TE Bvwg Erkenntnis 2018/3/22 W255 2152142-1

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Veröffentlicht am 22.03.2018
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Entscheidungsdatum

22.03.2018

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W255 2152142-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Ronald EPPEL, MA als Vorsitzenden und den Richter Mag. Gerhard HÖLLERER sowie den fachkundigen Laienrichter Dr. Rainer GEISSLER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle

Niederösterreich, vom 21.12.2016, OB: XXXX , betreffend die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses, zu

Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

1. Die Beschwerdeführerin stellte am 08.09.2016 beim Sozialministeriumservice, Landesstelle Niederösterreich (im Folgenden als "belangte Behörde" bezeichnet), einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses und legte ein Konvolut an Unterlagen und medizinischen Befunden vor.

2. Die belangte Behörde holte in der Folge ein Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin vom 17.11.2016 ein. In diesem wurden nach einer persönlichen Untersuchung und umfassender Darstellung der Statuserhebung die Funktionseinschränkungen den Leidenspositionen

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos.Nr.

GdB %

1

Carpaltunnelsyndrom rechts bei zustand nach CTS-Operation beidseits 2 Stufen über dem unteren Rahmensatz, da trotz chirurgischer Sanierung Beschwerden rechts bestehen und eine Revisionsoperation nicht ausgeschlossen ist

04.05.06

30

2

Schnellender Daumen beidseits Mittlerer Rahmensatz bei Kraftverlust aber nahezu uneingeschränkter Beweglichkeit

02.06.26

20

3

Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule mit Funktionseinschränkungen geringen Grades Oberer Rahmensatz, da Hals- und Lendenwirbelsäule betroffen

02.01.01

20

4

g.Z. Zustand nach Hammerzehen- und Fußwurzel-Operation beidseits

02.05.39

20

zugeordnet und nach der Einschätzungsverordnung ein Gesamtgrad der Behinderung von 40 von Hundert (v.H.) eingeschätzt. Begründend führte die Gutachterin aus, dass das führende Leiden 1 durch Leiden 2 um eine Stufe erhöht werde, da dieses das führende Leiden verstärke. Leiden 3 und 4 würden nicht erhöhen, da keine wesentliche wechselseitige Leidensbeeinflussung bestehe.

3. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 21.12.2016 wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin auf Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß §§ 40, 41 und 45 Bundesbehindertengesetz (BBG) ab, da die Beschwerdeführerin mit dem festgestellten Grad der Behinderung von 40 v.H. die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht erfülle. In der Begründung verwies die belangte Behörde auf das ärztliche Sachverständigengutachten vom 17.11.2016, wonach der Grad der Behinderung 40 v.H. betrage. Das Gutachten wurde der Beschwerdeführerin als Beilage des Bescheides übermittelt.

4. Gegen den unter I.3. genannten Bescheid erhob die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 31.01.2017 fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Darin wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass es eine wechselseitige Leidensbeeinflussung mit Leiden 3 gebe und die Beschwerdeführerin diesbezüglich den Röntgenbefund vom 16.01.2017 vorlege. Die starken Schmerzen, die Gefühlsstörungen und die schnelle Ermüdbarkeit der Hände würden von den degenerativen Schäden der HWS hervorgerufen bzw. wesentlich beeinflusst. In ihrem Beruf als Redakteurin sei sie die Hälfte des Tages im Büro und die andere im Außendienst. Mit ihren Funktionseinschränkungen sei dies nicht mehr möglich, da sie sich nicht auf die Feinmotorik und Kraft der Hände verlassen könne. Autofahren oder Computerarbeit seien nicht möglich. Am 01.02.2017 sei sie wegen des schnellenden Daumens operiert worden. Eine zufriedenstellende Funktionstüchtigkeit sei jedoch nicht sichergestellt. Befundmäßig dokumentiert sei auch eine kontinuierliche Therapie wegen der cervikalen Streckhaltung. Auch sei sie wegen der Nervenschmerzen in den Händen und Armen in neurologischer Behandlung. Die Schädigung der HWS bedinge eine Leidensbeeinflussung der Leiden 1 und 2. Leiden 1 sei um eine weitere Stufe zu erhöhen. Es sei ihr daher ein Behindertenpass und ein Parkausweis auszustellen.

Die Beschwerdeführerin stellte keinen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

5. Am 23.03.2017 reichte die Beschwerdeführerin medizinische Befunde nach.

6. Am 05.04.2017 wurde der Akt dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt.

7. Das Bundesverwaltungsgericht holte in weiterer Folge ein nervenfachärztliches Sachverständigengutachten vom 19.07.2017 und ein zusammenfassendes unfallchirurgischen Sachverständigengutachten vom 31.07.2017 ein, in welchem folgende Funktionseinschränkungen festgehalten wurden:

1) Gefühlsstörung der Hände beidseits, Zustand nach Carpaltunneloperation beidseits

2 Stufen über dem unterem Rahmensatz, da feinmotorische Einbußen und Gefühlsstörung, ohne motorisches Defizit.

Wahl der Position, da Mittelnerv betroffen.

04.05.06 30%

2) Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule

Oberer Rahmensatz, da Belastungsschmerzen

Wahl der Position, da geringe bis mittelgradige radiologische Veränderungen ohne Beweglichkeitsdefizit und ohne sensomotorischem Defizit

02.01.01 20%

3) Zustand nach Hallux und Hammerzeheneingriff beidseits

g. Z. Position, da Restbeschwerden beidseits mit Indikation zur beidseitigen Revision

02.05.39 20%

4) Anpassungsstörung, posttraumatische Belastungsstörung

Unterer Rahmensatz, da soziale Integration vorhanden, ohne schwerwiegende kognitive Einbußen

Wahl der Position, da ängstlich depressive Symptomatik und somatische Symptome

03.05.01 10%

Der Gesamtgrad der Behinderung betrage 30 v.H., da Leiden 2 und 3 von zu geringer funktioneller Relevanz seien, um Leiden 1 zu erhöhen. Leiden 4 erhöhe wegen fehlender negativer wechselseitiger Leidensbeeinflussung nicht. Der Schnappdaumen beidseits erreiche keinen Grad der Behinderung, weil nur zwischenzeitlich ein kurzfristiges Streckdefizit ohne Bedeutung für die Handfunktion vorliege.

8. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 13.09.2017 wurden die Beschwerdeführerin und die belangte Behörde über das Ergebnis der Beweisaufnahme informiert und ihnen in Wahrung des Parteiengehörs die Gelegenheit eingeräumt, dazu binnen zwei Wochen eine Stellungnahme abzugeben.

Beide Verfahrensparteien ließen dieses Schreiben unbeantwortet und erstatteten keine Stellungnahme.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

Die Beschwerdeführerin brachte am 08.09.2016 den vorliegenden Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses bei der belangten Behörde ein.

Die Beschwerdeführerin hat ihren Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt im Inland.

Bei der Beschwerdeführerin bestehen folgende Gesundheitsschädigungen, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

1) Gefühlsstörung der Hände beidseits, Zustand nach Carpaltunneloperation beidseits;

2) Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule;

3) Zustand nach Hallux und Hammerzeheneingriff beidseits;

4) Anpassungsstörung, posttraumatische Belastungsstörung.

Der Gesamtgrad der Behinderung der Beschwerdeführerin beträgt aktuell 30 v.H.

Hinsichtlich der bei der Beschwerdeführerin bestehenden einzelnen Funktionseinschränkungen, deren Ausmaß, wechselseitiger Leidensbeeinflussung und medizinischer Einschätzung werden die diesbezüglichen Beurteilungen in dem nervenfachärztlichen Sachverständigengutachten vom 19.07.2017 und in dem zusammenfassenden unfallchirurgischen Sachverständigengutachten vom 31.07.2017 der nunmehrigen Entscheidung zu Grunde gelegt; diesbezüglich wird auf die nachfolgenden beweiswürdigenden und rechtlichen Ausführungen verwiesen.

2. Beweiswürdigung:

Das Datum der Einbringung des gegenständlichen Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses basiert auf dem Akteninhalt.

Die Feststellungen zum Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Inland ergeben sich aus dem im Akt aufliegenden ZMR Auszug und ihren eigenen Angaben bei der Antragstellung; konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Beschwerdeführerin ihren Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt nicht mehr im Inland hätte, sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Auch die belangte Behörde ging vom Vorliegen dieser Voraussetzung aus.

Der Gesamtgrad der Behinderung basiert auf dem seitens des Bundesverwaltungsgerichts eingeholten nervenfachärztlichen Sachverständigengutachten vom 19.07.2017 und dem zusammenfassenden unfallchirurgischen Sachverständigengutachten vom 31.07.2017. In diesen Gutachten wird auf die Art der Leiden der Beschwerdeführerin und deren Ausmaß vollständig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei eingegangen. Die Gutachter setzen sich auch umfassend und nachvollziehbar mit den vorgelegten Befunden und dem Vorbringen der Beschwerdeführerin im Rahmen der Untersuchung auseinander. Die getroffene Einschätzung, basierend auf den im Rahmen persönlicher Untersuchung erhobenen Befunden, entspricht auch den festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen (diesbezüglich wird auch auf oben auszugsweise wiedergegebenen Ausführungen in den Gutachten verwiesen); die Gesundheitsschädigungen wurden nach der Einschätzungsverordnung richtig eingestuft.

Führendes Leiden der Beschwerdeführerin ist die beidseitige Gefühlsstörung der Hände und der Zustand nach beidseitiger Carpaltunneloperation, welches die Sachverständige korrekt der Positionsnummer 04.05.06 der Anlage zur Einschätzungsverordnung zuordneten. Diese betrifft eine Lähmung des Nervus Medianus und sieht einen Grad der Behinderung zwischen 10 und 40 v.H. vor. Begründend für eine Einschätzung, 2 Stufen über dem unteren Rahmensatz, führt der Sachverständige nachvollziehbar aus, dass feinmotorische Einbußen und Gefühlsstörungen vorliegen, ein motorisches Defizit besteht jedoch nicht. Die Beschwerdeführerin ist in der Lage einen Pinzettengriff durchzuführen und verfügt über einen unauffälligen Tonus, auch der Faustschluss und das Fingerspreizen ist möglich. Laut nervenfachärztlichen Sachverständigengutachten liegt auch keine Kraftminderung oder Muskelverschmächtigung der vom Mittelnerv versorgten Muskeln der Hand vor.

Der beidseitige Schnappdaumen erreicht keinen Grad der Behinderung, da nur zwischenzeitlich ein kurzfristiges Streckdefizit ohne Bedeutung für die Handfunktion (Grob- und Feingriff) vorliegt. Leiden 2 aus dem Gutachten der belangten Behörde vom 17.11.2016 fällt somit weg.

Weiters wurden die degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule korrekt der Positionsnummer 02.01.01 der Anlage zur Einschätzungsverordnung zugeordnet, welche Funktionseinschränkungen der Wirbelsäule geringen Grades betreffen. Bei einem Rahmensatz von 20 v.H. bestehen seltene akute Episoden, welche von kurzer Dauer sind. Es liegen mäßige radiologische Veränderungen vor und es besteht im Intervall nur eine geringe Einschränkung im Alltag und Arbeitsleben. Eine Dauertherapie ist nicht erforderlich. Begründend führt der befasste Sachverständige nachvollziehbar aus, dass geringe bis mittelgradige radiologische Veränderungen ohne Beweglichkeitsdefizit und ohne sensomotorischen Defizit vorliegen. Aus neurologischer Sicht liegen auch keine funktionellen Ausfälle vor. Die Beurteilung deckt sich hierbei auch mit dem in der Beschwerde zitierten Befund eines Facharztes für Radiologie vom 16.01.2017, welcher von dem nun befassten Facharzt für Unfallchirurgie entsprechend bei der gutachterlichen Beurteilung berücksichtigt wurde. In diesem Befund werden die folgenden Diagnosen gestellt:

"Cervikale Streckstellung mit geringgradiger wohl spondylarthrogener Antelisthese C5 um 0,2 cm.

Geringgradige nach caudal etwas zunehmende Osteochondrose C2-C7. Begleitend geringgradige multisegmentale Unco- und Intervertebralgelenksarthrosen.

Minimale flachbogige Sinistroskoliose sowie thorakale Streckfehlhaltung mit angedeuteter geringgradiger arcuärer Hyperkyphose im unteren BWS-Drittel.

Geringgradige nach caudal zunehmende Spondylosis deformans Thorakalis.

Geringgradige flachbogige rechtskonvexe Rotationsskoliose.

Lumbosakraler Übergangswirbel im Sinne einer Lumbalisation von S1.

Mittelgradige Osteochondrose L5/S1.

Multisegmentale geringgradige Spondylarthrosen L4-S1."

Im Vergleich zum Vorgutachten der belangten Börde vom 17.11.2016 wurde nun, auf Basis der vorgelegten Befunde, auch die Anpassungsstörung und posttraumatische Belastungsstörung in die gutachterliche Beurteilung mitaufgenommen und korrekt der Positionsnummer 03.05.01 der Anlage zur Einschätzungsverordnung zugeordnet. Bei dem Vorliegen einer sozialen Integration, einer ängstlichen depressiven Symptomatik sowie einer somatischen Symptomatik und dem Fehlen von schwerwiegenden kognitiven Einbußen wurde nachvollziehbar der untere Rahmensatz gewählt. Eine schwere Depression und generalisierte Angststörung konnte aus nervenfachärztlicher Sicht nicht nachvollzogen werden. Es liegt lediglich eine geringe Symptomatik vor, die derzeit medikamentös unbehandelt ist.

Die in der Beschwerde beantragte Ausstellung eines Parkausweises gemäß § 29 b StVO läuft ins Leere. Das Bundesverwaltungsgericht ist nicht befugt, über von der Behörde nicht behandelte Anträge abzusprechen. Diesbezüglich darf auf die rechtliche Beurteilung verwiesen werden.

Insgesamt ergibt sich nachvollziehbar, dass Leiden 2 und 3 von zu geringer Relevanz sind, um Leiden 1 zu erhöhen. Auch Leiden 4 erhöht nicht, da es an einer negativen wechselseitigen Leidensbeeinflussung fehlt.

Das Vorbringen der Beschwerdeführerin im Rahmen der Beschwerde ist somit nicht geeignet, die vorliegenden Sachverständigengutachten zu entkräften und eine Änderung des Ermittlungsergebnisses herbeizuführen. Die Beschwerdeführerin ist dem Sachverständigengutachten im Rahmen der Beschwerde auch nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es der Antragstellerin, so sie der Auffassung ist, dass ihre Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen ihrer Wahl zu entkräften.

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen folglich keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit der vorliegenden Sachverständigengutachten vom 19.07.2017 und vom 31.07.2017. Diese werden daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A)

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG), BGBl. 283/1990 idF BGBl. I Nr. 18/2017, lauten auszugsweise:

"§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

[...]

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.

§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

[...]

§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familienname, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

[...]

§ 45.

(1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

[...]

§ 46. Die Beschwerdefrist beträgt abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung beträgt zwölf Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden."

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist "Sache" des Berufungs- bzw. (nach Inkrafttreten der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012) Beschwerdeverfahrens vor dem Verwaltungsgericht - ungeachtet des durch § 27 VwGVG vorgegebenen Prüfumfangs - jedenfalls nur jene Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches der vor dem Verwaltungsgericht belangten Verwaltungsbehörde gebildet hat (vgl. dazu etwa VwGH 17.12.2014, Ra 2014/03/0049; VwGH 17.12.2014, Ro 2014/03/0066; VwGH 22.01.2015, Ra 2014/06/0055; VwGH 26.03.2015, Ra 2014/07/0077; VwGH 27.04.2015, Ra 2015/11/0022).

Aufgrund dieser Beschränkung der Sache des Beschwerdeverfahrens ist das Verwaltungsgericht nicht befugt, über von der Behörde nicht behandelte Anträge abzusprechen. Ebenso wenig darf das Verwaltungsgericht ein zusätzliches Begehren zum Gegenstand seiner Entscheidung machen, das über den bei der belangten Behörde gestellten und entschiedenen Antrag hinausginge. Der in der Beschwerde gestellte Antrag auf Ausstellung eines Parkausweises gemäß § 29b StVO kann daher im gegenständlichen Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht berücksichtigt werden.

Wie oben unter Punkt II.2. eingehend ausgeführt wurde, werden der gegenständlichen Entscheidung das schlüssige nervenfachärztlichen Sachverständigengutachten vom 19.07.2017 und das zusammenfassende unfallchirurgische Sachverständigengutachten vom 31.07.2017 zu Grunde gelegt, wonach der Grad der Behinderung der Beschwerdeführerin 30 v. H. beträgt. Die Gesundheitsschädigungen wurden in den Gutachten auch nach den Bestimmungen der Einschätzungsverordnung richtig eingestuft; diesbezüglich wird auch auf die obigen Ausführungen im Rahmen der Beweiswürdigung verwiesen. Wie ebenfalls bereits oben im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegt wurde, waren die im Rahmen der Beschwerde erhobenen unsubstantiierten Einwendungen nicht geeignet, das vorliegende aktuelle Gutachten zu entkräften. Es ist daher davon auszugehen, dass der Grad der Behinderung der Beschwerdeführerin zum aktuellen Entscheidungszeitpunkt 30 v. H. beträgt.

Mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 30 v.H. sind die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40 Abs. 1 BBG, wonach behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbstätigkeit von mindestens 50 v.H. ein Behindertenpass auszustellen ist, nicht erfüllt.

Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass bei einer späteren Verschlechterung des Leidenszustandes die neuerliche Einschätzung des Grades der Behinderung nach Maßgabe des § 41 Abs. 2 BBG in Betracht kommt.

Die Beschwerde war daher spruchgemäß abzuweisen.

Zum Entfall der mündlichen Verhandlung:

Der im Beschwerdefall maßgebliche Sachverhalt ergibt sich aus dem Akt der belangten Behörde und den über Veranlassung des Bundesverwaltungsgerichts eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten, welche auf persönlichen Untersuchungen beruhen, auf alle Einwände und vorgelegten Atteste der Beschwerdeführerin in fachlicher Hinsicht eingehen und welchen die Beschwerdeführerin nicht substantiiert entgegengetreten ist. Die strittigen Tatsachenfragen (Schmerzen, Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen) gehören dem Bereich zu, der vom Sachverständigen zu beleuchten ist. Beide Parteien haben zudem keinen Verhandlungsantrag gestellt. All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.

Zu Spruchteil B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden, noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Behindertenpass, Grad der Behinderung, Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W255.2152142.1.00

Zuletzt aktualisiert am

06.04.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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