TE Vwgh Erkenntnis 2000/4/7 96/21/0981

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Veröffentlicht am 07.04.2000
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AVG §13 Abs3;
AVG §33 Abs3;
AVG §68 Abs1;
B-VG Art8;
FrG 1993 §54 Abs1;
FrG 1993 §54 Abs2;
VwRallg;
ZustG §14;
ZustG §2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Rosenmayr, Dr. Pelant und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Paal, über die Beschwerde des AAMS, geboren am 5. November 1966, vertreten durch Dr. Peter Hajek, Rechtsanwalt in 7000 Eisenstadt, Blumengasse 5, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Burgenland vom 22. Oktober 1996, Zl. Fr-517/96, betreffend Zurückweisung eines Antrages gemäß § 54 Abs. 1 Fremdengesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die belangte Behörde hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Aus dem Inhalt der Verwaltungsakten und der Beschwerde ergibt sich folgender Sachverhalt: Die Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See wies den Beschwerdeführer mit Bescheid vom 15. Juni 1996 gemäß § 17 Abs. 2 Z. 6 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, aus dem Bundesgebiet aus. Dieser Bescheid wurde von dem in Schubhaft befindlichen Beschwerdeführer am 15. Juni 1996 persönlich übernommen. Am 1. Juli 1996 übergab der Beschwerdeführer im Polizeigefangenenhaus der Bundespolizeidirektion Eisenstadt einen Schriftsatz, welcher als Antrag gemäß § 54 Abs. 1 FrG auf Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung in den Irak zu werten ist. Diese in arabischer Sprache verfasste Eingabe erhielt von der Bundespolizeidirektion Eisenstadt den Eingangsvermerk "1. Juli 1996". Diese Behörde veranlasste eine Übersetzung der Eingabe und übermittelte sie der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See, wo sie am 18. Juli 1996 einlangte.

Die letztgenannte Behörde stellte mit dem am 23. September 1996 zugestellten Bescheid gemäß § 54 Abs. 1 FrG fest, es bestünden keine stichhaltigen Gründe für die Annahme, dass der Beschwerdeführer im Irak Gefahr laufe, dort einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe im Fall der Abschiebung unterworfen zu werden. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 22. Oktober 1996 gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge und änderte den erstinstanzlichen Bescheid dahingehend ab, dass der Feststellungsantrag gemäß § 54 Abs. 2 leg. cit. als unzulässig zurückgewiesen werde.

Begründend führte sie im Wesentlichen aus, die Rechtsmittelfrist gegen den Ausweisungsbescheid habe am 1. Juli 1996 geendet. An diesem Tag sei somit das Ausweisungsverfahren rechtskräftig abgeschlossen worden. Ein Anbringen (gegenständlich jenes vom 1. Juli 1996) könne, wenn es nicht mit der Post übersendet werde, zu dem Zeitpunkt als eingebracht gelten, in dem es bei der zuständigen Behörde eingelangt ist. Da dies erst mehr als zwei Wochen nach rechtskräftigem Abschluss des Ausweisungsverfahrens erfolgt sei, sei der gegenständliche Antrag als unzulässig zurückzuweisen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aufzuheben.

Die belangte Behörde legte unter Verzicht auf die Erstattung

einer Gegenschrift die Verwaltungsakten vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 54 Abs. 2 FrG kann der Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung in einen bestimmten Staat nur während des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes eingebracht werden. Der Verwaltungsgerichtshof sprach bereits im Erkenntnis vom 11. November 1993, Zl. 93/18/0472, aus, dass der genannte Antrag bis zum rechtskräftigen Abschluss eines Ausweisungsverfahrens oder eines Verfahrens zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes, also auch noch im Rahmen des Verfahrens der zweiten Instanz, zulässig ist. Vorliegend trat die Rechtskraft des Ausweisungsbescheides mit (fruchtlosem) Ablauf der Berufungsfrist, somit mit Ablauf des 1. Juli 1996, ein. Dieser Tag (ein Montag) war somit der letzte, an dem zulässigerweise ein Antrag nach § 54 Abs. 1 FrG gestellt werden konnte.

An diesem Tag übergab der Beschwerdeführer einen in arabischer Sprache verfassten Antrag der Anstaltsleitung des polizeilichen Gefangenenhauses. Dadurch wurde die Frist des § 54 Abs. 2 FrG gewahrt, und es ist der folgende Versendungsvorgang dem in die Frist nicht einzurechnenden Postlauf zuzuordnen. Der Gerichtshof sprach bereits im Erkenntnis vom 18. Juni 1984, Slg. 11.473/A, aus, dass die Übergabe einer Sendung an die Leitung eines Gefangenenhauses als Postaufgabe zu werten ist. Gemäß § 43 Abs. 2 VwGG wird auf die Begründung dieses Erkenntnisses verwiesen. (Vgl. dazu auch das Erkenntnis vom 18. Dezember 1996, Zl. 96/18/0349.)

Nach dem Gesagten nahm die belangte Behörde in Verkennung der Rechtslage an, dass der Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung in den Irak nicht innerhalb der Frist des § 54 Abs. 2 FrG gestellt worden sei und belastete somit den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Er war deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 7. April 2000

Schlagworte

Formgebrechen behebbare Amtssprache Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3 Rechtsgrundsätze Fristen VwRallg6/5

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1996210981.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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