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19/05 Menschenrechte;Norm
FrG 1993 §37 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Rosenmayr, Dr. Pelant und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Paal, über die Beschwerde des 1969 geborenen AXA, vertreten durch Dr. Peter Hajek, Rechtsanwalt in 7000 Eisenstadt, Blumengasse 5, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Burgenland vom 25. März 1996, Zl. Fr-121/96, betreffend Feststellung gemäß § 54 Abs. 1 Fremdengesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.950,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die vorliegende Beschwerde ist gegen einen im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Burgenland (der belangten Behörde) vom 25. März 1996 gerichtet, mit dem gemäß § 54 Abs. 1 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, festgestellt wurde, dass keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestünden, dass der Beschwerdeführer, ein Staatsbürger von Somalia, in diesem Staat gemäß § 37 Abs. 1 und 2 FrG bedroht sei. Die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Somalia sei zum gegenwärtigen Zeitpunkt zulässig.
Diese Entscheidung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass der Beschwerdeführer am 29. Dezember 1995 vor dem Bundesasylamt (bloß) vorgebracht habe, Somalia deswegen verlassen zu haben, weil in diesem Land derzeit Bürgerkrieg herrschte und für ihn ein geordnetes Leben nicht mehr möglich wäre. Er hätte Angst gehabt, bei den verschiedenen Kämpfen, zu welchen es zwischen den rivalisierenden Bürgerkriegsparteien gekommen wäre, sein Leben zu verlieren. Außerdem wäre die medizinische Versorgung schlecht, herrschte in Somalia Hungersnot und wäre es auch nicht möglich, dort einer geregelten Arbeit nachzugehen. Er gehörte dem Stamm der "Shiikhaal" an, der ein religiöser Stamm wäre und nähme daher nicht an diesen Kämpfen teil. Jedoch wäre er den negativen Auswirkungen des Bürgerkrieges ausgesetzt. Der Beschwerdeführer habe in seiner Berufung vorgebracht, dass er durch entsprechende Befragung in der Lage gewesen wäre, die Gründe, die ihn zur Stellung seines Antrages gemäß § 54 Abs. 1 FrG bewogen hätten, ausführlich darzulegen; diese Gelegenheit wäre ihm jedoch nicht geboten, sondern ihm stattdessen eine Frist von einer Woche gesetzt worden, um seinen Antrag zu konkretisieren. Dem sei entgegenzuhalten, dass der Beschwerdeführer bereits seit dem 25. Jänner 1996 einen Rechtsanwalt mit seiner Vertretung bevollmächtigt hätte. Ein Vertreter der Kanzlei des Rechtsanwaltes habe der niederschriftlichen Einvernahme des Beschwerdeführers vor der Behörde erster Instanz am 27. Februar 1996 beigewohnt.
Der Hinweis des Beschwerdeführers auf die allgemeinen Zustände in Somalia, internationale Presseberichte und entsprechende Lageberichte des UNHCR seien nicht geeignet, die Glaubhaftmachung von Gefahren im Sinne des § 37 FrG für seine Person zu bewirken, weil Ausführungen und Berichte über die allgemeine (politische) Situation bzw. Menschenrechtslage in Somalia, die in keinem konkreten Zusammenhang mit dem individuellen Vorbringen des Beschwerdeführers stünden, nicht geeignet seien, konkrete gegen ihn persönlich gerichtete staatliche Maßnahmen darzutun. Voraussetzung für das Vorliegen einer der Gründe im Sinn des § 37 Abs. 1 oder 2 FrG sei es nämlich, dass den vom Beschwerdeführer vorgebrachten Argumenten entnommen werden könne, er müsse eine konkrete, individuell gegen ihn gerichtete Verfolgung befürchten. Der Beschwerdeführer habe darauf verwiesen, dass die Vereinten Nationen ihre letzten Soldaten aus Somalia nach dem Scheitern der eingeleiteten Friedensoperation im März 1995 abgezogen hätten, worauf sich die rivalisierenden Clans wiederum bekämpften und hiedurch Hunderte unbewaffnete Zivilisten nur wegen der Zugehörigkeit zu bestimmten Clans bzw. zu politischen Gruppierungen willkürlich getötet worden wären. Aus diesem Grund hätte der UNHCR im Februar 1995 empfohlen, zurzeit keine Abschiebungen nach Somalia durchzuführen. Der Beschwerdeführer habe ein Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtes Regensburg zitiert, demzufolge in Somalia derzeit keine funktionierende Staatsgewalt bestünde, und jeder Somali mit einer erheblichen Gefährdung seiner physischen Integrität bzw. mit seinem Leben rechnen müsste, sodass eine Abschiebung in dieses Land derzeit nicht zulässig wäre. Hiebei handle es sich jedoch nach Ansicht der belangten Behörde um eine bloße Vermutung, also um rein subjektiv empfundene Furcht, die der Beschwerdeführer durch keinerlei Anhaltspunkte für konkret gegen ihn gerichtete oder geplante Verfolgungshandlungen habe untermauern können.
In der Beschwerde wird die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften beantragt.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Verfahren gemäß § 54 Abs. 1 FrG ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vom Antragsteller mit konkreten, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerten Angaben das Bestehen einer aktuellen, also im Fall seiner Abschiebung in den im Antrag genannten Staat dort gegebenen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abwendbaren Bedrohung im Sinn des § 37 Abs. 1 oder 2 FrG glaubhaft zu machen und von der Behörde das Vorliegen konkreter Gefahren für jeden einzelnen Fremden für sich zu prüfen. Ebenso wie im Asylverfahren ist auch bei der Beurteilung des Vorliegens einer Gefahr gemäß § 37 Abs. 1 und 2 FrG im Verfahren gemäß § 54 FrG die konkrete Einzelsituation in ihrer Gesamtheit, gegebenenfalls vor dem Hintergrund der allgemeinen Verhältnisse, in Form einer Prognose für den gedachten Fall der Abschiebung des Antragstellers in diesen Staat zu beurteilen. Für diese Beurteilung ist nicht unmaßgeblich, ob etwa allenfalls gehäufte Verstöße der in § 37 Abs. 1 FrG umschriebenen Art durch den genannten Staat bekannt geworden sind. (Vgl. etwa das Erkenntnis vom 9. September 1999, Zl. 95/21/1034, m. w.N.)
Der Verwaltungsgerichtshof hat weiters ausgesprochen, dass im Rahmen eines Antrages gemäß § 54 FrG beachtlich wäre, wenn eine in einem Land gegebene Bürgerkriegssituation dazu führt, dass keine ausreichend funktionierende Ordnungsmacht mehr vorhanden und damit zu rechnen ist, dass ein dorthin abgeschobener Fremder - auch ohne Zugehörigkeit zu einer bestimmten Bürgerkriegspartei oder verfolgten Bevölkerungsgruppe - mit erheblicher Wahrscheinlichkeit der im § 37 Abs. 1 umschriebenen Gefahr (im gesamten Staatsgebiet) unmittelbar ausgesetzt würde. Dies wäre insbesondere dann der Fall, wenn auf Grund der bewaffneten Auseinandersetzungen eine derart extreme Gefahrenlage besteht, dass praktisch jedem, der in diesen Staat abgeschoben wird, Gefahren für Leib und Leben in einem Maß drohen, dass die Abschiebung im Licht des Art. 3 EMRK unzulässig erschiene. Dies ergebe sich schon daraus, dass der Abs. 1 des § 37 FrG der Konkretisierung des durch Art. 3 EMRK verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes diene. Ansatzpunkt im Sinn des Art. 3 EMRK sei die konkrete Gefahr für den Fremden, in dem Land, in das er abgeschoben werden soll, Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen zu werden. (Vgl. etwa das Erkenntnis vom 26. Juni 1997, Zl. 95/21/0294, m.w.N.)
Dies verkannte die belangte Behörde, wenn sie unabhängig von der vom Beschwerdeführer im Fall seiner Abschiebung behaupteten konkreten Gefährdung seines Lebens annahm, dass die allgemeinen Gefahren eines Bürgerkrieges, denen alle Bewohner in einem bestimmten Gebiet ausgesetzt seien, deshalb nicht relevant im Sinne des § 37 Abs. 1 FrG seien, weil sie keine individuelle Verfolgung darstellten, und wenn sie sich mit den vom Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren gegebenen Hinweisen betreffend die Einschätzung der Situation in Somalia durch UNHCR und amnesty international nicht auseinander setzte.
Nach dem Gesagten war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Wien, am 7. April 2000
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1996210312.X00Im RIS seit
22.11.2000