengesetz (BBG) abgewiesen. Die Behörde stützte den Bescheid auf die Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens.
Hinsichtlich des Antrages auf Ausstellung eines Parkausweises führte die belangte Behörde aus, dass darüber nicht abgesprochen werde, da die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" nicht vorliegen würden. Das Sachverständigengutachten wurde dem Beschwerdeführer als Beilage des Bescheides übermittelt.
7. Gegen den Bescheid vom 21.07.2017 erhob der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 04.08.2017 fristgerecht eine als "Einspruch" bezeichnete Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Darin brachte er im Wesentlichen vor, dass er starke Schmerzen beim Gehen habe und nach einer Strecke von 50 bis 100 Metern stehen bleiben müsse. Die öffentlichen Verkehrsmittel könne er schon länger nicht mehr benützen. Die Stufen seien für ihn das größte Problem, sodass er auf sein Auto angewiesen sei.
Er legte keine weiteren Befunde vor und stellte keinen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung.
8. Am 10.08.2017 langten die Beschwerde und der bezughabende Verwaltungsakt beim Bundesverwaltungsgericht ein.
9. Anlässlich des Beschwerdevorbringens holte das Bundesverwaltungsgericht ein Sachverständigengutachten der Fachrichtung Orthopädie vom 18.10.2017 ein. Der Gutachter kam zu dem Ergebnis, dass sich gegenüber dem Vorgutachten keine abweichende Beurteilung ergebe und die Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel zumutbar sei.
10. Mit Schreiben vom 11.08.2017 wurde der Beschwerdeführer durch das Bundesverwaltungsgericht vom Ergebnis der Beweisaufnahme verständigt und ihm die Möglichkeit eingeräumt, innerhalb einer Frist von zwei Wochen zu der gutachterlichen Stellungnahme schriftlich Stellung zu nehmen.
Der Beschwerdeführer ließ dieses Schreiben unbeantwortet.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen (Sachverhalt):
Der Beschwerdeführer ist Inhaber eines Behindertenpass mit einem Grad der Behinderung von 50 v.H.
Am 14.04.2017 brachte der Beschwerdeführer bei der belangten Behörde einen Antrag auf Ausstellung eines Parkausweises ein, welchen diese als Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass wertete.
Der Beschwerdeführer hat seinen Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt im Inland.
Bei dem Beschwerdeführer liegen folgende Funktionseinschränkungen, die voraussichtlich länger als sechs Monaten andauern werden, vor:
-
Hüfttotalendoprothese links, Coxarthrose rechts,
-
Degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule.
Die Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel ist dem Beschwerdeführer zumutbar. Die Voraussetzungen für die Vornahme der beantragten Zusatzeintragung liegen zum aktuellen Entscheidungszeitpunkt nicht vor; diesbezüglich wird auf die noch folgenden beweiswürdigenden und rechtlichen Ausführungen verwiesen.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zum Vorliegen eines Behindertenpasses und zur Antragstellung ergeben sich aus dem Akteninhalt.
Die Feststellung zum Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt des Beschwerdeführers im Inland ergeben sich aus dem im Akt aufliegenden Auszug aus dem Zentralen Melderegister; konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer seinen Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt nicht im Inland hätte, sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Auch die belangte Behörde ging vom Vorliegen dieser Voraussetzung aus.
Die Feststellungen zu den bestehenden Leidenszuständen und dass die Voraussetzungen für die Vornahme der beantragten Zusatzeintragung zum aktuellen Entscheidungszeitpunkt nicht vorliegen und dem Beschwerdeführer die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar ist, basieren auf dem seitens der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten eines Facharztes für Orthopädie und orthopädische Chirurgie vom 14.06.2017 und dem seitens des Bundesverwaltungsgerichts eingeholten Sachverständigengutachten eines Facharztes für Orthopädie und orthopädische Chirurgie vom 18.10.2017.
Darin wird nachvollziehbar ausgeführt, dass die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel für den Beschwerdeführer aktuell zumutbar ist. In den Sachverständigengutachten wird auf die Art der Leiden des Beschwerdeführers und deren Ausmaß vollständig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei eingegangen. Die Gutachter setzen sich auch umfassend und nachvollziehbar mit den im Zuge des Verfahrens vorgelegten Befunden auseinander. Die getroffenen Einschätzungen basieren auf den im Rahmen von persönlichen Untersuchungen erhobenen Befunden und entsprechen auch den festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen (zur Art und zum Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen und ihren Auswirkungen wird auf die oben im Original wiedergegebenen Ausführungen in den Gutachten verwiesen). Die Gutachter berücksichtigten auch die von dem Beschwerdeführer vorgelegten Befunde. Die im Rahmen der Begutachtungen durchgeführten Untersuchungsergebnisse bestätigen die gutachterlichen Einschätzungen und widersprechen auch nicht den vorliegenden Befunden.
Hinsichtlich der nach Art und Schwere festgestellten Gesundheitsschädigungen ergaben sich den Gutachten zufolge keine Anhaltspunkte für das Vorliegen erheblicher Einschränkungen von Funktionen der unteren Extremitäten. Der Beschwerdeführer ist trotz der geringgradigen Funktionseinschränkungen aufgrund der Endoprothese im linken Hüftgelenk und der degenerativen Veränderung des rechten Hüftgelenks in der Lage eine Gehstrecke von 300 bis 400 Metern aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe zurückzulegen. Im Befund eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 03.03.2017 werden die postoperativen Verhältnisse des linken Hüftgelenkes als unauffällig beschrieben. Im Rahmen der gutachterlichen Untersuchung zeigte sich ein symmetrisches und raumgreifendes Gangbild mit Schon- und Verkürzungshinken rechts. Das Ein- und Aussteigen in ein öffentliches Verkehrsmittel, sowie das Überwinden von Niveauunterschieden und die Sitzplatzsuche sind bewältigbar, da an allen Gelenken der unteren Extremitäten keine behinderungsrelevanten Funktionseinschränkungen vorliegen.
Eine Therapieoption ist hinsichtlich der Funktionseinschränkungen der unteren Extremitäten durch eine konservative Therapie in Form von physikalischen Behandlungen, Medikamenten, Infiltrationen und Infusionen gegeben, da hierdurch eine Beschwerdebesserung erreicht werden kann. Durch die Implantation einer Totalendoprothese kann weiters eine signifikante Schmerzbesserung und deutliche Erweiterung des Bewegungsumfanges des rechten Hüftgelenks herbeigeführt werden.
An den oberen Extremitäten bestehen ebenfalls keine erheblichen Funktionseinschränkungen. Der Nacken- und Kreuzgriff ist beidseits nicht eingeschränkt, die muskulären Verhältnisse sind unauffällig und der Faustschluss ist komplett und ausreichend kräftig, um ein sicheres Festhalten während des Transports in einem öffentlichen Verkehrsmittel zu gewährleisten.
Das Wirbelsäulenleiden führt nur zu mäßigen Funktionsbehinderungen und spricht daher nicht gegen die Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel.
Es konnte auch keine erhebliche Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit objektiviert werden. Weiters bestehen auch keine Einschränkungen der psychischen, neurologischen und intellektuellen Funktionen. Der Beschwerdeführer ist zeitlich, örtlich und zur Person orientiert und zeigt keinen Hinweis auf eine relevante psychische Störung. Eine schwere Erkrankung des Immunsystems oder Funktionseinschränkungen der Sinnesorgane waren schließlich nicht objektivierbar.
Insgesamt konnte daher nicht festgestellt werden, dass die Sachverständigen die bestehenden Funktionseinschränkungen tatsachenwidrig beurteilt haben.
Der Beschwerdeführer ist den Sachverständigengutachten auch nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Beschwerdeführer, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, doch frei, die erstellten Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl im Zuge der Beschwerdeerhebung zu entkräften.
Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen folglich keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit der vorliegenden Sachverständigengutachten. Sie werden daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zur Wertung des Antrags vom 14.04.2017 auf "Ausstellung eines Parkausweises gemäß § 29b StVO" ist zunächst auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen.
Demnach ist bei der Beurteilung von Parteienanbringen grundsätzlich das erkennbare oder zu erschließende Ziel des Parteischrittes maßgebend und es kommt darauf an, wie die Erklärung unter Berücksichtigung der konkreten gesetzlichen Regelung, des Verfahrenszweckes und der vorliegenden Aktenlage objektiv verstanden werden muss, wobei Parteienerklärungen im Zweifel nicht so auszulegen sind, dass ein von vornherein aussichtsloses Rechtsschutzbegehren unterstellt wird (VwGH 24.07.2008, 2008/07/0060 mwH).
Dabei sind Parteienerklärungen im Zweifel so auszulegen, dass die sie abgebende Partei nicht um ihren Rechtsschutz gebracht wird (VwGH 19.05.1994, 92/07/0070), und es ist der Behörde nicht gestattet, einem unklaren Antrag von vornherein einen für den Antragsteller ungünstigen Inhalt zu unterstellen (VwGH 16.12.1992, 89/12/0146). In einem solchen Fall hat die Behörde vielmehr von Amts wegen den wahren Willen der Partei und damit den Gegenstand des Anbringens von Amts wegen zu ermitteln und klarzustellen (VwGH 27.07.1994, 90/10/0046).
Im vorliegenden Fall wurde von dem Beschwerdeführer am 14.04.2017 ein handschriftlicher Antrag auf Ausstellung eines Parkausweises gemäß § 29b StVO eingebracht.
Dieses Anbringen wurde von der belangten Behörde - wie sich zweifelsfrei aus dem angefochtenen Bescheid ergibt -, als Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass gewertet.
Nach Ansicht des erkennenden Gerichtes wurde die Beurteilung des Parteienanbringens seitens der belangten Behörde schon deshalb in nachvollziehbarer Weise vorgenommen, weil der Beschwerdeführer mit seiner Eingabe erkennbar das Ziel verfolgt hat, letztlich in den Genuss der Berechtigungen nach § 29b Abs. 2 bis 4 StVO zu kommen. Angesichts des Umstandes, dass dies ausschließlich Inhabern eines Behindertenpasses nach dem Bundesbehindertengesetz möglich ist, die bereits über die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" verfügen, wurde das Anbringen seitens der belangten Behörde im Lichte einer rechtsschutzfreundlichen und für das Ziel des Beschwerdeführers günstigen Weise ausgelegt.
Im Übrigen ist der Beschwerdeführer der Wertung seines Anbringens - ausweislich des Verwaltungsaktes - weder im vorangegangenen Verwaltungsverfahren noch im Rahmen der Beschwerde entgegengetreten.
Die Behörde konnte daher zu Recht davon ausgehen, dass das Anbringen des Beschwerdeführers vom 14.04.2017 auf die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass und letztlich auf die Ausstellung eines Parkausweises nach § 29b StVO gerichtet war.
Ausgehend von dieser Wertung des Anbringens durch die belangte Behörde ist aus Sicht des erkennenden Gerichtes allerdings nicht nachvollziehbar, dass über den Antrag auf Ausstellung eines Parkausweises nach § 29b StVO nicht (auch) - entweder im Rahmen eines gesonderten Bescheides oder im Wege eines zusätzlichen Spruchpunktes im angefochtenen Bescheid - abgesprochen wurde.
Es trifft zwar zu, dass dem Begehren des Beschwerdeführers auf Ausfolgung eines Parkausweises nach § 29b StVO erst dann entsprochen werden könnte, wenn im Behindertenpass die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung" vorgenommen wurde. Dennoch kann die bescheidmäßige Erledigung des von der belangten Behörde als Antrag auf Ausstellung eines Parkausweises nach § 29b StVO gewerteten Begehrens nicht dadurch ersetzt werden, dass (lediglich) in der Begründung des nunmehr angefochtenen Bescheides festgehalten wird, dass die dafür erforderlichen Voraussetzungen nicht vorliegen würden.
Zu Spruchteil A)
1. Zur Entscheidung in der Sache:
Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) BGBl. Nr. 283/1990, idF des BGBl. I Nr. 18/2017, lauten auszugsweise wie folgt:
"§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn
1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder
2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder
3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder
[...]
5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.
(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.
§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn
1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder
2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder
3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt. [...]
§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familiennamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen. [...]
§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen. [...]
§ 47. Der Bundesminister für Arbeit und Soziales ist ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpaß und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen."
§ 1 Abs. 4 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013 in der Fassung des BGBl. II Nr. 263/2016, lautet auszugsweise wie folgt:
"§ 1.
(4) Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist jedenfalls einzutragen: 1. die Art der Behinderung, etwa dass der Inhaber/die Inhaberin des Passes
[...]
3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und - erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder - erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder - erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder - eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder - eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach Abs. 4 Z 1 lit. b oder d vorliegen.
(5) Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen. [...]"
Gemäß § 1 Abs. 5 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen bildet die Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in § 1 Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, ein Gutachten eines ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.
Um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, hat die Behörde nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (vgl. VwGH 23.02.2011, 2007/11/0142, und die dort zitierten Erkenntnisse vom 18.12.2006, 2006/11/0211, und vom 17.11.2009, 2006/11/0178, jeweils mwN.).
In den auf der Homepage des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz veröffentlichten Erläuterungen zur Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen zur Stammfassung BGBl. II 495/2013 wird - soweit im Beschwerdefall relevant - Folgendes ausgeführt:
Zu § 1 Abs. 2 Z 3 (auszugsweise) - (nunmehr seit der Novelle BGBl. II Nr. 263/2016 unter § 1 Abs. 4 Z. 3 geregelt):
"Mit der vorliegenden Verordnung sollen präzisere Kriterien für die Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgelegt werden. Die durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bisher entwickelten Grundsätze werden dabei berücksichtigt.
[...]
Grundsätzlich ist eine Beurteilung nur im Zuge einer Untersuchung des Antragstellers/der Antragstellerin möglich. Im Rahmen der Mitwirkungspflicht des Menschen mit Behinderung sind therapeutische Möglichkeiten zu berücksichtigen. Therapierefraktion - das heißt keine therapeutische Option ist mehr offen - ist in geeigneter Form nachzuweisen. Eine Bestätigung des Hausarztes/der Hausärztin ist nicht ausreichend.
Durch die Verwendung des Begriffes "dauerhafte Mobilitätseinschränkung" hat schon der Gesetzgeber (StVO-Novelle) zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine Funktionsbeeinträchtigung handeln muss, die zumindest 6 Monate andauert. Dieser Zeitraum entspricht auch den grundsätzlichen Voraussetzungen für die Erlangung eines Behindertenpasses.
Nachfolgende Beispiele und medizinische Erläuterungen sollen besonders häufige, typische Fälle veranschaulichen und richtungsgebend für die ärztlichen Sachverständigen bei der einheitlichen Beurteilung seltener, untypischer ähnlich gelagerter Sachverhalte sein. Davon abweichende Einzelfälle sind denkbar und werden von den Sachverständigen bei der Beurteilung entsprechend zu begründen sein.
Die Begriffe ‚erheblich' und ‚schwer' werden bereits jetzt in der Einschätzungsverordnung je nach Funktionseinschränkung oder Erkrankungsbild verwendet und sind inhaltlich gleich bedeutend.
Unter erheblicher Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten sind ungeachtet der Ursache eingeschränkte Gelenksfunktionen, Funktionseinschränkungen durch Erkrankungen von Knochen, Knorpeln, Sehnen, Bändern, Muskeln, Nerven, Gefäßen, durch Narbenzüge, Missbildungen und Traumen zu verstehen.
Zusätzlich vorliegende Beeinträchtigungen der oberen Extremitäten und eingeschränkte Kompensationsmöglichkeiten sind zu berücksichtigen. Eine erhebliche Funktionseinschränkung wird in der Regel ab einer Beinverkürzung von 8 cm vorliegen.
Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen. Bei den folgenden Einschränkungen liegt jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor:
-
arterielle Verschlusskrankheit ab II/B nach Fontaine bei fehlender therapeutischer Option
-
Herzinsuffizienz mit hochgradigen Dekompensationszeichen
-
hochgradige Rechtsherzinsuffizienz
-
Lungengerüsterkrankungen unter Langzeitsauerstofftherapie
-
COPD IV mit Langzeitsauerstofftherapie
-
Emphysem mit Langzeitsauerstofftherapie
-
mobiles Gerät mit Flüssigsauerstoff muss benützt werden.
[...]
Keine Einschränkung im Hinblick auf die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel haben:
-
vorübergehende Funktionseinschränkungen des Immunsystem als Nebenwirkung im Rahmen von Chemo-und /oder Strahlentherapien,
-
laufende Erhaltungstherapien mit dem therapeutischen Ziel, Abstoßreaktionen von Transplantaten zu verhindern oder die Aktivität von Autoimmunerkrankungen einzuschränken,
-
Kleinwuchs
-
gut versorgte Ileostoma, Colostoma und Ähnliches mit dichtem Verschluss. Es kommt weder zu Austritt von Stuhl oder Stuhlwasser noch zu Geruchsbelästigungen. Lediglich bei ungünstiger Lokalisation und deswegen permanent undichter Versorgung ist in Ausnahmefällen die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar,
-
bei Inkontinenz, da die am Markt üblichen Inkontinenzprodukte ausreichend sicher sind und Verunreinigungen der Person durch Stuhl oder Harn vorbeugen. Lediglich bei anhaltend schweren Erkrankungen des Verdauungstraktes ist in Ausnahmefällen die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar. [...]"
Wie oben unter Punkt II.2. eingehend ausgeführt wurde, werden der gegenständlichen Entscheidung die orthopädischen Sachverständigengutachten vom 14.06.2017 und vom 18.10.2017 zu Grunde gelegt, wonach dem Beschwerdeführer - auch unter Berücksichtigung des Zusammenwirkens der bestehenden Leiden - die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar ist. Weder bestehen entscheidungserhebliche Einschränkungen der oberen oder unteren Extremitäten, noch der körperlichen Belastbarkeit, noch erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten oder Funktionen. Auch liegt keine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit vor sowie auch keine anhaltende Erkrankung des Immunsystems.
Wie ebenfalls bereits oben im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegt wurde, wurden von dem Beschwerdeführer keine Befunde vorgelegt, die das Gutachten entkräften oder diesem widersprechen würden.
Da festzustellen war, dass die dauernden Gesundheitsschädigungen kein Ausmaß erreichen, welches die Vornahme der Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" rechtfertigt, war die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid spruchgemäß abzuweisen.
Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass bei einer späteren objektivierten Verschlechterung des Leidenszustandes die neuerliche Prüfung der "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" nach Maßgabe des § 41 Abs. 2 BBG in Betracht kommt.
2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn
1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder
2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.
Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.
Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.
Der EGMR hat in seinen Entscheidungen vom 10. Mai 2007, Nr. 7401/04 (Hofbauer/Österreich Nr. 2), und vom 3. Mai 2007, Nr. 17.912/05 (Bösch/Österreich), unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigten. Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "hoch-technische" Fragen ("exclusively legal or highly technical questions") betrifft. Der Gerichtshof verwies im Zusammenhang mit Verfahren betreffend ziemlich technische Angelegenheiten ("rather technical nature of disputes") auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtige (VwGH 03.10.2013, 2012/06/0221).
In seinem Urteil vom 18.07.2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren gebe, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung aufträten oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, 2012/06/0221).
Im gegenständlichen Fall wurden die Fragen der Feststellung des Gesamtgrades der Behinderung und der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen überprüft. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund der vorliegenden, nicht ausreichend substantiiert bestrittenen schlüssigen Sachverständigengutachten geklärt, sodass im Sinne der Judikatur des EGMR und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.12.2013, Zl. 2011/11/0180) eine mündliche Verhandlung nicht geboten war. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG nicht entgegen.
Im vorliegenden Fall wurde darüber hinaus seitens beider Parteien eine mündliche Verhandlung nicht beantragt. Nach der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Unterlassung eines solchen Antrages nach der ständigen Rechtsprechung des EGMR als stillschweigender Verzicht auf die Verhandlung zu verstehen (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.12.2013, Zl. 2011/11/0180 mit weiterem Verweis auf die Entscheidung des EGMR vom 21.03.2002, Nr. 32.636/96).
Zu Spruchteil B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.
Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.
Schlagworte
Behindertenpass, Sachverständigengutachten, ZusatzeintragungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W255.2167143.1.00Zuletzt aktualisiert am
06.04.2018