TE Bvwg Erkenntnis 2018/3/22 W255 2166607-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 22.03.2018
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

22.03.2018

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W255 2166607-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Ronald EPPEL, MA als Vorsitzenden und den Richter Mag. Gerhard HÖLLERER sowie den fachkundigen Laienrichter Dr. Rainer GEISSLER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 21.06.2017, OB: XXXX , betreffend die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

1. Die Beschwerdeführerin stellte am 14.03.2017 beim Sozialministeriumservice (im Folgenden als "belangte Behörde" bezeichnet) einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses und eines Parkausweises gemäß § 29b StVO und legte medizinische Befunde vor.

2. Die belangte Behörde holte in der Folge ein Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 21.06.2017 ein. In diesem wurden auf Basis einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 18.05.2017 nach umfassender Darstellung der Statuserhebung die Funktionseinschränkungen den Leidenspositionen

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos.Nr.

GdB %

1

degenerative Veränderung der Hals- und Lendenwirbelsäule unterer Rahmensatz, da keine signifikanten neurologischen Defizite fassbar.

02.01.02

30

2

Amblyopie rechts mit Reduktion des Sehvermögens auf 1/36 bei sehr gutem Sehvermögen links (1,0) Tab. Kolonne 8, Zeile 1.

11.02.01

30

3

Zustand nach Dickdarmteilresektion wegen Divertikulitis, Divertikulose, Zustand nach Abtragung eines gutartigen Darmpolypen oberer Rahmensatz, da Zustand nach Operation, jedoch keine signifikante Klinik, kein ständiges Therapieerfordernis und guter Ernährungszustand vorliegen

07.04.04

20

4

Zustand nach Hüftgelenksersatz beidseits unterer Rahmensatz, da gutes postoperatives Ergebnis und nur geringe Funktionsstörung nachweisbar

02.05.08

20

5

Zustand nach Kniegelenksersatz beidseits unterer Rahmensatz, da Flexion beidseits über 90° möglich

02.05.19

20

6

Fingergelenksarthrose mittlerer Rahmensatz, da nachgewiesene Fehlstellung der DIP-Gelenkes der Finger 2-5 beidseits bei erhaltener Globalfunktion beider Hände

02.06.26

20

7

mäßiger Bluthochdruck fixer Rahmensatz

05.01.02

20

8

Parkinsonsyndrom unterer Rahmensatz, da milde Klinik und geringes Therapieerfordernis; inkludiert Begleitdepression ohne ständiges Therapieerfordernis

04.09.01

20

9

Carpaltunnelsyndrom beidseits unterer Rahmensatz, da zwar pathologischer neurographischer Befund vorliegt, jedoch keine Atrophien objektivierbar

04.05.06

10

10

Zustand nach Halluxoperation beidseits fixer Rahmensatz

02.05.38

10

11

Verlust der Gebärmutter fixer Rahmensatz

08.03.02

10

zugeordnet und nach der Einschätzungsverordnung ein Gesamtgrad der Behinderung von 40 von Hundert (v.H.) eingeschätzt. Begründend führt der Sachverständige aus, dass das führende Leiden 1 durch die Gesundheitsschädigung unter Leiden 2 um eine Stufe erhöht werde, da die Beeinträchtigung des Sinnesorganes bei der Gesamtbeurteilung eine wesentliche Rolle spiele. Die übrigen Leiden würden hingegen nicht erhöhen, da kein maßgebliches ungünstiges Zusammenwirken bestehe.

3. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 21.06.2017 wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin auf Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß §§ 40, 41 und 45 Bundesbehindertengesetz (BBG) ab, da die Beschwerdeführerin mit dem festgestellten Grad der Behinderung von 40 v.H. die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht erfülle. In der Begründung verwies die belangte Behörde auf das ärztliche Sachverständigengutachten vom 21.06.2017, wonach der Grad der Behinderung 40 v.H. betrage. Das Gutachten wurde der Beschwerdeführerin als Beilage des Bescheides übermittelt.

4. Mit gesondert ergangenem Bescheid der belangten Behörde vom 28.06.2017 wurde der Antrag auf Ausstellung eines Parkausweises gemäß § 29b StVO abgewiesen, da die Voraussetzungen nicht erfüllt seien.

5. Gegen den unter I.3. genannten Bescheid vom 21.06.2017 erhob die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 19.07.2017 fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Darin führte sie im Wesentlichen aus, dass mehrere ihrer Wirbel eingebrochen seien und beim Stehen und Gehen große Schmerzen auftreten, sodass sie sich niedersetzen müsse. Seit einigen Jahren könne sie nur noch mit Rollator außer Haus gehen. Durch die Steifheit der Halswirbelsäule könne sie den Kopf nicht mehr drehen. Dies sei wegen ihrer Sehbehinderung problematisch. Auf dem rechten Auge sei die Sehleistung nur mehr bei 3%. Räumliches Sehen sei durch die Sehbehinderung nicht möglich. Diese führe zu einer großen Unsicherheit beim Gehen, welche durch die Parkinsonerkrankung verstärkt werde. Die Einschätzung der Parkinsonerkrankung entspreche nicht den Tatsachen. Sie leide auch an einer Depression und an Panikattacken und sei in psychologischer Behandlung. Diese Symptome seien häufig Begleitsymptome der Parkinsonerkrankung. Durch die Parkinsonerkrankung leide sie an einem Gefühlsverlust in den Beinen und Armen und brauche für alle Bewegungen viel Zeit. Auch das Gleichgewichtsgefühl sei eingeschränkt und sie könne nicht auf einem Bein stehen. Im Jänner 2017 sei sie zu Hause gestürzt und habe sich verletzt. In den öffentlichen Verkehrsmittel benötige sie sehr lange um einzusteigen und es bestehe immer die Gefahr eines Sturzes. Durch die Osteoporose würden ihre Knochen leicht brechen. Weiters leide sie an einer Muskelsteifheit, welche die Beweglichkeit beeinträchtige. Im März 2017 habe sie einen Hüftgelenksersatz erhalten, wodurch die Gehfähigkeit nicht wesentlich verbessert worden sei. In der rechten Hand habe sie ein Carpaltunnelsyndrom. Weiters habe sie auch ein Ödem in den Beinen und Probleme mit den Füßen. Ein Zehen- und Fersengang sei nicht möglich. Sie könne auch keine 300 Meter gehen.

Die Beschwerdeführerin stellte keinen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung und legte keine weiteren Befunde vor.

6. Am 04.08.2017 erfolgte die Vorlage der Beschwerde und des bezughabenden Aktes an das Bundesverwaltungsgericht.

7. Die Beschwerdeführerin legte in der Folge weitere medizinische Befunde vor.

8. Das Bundesverwaltungsgericht holte anlässlich des Beschwerdevorbringens ein Sachverständigengutachten eines Facharztes für Orthopädie und orthopädische Chirurgie vom 25.10.2017 ein. In diesem wird ausgeführt, dass sich keine Änderung im Vergleich zum Vorgutachten ergebe.

9. Mit Schreiben vom 10.11.2017 wurde die Beschwerdeführerin durch das Bundesverwaltungsgericht vom Ergebnis der Beweisaufnahme verständigt und ihr die Möglichkeit eingeräumt, innerhalb einer Frist von zwei Wochen zu der gutachterlichen Stellungnahme schriftlich Stellung zu nehmen.

Die Beschwerdeführerin ließ dieses Schreiben jedoch unbeantwortet.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

Die Beschwerdeführerin stellte bei der belangten Behörde am 14.03.2017 unter anderem einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses.

Die Beschwerdeführerin hat ihren Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt im Inland.

Bei der Beschwerdeführerin bestehen folgende Funktionseinschränkungen, die voraussichtlich länger als sechs Monaten andauern werden:

1) Degenerative Veränderung der Hals- und Lendenwirbelsäule;

2) Amblyopie rechts mit Reduktion des Sehvermögens auf 1/36 bei sehr gutem Sehvermögen links (1,0);

3) Zustand nach Dickdarmteilresektion wegen Divertikulitis, Divertikulose, Zustand nach Abtragung eines gutartigen Darmpolypen;

4) Zustand nach Hüftgelenksersatz beidseits;

5) Zustand nach Kniegelenksersatz beidseits;

6) Fingergelenksarthrose;

7) Mäßiger Bluthochdruck;

8) Parkinsonsyndrom;

9) Carpaltunnelsyndrom beidseits;

10) Zustand nach Halluxoperation beidseits;

11) Verlust der Gebärmutter.

Der Gesamtgrad der Behinderung der Beschwerdeführerin beträgt aktuell 40 v.H.

Hinsichtlich der bei der Beschwerdeführerin bestehenden Funktionseinschränkungen werden die diesbezüglichen Beurteilungen im Sachverständigengutachten eines Facharztes für Orthopädie und orthopädische Chirurgie vom 25.10.2017 und in dem allgemeinmedizinischen Sachverständigengutachten vom 21.06.2017 der nunmehrigen Entscheidung zu Grunde gelegt.

2. Beweiswürdigung:

Das Datum der Einbringung des gegenständlichen Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses basiert auf dem Akteninhalt.

Die Feststellungen zum Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Inland ergibt sich aus der im Akt aufliegenden Kopie ihrer Meldebestätigung und ihren eigenen Angaben bei der Antragstellung; konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Beschwerdeführerin ihren Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt nicht mehr im Inland hätte, sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Auch die belangte Behörde ging vom Vorliegen dieser Voraussetzung aus.

Der Gesamtgrad der Behinderung basiert auf dem seitens der belangten Behörde eingeholten allgemeinmedizinischen Sachverständigengutachten vom 21.06.2017 sowie auf dem orthopädischen Sachverständigengutachten vom 25.10.2017. In diesen Gutachten wird auf die Art der Leiden der Beschwerdeführerin und deren Ausmaß vollständig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei eingegangen. Die Gutachter setzen sich auch umfassend und nachvollziehbar mit den vorgelegten Befunden und dem Vorbringen der Beschwerdeführerin im Rahmen der Untersuchung auseinander. Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf den im Rahmen persönlicher Untersuchungen erhobenen Befunden, entsprechen auch den festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen (diesbezüglich wird auch auf oben auszugsweise wiedergegebenen Ausführungen in den Gutachten verwiesen); die Gesundheitsschädigungen wurden nach der Einschätzungsverordnung richtig eingestuft.

Führendes Leiden der Beschwerdeführerin ist die degenerative Veränderung der Hals- und Lendenwirbelsäule, welche vom Sachverständigen korrekt der Positionsnummer 02.01.02 der Anlage zur Einschätzungsverordnung zugeordnet worden ist und Funktionseinschränkungen mittleren Grades der Wirbelsäule betrifft. Bei einem Rahmensatz von 30 v.H. finden die rezidivierenden Episoden, radiologische Veränderungen und der andauernde Therapiebedarf eine entsprechende Berücksichtigung.

Auch die Beurteilung der Amblyopie rechts mit Reduktion des Sehvermögens auf 1/36 und gutem Sehvermögen links erfolgte korrekt unter der Positionsnummer 11.02.01 der Anlage zur Einschätzungsverordnung. Entgegen dem Vorbringen der Beschwerdeführerin wurde auch die wechselseitige Leidensbeeinflussung zwischen Leiden 1 und 2 berücksichtigt, welche zu einer Erhöhung des Gesamtgrades der Behinderung auf 40 v.H. führt.

Weiters wurde auch die Parkinsonerkrankung unter Leiden 8 entsprechend berücksichtigt. Die Zuordnung des Leidens unter Positionsnummer 04.09.01 der Anlage zur Einschätzungsverordnung ist nachvollziehbar und korrekt. Die Begründung mit einer milden Klinik und einem geringen Therapieerfordernis, auch unter Berücksichtigung der Begleitdepression und der dadurch bestehenden Notwendigkeit einer Therapie, ist schlüssig. Die Begleiterscheinungen dieser Funktionseinschränkung (Depression, Panikattacken, Gleichgewichtsstörungen und Frozen Phänomen) wurden ebenfalls bei der Einschätzung berücksichtigt. Hinsichtlich der Mobilität der Beschwerdeführerin ergibt sich aus beiden Sachverständigengutachten, dass ein leicht hinkendes Gangbild besteht, jedoch ein symmetrisches und raumgreifendes Fortbewegen möglich ist. Auch das An und Auskleiden war im Rahmen der gutachterlichen Untersuchung alleine und ohne Hilfe durchführbar. Der Transfer auf die Untersuchungsliege erfolgte ebenfalls selbstständig. Die sockenförmigen Hypästhesien beidseits ab der Malleolengabel nach distal im Sinne einer Polyneuropathie sowie die diskrete Hypästhesie in der rechten oberen Extremität wurden von dem Sachverständigen bei seiner Beurteilung berücksichtigt.

Schließlich wurden auch das Capraltunnelsyndrom und der beidseitige Hüft- und Kniegelenksersatz korrekt in die gutachterliche Beurteilung aufgenommen. In Übereinstimmung mit dem erhobenen klinischen Status des Gutachtens vom 21.06.2017 besteht postoperativ im Bereich der Hüftgelenke lediglich eine geringe Funktionsstörung. Im Bereich der Kniegelenke ist eine Flexion von über 90° möglich.

Das Vorbringen der Beschwerdeführerin, welches auf die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel abzielt, geht ins Leere. Beschwerdegegenstand vor dem Bundesverwaltungsgericht ist im vorliegenden Fall ausschließlich die Abweisung des Antrags auf Ausstellung eines Behindertenpasses. Diesbezüglich darf auf die Ausführungen in der rechtlichen Beurteilung verwiese werden.

Dass der Gutachter die Funktionseinschränkungen der Beschwerdeführerin tatsachenwidrig beurteilt habe, kann vor dem Hintergrund der vorgelegten Befunde sowie unter Berücksichtigung der Untersuchungsergebnisse nicht erkannt werden. Die im Beschwerdevorbringen angeführten Krankheitsbilder wurden in dem angefochtenen Sachverständigengutachten berücksichtigt. Die Krankengeschichte der Beschwerdeführerin wurde umfassend und differenziert nach den konkret vorliegenden Funktionseinschränkungen auch im Zusammenwirken zueinander berücksichtigt.

Schließlich sei noch darauf hingewiesen, dass die nach Beschwerdevorlage eingereichten Befunde einer Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie sowie eines Diagnosehauses der Neuerungsbeschränkung unterliegen und somit nicht berücksichtigt werden können.

Das Vorbringen der Beschwerdeführerin im Rahmen der Beschwerde ist somit nicht geeignet, das vorliegende Sachverständigengutachten zu entkräften und eine Änderung des Ermittlungsergebnisses herbeizuführen. Die Beschwerdeführerin ist dem Sachverständigengutachten auch nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es der Antragstellerin, so sie der Auffassung ist, dass ihre Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens ihrer Sachverständigen ihrer Wahl zu entkräften.

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen folglich keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit der vorliegenden Sachverständigengutachten vom 21.06.2017 und vom 25.10.2017. Diese werden daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A)

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG), BGBl. 283/1990 idF BGBl. I Nr. 18/2017, lauten auszugsweise:

"§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

[...]

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.

§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

[...]

§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familiennamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

[...]

§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen."

Zunächst ist festzuhalten, dass mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 21.06.2017 der Antrag der Beschwerdeführerin auf Ausstellung eines Behindertenpasses abgewiesen und ein Grad der Behinderung von 40 v.H. festgestellt wurde. Mit gesondertem Bescheid vom 28.06.2017 wurde der Antrag auf Ausstellung eines Parkausweises abgewiesen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist "Sache" des Berufungs- bzw. (nach Inkrafttreten der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012) Beschwerdeverfahrens vor dem Verwaltungsgericht - ungeachtet des durch § 27 VwGVG vorgegebenen Prüfumfangs - jedenfalls nur jene Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches der vor dem Verwaltungsgericht belangten Verwaltungsbehörde gebildet hat (vgl. dazu etwa VwGH 17.12.2014, Ra 2014/03/0049; VwGH 17.12.2014, Ro 2014/03/0066; VwGH 22.01.2015, Ra 2014/06/0055; VwGH 26.03.2015, Ra 2014/07/0077; VwGH 27.04.2015, Ra 2015/11/0022).

Aufgrund dieser Beschränkung der Sache des Beschwerdeverfahrens ist das Verwaltungsgericht nicht befugt, über von der Behörde nicht behandelte Anträge abzusprechen. Ebenso wenig darf das Verwaltungsgericht ein zusätzliches Begehren zum Gegenstand seiner Entscheidung machen, das über den bei der belangten Behörde gestellten und entschiedenen Antrag hinausginge.

Mit ihrer Beschwerde vom 19.07.2017 gegen den Bescheid vom 21.06.2017 bekämpfte die Beschwerdeführerin ausschließlich die Abweisung des Antrags auf Ausstellung eines Behindertenpasses. Verfahrensgegenstand im vorliegenden Verfahren ist somit ausschließlich die Ausstellung eines Behindertenpasses.

Wie oben unter Punkt II.2. eingehend ausgeführt wurde, werden der gegenständlichen Entscheidung die schlüssigen Sachverständigengutachten vom 21.06.2017 und vom 25.10.2017 zu Grunde gelegt, wonach der Grad der Behinderung der Beschwerdeführerin 40 v. H. beträgt. Die Gesundheitsschädigungen wurden in den Gutachten auch nach den Bestimmungen der Einschätzungsverordnung richtig eingestuft; diesbezüglich wird auch auf die obigen Ausführungen im Rahmen der Beweiswürdigung verwiesen. Wie ebenfalls bereits oben im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegt wurde, waren die im Rahmen der Beschwerde erhobenen unsubstantiierten Einwendungen nicht geeignet, die vorliegenden Gutachten zu entkräften. Es ist daher davon auszugehen, dass der Grad der Behinderung der Beschwerdeführerin zum aktuellen Entscheidungszeitpunkt 40 v. H. beträgt.

Mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 40 v.H. sind die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40 Abs. 1 BBG, wonach behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbstätigkeit von mindestens 50 v.H. ein Behindertenpass auszustellen ist, nicht erfüllt.

Im Übrigen kommt bei einer späteren Verschlechterung der Leidenszustände der Beschwerdeführerin eine neuerliche Einschätzung des Grades der Behinderung nach Maßgabe des § 41 Abs. 2 BBG in Betracht.

Die Beschwerde war daher spruchgemäß abzuweisen.

Zum Entfall der mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat die Beschwerdeführerin die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden. Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC), ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Der im Beschwerdefall maßgebliche Sachverhalt ergibt sich aus dem im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin und aus dem vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Sachverständigengutachten eines Facharztes für Orthopädie und orthopädische Chirurgie, das von den Verfahrensparteien unwidersprochen zur Kenntnis genommen wurde. Die strittigen Tatsachenfragen gehören dem Bereich an, der von Sachverständigen zu beleuchten ist. All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.

Zu Spruchteil B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden, noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Behindertenpass, Grad der Behinderung, Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W255.2166607.1.00

Zuletzt aktualisiert am

06.04.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten