Entscheidungsdatum
22.03.2018Norm
BBG §40Spruch
W255 2144142-1/10E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Ronald EPPEL, MA als Vorsitzenden und den Richter Mag. Gerhard HÖLLERER sowie den fachkundigen Laienrichter Dr. Rainer GEISSLER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen,
Landesstelle Wien, vom 24.11.2016, OB: XXXX , betreffend die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses, zu
Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang
1. Der Beschwerdeführer stellte am 12.10.2016 beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Wien ("Sozialministeriumservice", im Folgenden als "belangte Behörde" bezeichnet), einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses und legte ein Konvolut an Unterlagen und Befunden vor.
2. Die belangte Behörde holte in der Folge ein Sachverständigengutachten eines Facharztes für Orthopädie vom 23.11.2017 ein. In diesem wurden auf Basis einer persönlichen Untersuchung und nach umfassender Darstellung der Anamnese, der relevanten Befunde und des klinischen Status die Funktionseinschränkungen den Leidenspositionen
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:
Pos.Nr.
GdB %
1
Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule Unterer Rahmensatz dieser Position, da gering Beweglichkeitseinschränkungen, ohne neurologisches Defizit
02.01.02
30
2
Funktionsbehinderung am linken Handgelenk bei Kahnbeinpseudarthrose Fixer Rahmensatz
02.06.22
20
3
Endokrine Ophtalmopathie (M. Basedow) Wahl dieser Position mit 1 Stufe über dem unteren Rahmensatz, da Zustand nach zweimaliger Augenoperation, bei nur geringem Exophtalmus
09.01.01
20
zugeordnet und
nach der Einschätzungsverordnung ein Gesamtgrad der Behinderung (GdB) von 30 von Hundert (v.H.) eingeschätzt. Begründend für den Gesamtgrad der Behinderung führt der Sachverständige aus, dass das führende Leiden 1 durch die übrigen Leiden nicht erhöht werde, da es an einer wechselseitigen ungünstigen Leidensbeeinflussung fehle und eine zu geringe Relevanz vorliege.
3. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 24.11.2016 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß §§ 40, 41 und 45 Bundesbehindertengesetz (BBG) ab, da der Beschwerdeführer mit dem festgestellten Grad der Behinderung von 30 v.H. die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht erfülle. In der Begründung verwies die belangte Behörde auf das Sachverständigengutachten, wonach der Grad der Behinderung 30 v.H. betrage.
4. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit Schreiben am 30.12.2016 fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht und führte darin zusammengefasst aus, dass er in der Hocke und beim Stiegensteigen Schmerzen habe. Aufgrund seiner Lendenwirbelsäulenbeschwerden seien seit einigen Jahren sämtliche Tätigkeiten wie Zähneputzen, Neigen des Kopfes und längeres Stehen mit Schmerzen verbunden. Die Feststellung, dass er sich problemlos an- und ausziehen könne, sei daher nicht richtig. Auch sei in dem Gutachten nicht vermerkt worden, dass er in der Kindheit an Asthma Bronchiale und seit einigen Jahren an COPD II leide. Der "Gerichtsbeschluss" (Anm. gemeint: an das Arbeits- und Sozialgericht gerichtetes Gutachten eines Facharztes für Augenheilkunde) vom 07.03.2015 weise darauf hin, dass er bei 30 Grad Doppelbilder sehe. Das Beschwerdeschreiben sei auch von einer Bekannten am Computer geschrieben worden. Aus Zeitmangel habe der Sachverständige viele seiner Angaben nicht beachtet. Er könne auch noch weitere Befunde vorlegen.
Der Beschwerdeführer fügte seiner Beschwerde keine weiteren Befunde bei und stellte keinen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung.
5. Am 09.01.2017 wurden der Akt und die bezughabende Beschwerde dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt.
6. Aufgrund des Geschäftsverteilungsausschusses vom 13.02.2017 wurde die gegenständliche Rechtsache der bisherigen Gerichtsabteilung abgenommen und der nunmehr zuständigen Gerichtsabteilung zugewiesen.
7. Mit Schreiben vom 27.02.2017 wurde dem Beschwerdeführer vom Bundesverwaltungsgericht mitgeteilt, dass neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden dürfen.
8. Am 15.11.2017 legte der Beschwerdeführer weitere Befunde vor.
9. Anlässlich des Beschwerdevorbringens holte das Bundesverwaltungsgericht weitere Sachverständigengutachten der Fachrichtungen Augenheilkunde und Allgemeinmedizin ein.
In dem zusammenfassenden allgemeinmedizinischen Sachverständigengutachten vom 22.09.2017 wurden auf Basis einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers folgende Funktionseinschränkungen diagnostiziert:
"...
Ad 1 - Gesundheitsschädigungen:
1. Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, 02.01.02 ....30%
Unterer Rahmensatz dieser Positionsnummer, da geringe Beweglichkeitseinschränkung ohne neurologisches Defizit.
2. Funktionsbehinderung am linken Handgelenk bei Kahnbeinpseudarthrose, 02.06.22 ...20%
Fixer Rahmensatz.
3. Endokrine Orbitopathie mit Exophthalmus und Augenmuskelstörung beidseits, 11.01.03...20%
Eine Stufe über dem unteren Rahmensatz, da Doppelbilder beim Extremblick.
4. Beginnende degenerative Gelenksveränderungen, 02.02.01...20%
Oberer Rahmensatz dieser Positionsnummer, da geringgradige Funktions- und Belastungseinschränkungen im Bereich der Schulter- und Kniegelenke.
Ad 2 - Gesamt-GdB: 30 v.H., weil der GdB der führenden Gesundheitsschädigung unter Punkt 1 infolge des Fehlens eines wechselseitigen ungünstigen Zusammenwirkens, als auch aufgrund der übrigen Gesundheitsschädigungen nicht weiter erhöht wird."
10. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 13.12.2017 wurden der Beschwerdeführer und die belangte Behörde über das Ergebnis der Beweisaufnahme informiert und ihnen in Wahrung des Parteiengehörs Gelegenheit eingeräumt, binnen zwei Wochen eine Stellungnahme dazu abzugeben.
Die Verfahrensparteien ließen dieses Schreiben unbeantwortet.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen (Sachverhalt):
Der Beschwerdeführer brachte am 12.10.2016 den vorliegenden Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses bei der belangten Behörde ein.
Der Beschwerdeführer hat seinen Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt im Inland.
Beim Beschwerdeführer bestehen folgende Funktionseinschränkungen, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
1) Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule;
2) Funktionsbehinderung am linken Handgelenk bei Kahnbeinpseudarthrose;
3) Endokrine Orbitopathie mit Exophthalmus und Augenmuskelstörung beidseits;
4) Beginnende degenerative Gelenksveränderungen.
Der Gesamtgrad der Behinderung des Beschwerdeführers beträgt aktuell 30 v.H.
Hinsichtlich der beim Beschwerdeführer bestehenden einzelnen Funktionseinschränkungen, deren Ausmaß, wechselseitiger Leidensbeeinflussung und medizinischer Einschätzung werden die diesbezüglichen Beurteilungen in den Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Augenheilkunde und eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 22.09.2017 zu Grunde gelegt.
2. Beweiswürdigung:
Das Datum der Einbringung des gegenständlichen Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses basiert auf dem Akteninhalt.
Die Feststellung zum Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt des Beschwerdeführers im Inland ergibt sich aus dem im Akt aufliegenden Auszug aus dem Zentralen Melderegister und seinen eigenen Angaben bei der Antragstellung; konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer seinen Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt nicht mehr im Inland hätte, sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Auch die belangte Behörde ging vom Vorliegen dieser Voraussetzung aus.
Der Gesamtgrad der Behinderung basiert auf den seitens des Bundesverwaltungsgerichts eingeholten Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Augenheilkunde und eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 22.09.2017. In diesen Gutachten wird auf die Art der Leiden des Beschwerdeführers und deren Ausmaß vollständig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei eingegangen. Die Gutachter setzen sich auch umfassend und nachvollziehbar mit den vorgelegten Befunden und dem Vorbringen des Beschwerdeführers im Rahmen der Untersuchungen auseinander. Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf den im Rahmen persönlicher Untersuchung erhobenen Befunden, entsprechen auch den festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen (diesbezüglich wird auch auf oben auszugsweise wiedergegebenen Ausführungen in den Gutachten verwiesen); die Gesundheitsschädigungen wurden nach der Einschätzungsverordnung richtig eingestuft.
Führendes Leiden des Beschwerdeführers sind die degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule, welche korrekt der Positionsnummer 02.01.02 der Anlage zur Einschätzungsverordnung zugeordnet worden sind. Diese betrifft Funktionseinschränkungen mittleren Grades der Wirbelsäule und sieht bei einem Rahmensatz von 30 v.H. über Wochen andauernde rezidivierende Episoden mehrmals pro Jahr vor. Weiters bestehen radiologische Veränderungen und ein andauernder Therapiebedarf. Begründend führt der Sachverständige daher nachvollziehbar aus, dass lediglich geringe Beweglichkeitseinschränkungen ohne neurologisches Defizit vorliegen. Im Rahmen der Untersuchung war darüber hinaus das Gangbild unauffällig und das Aufstehen und Hinsetzen problemlos vorzeigbar. Diese Beurteilung deckt sich auch mit dem berücksichtigten Befund einer Fachärztin für Radiologie vom 12.06.2015, in dem im Bereich der Lendenwirbelsäule eine angedeutete linkskonvexe Skoliose diagnostiziert wird. Die Bandscheibenräume werden in diesem Befund als nicht verschmälert beschrieben und es bestehen incipiente Spndylosezeichen in der unteren Lendenwirbelsäule sowie eine nach caudal zunehmende Spondylarthrosis deformans.
Auch die Funktionsbehinderung des linken Handgelenks bei Kahnbeinpseudarthrose wurde vom Sachverständigen berücksichtigt und korrekt der Positionsnummer 02.06.22 der Anlage zur Einschätzungsverordnung zugeordnet. Diese betrifft einseitige Funktionseinschränkungen mittleren Grades im Handgelenk und sieht einen fixen Rahmensatz von 20 v.H. vor. Die Beweglichkeit des linken Handgelenks ist links zu 50% eingeschränkt, die Kraftminderung jedoch lediglich gering.
Weiters wurden in dem zusammenfassenden Sachverständigengutachten auch die beginnenden degenerativen Gelenksveränderungen richtig eingestuft. Die gewählte Positionsnummer 02.02.01 der Anlage zur Einschätzungsverordnung behandelt generalisierte Erkrankungen des Bewegungsapparates. Begründend führt der Sachverständige nachvollziehbar aus, dass geringgradige Funktions- und Belastungseinschränkungen im Bereich der Schulter- und Kniegelenke gegeben sind. Diese Beurteilung deckt sich auch mit dem klinischen Status, in dem bei beiden Schultergelenken eine Elevation bis knapp über die Horizontale dokumentiert ist. Das An- und Ausziehen war bei der gutachterlichen Untersuchung unter normalen Voraussetzungen problemlos möglich.
Insgesamt waren - entgegen dem Vorbringen des Beschwerdeführers - keine erheblichen Funktionseinschränkungen des Bewegungsapparates, welche im Alltag, beim Stiegensteigen oder beim in die Hocke gehen erschwerend sein könnten, objektivierbar. Motorische Ausfälle waren ebenfalls nicht erkennbar.
Schließlich wurde auch die endokrine Orbitopathie mit Exophthalmus und Augenmuskelstörung beidseits korrekt beurteilt. Die gewählte Positionsnummer 11.01.03 der Anlage zur Einschätzungsverordnung betrifft Funktionsstörungen der Augenmuskulatur. Begründend führte die befasste Fachärztin für Augenheilkunde in Übereinstimmung mit den in der Positionsnummer genannten Kriterien aus, dass Doppelbilder beim Extremblick vorliegen. Diese Beurteilung deckt sich auch mit dem Befund eines Facharztes für Augenheilkunde vom 07.03.2015, welcher angibt, dass mit Korrektur der geringgradigen Kurzsichtigkeit und höhergradigen Stabsichtigkeit eine gute bzw. sehr gute Sehschärfe beider Augen möglich ist.
Hinsichtlich des vorgebrachten Lungenleidens führt der Sachverständige nachvollziehbar aus, dass - auch unter Berücksichtigung der fallweisen Einnahme des Medikaments Berodual-DA - weder eine chronisch obstruktive Lungenerkrankung noch ein Asthma bronchiale befundmäßig belegt ist.
Es ergibt sich sohin ein Gesamtgrad der Behinderung von 30 v.H. Der Grad der Behinderung der führenden Gesundheitsschädigung wird infolge des Fehlens eines wechselseitigen ungünstigen Zusammenwirkens, als auch aufgrund des Ausmaßes der übrigen Gesundheitsschädigungen, nicht weiter erhöht.
Die vom Beschwerdeführer am 15.11.2017 nachgereichten Befunde können aufgrund der Neuerungsbeschränkung nicht berücksichtigt werden. Diesbezüglich darf auf die Ausführungen in der rechtlichen Beurteilung verweisen werden.
Das Vorbringen des Beschwerdeführers im Rahmen der Beschwerde ist somit nicht geeignet, die vorliegenden Sachverständigengutachten zu entkräften und eine Änderung des Ermittlungsergebnisses herbeizuführen. Der Beschwerdeführer ist den Sachverständigengutachten im Rahmen der Beschwerde auch nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl im Zuge der Beschwerdeerhebung zu entkräften.
Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen folglich keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit der vorliegenden Sachverständigengutachten vom 22.09.2017. Diese werden daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A)
Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG), lauten auszugsweise:
"§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn
1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder
2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder
3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder
[...]
5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.
(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.
[...]
§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn
1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder
2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder
3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.
[...]
§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familiennamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
[...]
§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.
[...]
§ 46. Die Beschwerdefrist beträgt abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung beträgt zwölf Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden."
Mit der Novelle BGBl. I 57/2015 hat der Gesetzgeber für das Verfahren nach dem Bundesbehindertengesetz (§ 46 BBG) ein - eingeschränktes - Neuerungsverbot eingeführt, das in den Gesetzesmaterialien als "Neuerungsbeschränkung" bezeichnet wird. Nach dem im Beschwerdefall anwendbaren § 46 dritter Satz BBG dürfen in Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden.
Im Gesetzeswortlaut ("in Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht") kommt zum Ausdruck, dass die Neuerungsbeschränkung nicht für das Beschwerdeverfahren als Ganzes (d.h. einschließlich des behördlichen Beschwerdevorverfahrens), sondern erst ab dem Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht (ab Vorlage an das Bundesverwaltungsgericht und somit nicht bereits im behördlichen Beschwerdevorverfahren) gelten soll. Neuerungen, die bereits in der Beschwerde vorgebracht werden, sind daher von vornherein nicht von der Beschränkung erfasst (vgl. dazu auch den Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales 564 BlgNR 25. GP).
Befunde, die vom Beschwerdeführer nach dem 09.01.2017 vorgelegt wurden, dürfen somit nicht berücksichtigt werden.
Wie oben unter Punkt II.2. eingehend ausgeführt wurde, werden der gegenständlichen Entscheidung die schlüssigen Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin und einer Fachärztin für Augenheilkunde vom 22.09.2017 zu Grunde gelegt, wonach der Grad der Behinderung des Beschwerdeführers 30 v.H. beträgt. Die Gesundheitsschädigungen wurden in den Gutachten auch nach den Bestimmungen der Einschätzungsverordnung richtig eingestuft; diesbezüglich wird auch auf die obigen Ausführungen im Rahmen der Beweiswürdigung verwiesen. Wie ebenfalls bereits oben im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegt wurde, waren die im Rahmen der Beschwerde erhobenen unsubstantiierten Einwendungen nicht geeignet, die vorliegenden aktuellen Gutachten zu entkräften. Es ist daher davon auszugehen, dass der Grad der Behinderung des Beschwerdeführers zum aktuellen Entscheidungszeitpunkt 30 v. H. beträgt.
Mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 30 v. H. sind die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40 Abs. 1 BBG, wonach behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbstätigkeit von mindestens 50 v.H. ein Behindertenpass auszustellen ist, nicht erfüllt.
Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass bei einer späteren Verschlechterung des Leidenszustandes die neuerliche Einschätzung des Grades der Behinderung nach Maßgabe des § 41 Abs. 2 BBG in Betracht kommt.
Die Beschwerde war daher spruchgemäß abzuweisen.
Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Im gegenständlichen Fall wurde die Frage der Feststellung des Gesamtgrades der Behinderung unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen geprüft. Die strittigen Tatsachenfragen (Schmerzen, Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen) gehören dem Bereich zu, der vom Sachverständigen zu beleuchten ist. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund des vorliegenden, nicht substantiiert bestrittenen schlüssigen Sachverständigengutachtens geklärt, sodass im Sinne der Judikatur des EGMR und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.12.2013, Zl. 2011/11/0180) eine mündliche Verhandlung nicht geboten war. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG nicht entgegen. Im vorliegenden Fall wurde darüber hinaus seitens beider Parteien eine mündliche Verhandlung nicht beantragt (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.12.2013, Zl. 2011/11/0180 mit weiterem Verweis auf die Entscheidung des EGMR vom 21.03.2002, Nr. 32.636/96). All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.
Zu Spruchteil B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden, noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.
Schlagworte
Behindertenpass, Grad der Behinderung, SachverständigengutachtenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W255.2144142.1.00Zuletzt aktualisiert am
06.04.2018