Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 14. März 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel-Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Ettel als Schriftführerin in der Strafsache gegen Mouhamed N***** und weitere Angeklagte wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter und sechster Fall, Abs 2 Z 2 SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Yaseur K***** gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 16. Oktober 2017, GZ 36 Hv 82/17h-82, sowie über dessen Beschwerde gegen den zugleich gefassten Beschluss nach § 494a Abs 1 StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in der rechtlichen Unterstellung der vom Schuldspruch I./A./2./ umfassten Taten des Angeklagten Yaseur K***** nach § 28a Abs 2 Z 1 SMG, demzufolge auch im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) ebenso wie der den Angeklagten K***** betreffende Beschluss nach § 494a Abs 1 StPO aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Wiener Neustadt verwiesen.
Mit seiner Berufung und seiner Beschwerde wird der Angeklagte K***** auf die kassatorische Entscheidung verwiesen.
Diesem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil, das auch in Rechtskraft erwachsene Schuldsprüche weiterer Angeklagter enthält, wurde Yaseur K***** – soweit im Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde von Relevanz – des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter und sechster Fall, Abs 2 Z 1 und 2 SMG (I./A./2./) schuldig erkannt.
Danach hat er zwischen 1. Jänner und 11. Mai 2017 in W***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit Mouhamed N***** und Abdelghani A***** als Mitglied einer kriminellen Vereinigung vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge durch wiederholten gewinnbringenden Verkauf an im Urteil genannte und unbekannte Abnehmer überlassen oder verschafft, und zwar insgesamt 3.900 Gramm Cannabiskraut mit einer Reinsubstanz von mindestens 39 Gramm Delta-9-THC und 468 Gramm THCA, wobei er die Straftaten gewerbsmäßig beging und schon einmal wegen einer Straftat nach § 28a Abs 1 SMG verurteilt worden ist.
Rechtliche Beurteilung
Der dagegen aus § 281 Abs 1 Z 10 und 11 StPO ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten K***** kommt Berechtigung zu.
Im Ergebnis zutreffend zeigt die Subsumtionsrüge (nominell Z 10 und 11, der Sache nach Z 10; vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 666) zu I./A./2./ die rechtsfehlerhafte Annahme gewerbsmäßiger Tatbegehung (§ 28a Abs 2 Z 1 SMG) auf.
Nach den Entscheidungsgründen wurde der Angeklagte K***** mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 28. Oktober 2014, AZ 41 Hv 68/14i, des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter und sechster Fall SMG, § 15 StGB schuldig erkannt und zu einer (Zusatz-)Freiheitsstrafe verurteilt. Ungeachtet dessen „kam es ihm darauf an, bei den wiederholten Suchtmittelverkäufen in einer die Grenzmenge insgesamt übersteigenden Menge sich durch die wiederkehrende Begehung über einen Zeitraum von mehreren Monaten ein nicht nur geringfügiges fortlaufendes Einkommen in einem durchschnittlich monatlich 400 Euro übersteigenden Betrag zu verschaffen“ (US 9, 13).
Die Subsumtion des Täterverhaltens nach § 28a Abs 2 Z 1 SMG erfordert neben der dort normierten Voraussetzung einer (Vor-)Verurteilung wegen einer Straftat nach § 28a Abs 1 SMG gewerbsmäßige Tatbegehung, somit – abgesehen von der beabsichtigten längerfristigen Einnahme von durchschnittlich mehr als 400 Euro monatlich – das Hinzutreten eines (objektiven) Kriteriums nach § 70 Abs 1 Z 1, 2 oder 3 StGB (Schwaighofer in WK2 SMG § 28a Rz 32/1; vgl auch RIS-Justiz RS0130966).
Zwar muss die von § 28a Abs 2 Z 1 SMG geforderte (Vor-)Verurteilung nicht den zeitlichen Kriterien der in Bezug auf § 70 Abs 1 Z 3 StGB normierten Frist nach § 70 Abs 3 StGB genügen (15 Os 97/16b), wird aber die Annahme gewerbsmäßiger Tatbegehung ausschließlich auf eine bereits abgeurteilte Tat gegründet, wie dies (mangels Bezug zu einem anderen Kriterium des § 70 Abs 1 StGB) gegenständlich der Fall ist (vgl auch US 26 f: „Der Zweitangeklagte hat zudem die Qualifikation des § 28a Abs 2 Z 1 SMG durch seine Vorverurteilung zu verantworten.“), reicht eine einzige Verurteilung nur aus, wenn sie sowohl den Kriterien des § 28a Abs 2 Z 1 SMG, als auch jenen des § 70 Abs 1 Z 3 zweiter Fall iVm Abs 3 StGB entspricht. Von ihrer Rechtskraft bis zur folgenden Tat darf daher – abzüglich Zeiten behördlicher Anhaltung – nicht mehr als ein Jahr vergangen sein (neuerlich RIS-Justiz RS0130966).
Fallbezogen sind den Entscheidungsgründen Zeiten behördlicher Anhaltung nicht zu entnehmen und entspricht somit die festgestellte (Vor-)Verurteilung zwar den Kriterien des § 28a Abs 2 Z 1 SMG, nicht aber jenen des § 70 Abs 1 Z 3 zweiter Fall iVm Abs 3 StGB.
Die der Sache nach zutreffend aufgezeigte rechtsfehlerhafte Subsumtion erfordert zu I./A./2./ daher die Kassation der (ausschließlich beim Beschwerdeführer angenommenen) Qualifikation nach § 28a Abs 2 Z 1 SMG, demzufolge auch die Aufhebung des Strafausspruchs (einschließlich der Vorhaftanrechnung) und des den Angeklagten K***** betreffenden Beschlusses nach § 494a Abs 1 StPO. Ein Eingehen auf die Sanktionsrüge (Z 11) erübrigt sich.
Im zweiten Rechtsgang wird das Erstgericht zu beachten haben, dass bloße Teilakte von Suchtgifthandel nach § 28a Abs 1 SMG als Bezugspunkt für wiederkehrende Begehung (§ 70 Abs 1 Z 3 StGB) nicht genügen und der zur ständigen Rechtsprechung gewordene Ansatz, welcher auf exakter Abgrenzbarkeit einzelner Grenzmengen zueinander beruhte und durch den § 28a Abs 1 SMG auf diese Weise mehrfach begründet werden konnte (vgl RIS-Justiz RS0112225 [T11, T14],
RS0124018), vom Obersten Gerichtshof aufgegeben wurde, weil Bezugspunkt des Suchtgifthandels eine die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigende Menge ist, somit eine gesetzliche (auf exakt eine Grenzmenge bezogene) Abtrennungsregel für ihrerseits und im Verhältnis zueinander sukzessiv begangene Taten nach § 28a Abs 1 SMG im geltenden Recht nicht aufzufinden ist (12 Os 21/17f [verstärkter Senat]). Suchgifthandel durch je für sich große Mengen kann jedoch (nach wie vor) Bezugspunkt für wiederkehrende Begehung (§ 70 StGB) sein. Der Vollständigkeit halber wird darauf hingewiesen, dass eine Zusammenfassung für sich allein die Grenzmenge nicht übersteigender Suchtgiftquanten zur Begründung von Suchtgifthandel nach § 28a Abs 1 SMG aufgrund von Additionsvorsatz (RIS-Justiz RS0124018) weiterhin möglich ist (vgl neuerlich 12 Os 21/17f [verstärkter Senat]).
Mit seiner Berufung und seiner Beschwerde wird der Angeklagte auf die Kassation verwiesen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.
Textnummer
E121051European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2018:0150OS00007.18W.0314.000Im RIS seit
05.04.2018Zuletzt aktualisiert am
13.11.2018