Index
E1E;Norm
11997E234 EG Art234;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Bernard, Dr. Graf, Dr. Gall und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des Dr. R, vertreten durch Dr. Wilfried Ludwig Weh, Rechtsanwalt in 6900 Bregenz, Wolfeggstrasse 1, gegen den Bescheid des Militärkommandos Vorarlberg vom 22. September 1999, Zl. W/66/01/02/24, betreffend Einberufung zur Leistung des Grundwehrdienstes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 22. September 1999 wurde der Beschwerdeführer vom Militärkommando Vorarlberg gemäß § 35 des Wehrgesetzes 1990 (WG) mit Wirkung vom 2. November 1999 zur Leistung des restlichen Grundwehrdienstes in der Dauer von sieben Monaten und 28 Tagen einberufen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Der Beschwerdeführer vertritt im Wesentlichen die Auffassung, für die Beantwortung der Frage, ob er als Staatsangehöriger der Republik Österreich sowie der Italienischen Republik zu Recht zur Ableistung des Militärdienstes in Österreich herangezogen werden könne, sei maßgeblich, wo er seinen ordentlichen Wohnsitz habe. Er sei in Italien geboren, habe dort seine Schulausbildung (einschließlich seines Studiums) absolviert und habe sich dem italienischen Militär gestellt. Am 2. November 1992 sei ihm von der Kriegsmarine in Pescara ein "Congedo Illimitato", ein "unbegrenzter Aufschub", gewährt worden, mit der Wirkung, dass er vom Wehrdienst auf unbestimmte Zeit (aber nicht unter allen Umständen endgültig) dispensiert sei. Der Verwaltungsgerichtshof habe in seinem Erkenntnis vom 17. Dezember 1998, Zl. 97/11/0169, die Auffassung vertreten, dass für die Frage der Militärdienstpflicht von Doppelstaatsbürgern ihr (aktueller) ordentlicher Wohnsitz maßgebend sei, weil das Übereinkommen einen Stichtag, nach dem sich ein für alle Mal bestimmt, in welchem Vertragsstaat ein Doppelstaatsbürger den Militärdienst zu leisten hat, nicht vorsehe. Zudem habe der Verwaltungsgerichtshof ausdrücklich auf die Wahlmöglichkeit des Art. 6 Abs. 2 des Übereinkommens über die Verminderung der Fälle mehrfacher Staatsangehörigkeit und über die Militärdienstpflicht in Fällen mehrfacher Staatsangehörigkeit, BGBl. Nr. 471/1975 - im folgenden: Übereinkommen -, hingewiesen. Damit stehe fest, dass die belangte Behörde vor Erlassung des Einberufungsbefehls im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens zu prüfen und festzustellen gehabt hätte, ob der Beschwerdeführer seinen (aktuellen) ordentlichen Wohnsitz noch im Bundesgebiet habe oder nicht. Ein solches Ermittlungsverfahren habe die belangte Behörde unterlassen, weshalb es ihr auch entgangen sei, dass der Beschwerdeführer mittlerweile seinen Wohnsitz in die Bundesrepublik Deutschland verlegt habe. Hätte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer weiters Parteiengehör eingeräumt, hätte sie zum Ergebnis kommen müssen, dass der Beschwerdeführer seinen ordentlichen Wohnsitz in die Bundesrepublik Deutschland verlegt habe "und damit das ihm nach Art. 6 Abs. 2 des Übereinkommens gewährte Wahlrecht bis dato nicht ausgeübt" habe.
Mit Schriftsatz vom 22. Oktober 1999 brachte der Beschwerdeführer ergänzend vor, er übersende nunmehr eine Erklärung, wonach er im Sinne des Art. 6 Abs. 2 des Übereinkommens sein Wahlrecht dahingehend wahrnehme, dass er erkläre, in Italien seinen Wehrpflicht absolvieren zu wollen (eine entsprechende Erklärung war dem Schriftsatz beigeschlossen). In rechtlicher Hinsicht brachte der Beschwerdeführer weiters vor, die Erklärung Österreichs zu Art. 5 und 6 des Übereinkommens bezwecke nur, die Rechtswirkungen des Abkommens auf Fälle zu beschränken, die die Befreiung vom "Militärdienst", nicht aber von "sonstigen militärischen Verpflichtungen", zum Gegenstand haben, ginge der Vorbehalt weiter, so wäre er wegen Unbestimmtheit ungültig. Die Gegenüberstellung von Art. 6 Abs. 3 und Abs. 5 des Übereinkommens zeige - nicht zuletzt bei Vergleich der verschiedenen Sprachfassungen -, dass eine Erfüllung der Militärdienstpflicht auch bei unbefristeter Entlassung in die Reserve gegeben sei.
In einem weiteren als "Urkundenvorlage" bezeichneten Schriftsatz vom 28. Oktober 1999 brachte der Beschwerdeführer vor, er übermittle angeschlossen "eine Urkunde des italienischen Heeres, Abteilung Marineerhebungskommando Taranto, aus der sich ergibt, dass sich der Beschwerdeführer am 07.03.1984, also zweifelsfrei als Minderjähriger im Sinne des Art. 6 Abs. 1 des Übereinkommens, (mit definitiver Wirkung) für den Wehrdienst zu Gunsten der Republik Italien entschieden hat". Auf der beigelegten Urkundenkopie scheint unter dem Datum "07 03 84" ein "congedo illimitato provvisorio in attesa dell' avviamento alle armi" sowie unter dem Datum "27 11 91" die Eintragung "DISPENSATO dal presentarsi alle armi parche espatriato per motivi di lavoro" auf.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt. Im vorgelegten Verwaltungsakt erliegt ein mit 2. November 1992 datiertes
"VOGLIO DI CONGEDO ILLIMITATO", und zwar "per (1) DISPENSA". Aus einer ebenfalls einliegenden Übersetzung ergibt sich, dass es sich dabei um eine unbeschränkte Abschiedsbescheinigung auf Grund Dispenses handelt. Aus der zweiten Seite des Dokumentes geht hervor, dass am 7. März 1984 eine "Militäranwerbung in der ersten Kategorie" stattgefunden habe und der Beschwerdeführer endgültig vom Militärdienst dispensiert (befreit) sei.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
1.
Die maßgeblichen Bestimmungen des Übereinkommens über die Verminderung der Fälle mehrfacher Staatsangehörigkeit und über die Militärdienstpflicht in Fällen mehrfacher Staatsangehörigkeit, BGBl. Nr. 471/1975, sowie die dazu (anlässlich der Ratifikation) abgegebene Erklärung der Republik Österreich betreffend Art. 5 und 6 des Übereinkommens lauten (auszugsweise):
1. in deutscher Sprache:
"ARTIKEL 5
(1) Wer die Staatsangehörigkeit von zwei oder mehreren Vertragsparteien besitzt, braucht seine Militärdienstpflicht nur gegenüber einer dieser Vertragsparteien zu erfüllen.
...
ARTIKEL 6
Sind oder werden keine Sonderabkommen geschlossen, so gelten für Personen, welche die Staatsangehörigkeit von zwei oder mehr Vertragsparteien besitzen, folgende Bestimmungen:
(1) Der Betreffende ist gegenüber derjenigen Vertragspartei zur Leistung des Militärdienstes verpflichtet, in deren Hoheitsgebiet er seinen ordentlichen Wohnsitz hat. Es steht ihm jedoch bis zum Alter von 19 Jahren frei, seine Militärdienstpflicht bei jeder anderen Vertragspartei zu erfüllen, deren Staatsangehörigkeit er ebenfalls besitzt, indem er als Freiwilliger einen Militärdienst von mindestens der gleichen tatsächlichen Gesamtdauer ableistet, wie sie für den aktiven Militärdienst der erstgenannten Vertragspartei vorgesehen ist.
(2) Wer seinen ordentlichen Wohnsitz im Hoheitsgebiet einer Vertragspartei, deren Staatsangehörigkeit er nicht besitzt, ... hat, kann wählen, bei welcher Vertragspartei, deren Staatsangehörigkeit er besitzt, er seinen Militärdienst ableisten will.
(3) Hat eine Person nach Maßgabe des Absatzes 1 oder 2 ihre Militärdienstpflicht gegenüber einer Vertragspartei im Einklang mit deren Rechtsvorschriften erfüllt, so gilt ihre Militärdienstpflicht auch gegenüber der oder den Vertragsparteien als erfüllt, deren Staatsangehörigkeit sie ebenfalls besitzt.
...
(5) Wer seinen aktiven Militärdienst bei einer der Vertragsparteien, deren Staatsangehörigkeit er besitzt, gemäß Absatz 1 geleistet hat und danach seinen ordentlichen Wohnsitz in das Hoheitsgebiet der anderen Vertragspartei verlegt, deren Staatsangehörigkeit er besitzt, kann nur von der letzteren zur Leistung des Militärdienstes in der Reserve herangezogen werden.
...
(Übersetzung)
Erklärung der Republik Österreich betreffend Artikel 5 und 6 des Übereinkommens, anläßlich der Hinterlegung der Ratifikationsurkunde
Im Zusammenhang mit der heute erfolgten Hinterlegung der Ratifikationsurkunde zu vorstehendem Übereinkommen erklärt die Republik Österreich, daß sie die in den Artikeln 5 und 6 verwendeten Ausdrücke "military obligations/obligations militaires" so auslegt, daß darunter nur die Verpflichtung zur Ableistung des Militärdienstes verstanden wird. Sonstige militärische Pflichten werden von diesem Abkommen nicht berührt."
2. in englischer Sprache:
"ARTICLE 5
1. Persons possessing the nationality of two or more Contracting Parties shall be required to fulfil their military obligations in relation to one of those Parties only.
...
ARTICLE 6
Except where a special agreement which has been, or may be, concluded provides otherwise, the following provisions are applicable to a person possessing the nationality of two or more Contracting Parties:
1. Any such person shall be subject to military obligations in relation to the Party in whose territory he is ordinarily resident. Nevertheless, he shall be free to choose, up to the age of 19 years, to submit himself to military obligations as a volunteer in relation to any other Party of which he is also a national for a total and effective period at least equal to that of the active military service required by the former Party.
2. A person who is ordinarily resident in the territory of a
Contracting Party of which he is not a national ... may choose to
perform his military service in the territory of any Contracting Party of which he is a national.
3. A person who, in accordance with the rules laid down in paragraphs 1 and 2, shall fulfil his military obligations in relation to one Party, as prescribed by the law of that Party, shall be deemed to have fulfilled his military obligations in relation to any other Party of which he is also a national.
...
5. A person who, in conformity with paragraph 1, has performed his active military service in relation to one of the Contracting Parties of which he is a national, and subsequently transfers his ordinary residence to the territory of the other Party of which he is a national, shall be liable to military service in the reserve only in relation to the latter Party.
...
Declaration of the Republic of Austria concerning Article 5 and 6 of the Convention, on the occasion of the deposit of the instrument of ratification
On the occasion of today's deposit of the instrument of the present Convention the Republic of Austria declares that the terms "military obligations/obligations militaires" used in Article 5 and 6 will be interpreted in a manner that they only comprise the obligation of an individual to fulfill his Compulsory Military Service. Other military obligations are not affected by this Convention."
3. in französischer Sprache:
"ARTICLE 5
1. Tout individu qui possede la nationalite de deux ou plusieurs Parties Contractantes n'est tenu de remplir ses obligations militaires qu'a l'egard d'une seule de ces Parties.
...
ARTICLE 6
A defaut d'accords speciaux conclus ou a la conclure, les dispositions suivantes sont applicables a l'individu possedant la nationalite de deux ou de plusieurs Parties Contractantes:
1. L'individu sera soumis aux obligations militaires de la Partie sur le territoire de laquelle il reside habituellement. Neanmoins, cet individu aura la faculte, jusqu'a l'age de 19 ans, de se soumettre aux obligations militaires dans l'une quelconque des Parties dont il possede egalement la nationalite sous forme d'engagement volontaire pour une duree totale et effective au moins egale a celle du service militaire actif dans l'autre Partie.
2. L'individu qui a sa residence habituelle sur le territoire
d'une Partie Contractante dont il n'est pas le national ... aura la
faculte de choisir parmi les Parties Contractantes dont il possede la nationalite celle dans laquelle il desir accomplir ses obligations militaires.
3. L'individu qui, conformement aux regles prevues aux paragraphes 1 ou 2, aura satisfait a ses obligations militaires a l'egard d'une Partie Contractante, dans les conditions prevues par la legislation de cette Partie, sera considere comme ayant satisfait aux obligations militaires a l'egard de la ou des Parties dont il est egalement le ressortissant.
...
5. Lorsque l'individu a accompli ses obligations militaires d'activite dans l'une des Parties Contractantes dont il possede la nationalite, en conformite du paragraphe 1, et qu'il transfere ulterieurement sa residence habituelle sur le territoire de l'autre Partie dont il possede la nationalite, il ne pourra etre soumis, s'il y a lieu, aux obligations militaires de reserve que dans cette derniere Partie.
...
Declaration de la Republique d'Autriche concernant article 5 et 6 de la Convention, a l'occasion du depot de l'instrument de ratification
A l'occasion du depot de l'instrument de ratification de la presente Convention effectue aujourd'hui, la Republique d'Autriche declare que les expressions <obligations militaires/military obligations> employees aux articles 5 et 6 seront interpretees de fason que l'on n'entend par la que l'obligation de l'individu d'accomplir son service militaire. D'autres obligations militaires ne sont en rien affectees par la presente Convention."
In der Regierungsvorlage zur parlamentarischen Genehmigung, 1438 BlgNR 13. GP, 14, heißt es (auszugsweise):
"...
Ein Problem ergab sich auch aus der teilweise divergierenden Terminologie des englischen und französischen Originaltextes des Übereinkommens. Während die im englischen Text des Art. 6 Abs. 1 enthaltene Bezeichnung "military obligations" im französischen Text mit "obligations militaires" und die Bezeichnung "military service" mit "service militaire" korrekt wiedergegeben sind, wird im Art. 6 Abs. 2 für den englischen Begriff "military service" im französischen Text der Begriff "obligations militaires" verwendet. Die gleiche Divergenz ist auch im Art. 6 Abs. 5 enthalten. Aus diesem Grund erscheint - wie im folgenden noch näher ausgeführt wird - die Abgabe einer interpretativen Erklärung anläßlich der Ratifikation erforderlich. ...
...Durch das in der Folge am 15. Jänner 1971 beschlossene Bundesgesetz, mit dem wehrrechtliche Bestimmungen neuerlich geändert werden, BGBl. Nr. 272/1971, ist unter anderem auch hinsichtlich der Art und des Umfanges der Wehrpflicht, insbesondere aber hinsichtlich der verschiedenen Präsenzdienstarten eine Änderung der Rechtslage eingetreten. Diese Änderung der Rechtslage war für die Beurteilung der Frage, welcher Inhalt den im authentischen Text des gegenständlichen Übereinkommens verwendeten Begriffen "military obligations", "(active) military service" und "military service in the reserve" nach dem österreichischen Wehrrecht beizumessen ist, von besonderer Wichtigkeit. Die im authentischen englischen bzw. französischen Text verwendeten Begriffe "military obligations" und "obligations militaires" lassen nämlich nicht völlig klar erkennen, welche Einzelpflichten der Wehrpflicht von den vorstehend genannten Ausdrücken jeweils umfaßt werden. So könnte beispielsweise im Art. 6 Abs. 1 die Formulierung "subject to military obligations" bzw. "soumis aux obligations militaires" vom Wortlaut her als "wehrpflichtig" in einem umfassenden Sinne, d. h. nicht nur im Sinne der Wehrdienstpflicht - also der bloßen Verpflichtung zur Ableistung des Wehrdienstes -, sondern auch anderer Verpflichtungen, wie etwa der Stellungspflicht, gewisser Meldepflichten usw., verstanden werden. Hingegen kann vom Inhalt des gegenständlichen Übereinkommens her dieser Begriff nur in einem eingeschränkten Sinn, nämlich in der Bedeutung von "wehrdienst pflichtig"(Sperrung im Orig.), verstanden werden. Auch nach der für die Ratifikation dieses Übereinkommens im Deutschen Bundestag ausgearbeiteten Übersetzung
... wird die Wendung "subject to military obligations" bzw.
"soumis
aux obligations militaires" in diesem eingeschränkten Sinn verstanden.
Nach Klärung dieser Interpretationsfragen standen der Ratifikation des gegenständlichen Übereinkommens keine weiteren Bedenken entgegen, zumal anläßlich der Hinterlegung der Ratifikationsurkunde die Abgabe einer interpretativen Erklärung zum Begriff "military obligations/obligations militaires" vorgesehen ist, die besagt, daß die Republik Österreich unter diesem Begriff nur die Verpflichtung zur Ableistung des Militärdienstes versteht, sonstige militärische Pflichten aber von diesem Übereinkommen nicht berührt werden."
Das Übereinkommen ist gemäß seinem Art. 10 Abs. 2 einen Monat nach Hinterlegung der zweiten Ratifikationsurkunde, das heißt am 28. März 1968, objektiv in Kraft getreten (vgl. die RV, 13). Ein Beschluss gemäß Art. 50 Abs. 2 B-VG wurde vom Nationalrat nicht gefasst.
2.
Unbestritten ist im vorliegenden Fall, dass der (am 2. November 1966 geborene) Beschwerdeführer Staatsbürger der Republik Österreich sowie der Italienischen Republik ist, im Jahr 1992 in Österreich für tauglich befunden wurde (vgl. das den Beschwerdeführer betreffende hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 1998, Zl. 97/11/0169), bisher aber seinen Militärdienst weder in Österreich (zur Gänze) noch in Italien abgeleistet hat (bezogen auf Italien hat der Beschwerdeführer nie behauptet, auch nur einen Tag Militärdienst geleistet zu haben). Strittig ist hingegen, ob der Beschwerdeführer seinen ordentlichen Wohnsitz (im folgenden jeweils: im Sinne des Übereinkommens) im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides noch in Österreich hatte oder, wie der Beschwerdeführer vorbringt, vor Erlassung des angefochtenen Bescheides bereits in die Bundesrepublik Deutschland verlegt hatte. Entgegen dem Beschwerdevorbringen hängt die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides jedoch aus folgenden Gründen nicht von der Beantwortung dieser Frage ab:
Hatte der Beschwerdeführer - wie die belangte Behörde annahm - im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides seinen ordentlichen Wohnsitz in Österreich, so wäre der Beschwerdeführer gemäß Art. 6 Abs. 1 erster Satz des Übereinkommens grundsätzlich gegenüber Österreich zur Leistung des Militärdienstes verpflichtet. Dass es grundsätzlich auf den ordentlichen Wohnsitz im Zeitpunkt der Erlassung des Einberufungsbefehles, somit um den aktuellen ordentlichen Wohnsitz, nicht hingegen um denjenigen zum Zeitpunkt der ersten Stellung, ankommt, entspricht der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das bereits erwähnte hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 1998). Der angefochtene Bescheid könnte sich in diesem Fall nur dann als rechtswidrig erweisen, wenn der Beschwerdeführer seine Militärdienstpflicht in Italien erfüllt hätte, indem er als Freiwilliger einen Militärdienst von mindestens der gleichen tatsächlichen Gesamtdauer abgeleistet hätte, wie sie für den aktiven Militärdienst in Österreich vorgesehen ist (Artikel 6 Abs. 1 zweiter Satz des Übereinkommens). Für das Vorliegen dieser Ausnahmevoraussetzung gibt es jedoch sowohl nach dem Beschwerdevorbringen als auch nach der Aktenlage keinen Hinweis, hat doch der Beschwerdeführer auch nach seinem Vorbringen in Italien keinen Militärdienst abgeleistet. Es erübrigt sich daher, an dieser Stelle auf die nähere Bedeutung des vorgelegten "Congedo Illimitato" einzugehen, weil dieses, wie der Beschwerdeführer selbst einräumt, nur eine Befreiung vom Militärdienst zum Ausdruck bringt.
An diesem Ergebnis ändert auch eine Einbeziehung der englischen und der französischen Fassung des Übereinkommens nichts, weil auch in diesen nach Art. 6 Abs. 3 unmissverständlich zum Ausdruck kommt, dass sich auf Art. 6 Abs. 3 nur berufen kann, wer in Übereinstimmung mit den in (hier) Art. 6 Abs. 1 (zweiter Satz) enthaltenen Regeln ("in accordance with the rules laid down in paragraphs 1 ...", "conformement aux regles prevues aux paragraphes 1 ...") gehandelt hat. Diese sehen aber sowohl nach der englischen als auch nach der französischen Fassung klar einen Militärdienst, nicht etwa nur eine Stellung, vor.
Sollte der Beschwerdeführer aber, seinem Beschwerdevorbringen entsprechend, seinen ordentlichen Wohnsitz noch vor Erlassung des angefochtenen Bescheides in die Bundesrepublik Deutschland verlegt haben, so wäre für seinen Standpunkt ebenfalls nichts gewonnen. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das hg. Erkenntnis vom 4. Februar 1992, Zl. 91/11/0096) steht der Erlassung eines Einberufungsbefehles nämlich nicht entgegen, dass der Wehrpflichtige seinen ordentlichen Wohnsitz im Ausland hat oder sich dort ständig aufhält. Die behauptete Verlegung des ordentlichen Wohnsitzes in die Bundesrepublik Deutschland stellt nach dem WG somit kein Hindernis für die Erlassung des angefochtenen Bescheides dar.
Der Beschwerdeführer kann sich jedoch auch nicht, wie er meint, auf Artikel 6 Abs. 2 des Übereinkommens berufen. Zwar trifft es zu, dass ein Mehrfachstaatsangehöriger, der seinen ordentlichen Wohnsitz im Hoheitsgebiet einer Vertragspartei hat, deren Staatsangehörigkeit er nicht besitzt, wählen kann, bei welcher Vertragspartei, deren Staatsangehörigkeit er besitzt, er seinen Militärdienst ableisten will. Daraus ergibt sich aber zunächst nur, dass Mehrfachstaatsangehörige, die ihren Wohnsitz außerhalb des Hoheitsgebietes derjenigen Staaten haben, deren Staatsangehörigkeit sie besitzen, eine uneingeschränkte Wahlmöglichkeit für die Ableistung des Militärdienstes haben. Da in den von Art. 6 Abs. 2 erfassten Fällen keiner der "Heimatstaaten" auch Wohnsitzstaat ist, entfällt die in Art. 6 Abs. 1 vorgesehene grundsätzliche Bevorzugung des Wohnsitzstaates mit der Folge, dass der Mehrfachstaatsangehörige auch die für ihn günstigeren Regelungen für die Erfüllung seiner Militärdienstpflicht wählen darf. Aus Artikel 6 Abs. 2 des Übereinkommens folgt hingegen entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers nicht, dass es anders als nach Artikel 6 Abs. 1 auf eine Ableistung des Militärdienstes nicht mehr ankäme.
Erneut lässt sich aus der Heranziehung der englischen und der französischen Fassung nichts für die gegenteilige Ansicht gewinnen. Zwar ist einzuräumen, dass, wie auch die oben wiedergegebene Regierungsvorlage aufzeigt, die englische Fassung ("perform his military service") das Erfordernis eines Militärdienstes, verstanden als Präsenzdienst, deutlich zum Ausdruck bringt, während die französische Fassung ("accomplir ses obligations militaires") auch so verstanden werden könnte, dass ein Militärdienst nicht notwendig vorausgesetzt wird, damit von einer Erfüllung der "obligations militaires" im Sinne des Art. 6 Abs. 3 des Übereinkommens gesprochen werden kann. Gegen diese Annahme spricht aber zum einen schon der Umstand, dass die entscheidenden Ausdrücke in beiden Sprachfassungen auch in Art. 6 Abs. 5 des Übereinkommens ("...has performed his active military service...", "...a accompli ses obligations militaires d'activite...") verwendet werden, welcher unzweifelhaft die Ableistung eines Militärdienstes zum Gegenstand hat, wenngleich die Regelung nur einen Spezialfall erfasst, nämlich die Verlegung des ordentlichen Wohnsitzes nach Ableistung des Aktivdienstes. Dass der französische Ausdruck "accomplir" im Falle des Art. 6 Abs. 5 im Sinne von "Ableisten", in Art. 6 Abs. 2 aber in anderer Bedeutung gebraucht worden sein sollte, ist nicht anzunehmen.
Zum anderen spricht auch eine Auslegung nach den Grundsätzen der - hier wegen ihres zeitlichen Geltungsbereiches nicht unmittelbar maßgeblichen - Wiener Vertragsrechtskonvention (WVK) dafür, dass Art. 6 Abs. 2 des Übereinkommens einen Militärdienst meint. Bei einer solchen Auslegung ist nämlich den in Rede stehenden englischen und französischen Wendungen diejenige Bedeutung beizumessen, die die Wortlaute am besten miteinander in Einklang bringt (vgl. Art. 33 Abs. 4 WVK). Wollte man, wie der Beschwerdeführer, annehmen, dass ausgehend von einem spezifischen Verständnis der französischen Fassung ein Militärdienst nicht erforderlich wäre, so geriete dies in einen eindeutigen Widerspruch zur englischen Fassung. Misst man hingegen, ausgehend von der diesbezüglich relativ klaren englischen Fassung, Art. 6 Abs. 2 des Übereinkommens die Bedeutung bei, dass ein Militärdienst im engeren Sinn, nämlich ein Präsenzdienst, erforderlich ist, so entsteht kein Widerspruch zur französischen Fassung, weil "accomplir ses obligations militaires" jedenfalls auch im Sinne eines Militärdienstes (Präsenzdienstes) verstanden werden kann. Mit diesem Verständnis ist auch die in der Regierungsvorlage näher begründete österreichische interpretative Erklärung ohne weiteres vereinbar.
Das besondere Wahlrecht nach Artikel 6 Abs. 2 des Übereinkommens besteht somit darin, dass die betreffende Person in dem von ihr gewählten Staat den (unter Umständen kürzeren) Militärdienst leistet, mit der Folge, dass (erst) damit ihre Militärdienstpflicht auch gegenüber dem anderen Staat, dessen Staatsbürgerschaft sie ebenfalls besitzt, nach Art. 6 Abs. 3 als erfüllt gilt. Mangels Gebrauchnahme vom Wahlrecht durch Leistung des Militärdienstes in Italien stand Artikel 6 Abs. 2 des Übereinkommens der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides auch unter der Annahme eines ordentlichen Wohnsitzes des Beschwerdeführers in der Bundesrepublik Deutschland nicht entgegen.
Der Beschwerdeführer scheint allerdings das in Artikel 6 Abs. 2 des Übereinkommens vorgesehene Wahlrecht dahin zu verstehen, dass den Betreffenden damit die - unbefristete - Möglichkeit der Abgabe einer Erklärung, in welchem Staat sie den Militärdienst ableisten wollen, eingeräumt werde, und dass diese vor Abgabe einer solchen Erklärung von keinem der in Betracht kommenden Staaten zur Leistung des Militärdienstes einberufen werden dürften. Ein derartiges Verständnis findet jedoch weder im Wortlaut noch im Zweck des Übereinkommens eine Deckung. Darin ist nicht nur keine Rede von einer derartigen Erklärung sowie dahin, dass eine Einberufung zum Militärdienst erst nach Abgabe einer entsprechenden Erklärung zulässig wäre. Das besagte Verständnis ist auch nicht erforderlich, um den Zweck des Übereinkommens (Vermeidung der mehrfachen Leistung des Militärdienstes) zu erreichen, es führte vielmehr zu dem von diesem Übereinkommen keineswegs gewollten Ergebnis, dass es militärdienstpflichtigen Personen möglich wäre, durch Unterlassen der Abgabe einer entsprechenden Erklärung die Erfüllung der üblicherweise nur bis zu einem bestimmten Alter bestehenden Militärdienstpflicht überhaupt zu vereiteln. Im Übrigen wäre dem Beschwerdeführer jedenfalls entgegenzuhalten, dass er vor Erlassung des angefochtenen Bescheides keinerlei Erklärung abgegeben hat.
Da nach dem bisher Gesagten für die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides die behauptete Verlegung des Wohnsitzes von Österreich in die Bundesrepublik Deutschland ohne Belang ist, bedurfte es keiner Ermittlungen der belangten Behörde in dieser Frage. Der gerügte Verfahrensmangel liegt daher nicht vor.
Aus den im hg. Erkenntnis vom 29. Oktober 1996, Zl. 96/11/0270, genannten Gründen, auf die gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, sieht der Verwaltungsgerichtshof auch im vorliegenden Fall keinen Grund, die Anregung des Beschwerdeführers aufzugreifen, ein Ersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften um Vorabentscheidung gemäß Artikel 234 EGV zu richten. Auch aus den vom Beschwerdeführer genannten Urteilen des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (insbesondere dem Urteil vom 30. November 1995, Gebhart, Slg. 1995, Seite I-4165) ist nicht ersichtlich, dass das in Rede stehende Übereinkommen mit dem Recht der Europäischen Union unvereinbar wäre.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Von der Durchführung einer Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG Abstand genommen werden. Artikel 6 Abs. 1 MRK steht dem nicht entgegen.
Wien, am 11. April 2000
Gerichtsentscheidung
EuGH 61994J0055 Gebhard VORAB;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1999110309.X00Im RIS seit
09.11.2001Zuletzt aktualisiert am
15.11.2011