Entscheidungsdatum
21.03.2018Norm
BBG §40Spruch
W238 2179193-1/6E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Claudia MARIK als Vorsitzende und die Richterin Mag. Julia JERABEK sowie den fachkundigen Laienrichter Dr. Ludwig RHOMBERG als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 09.11.2017, OB XXXX , betreffend Abweisung des Antrags auf Ausstellung eines Behindertenpasses zu Recht erkannt:
A) Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG, §§ 1 Abs. 2, 40 Abs. 1 und 2, 41 Abs. 1, 42 Abs. 1 und 2 sowie 45 Abs. 1 und 2 BBG Folge gegeben und der angefochtene Bescheid wie folgt abgeändert:
Mit einem festgestellten Grad der Behinderung von fünfzig von Hundert (50 v.H.) erfüllt XXXX die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses, sodass ihrem darauf gerichteten Antrag vom 22.08.2017 stattzugeben ist.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Die Beschwerdeführerin beantragte am 22.08.2017 unter Vorlage medizinischer Beweismittel die Ausstellung eines Behindertenpasses.
2. Seitens des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien (im Folgenden als belangte Behörde bezeichnet), wurde daraufhin ein Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin eingeholt. In dem - auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 06.11.2017 erstatteten - Gutachten vom 07.11.2017 wurden als Ergebnis der Begutachtung die Funktionseinschränkungen der Leidensposition
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden
Pos.Nr.
GdB%
1
Depressive und bipolare Störungen 2 Stufen über dem unteren Rahmensatz, da stabilisiertes Zustandsbild
03.06.01
30
zugeordnet und
nach der Einschätzungsverordnung ein Gesamtgrad der Behinderung von 30 v.H. festgestellt. Im Gutachten wurde ausgeführt, dass die diagnostizierte Adipositas zwar einen Risikofaktor darstelle, jedoch keinen Grad der Behinderung begründe. Es handle sich um einen Dauerzustand.
3. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 09.11.2017 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß §§ 40, 41 und 45 BBG abgewiesen, da die Beschwerdeführerin mit dem festgestellten Grad der Behinderung von 30 v.H. die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht erfülle. In der Begründung verwies die belangte Behörde auf das eingeholte ärztliche Sachverständigengutachten, wonach der Grad der Behinderung 30 v.H. betrage. Das dem Bescheid zugrunde gelegte Sachverständigengutachten wurde der Beschwerdeführerin als Beilage des Bescheides übermittelt.
4. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde. Begründend wurde darin insbesondere ausgeführt, dass die Schwere ihrer psychischen Erkrankung nicht voll erfasst worden sei. Sie leide seit 1985 an einer bipolaren Störung mit psychotischen Symptomen. Es habe mehrere stationäre Aufhalte gegeben. Im Rahmen der Erkrankung habe sie auch mehrere Suizidversuche unternommen, weshalb sie jahrelang ambulant vom psychosozialen Dienst betreut worden sei. Seit 2017 sei es zu einer Verschlechterung der Erkrankung gekommen. Ihr Antrieb, ihre Konzentration und ihre Leistungsfähigkeit seien trotz Behandlung eingeschränkt. Der Beschwerde wurden diverse Befunde beigelegt.
5. Die Beschwerde und der bezughabende Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht seitens der belangten Behörde am 11.12.2017 vorgelegt.
6. Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes wurde in weiterer Folge eine Begutachtung der Beschwerdeführerin durch eine Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie veranlasst. In dem daraufhin auf Basis einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin erstellten Sachverständigengutachten vom 09.01.2018 führte die befasste Sachverständige auszugsweise Folgendes aus (Wiedergabe ergänzt um die zugehörigen Fragestellungen des Bundesverwaltungsgerichtes):
"Neurologischer Status:
Im Kopf- und im Hirnnervenbereich keine Auffälligkeiten. Keine Halbseitenzeichen. Seitengleiche Verhältnisse bezüglich Tonus, Kraft, Sensibilität und Reflexe. Keine pathologischen Reflexe. Sämtliche Koordinationsversuche regelrecht. Romberg, Unterberger, Zehen- und Fersenstand unauffällig. Gangbild unauffällig.
Psychischer Status:
Bewusstseinsklar und allseits orientiert. Keine Denkstörungen. Unter medikamentöser Therapie keine psychotische Symptomatik. Konzentration, Aufmerksamkeit und Merkfähigkeit regelrecht. Gedankenductus regelrecht. Befindlichkeit ausgeglichen, freundlich kooperativ. In alle Richtungen gut mitschwingend. Stabil. Keine Suizidalität. Einzig oft müde und erschöpft. Weniger leistungsfähig als früher. Braucht mehr Pausen als früher. Weniger belastbar als früher. Oft antriebsloser als früher. Muss sich ihre Kraft und ihre Zeit besser einteilen als früher. Fallweise schlafgestört.
Beantwortung der gestellten Fragen:
1. Gesonderte Einschätzung des Grades der Behinderung für jede festgestellte Gesundheitsschädigung:
Bipolar affektive Erkrankung
Position 03.06.02
50 %
Unterer Rahmensatz, da Arbeitsleistung und soziale Einschränkungen gegeben und keine vollständige Remission trotz adäquater Therapie.
2. Einschätzung und Begründung des Gesamtgrades der Behinderung, wobei auch auf eine allfällige Erhöhung durch wechselseitige Leidensbeeinflussung eingegangen werden möge:
Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 50 %.
3. Stellungnahme, ab wann der Gesamtgrad der Behinderung anzunehmen ist (ab Antrag - 22.08.2017? Wenn später, bitte begründen):
Der Gesamtgrad der Behinderung ist ab Antragstellung anzunehmen.
4. Stellungnahme zu den im Verwaltungsverfahren vorgelegten
Unterlagen und Befunden:
Krankengeschichten Otto Wagner Spital, Deckblatt, mit
Entlassungsdatum 20.9.2001: Aus diesem Deckblatt geht erstens die Diagnose: ‚schizoaffektive Psychose' hervor und zweitens insgesamt 5 stationäre Aufenthalte von 1993 bis 2001 von kürzestens 2 Tagen bis längstens 38 Tagen Aufenthalt.
Stationärer Aufenthalt Toxikologische Intensivstation wegen Suizidversuch mit Alkohol und Psychopharmaca am 3.4.1992
Patientenbrief Otto Wagner Spital vom 6.12.2011: Stationär vom 19.11.2011 bis 6.12.2011 unter der Diagnose bipolare affektive Störung, gegenwärtig schwere depressive Episode. Status post Suizidversuch 1991 und 2001, Status post Subduralhämatom.
Patientenblatt über stationärer Aufnahme am 2.8.1989 unter der Diagnose ‚schizophrene Psychose'/'schizoaffektive Psychose' bis zum 7.8.1989
Arztbrief Otto Wagner Spital vom 13.2.2002 über 3. Aufenthalt vom 11.9.2001 bis zum 13.2.2002
Aus allen Befunden gehen die Schwere der Erkrankung und die daraus resultierende Berechtigung der Zuordnung unter Position 03.06.02 und der Einstufung mit 50 % hervor.
5. Stellungnahme zu den Einwendungen in der Beschwerde:
Den Ausführungen der Beschwerdeführerin, wie sie sie in ihrem Schreiben vom 24.11.2017 anschaulich und nachvollziehbar darstellt, ist Recht zu geben.
6. Stellungnahme zu den im Rahmen der Beschwerde vorgelegten Befunden:
Siehe unter 4.
7. Begründung zu einer allfälligen zum angefochtenen Sachverständigengutachten vom 07.11.2017 abweichenden Beurteilung:
Wie auch Beschwerdeführerin anführt, ist die Gutachterin vom 6.11.2017 Allgemeinmedizinerin und hat daher die Schwere der psychischen Erkrankung von Frau XXXX nicht entsprechend eingeschätzt. Aus nervenfachärztlicher Sicht liegt aufgrund der Diagnose doch eine so große Einschränkung der Leistungsfähigkeit vor, dass die geänderte Positionsnummer und daher auch die geänderte Einstufung gerechtfertigt erscheinen.
8. Stellungnahme, ob bzw. wann eine Nachuntersuchung erforderlich ist:
Eine Nachuntersuchung ist nicht erforderlich."
7. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 05.02.2018 wurden die Beschwerdeführerin und die belangte Behörde über das Ergebnis der Beweisaufnahme informiert und ihnen in Wahrung des Parteiengehörs die Gelegenheit eingeräumt, dazu binnen zwei Wochen eine Stellungnahme abzugeben. Weiters wurde in diesem Zusammenhang mitgeteilt, dass das Bundesverwaltungsgericht in Aussicht nimmt, über die Beschwerde ohne Abhaltung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung aufgrund der Aktenlage zu entscheiden, sofern eine mündliche Verhandlung vor Gericht nicht ausdrücklich beantragt wird.
Die Verfahrensparteien ließen dieses Schreiben unbeantwortet.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die Beschwerdeführerin stellte am 22.08.2017 einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses.
Die Beschwerdeführerin hat ihren Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt im Inland.
Bei der Beschwerdeführerin besteht folgende Funktionseinschränkung, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern wird:
Bipolar affektive Erkrankung bei eingeschränkter Arbeitsleistung und sozialen Einschränkungen, keine vollständige Remission trotz adäquater Therapie.
Hinsichtlich der bei der Beschwerdeführerin bestehenden Funktionseinschränkung, deren Ausmaß und medizinischer Einschätzung werden die diesbezüglichen Beurteilungen im psychiatrischen Sachverständigengutachten vom 09.01.2018 der nunmehrigen Entscheidung zugrunde gelegt.
Der Gesamtgrad der Behinderung der Beschwerdeführerin beträgt 50 v. H.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Das Datum der Einbringung des Antrags auf Ausstellung eines Behindertenpasses basiert auf dem Akteninhalt.
2.2. Die Feststellung, dass die Beschwerdeführerin ihren Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, ergibt sich aus dem vom Bundesverwaltungsgericht erstellten Auszug aus dem Zentralen Melderegister.
2.3. Der festgestellte Gesamtgrad der Behinderung basiert auf dem vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Gutachten einer Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie vom 09.01.2018. Darin wird auf die Art des Leidens der Beschwerdeführerin und dessen Ausmaß vollständig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei eingegangen. Das Gutachten setzt sich umfassend und nachvollziehbar mit den von der Beschwerdeführerin vorgelegten Befunden, den in der Beschwerde erhobenen Einwendungen und dem durch die belangte Behörde eingeholten Sachverständigengutachten auseinander. Die getroffenen Einschätzungen stimmen mit den im Rahmen einer klinischen Untersuchung der Beschwerdeführerin und anhand der Befundlage festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen überein. Die Funktionseinschränkung wurde auch entsprechend den Bestimmungen der Einschätzungsverordnung richtig zugeordnet.
Das im Beschwerdeverfahren eingeholte Gutachten weicht im Ergebnis vom Vorgutachten ab und begründet widerspruchsfrei und schlüssig die nunmehr höhere Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung. Die im Vergleich zum Vorgutachten höhere Einschätzung der bipolar affektiven Erkrankung resultiert aus der Heranziehung der Positionsnummer 03.06.02 (depressive oder manische Störungen mittleren Grades) mit dem unteren Rahmensatz von 50 v.H. Berücksichtigt wurden im fachärztlichen Sachverständigengutachten die anhand der Befundlage festgestellte Krankengeschichte der Beschwerdeführerin einschließlich bisheriger stationärer Aufenthalte, ambulanter Behandlungen und in Anspruch genommener Therapien. Im Lichte der von der befassten Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie ins Treffen geführten Einschränkungen der Leistungsfähigkeit und sozialen Kontakte ergibt sich ein Ausmaß der Erkrankung, dem durch die höhere Einschätzung adäquat Rechnung getragen wurde. Insgesamt kam es dadurch zu einer Erhöhung des Gesamtgrades der Behinderung um zwei Stufen auf 50 v.H.
Die Beschwerdeführerin nahm das Ermittlungsergebnis unwidersprochen zur Kenntnis. Die belangte Behörde hat sich zu diesem Gutachten im Rahmen des Parteiengehörs ebenfalls nicht geäußert.
Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen folglich keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des vorliegenden Sachverständigengutachtens vom 09.01.2018. Es wird in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Die Beschwerde ist rechtzeitig und auch sonst zulässig. Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und die Entscheidung durch einen Senat unter Mitwirkung eines fachkundigen Laienrichters ergeben sich aus §§ 6, 7 BVwGG iVm § 45 Abs. 3 und 4 BBG.
Zu A) Stattgebung der Beschwerde:
3.2. Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten auszugsweise:
"BEHINDERTENPASS
§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpaß auszustellen, wenn
1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder
2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder
3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder
4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder
5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.
(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpaß auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist."
"§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn
1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder
2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder
3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.
(2) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind ohne Durchführung eines Ermittlungsverfahrens zurückzuweisen, wenn seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung noch kein Jahr vergangen ist. Dies gilt nicht, wenn eine offenkundige Änderung einer Funktionsbeeinträchtigung glaubhaft geltend gemacht wird.
(...)"
"§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
(...)"
"§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluß der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.
(...)"
3.3. Zunächst ist festzuhalten, dass der Grad der Behinderung im Beschwerdefall - wie dies auch die belangte Behörde zu Recht annahm - nach der Einschätzungsverordnung einzuschätzen war. Bei ihrer Beurteilung hat sich die Behörde eines oder mehrerer Sachverständiger zu bedienen, wobei es dem Antragsteller frei steht, zu versuchen, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. VwGH 30.04.2014, 2011/11/0098; 21.08.2014, Ro 2014/11/0023).
Gegenständlich wurde seitens des Bundesverwaltungsgerichtes zwecks Beurteilung des Beschwerdevorbringens ein Sachverständigengutachten aus dem Fachgebiet Psychiatrie eingeholt, das auf Basis einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin erstattet wurde und den von der Judikatur (sowie von der Einschätzungsverordnung) aufgestellten Anforderungen entspricht.
3.4. Wie unter Punkt II.2.3. eingehend ausgeführt wurde, wird der gegenständlichen Entscheidung das schlüssige Sachverständigengutachten vom 09.01.2018 zugrunde gelegt, wonach der Grad der Behinderung der Beschwerdeführerin - entgegen der Feststellung im angefochtenen Bescheid - 50 v.H. beträgt. Wie ebenfalls bereits im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegt, wurde das vorliegende Gutachten von den Verfahrensparteien nicht bestritten.
Mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 50 v.H. sind die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40 Abs. 1 BBG, wonach behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbstätigkeit von mindestens 50 v.H. ein Behindertenpass auszustellen ist, erfüllt.
Der Beschwerde war daher stattzugeben und der angefochtene Bescheid spruchgemäß abzuändern.
Die belangte Behörde hat der Beschwerdeführerin folglich einen unbefristeten Behindertenpass mit einem Grad der Behinderung von 50 v. H. auszustellen.
Soweit die Beschwerdeführerin im Beschwerdeschriftsatz auf die Zuerkennung des Status einer begünstigten Behinderten Bezug nimmt, ist festzuhalten, dass die Feststellung der Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten nicht Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens ist, da im angefochtenen Bescheid lediglich über den Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses abgesprochen wurde. Der Beschwerdeführerin steht es jedoch frei, beim Sozialministeriumservice einen Antrag auf Feststellung der Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten einzubringen. Die Behörde wird sodann ein Ermittlungsverfahren durchzuführen und einen Feststellungsbescheid zu erlassen haben.
3.5. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung
Der im Beschwerdefall maßgebliche Sachverhalt ergibt sich aus dem Akt der belangten Behörde und dem im Beschwerdeverfahren eingeholten - vom erkennenden Gericht als schlüssig erachteten - Gutachten einer Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie, das von den Verfahrensparteien im Rahmen des Parteiengehörs unwidersprochen zur Kenntnis genommen wurde. Die strittigen Tatsachenfragen gehören dem Bereich an, der von Sachverständigen zu beleuchten ist. All dies lässt - gerade auch vor dem Hintergrund des Umstandes, dass eine Verhandlung nicht beantragt wurde - die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.
Ergänzend ist im Beschwerdefall aus dem Blickwinkel von Art. 6 EMRK (Art. 47 GRC) auf den Umstand hinzuweisen, dass die Beschwerdeführerin vom Bundesverwaltungsgericht bei Einräumung des Parteiengehörs auf die Möglichkeit hingewiesen wurde, die Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu beantragen, indem ihr seitens des Verwaltungsgerichtes mitgeteilt wurde, dass - sollte sie eine mündliche Verhandlung vor Gericht nicht ausdrücklich beantragen - eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung in Aussicht genommen werde. Die Beschwerdeführerin hat sich daraufhin nicht mehr geäußert.
Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung bereits in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Zu den einen Entfall der Verhandlung nach Art. 6 EMRK rechtfertigenden Umständen gehört auch der (ausdrückliche oder schlüssige) Verzicht auf die mündliche Verhandlung. Nach der Rechtsprechung kann die Unterlassung eines Antrags auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung von der Rechtsordnung unter bestimmten Umständen als (schlüssiger) Verzicht auf eine solche gewertet werden. Zwar liegt ein solcher Verzicht dann nicht vor, wenn eine unvertretene Partei weder über die Möglichkeit einer Antragstellung belehrt wurde, noch Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sie von dieser Möglichkeit hätte wissen müssen (vgl. VfSlg. 16.894/2003 und 17.121/2004; VwGH 26.04.2010, 2004/10/0024; VwGH 12.08.2010, 2008/10/0315; VwGH 30.01.2014, 2012/10/0193). Dies ist hier aber angesichts des erwähnten Umstands eines entsprechenden Hinweises an die Beschwerdeführerin und der ihr explizit eingeräumten Gelegenheit zur Antragstellung nicht der Fall. Die unterbliebene Antragstellung kann vor diesem Hintergrund als schlüssiger Verzicht im Sinne der Rechtsprechung des EGMR zu Art. 6 EMRK gewertet werden.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die angewendeten Teile des Bundesbehindertengesetzes sind - soweit im Beschwerdefall relevant - eindeutig. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.
Schlagworte
Behindertenpass, Grad der Behinderung, SachverständigengutachtenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W238.2179193.1.00Zuletzt aktualisiert am
05.04.2018