Entscheidungsdatum
22.03.2018Norm
BBG §40Spruch
G304 2177572-1/6E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Beatrix LEHNER als Vorsitzende, sowie den Richter Ing. Mag. Franz SANDRIESSER, und den fachkundigen Laienrichter Helmut WEIß als Beisitzer als Beisitzer über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Kärnten, vom 07.09.2017, Sozialversicherungsnummer: XXXX, betreffend amtswegige Neufestsetzung des Grades der Behinderung (Herabsetzung) zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird gemäß §§ 40, 41 und 45 Bundesbehindertengesetz (BBG) stattgegeben.
Der Gesamtgrad der Behinderung (GdB) wird mit 60% festgestellt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) brachte am 30.06.2017 beim Sozialministeriumservice, Landestelle Kärnten, (im Folgenden: belangte Behörde) einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses samt Beilagen ein, mit welchem der BF eine Verlängerung seines vormals befristet ausgestellten Behindertenpasses erreichen wollte.
2. Im Rahmen des seitens der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens wurde ein medizinisches Sachverständigengutachten eingeholt.
In dem eingeholten Gutachten von XXXX, Ärztin für Allgemeinmedizin, vom 25.08.2017, wird aufgrund der am 17.07.2017 durchgeführten Begutachtung des BF im Wesentlichen folgendes festgehalten:
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:
Pos. Nr.
GdB %
1
Wirbelsäule , degenerative Veränderung der Wirbelsäule unterer Rahmensatz bei fortgeschrittenen deg. Wirbelsäulenveränderungen, Z.n. Operation, vorliegender funktioneller Einschränkung aktuell vor allem im Lendenwirbelsäulenbereich und radikulärer Symptomatik im Bereich der unteren Extremitäten, der Rahmensatz wird gleich dem Vorgutachten gewählt, aktuelle Befunde liegen nicht vor
02.01.03
50
2
Koronare Herzkrankheit oberer Rahmensatz bei Zustand ach zweimaligem Infarktgeschehen mit anschließender Stentsetzung, kardial kompensiert
05.05.02
40
3
Sigmadivertikulitis unterer Rahmensatz bei Zustand nach Ileostomarückoperation, gutem Allgemein- und erhöhtem Ernährungszustand nach Ileocoecalresektion
07.04.05
30
4
Obstruktives Schlafapnoe-Syndrom (OSAS), unterer Rahmensatz bei nächtlicher Beatmungstherapie ohne Sauerstoffzufuhr
06.11.02
20
5
Depression mittlerer Rahmensatz bei stabilem Zustand unter Medikation
03.06.01
20
Gesamtgrad der Behinderung 50 v.H.
Begründend für den Gesamtgrad der Behinderung wurde ausgeführt:
"GS 1 führt, GS 2 steigert wie im VGA bei stabilem Zustand ohne Einschränkung nicht weiter, GS 3 steigert bei gutem Allgemein- und erhöhtem Ernährungszustand nicht weiter, GS 4 steigert bei gutem Ansprechen auf Therapie ebenso nicht, GS 5 steigert bei stabilem Zustand nicht weiter."
Folgende "Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten" wurde abgegeben:
"GS 5 aus dem VGA wird bei freiem Bewegungsumfang und fehlenden aktuellen Befunden nicht mehr eingestuft, die COPD bei fehlender Therapienotwendigkeit ebenso nicht mehr. GS 4 wird entsprechend neu eingestuft, GS 1 wird bei Rückoperation des Stomas und gutem Allgemeinzustand sowie erhöhtem Ernährungszustand um 5 Stufen herabgesetzt. GS 5 wird neu eingestuft."
Es wurde von einem Dauerzustand ausgegangen.
3. Mit Schreiben der belangten Behörde vom 07.09.2017 wurde dem BF sein Behindertenpass, in dem laut eingeholtem Sachverständigengutachten vom 25.08.2017 sein Grad der Behinderung 50 v.H. betrage, übermittelt.
4. Dagegen wurde fristgerecht Beschwerde erhoben. Dabei wurde vorgebracht, dem BF sei am 30.08.2012 unbefristet ein Behindertenpass mit einem Behinderungsgrad von 60 v.H. ausgestellt worden. Nach zwei Operationen in den Jahren 2015 und 2016 sei der Behinderungsgrad des BF auf 80 v.H. erhöht und ihm ein bis 31.08.2017 befristeter Behindertenpass ausgestellt worden. Nach beantragter Verlängerung seines Behindertenpasses sei der BF am 17.07.2017 von Frau XXXX ärztlich begutachtet worden. Der BF sei mit der Untersuchung nicht zufrieden gewesen, sei diese doch oberflächlich und ohne hinreichende Berücksichtigung seiner gesundheitlichen Beschwerden erfolgt. Dass sein Grad der Behinderung nicht wie zuvor mit 80 v.H., sondern mit 50 v.H. eingeschätzt worden sei, könne er vor dem Hintergrund seiner gesundheitlichen Beeinträchtigungen nicht nachvollziehen.
5. Am 23.11.2017 langten der gegenständliche Verwaltungsakt und die Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) ein.
6. Mit Schreiben des BVwG vom 14.12.2017, Zl. G304 2177552-1/2Z, wurde XXXX, Fachärztin für Orthopädie und orthopädische Chirurgie, mit der Erstellung eines Sachverständigengutachtens auf der Grundlage der Einschätzungsverordnung ersucht.
Mit weiterem Schreiben des BVwG vom 14.12.2017, Zl. G304 2177552-1/2Z, wurde der BF aufgefordert, sich am 10.01.2018 um 15:20 Uhr bei XXXX zur ärztlichen Begutachtung einzufinden.
7. In dem eingeholten Gutachten von XXXX vom 11.01.2018, wird aufgrund der am 10.01.2018 durchgeführten Begutachtung des BF folgendes Ergebnis angeführt:
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:
Pos. Nr.
GdB %
1
Chronischer Schmerz der Hals- und Lendenwirbelsäule mit Ausstrahlung in das linke Bein bei Rezidiv-Bandscheibenvorfall L4/L5 mit deutlicher Bewegungseinschränkung und sensibler neurologischer Restsymptomatik bei Z.n. Bandscheibenoperation (1982, 1996). Unterer Rahmensatzwert, maßgebliche Einschränkungen im Alltag, einfache analgetische Therapie (Infiltrationen) noch ausreichend
02.01.03
50
2
Koronare Herzkrankheit, Z.n. Stent und zweimaligem Herzinfarkt (2011), derzeit stabil. Oberer Rahmensatzwert entsprechend dem Vorgutachten
05.05.02
40
3
Z.n. mehrfachen Bauchoperationen bei wiederkehrenden Entzündungen des Dickdarmes, Z.n. Rückoperation eines künstlichen Darmausganges (12/16). Unterer Rahmensatzwert entsprechend dem Vorgutachten
07.04.05
30
4
Bewegungseinschränkung und Einklemmungssymptomatik rechte Schulter Vorgegebener Rahmensatzwert, Elevation bis 90°, Verschleißerscheinungen sind bekannt.
02.06.03
20
5
Obstruktives Schlafapnoe-Syndrom Unterer Rahmensatzwert entsprechend dem Vorgutachten
06.11.02
20
6
Depression Mittlerer Rahmensatzwert entsprechend dem Vorgutachten
03.06.01
20
Gesamtgrad der Behinderung 60 v.H.
Als Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung wurde ausgeführt
"Führende Gesundheitsschädigung ist Position 1, Position 3 und 4 (Pos. 3 aus dem Vorgutachten übernommen) steigern den Gesamtgrad der Behinderung insgesamt um eine Stufe, da die Hebe- und Tragebelastungen weiter eingeschränkt werden. Hier wurde auch auf das Gutachten von XXXX vom 19.08.2015 Bezug genommen. Position 2, Position 5 und Position 6 wurden aus dem Vorgutachten übernommen."
Folgende "Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum bereits erstellten Gutachten" wurde abgegeben:
"Gesundheitsschädigung 1 wurde entsprechend dem Vorgutachten eingestuft. Im Vorgutachten wurde die Einschränkung der Schulterbeweglichkeit nicht berücksichtigt, diese stellt in Bezug auf die Hebe- und Tragebelastungen eine zusätzliche Einschränkung dar und steigert in Kombination mit GS 3 (nicht dem orthopädischen Fachgebiet zuzuordnen) den Gesamtgrad der Behinderung. Daher wurde der Gesamtgrad der Behinderung um insgesamt eine Stufe höher eingeschätzt. Die übrigen Gesundheitsschädigungen sind nicht dem orthopädischen Fachgebiet zuzuordnen und wurden entsprechend übernommen."
Es wurde von einem "Dauerzustand" ausgegangen.
8. Mit Verfügung des BVwG vom 19.01.2018, Zl. G304 2177572-1/4Z, dem BF zugestellt am 29.01.2018, wurde dem BF das eingeholte Sachverständigengutachten seitens des BVwG übermittelt und wurde ihm zur Wahrung des Parteiengehörs die Gelegenheit eingeräumt, dazu binnen zwei Wochen ab Zustellung dieser Verfügung Stellung zu nehmen.
9. Eine Stellungnahme dazu langte beim BVwG bis dato nicht ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Der BF ist österreichischer Staatsbürger.
1.2. Der GdB beträgt 60 v. H.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten und des vorliegenden Gerichtsaktes des BVwG.
Die Feststellung hinsichtlich des GdB gründet sich auf das seitens des BVwG eingeholte Sachverständigengutachten vom 11.01.2018.
2.2. Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshof (im Folgenden: VwGH) muss ein Sachverständigengutachten einen Befund und das eigentliche Gutachten im engeren Sinn enthalten. Der Befund ist die vom Sachverständigen - wenn auch unter Zuhilfenahme wissenschaftlicher Feststellungsmethoden - vorgenommene Tatsachenfeststellung. Die Schlussfolgerungen des Sachverständigen aus dem Befund, zu deren Gewinnung er seine besonderen Fachkenntnisse und Erfahrungen benötigt, bilden das Gutachten im engeren Sinn. Eine sachverständige Äußerung, die sich in der Abgabe eines Urteiles (eines Gutachtens im engeren Sinn) erschöpft, aber weder die Tatsachen, auf die sich dieses Urteil gründet, noch die Art, wie diese Tatsachen ermittelt wurden, erkennen lässt, ist mit einem wesentlichen Mangel behaftet und als Beweismittel unbrauchbar; die Behörde, die eine so geartete Äußerung ihrer Entscheidung zu Grund gelegt, wird ihrer Pflicht zur Erhebung und Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes (§ 37 AVG) nicht gerecht (VwGH vom 17.02.2004, GZ 2002/06/0151).
Hat eine Partei grundlegende Bedenken gegen ein ärztliches Gutachten, dann ist es nach Ansicht des VwGH an ihr gelegen, auf gleichem fachlichen Niveau diesem entgegenzutreten oder unter Anbietung von tauglichen Beweismitteln darzutun, dass die Aussagen des ärztlichen Sachverständigen mit dem Stand der medizinischen Forschung und Erkenntnis nicht vereinbar sind (VwGH vom 20.10.1978, 1353/78).
Eine Partei kann ein Sachverständigengutachten nur dann erfolgreich bekämpfen, wenn sie unter präziser Darstellung der gegen die Gutachten gerichteten sachlichen Einwände ausdrücklich erklärt, dass sie die Einholung eines weiteren Gutachtens bestimmter Fachrichtung zur vollständigen Ermittlung des Sachverhaltes für erforderlich halte und daher einen Antrag auf Beiziehung eines weiteren Sachverständigen stellt (VwGH vom 23.11.1978, GZ 0705/77).
Der VwGH führte aber in diesem Zusammenhang auch aus, dass keine Verletzung des Parteiengehörs vorliegt, wenn einem Antrag auf Einholung eines zusätzlichen Gutachtens nicht stattgegeben wird (VwGH vom 25.06.1987, 87/06/0017).
Unter dem Blickwinkel der Judikatur der Höchstgerichte, insbesondere der zitierten Entscheidungen, ist das von Amts wegen eingeholte Gutachten der Amtssachverständigen XXXX schlüssig, nachvollziehbar und weist dieses keine Widersprüche auf. In diesem Gutachten wird der Gesamtgrad der Behinderung des BF unter Berücksichtigung sämtlicher ins Verfahren eingebrachter medizinischer Beweismittel mit 60 v. H. festgesetzt. In dem Gutachten wird auf die Art und Leiden des BF und deren Ausmaß ausführlich eingegangen.
Zur gutachterlichen Beurteilung, dass der GdB des BF 60 v.H. betrage, wurden im Rahmen des Parteiengehörs keine Einwendungen erhoben.
Das Sachverständigengutachten wird daher in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:
Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des BVwG (Bundesverwaltungs-gerichtsgesetz - im Folgenden: BVwGG) entscheidet das BVwG durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des BVwG durch den Senat zu erfolgen.
Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die im § 10 Abs. 1 Z 6 des Bundesbehindertengesetzes genannte Vereinigung entsendet die Vertreterin oder den Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung. Hinsichtlich der Aufteilung des Nominierungsrechtes auf gleichartige Vereinigungen ist § 10 Abs. 2 des Bundesbehindertengesetzes anzuwenden. Für die Vertreterin oder den Vertreter ist jeweils auch die erforderliche Anzahl von Ersatzmitgliedern zu entsenden.
Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor. Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - im Folgenden: VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.).
Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß
Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
3.2. Zu Spruchteil A):
In der gegenständlichen Rechtssache sind die Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG), BGBl. I Nr. 283/1990, in der geltenden Fassung, anzuwenden.
Unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten (§1 Abs. 2 BBG).
Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit gemäß § 42 Abs. 1 BBG zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
Der Behindertenpass ist unbefristet auszustellen, wenn keine Änderungen in den Voraussetzungen zu erwarten ist (§ 42 Abs. 2 BBG).
Gemäß § 45 BBG Abs. 1 sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
Ein Bescheid ist gemäß § 45 Abs. 2 BBG nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3 BBG) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu (§ 45 Abs. 2 BBG).
Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn
1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder
2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder
3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder
4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder
5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderten-einstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören
Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn
1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder
2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder
3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.
Hat eine Partei grundlegende Bedenken gegen ein ärztliches Gutachten, dann ist es nach Ansicht des VwGH an ihr gelegen, auf gleichem fachlichen Niveau diesem entgegenzutreten oder unter Anbietung von tauglichen Beweismitteln darzutun, dass die Aussagen des ärztlichen Sachverständigen mit dem Stand der medizinischen Forschung und Erkenntnis nicht vereinbar sind (VwGH vom 20.10.1978, 1353/78).
Wie unter Punkt 2.2. ausgeführt, wird der gegenständlichen Entscheidung das Sachverständigengutachten vom 11.01.2018, welches vom BVwG als schlüssig und nachvollziehbar gewertet wird, zugrunde gelegt, in welchem der GdB des BF mit 60 v. H. eingeschätzt wurde.
Da das aktuell eingeholte Sachverständigengutachten eine höhere - dem 2012 unbefristet ausgestellten Behindertenpass des BF entsprechende - Einschätzung seines GdB als im dem gegenständlich angefochtenen Behindertenpass zugrundeliegenden Sachverständigengutachten aufweist und der BF dem ihm vorgehaltenen Ergebnis der Beweisaufnahme mit keinen Einwendungen entgegen getreten ist, war spruchgemäß zu entscheiden und der Beschwerde stattzugeben.
3.3. Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn
1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder
2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.
Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.
Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl.
Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.
Der EGMR hat in seinen Entscheidungen vom 10. Mai 2007, Nr. 7401/04 (Hofbauer/Österreich Nr. 2), und vom 3. Mai 2007, Nr. 17.912/05 (Bösch/Österreich), unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigten. Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "hoch-technische" Fragen ("exclusively legal or highly technical questions") betrifft. Der Gerichtshof verwies im Zusammenhang mit Verfahren betreffend ziemlich technische Angelegenheiten ("rather technical nature of disputes") auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtige (VwGH 03.10.2013, 2012/06/0221).
In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren gebe, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung aufträten oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, 2012/06/0221).
Im gegenständlichen Fall wurde der Grad der Behinderung der BF unter Mitwirkung einer ärztlichen Sachverständigen nach den Bestimmungen der Einschätzungsverordnung festgesetzt. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund des vorliegenden, nicht bestrittenen Sachverständigengutachtens vom 11.01.2018, welches als schlüssig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei erachtet wird, geklärt.
3.4. Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzlichen Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.
Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.
Schlagworte
Behindertenpass, Grad der Behinderung, SachverständigengutachtenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:G304.2177572.1.00Zuletzt aktualisiert am
05.04.2018