TE Vwgh Erkenntnis 2018/3/19 Ra 2017/17/0871

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Veröffentlicht am 19.03.2018
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
34 Monopole;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

B-VG Art133 Abs4;
GSpG 1989 §3;
GSpG 1989 §4;
GSpG 1989 §50 Abs4;
GSpG 1989 §52 Abs1 Z5;
VwGVG 2014 §44 Abs5;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky und die Hofrätinnen Mag.a Nussbaumer-Hinterauer sowie Dr. Koprivnikar als Richterinnen bzw. Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sowa, über die Revision des Bundesministers für Finanzen in 1010 Wien, Johannesgasse 5, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 25. August 2017, LVwG- 411453/4/Gf/Mu, betreffend Übertretung des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht:

Landespolizeidirektion Oberösterreich; mitbeteiligte Partei: B S in S, vertreten durch Dr. Fabian Alexander Maschke, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Dominikanerbastei 17/Top 11), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Begründung

1 Mit Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 5. April 2016 wurde die Mitbeteiligte der Verletzung der Mitwirkungspflicht durch Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 5 iVm § 50 Abs. 4 Glücksspielgesetz (GSpG) schuldig erkannt und über sie eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 1.000,-- sowie eine Ersatzfreiheitsstrafe verhängt.

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis hob das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich das Straferkenntnis auf und stellte das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 38 VwGVG iVm.

§ 45 Abs. 1 Z 1 VStG ein. Weiters sprach es aus, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig sei.

3 Das Landesverwaltungsgericht traf zur Beurteilung der Vereinbarkeit von Regelungen des Glücksspielgesetzes mit Art. 56 AEUV ausführliche Feststellungen und gelangte nach umfangreicher Auseinandersetzung mit der vorgebrachten Unionsrechtswidrigkeit des Glücksspielgesetzes rechtlich zum Ergebnis, dass das in den §§ 3 ff GSpG normierte System des Glücksspielmonopols deshalb in Art. 56 AEUV keine Deckung finde und somit dem Unionsrecht widerspreche, weil es nicht auf einem durch die Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) anerkannten zwingenden Grund des Allgemeininteresses - wie etwa dem Spielerschutz und der Suchtvorbeugung oder der Kriminalitätsbekämpfung - basiere, sondern primär der Sicherung einer verlässlich kalkulierbaren Quote an Staatseinnahmen diene. Darüber hinaus seien die konkrete Ausgestaltung des Monopolsystems und die den staatlichen Behörden zur Abwehr von Beeinträchtigungen dieses Monopols gesetzlich übertragenen Eingriffsermächtigungen insbesondere mangels der gänzlich fehlenden Notwendigkeit einer vorhergehenden richterlichen Ermächtigung jeweils unverhältnismäßig.

4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Amtsrevision des Bundesministers für Finanzen (BMF). Die Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung und beantragte Kostenersatz.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

5 Soweit in der Revision des BMF zur Zulässigkeit geltend gemacht wird, das LVwG sei von näherer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes zur Beurteilung der Unionsrechtskonformität abgewichen, ist auszuführen, dass der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung die Auffassung vertritt, dass eine Kontrolle nach § 50 Abs. 4 GSpG grundsätzlich der Überwachung der Bestimmungen des Glücksspielgesetzes und nicht nur ausschließlich der Überwachung der Einhaltung des in den §§ 3 und 4 GSpG normierten Glücksspielmonopols dient. Sinn und Zweck einer Kontrolle gemäß § 50 Abs. 4 GSpG ist es, einen Sachverhalt festzustellen, der die Beurteilung ermöglicht, ob die Bestimmungen des GSpG und nicht nur jene das Glücksspielmonopol des Bundes betreffenden Bestimmungen eingehalten werden (vgl. VwGH 19.12.2016, Ra 2016/17/0038, mwN).

6 Eine Unionsrechtswidrigkeit des Glücksspielmonopols des Bundes und eine etwa daraus folgende Unanwendbarkeit der entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen des GSpG, insbesondere der sich darauf beziehenden Strafbestimmungen des § 52 Abs. 1 GSpG würde daher nicht zwangsläufig die Rechtswidrigkeit einer Kontrolle gemäß § 50 Abs. 4 GSpG und ein unionsrechtlich begründetes Anwendungsverbot des § 52 Abs. 1 Z 5 GSpG bewirken (vgl. dazu VwGH 30.6.2017, Ra 2017/17/0205). Fragen der Unionsrechtswidrigkeit der Bestimmungen des GSpG stellen sich daher im vorliegenden Verfahren nicht, weshalb ein Abweichen des LVwG von der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Beurteilung der Unionsrechtskonformität (insbesondere VwGH 16.3.2016, Ro 2015/17/0022) im hier vorliegenden Zusammenhang keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufzuwerfen vermag (vgl. dazu VwGH 6.7.2017, Ra 2017/17/0451).

7 Eine Abweichung der Entscheidung des LVwG von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Unbeachtlichkeit der Beurteilung der Unionsrechtswidrigkeit in Verfahren gemäß § 52 Abs. 1 Z 5 GSpG wird vom BMF nicht geltend gemacht (vgl. VwGH 22.11.2017, Ra 2016/17/0302-0303). Insofern wird daher keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt.

8 Hinsichtlich des Vorbringens, es liege eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor, weil das LVwG entgegen der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes keine mündliche Verhandlung durchgeführt habe, obwohl die Parteien nicht verzichtet hätten, ist die Revision jedoch zulässig und berechtigt.

9 Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen hat, stellt die Verletzung der Verhandlungspflicht bzw. des Unmittelbarkeitsgrundsatzes einen Verstoß gegen tragende Verfahrensgrundsätze bzw. eine konkrete schwerwiegende Verletzung von Verfahrensvorschriften dar und bildet so in der Regel eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung (vgl. VwGH 5.4.2017, Ra 2017/04/0028).

10 Das LVwG hat im vorliegenden Fall keine mündliche Verhandlung durchgeführt.

11 Gegenstand des Beschwerdeverfahrens war der gegen die Mitbeteiligte erhobene Vorwurf, eine Übertretung des GSpG zu verantworten zu haben, sodass im Hinblick auf die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung § 44 VwGVG anzuwenden war. Die Mitbeteiligte hatte in ihrer Beschwerde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung ausdrücklich beantragt.

12 Das LVwG hat gemäß § 44 Abs. 1 VwGVG grundsätzlich eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. In den Abs. 2 bis 5 leg. cit. finden sich Ausnahmen von der Verhandlungspflicht. Ein Absehen von der Verhandlung wäre daher nach dieser Bestimmung zu beurteilen und zu begründen gewesen.

13 Das LVwG führt aus, dass sich die "Verfahrensparteien" auf Nachfrage des LVwG nicht zu einem Verzicht auf die Durchführung der mündlichen Verhandlung geäußert hätten. Damit kann der Entfall der Verhandlung jedoch nicht begründet werden: Durch die Wortfolge "wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten" in § 44 Abs. 5 VwGVG wurde vom Gesetzgeber klargestellt, dass es hiebei auf eine ausdrückliche Willenserklärung der Parteien ankommt. Ein bloßes Schweigen auf die Anfrage des LVwG vom 21. Juni 2017 reicht somit nicht aus, einen solchen ausdrücklichen Verzicht annehmen zu können (so schon VwGH 16.9.1999, 99/01/0182 zu § 67d Abs. 5 AVG).

14 Ein ausdrücklicher Verzicht auf die Durchführung einer Verhandlung (im Sinn des § 44 Abs. 5 VwGVG) von allen Parteien des Verfahrens liegt somit nicht vor.

15 Indem das LVwG die Durchführung der mündlichen Verhandlung unterlassen hat, erweist sich das angefochtene Erkenntnis als rechtswidrig infolge der Verletzung von Verfahrensvorschriften, weshalb es gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben war.

16 Der Mitbeteiligten steht bei diesem Ergebnis gemäß § 47 Abs. 3 VwGG kein Anspruch auf Kostenersatz zu.

Wien, am 19. März 2018

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017170871.L00

Im RIS seit

06.04.2018

Zuletzt aktualisiert am

27.06.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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