TE Bvwg Erkenntnis 2018/3/22 G304 2178954-1

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Veröffentlicht am 22.03.2018
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Entscheidungsdatum

22.03.2018

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

G304 2178954-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Beatrix LEHNER als Vorsitzende, sowie den Richter Ing. Mag. Franz SANDRIESSER, und den fachkundigen Laienrichter Helmut WEIß als Beisitzer über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Kärnten, vom 21.07.2017, Sozialversicherungsnummer: XXXX, betreffend Neufestsetzung des Grades der Behinderung im Behindertenpass, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben.

Der Grad der Behinderung beträgt 70 v. H.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) brachte am 24.05.2017 beim Sozialministeriumservice, Landesstelle Kärnten (im Folgende: belangte Behörde) einen Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung in den Behindertenpass samt Beilagen ein.

2. Im Rahmen des seitens der belangten Behörde amtswegig eingeleiteten Ermittlungsverfahrens wurde ein medizinisches Sachverständigengutachten eingeholt.

In dem eingeholten Gutachten von XXXX, Ärztin für Allgemeinmedizin, vom 21.06.2017, wird aufgrund einer an demselben Tag durchgeführten

Begutachtung der BF im Wesentlichen Folgendes festgehalten:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Position bzw. der Rahmensätze:

Pos. Nr.

GdB %

1

Malignome, Z.n.N prostatae, radikale Prostataektomie und Lymphadenektomie 02/2017 Histo: dedifferenziertes Prostatakarzinom Stadium pT 4, multifokale Ausbreitung extraprostatisch mit Infiltration von Samenblasen beidseits sowie Blasenboden, peri- und intraneurale Ausbreitung, L1, V1, R1 NO, Gleason 10, laufende Heilsbewährung Unterer Rahmensatzwert da keine Inkontinenz beschrieben wird und ein nachfolgendes therapeutisches Procedere aus den Unterlagen nicht zu entnehmen ist

13.01.03

50

2

Verheilter Beckenbruch mit Beteiligung des linken Hüftgelenkes, analog Rahmensatzwert in Anlehnung an das Vorgutachten, neue Befunde liegen nicht vor

02.02.02

50

3

Zustand nach Oberarm- und Unterarmfraktur mit Bewegungseinschränkung im linken Ellbogen. Rahmensatzwert in Anlehnung an das Vorgutachten, neue Befunde liegen nicht vor

02.06.13

30

4

Lähmungen der peripheren Nerven, Lähmungen der peripheren Nerven - Nervus ulnaris. Rahmensatzwert in Anlehnung an das Vorgutachten, neue Befunde liegen nicht vor.

04.05.05

10

Gesamtgrad der Behinderung 60 v.H.

 

 

 

Als

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung wurde ausgeführt:

"führend ist GS 1, GS 2 steigert als eigenständige Erkrankung um eine Stufe, GS 3 und GS 4 steigern wegen fehlender Wechselwirkung zu GS 1 und Geringfügigkeit nicht weiter."

Die gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten wurden mit der "Neuaufnahme von GS 1" begründet.

Es wurde noch auf die im Februar 2022 aufgrund Ablaufs der Heilsbewährung anstehende Nachuntersuchung hingewiesen.

3. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 21.07.2017 wurde ausgeführt, dass mit einem GdB von 60% keine Veränderung des bisherigen Grades der Behinderung des BF eingetreten sei, und sein Antrag vom 24.05.2017 auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung daher abgewiesen werde. Begründend wurde ausgeführt, im Ermittlungsverfahren sei ein Gutachten zur Feststellung des Grades der Behinderung eingeholt worden. Nach diesem Gutachten betrage der Grad der Behinderung 60%. Die wesentlichen Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien dem der Beschwerde beigelegten Gutachten vom 21.06.2017 zu entnehmen. Die Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien als schlüssig erkannt und in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt worden. Da das ärztliche Begutachtungsverfahren einen Grad der Behinderung von 60% ergeben habe, sei keine Änderung seines Grades der Behinderung eingetreten. Die Voraussetzungen für die Berichtigung seines Behindertenpasses würden somit nicht vorliegen, weshalb sein Antrag abzuweisen sei.

Der den mit Bescheid der belangten Behörde vom 21.07.2017 festgesetzte Behinderungsgrad berücksichtigende Behindertenpass wurde dem BF am 18.08.2017 versendet.

4. Gegen diesen Bescheid wurde mit E-Mail vom 11.09.2017 Beschwerde erhoben. Darin wendete sich der BF ausdrücklich gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 21.07.2017, damit jedoch auch gegen den am 18.08.2017 von der belangten Behörde versandten Behindertenpass. In der Beschwerde wurde auf eine unzureichende Berücksichtigung des Gesundheitszustandes des BF im dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegenden Sachverständigengutachten hingewiesen.

5. Am 06.12.2017 langten der gegenständliche Verwaltungsakt und die Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) ein

6. Mit Verfügung des BVwG vom 18.12.2017, Zl. G304 2178954-1/2Z, wurde XXXX, Ärztin für Allgemeinmedizin, mit der Erstellung eines Sachverständigengutachtens nach der Einschätzungsverordnung beauftragt.

7. Mit einem weiteren Schreiben des BVwG vom 18.12.2017, Zl. G304 2178954-1/2Z, wurde die BF aufgefordert, sich am 23.01.2018, um 15:30 Uhr bei XXXX zur ärztlichen Begutachtung einzufinden.

8. In dem eingeholten Gutachten von XXXX vom 24.01.2017 (gemeint: 24.01.2018) wird auf Grund der am 23.01.2018 durchgeführten Begutachtung des BF folgende "Einschätzung" abgegeben:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos. Nr.

GdB %

1

Zustand nach radikaler Prostataentfernung inklusive Lymphknotenentfernung, 02/2017, bei bösartigem Tumor, mit multifokaler Ausbreitung; Belastungsharninkontinenz. Eine Stufe oberhalb des unteren Rahmensatzes bei Zustand nach operiertem N. prostatae Gleason 10 und nachfolgender 35ig-maliger Bestrahlung innerhalb der Heilungsbewährung. ES erfolgt eine Erhöhung um eien Stufe im Vergleich zum angefochtenen Bescheid, da nun die Stressharninkontinenz laut vorliegender Befunde LKH und des behandelnden Urologens nachgewiesen werden. Der Antragsteller verwendet mindestens zwei Einlagen täglich. Eine entsprechende Therapie wurde bereits während der Bestrahlungen, welche aus diesem Grund unterbrochen werden mussten, durchgeführt und auch danach fortgesetzt. Es zeigte sich wohl eine Besserung der Blasenkapazität, die Inkontinenz besteht aber nach wie vor, weshalb dieser höhere Rahmensatz angewendet wird.

130103

60

2

Zustand nach Verkehrsunfall 1989, mit verheiltem Beckenringbruch, mit Beteiligung des linken Hüftgelenkes. Unterer Rahmensatz, entsprechend dem angefochtenen Bescheid, sowie dem Vorgutachten, mit deutlicher Einschränkung es linken Hüftgelenkes.

020203

50

3

Zustand nach Ober- und Unterarmfraktur, 1989. Vorgegebener Rahmensatz bei Einschränkung vor allem des linken Ellbogen- und Handgelenkes. Es erfolgt diesbezüglich auch keine Änderung zum angefochtenen Bescheid und dem Vorgutachten.

020613

30

4

Zustand nach Fusionierung C7/Th1 bei Bandscheibenvorfall am 14.30.2016. Oberer Rahmensatz, entsprechend dem guten Operationsergebnis, welches auch vom Operateur dokumentiert wurde. Die postoperativ aufgetretene Rekurrenzparese hat sich vollständig rückgebildet. Sensibilitätsstörungen treten nur liegend auf der rechten Seite auf. Regelmäßige Behandlungen erfolgen nicht, weshalb kein höherer Rahmensatz angewendet wird.

020101

20

5

Ulnarisläsion links bei Zustand nach bereits zweimalig erfolgter Neurolyse. Unterer Rahmensatz bei nur geringer Hypaestesie DIF IV, V links. Es erfolgt auch hier keien Änderungn zum angefochtenen Bescheid.

040505

10

6

Bluthochdruck Vorgegebener Rahmensatz, entsprechend der vnotwendigen Kombinationsbehandlung. Unter dieser ist der RR gut eingestellt, Sekundärkomplikationen sind nicht bekannt.

050102

20

Gesamtgrad der Behinderung 70 v.H.

 

 

 

Als Begründung für den

Gesamtgrad der Behinderung wurde ausgeführt:

"Führend ist die Position 1 mit nunmehr 60%, weil die Inkontinenz, welche im angefochtenen Bescheid nicth gewürdigt wurde, mit einbezogen wird. Diese ist auch in den beiliegenden Unterlagen bestätigt.

Die übrigen Positionen werden nicht geändert, wie im angefochtenen Bescheid steigert die Position 2 um eine weitere Stufe, die übrigen Positionen steigern nicht, da keine gegenseitige Wechselwirkung besteht und die Einschränkungen von Seiten des linken Ellbogengelenkes nur endgradig ist. An die Einschränkung von Seiten des linken Handgelenkes hat sich der Antragsteller im Laufe der vielen Jahre gewöhnt. Von Seiten der Halswirbelsäule besteht ein sehr gutes Operationsergebnis, die Ulnarisläsion ist nur als geringgradig einzustufen, der Bluthochdruck wird ausreichend behandelt. Die erhöhte Harnsäure wird medizinisch behandelt. Gichtanfälle werden nicht geschildert, weshalb diesbezüglich keine Einstufung erfolgt.

Der Gesamtgrad der Behinderung besteht seit 2017, die Fünfjahresheilungsbewährung muss abgewartet werden, danach sollte eine Nachuntersuchung eingeleitet werden (2/2022). "

Es wurde darauf hingewiesen, dass folgende beantragte bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierte Gesundheitsschädigungen keinen Grad der Behinderung erreichen: "behandelte Hyperurikämie (erhöhte Harnsäurewerte)."

8. Mit Verfügung vom 26.02.2018, Zl. G304 2178954-1/4Z, dem BF zugestellt am 07.03.2018 wurde dem BF das eingeholte Sachverständigengutachten seitens des BVwG übermittelt und wurde ihm zur Wahrung des Parteiengehörs die Gelegenheit eingeräumt, dazu binnen sieben Tagen ab Zustellung Stellung zu nehmen.

9. Eine Stellungnahme dazu ist beim BVwG bis dato nicht eingelangt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

DerBF ist österreichische Staatsbürgerin.

Der Grad der Behinderung des BF beträgt 70 %.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes und des vorliegenden Gerichtsaktes des BVwG.

Die Staatsbürgerschaft der BF ergibt sich aus dem Akteninhalt. Die Feststellung hinsichtlich des Grades der Behinderung gründet sich auf das seitens des BVwG eingeholte Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin.

2.2. Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshof (im Folgenden: VwGH) muss ein Sachverständigengutachten einen Befund und das eigentliche Gutachten im engeren Sinn enthalten. Der Befund ist die vom Sachverständigen - wenn auch unter Zuhilfenahme wissenschaftlicher Feststellungsmethoden - vorgenommene Tatsachenfeststellung. Die Schlussfolgerungen des Sachverständigen aus dem Befund, zu deren Gewinnung er seine besonderen Fachkenntnisse und Erfahrungen benötigt, bilden das Gutachten im engeren Sinn. Eine sachverständige Äußerung, die sich in der Abgabe eines Urteiles (eines Gutachtens im engeren Sinn) erschöpft, aber weder die Tatsachen, auf die sich dieses Urteil gründet, noch die Art, wie diese Tatsachen ermittelt wurden, erkennen lässt, ist mit einem wesentlichen Mangel behaftet und als Beweismittel unbrauchbar; die Behörde, die eine so geartete Äußerung ihrer Entscheidung zu Grund gelegt, wird ihrer Pflicht zur Erhebung und Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes (§ 37 AVG) nicht gerecht (VwGH vom 17.02.2004, GZ 2002/06/0151).

Hat eine Partei grundlegende Bedenken gegen ein ärztliches Gutachten, dann ist es nach Ansicht des VwGH an ihr gelegen, auf gleichem fachlichen Niveau diesem entgegenzutreten oder unter Anbietung von tauglichen Beweismitteln darzutun, dass die Aussagen des ärztlichen Sachverständigen mit dem Stand der medizinischen Forschung und Erkenntnis nicht vereinbar sind (VwGH vom 20.10.1978, 1353/78).

Eine Partei kann ein Sachverständigengutachten nur dann erfolgreich bekämpfen, wenn sie unter präziser Darstellung der gegen die Gutachten gerichteten sachlichen Einwände ausdrücklich erklärt, dass sie die Einholung eines weiteren Gutachtens bestimmter Fachrichtung zur vollständigen Ermittlung des Sachverhaltes für erforderlich halte und daher einen Antrag auf Beiziehung eines weiteren Sachverständigen stellt (VwGH vom 23.11.1978, GZ 0705/77).

Der VwGH führte aber in diesem Zusammenhang auch aus, dass keine Verletzung des Parteiengehörs vorliegt, wenn einem Antrag auf Einholung eines zusätzlichen Gutachtens nicht stattgegeben wird (VwGH vom 25.06.1987, 87/06/0017).

Unter dem Blickwinkel der Judikatur der Höchstgerichte, insbesondere der zitierten Entscheidungen, ist das seitens des BVwG eingeholte Gutachten der Amtssachverständigen von XXXX schlüssig, nachvollziehbar und weist dieses keine Widersprüche auf.

In diesem Gutachten wird der GdB nach persönlicher Untersuchung des BF und unter Berücksichtigung seiner Angaben und der vorgelegten Befunde mit 70 v. H. festgesetzt.

In dem Gutachten wird auf die Art und Leiden des BF und deren Ausmaß ausführlich eingegangen. Es wurde auch eine ausführliche Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung gegeben. Da der BF dem seitens des BVwG eingeholten Sachverständigengutachten vom 24.01.2018 im Rahmen des ihm dazu gewährten Parteiengehörs nicht entgegengetreten ist, wird dieses in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des BVwG (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - im Folgenden: BVwGG) entscheidet das BVwG durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des BVwG durch den Senat zu erfolgen.

Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die im § 10 Abs. 1 Z 6 des Bundesbehindertengesetzes genannte Vereinigung entsendet die Vertreterin oder den Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung. Hinsichtlich der Aufteilung des Nominierungsrechtes auf gleichartige Vereinigungen ist § 10 Abs. 2 des Bundesbehindertengesetzes anzuwenden. Für die Vertreterin oder den Vertreter ist jeweils auch die erforderliche Anzahl von Ersatzmitgliedern zu entsenden.

Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - im Folgenden: VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.).

Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

3.2. Zu Spruchteil A):

Unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten. (§1 Abs. 2 BBG)

Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderten-einstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören. (§ 40 Abs. 1 BBG)

Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3) oder ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985.

Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat gemäß § 43 Abs. 1 BBG, wenn Änderungen eintreten, durch die behördliche Eintragungen im Behindertenpass berührt werden, diese zu berichtigen oder erforderlichenfalls einen neuen Behindertenpass auszustellen. Bei Wegfall der Voraussetzungen ist der Behindertenpass einzuziehen.

Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen. (§ 45 Abs. 1 BBG).

Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt. (§ 41 Abs. 1 BBG)

Aufgrund des seitens des erkennenden Gerichts durchgeführten Ermittlungsverfahrens, konkret des seitens des BVwG eingeholten schlüssigen und nachvollziehbaren Sachverständigengutachtens von XXXX, einer Ärztin für Allgemeinmedizin, vom 24.01.2018 ergab sich ein GdB von 70 v.H.

Der BF hat gegen die Ausführungen des beigezogenen Sachverständigen, denen das BVwG folgt, keine Einwendungen erhoben.

Der Beschwerde war daher spruchgemäß stattzugeben.

3.3. Entfall einer mündlichen Verhandlung

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Der EGMR hat in seinen Entscheidungen vom 10. Mai 2007, Nr. 7401/04 (Hofbauer/Österreich Nr. 2), und vom 3. Mai 2007, Nr. 17.912/05 (Bösch/Österreich), unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigten. Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "hoch-technische" Fragen ("exclusively legal or highly technical questions") betrifft. Der Gerichtshof verwies im Zusammenhang mit Verfahren betreffend ziemlich technische Angelegenheiten ("rather technical nature of disputes") auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtige (VwGH 03.10.2013, 2012/06/0221).

In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren gebe, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung aufträten oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, 2012/06/0221).

Im gegenständlichen Fall wurde der GdB der BF unter Mitwirkung eines ärztlichen Sachverständigen nach den Bestimmungen der Einschätzungsverordnung festgesetzt. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund des vorliegenden, nicht bestrittenen Sachverständigengutachtens vom 24.01.2018, welches als schlüssig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei erachtet wird, geklärt.

3.4. Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des VwGH ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung.

Des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des VwGH auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Die Zulassung der Revision war gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zudem zu verneinen, weil die gegenständliche Entscheidung in Wesentlichen nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, sondern von Tatsachenfragen. Maßgebend ist das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen.

Schlagworte

Behindertenpass, Grad der Behinderung, Neufestsetzung,
Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:G304.2178954.1.00

Zuletzt aktualisiert am

05.04.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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