TE Vwgh Erkenntnis 2000/4/7 98/21/0034

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Veröffentlicht am 07.04.2000
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §7 Abs3;
FrG 1993 §15 Abs1;
FrG 1993 §82 Abs1 Z4;
VwGG §30 Abs2;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Paal, über die Beschwerde des SD in Wien, geboren am 3. Juli 1968, vertreten durch Dr. Andreas Cwitkovits, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Reichsratsstraße 11, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 20. Oktober 1997, Zl. UVS-03/P/43/00332/97, betreffend Bestrafung wegen Übertretung des Fremdengesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien vom 23. Dezember 1996 wurde über den Beschwerdeführer wegen Übertretung des § 15 Abs. 1 iVm § 82 Abs. 1 Z. 4 Fremdengesetz - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, gemäß § 82 Abs. 1 leg. cit. eine Geldstrafe in der Höhe von S 1.500,--, Ersatzfreiheitsstrafe 3 Tage, verhängt, weil er sich vom 28. März 1996 bis 23. Oktober 1996 an einer näher bezeichneten Anschrift in Wien als Fremder, ohne im Besitz eines gültigen Sichtvermerkes, einer Aufenthaltsbewilligung nach dem Asylgesetz oder einer gültigen Bewilligung gemäß § 1 des Aufenthaltsgesetzes zu sein, somit nicht rechtmäßig, im Bundesgebiet aufgehalten habe, obwohl er einen Sichtvermerk bzw. eine Aufenthaltsbewilligung benötigt hätte.

Der gegen dieses Straferkenntnis erhobenen Berufung gab der Unabhängige Verwaltungssenat Wien (die belangte Behörde) mit Bescheid vom 20. Oktober 1997 insoweit Folge, als die verhängte Strafe auf S 800,--, Ersatzfreiheitsstrafe 1 Tag, herabgesetzt wurde; im Übrigen wurde der Berufung keine Folge gegeben.

Begründend führte die belangte Behörde aus, dass der Beschwerdeführer bis zur rechtskräftigen Entscheidung über seinen Asylantrag durch den Bundesminister für Inneres mit Bescheid vom 20. März 1996, zugestellt am 27. März 1997 (gemeint: 27. März 1996), gemäß § 7 Asylgesetz 1991 (AsylG) zum vorläufigen Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt gewesen sei. Dass der Beschwerdeführer nach dieser Entscheidung einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung oder eines Sichtvermerkes eingebracht habe, lasse der Akteninhalt nicht erkennen. Die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof könne eine solche Bewilligung ebenso wenig ersetzen wie die Inskription oder Immatrikulation an einer österreichischen Universität. Damit korrespondiere die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach weder der Antrag auf Erteilung eines Sichtvermerkes noch auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz die Erteilung eines Sichtvermerkes bzw. einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz zu ersetzen vermöge. Daher könne weder die Stellung des Antrages auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung noch die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof gegen den einen solchen Antrag abweisenden Bescheid die Rechtswirkung einer Aufenthaltsbewilligung verschaffen.

Da der Beschwerdeführer weder im Besitz eines Sichtvermerkes oder einer Bewilligung gemäß § 1 Aufenthaltsgesetz gewesen, noch ihm eine Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz zugekommen sei, sei die objektive Tatseite als erfüllt anzusehen. Er habe weder im erstinstanzlichen Verfahren noch in der Berufung irgendein Vorbringen erstattet, welches geeignet gewesen wäre, ein mangelndes Verschulden glaubhaft zu machen. Die subjektive Tatseite der Verwaltungsübertretung sei daher gleichfalls erwiesen.

Im Hinblick auf die unterdurchschnittlichen Einkommensverhältnisse des Beschwerdeführers sei die von der erstinstanzlichen Behörde verhängte Strafe spruchgemäß zu reduzieren gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seine Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

In seiner mit 16. Jänner 1997 datierten Berufung gegen das erstinstanzliche Straferkenntnis räumte der Beschwerdeführer ein, dass sein Asylantrag "zweitinstanzlich negativ beschieden" worden sei. Er führte jedoch weiter aus, dass er "dagegen" Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof erhoben und die aufschiebende Wirkung beantragt habe; darüber sei "bisher" noch nicht entschieden worden; es sei jedoch zu erwarten, dass die aufschiebende Wirkung gewährt werde.

Auf diese in der Berufung genannte Beschwerde gegen den den Asylantrag des Beschwerdeführers abweisenden Bescheid bezieht sich die belangte Behörde offenkundig, wenn sie schlichtweg ausführt, die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof vermöge "eine solche Bewilligung" (nach dem Aufenthaltsgesetz) nicht zu ersetzen. Indem sie vermeinte, von Ermittlungen Abstand nehmen zu können, ob dieser Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt worden sei, verkannte sie die Rechtslage.

Die belangte Behörde ging davon aus, dass dem Beschwerdeführer bis 27. März 1996 (bis zur Zustellung des seinen Asylantrag abweisenden Bescheides des Bundesministers für Inneres) gemäß § 7 AsylG ein asylrechtliches vorläufiges Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet zugekommen sei. Ein derartiges Aufenthaltsrecht lebt wieder auf, wenn einer Beschwerde gegen den negativen Asylbescheid an die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts die aufschiebende Wirkung zuerkannt wird. Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer in seiner Berufung vom 16. Jänner 1997 vorgebracht, dass er gegen den Asylbescheid Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben und mit dieser Beschwerde den Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gestellt habe. Die genannte Beschwerde, hg. eingelangt am 3. Dezember 1996, wurde zur Zl. 96/01/1101 protokolliert. Wie sich dem Akt entnehmen lässt, wurde dem Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, mit Beschluss vom 23. Dezember 1996, Zl. AW 96/01/0807, stattgegeben; die Zustellung dieses Beschlusses an die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens erfolgte am 24. Februar 1997. Im Hinblick darauf, dass die belangte Behörde den hier bekämpften Berufungsbescheid ihrerseits erst am 30. Oktober 1997 erlassen hat, kommt diesem Umstand für das gegenständliche Strafverfahren, dem der Vorwurf eines unrechtmäßigen Aufenthaltes im Bundesgebiet für den Zeitraum vom 28. März 1996 bis 23. Oktober 1996 zugrunde liegt, entscheidungsrelevante Bedeutung zu. Mit Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung durch den Verwaltungsgerichtshof im Beschwerdeverfahren über den den Asylantrag abweisenden Bescheid wurde nämlich der Eintritt der Rechtswirkungen dieses Bescheides insgesamt - damit insbesondere auch das Erlöschen der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung nach § 7 Abs. 3 AsylG - hinausgeschoben; er vermochte vorläufig überhaupt keine Rechtswirkungen zu entfalten. Damit hatten aber auch bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes über die Beschwerde gegen den den Asylantrag abweisenden Bescheid alle Maßnahmen, die bis zu diesem Zeitpunkt auf Grund der rechtskräftigen Abweisung des Asylantrages zulässig waren, zu unterbleiben, u.a. also die Bestrafung des Beschwerdeführers wegen unrechtmäßigen Aufenthaltes im Bundesgebiet (siehe zu den Konsequenzen einer durch den Verwaltungsgerichtshof bewilligten aufschiebenden Wirkung im vergleichbaren Fall der Bestrafung wegen einer Übertretung des § 82 Abs. 1 Z. 1 FrG die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes vom 10. Juni 1999, B 1575/98, und vom 30. September 1999, B 309/99; vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 24. März 2000, Zl. 97/21/0610).

Indem die belangte Behörde demgegenüber das erstinstanzliche Straferkenntnis in der Schuldfrage bestätigte, ohne dem durch das Vorbringen des Beschwerdeführers hinreichend ins Spiel gebrachten Gesichtspunkt der aufschiebenden Wirkung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren über den Asylbescheid Bedeutung zuzumessen - der Beschwerdeführer konnte das Ergebnis seines darauf abzielenden Antrages im Hinblick auf die Zustellung des die aufschiebende Wirkung bewilligenden Beschlusses am 24. Februar 1997 in seiner Berufung vom 16. Jänner 1997 nicht vorwegnehmen -, hat sie ihren Bescheid mit einem sekundären Verfahrensmangel belastet. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Wien, am 7. April 2000

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1998210034.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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