TE OGH 2018/3/14 13Os131/17i

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Veröffentlicht am 14.03.2018
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Der Oberste Gerichtshof hat am 14. März 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Pichler als Schriftführerin in der Strafsache gegen Franz H***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 3, 148 zweiter Fall StGB sowie weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Schöffengericht vom 22. Mai 2017, GZ 61 Hv 51/16b-125, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Franz H***** – soweit für die Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde von Bedeutung – des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 3, 148 zweiter Fall StGB (A) und des Vergehens nach § 122 GmbHG idF „vor 1. Jänner 2016“ (C) schuldig erkannt.

Danach hat er in S*****

(A) vom 18. August 2009 bis zum 2. September 2013 als Geschäftsführer und Prokurist der C***** GmbH („C*****“) in mehreren Angriffen gewerbsmäßig (§ 70 Abs 1 Z 2 StGB) und mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz, Verantwortliche der U***** GmbH und der Un***** GmbH durch Vorgabe, es seien 997 Kaffeeautomaten, Kaltgetränkeautomaten und digitale Multimedia Lounges als Leasingobjekte erworben und den jeweiligen Leasinggebern daran Eigentum verschafft worden, wobei er inhaltlich unrichtige Übernahmeprotokolle unterfertigte und den Leasinggebern vorlegte, mithin durch Täuschung über Tatsachen unter Benutzung falscher Beweismittel, zu Auszahlungen im Gesamtbetrag von 14.932.665,62 Euro an die i***** GmbH verleitet, die die Leasinggesellschaften im Betrag von 14.689.065,62 Euro am Vermögen schädigten;

(C) 2010 und 2011 als Geschäftsführer der C***** GmbH in Bilanzen von Jahresabschlüssen das Eigenkapital der Gesellschaft unrichtig wiedergegeben, und zwar

1. im Jahresabschluss 2009 zum Stichtag 31. Dezember 2009 mit 3.447 Euro statt (negativ) mit -104.025 Euro und

2. im Jahresabschluss 2010 zum Stichtag 31. Dezember 2010 mit 88.725 Euro statt (negativ) mit -786.025 Euro.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 4, 5 und 5a StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten geht fehl.

Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wies das Erstgericht die Anträge auf Vernehmung der Zeugen Mag. Daniela R*****, Dr. Daniel W***** und Mag. Jürgen Ra***** (ON 124 S 18 ff) ohne Verletzung von Verteidigungsrechten ab:

Ob der „U*****“ (U***** GmbH), also der Muttergesellschaft, bei der Geschäftsanbahnung die finanziellen Verhältnisse der C***** oder des Angeklagten bekannt waren, worauf der erste Antrag zielte, betraf zufolge des Vorwurfs der Vorspiegelung, mit dem Auszahlungsbetrag der Tochtergesellschaften 997 (tatsächlich existierende) Leasingobjekte zu finanzieren und den Leasinggebern daran Sicherungseigentum zu verschaffen (US 6 ff), keinen für die Schuld- oder die Subsumtionsfrage entscheidenden Aspekt. Gleiches gilt für den durch Vernehmung der Zeugen W***** und Ra***** angestrebten Nachweis, der nicht die gegenständlichen Unternehmen, sondern das Investment der keine Übernahme anstrebenden Ra***** OG an C***** betraf, sowie den Umstand, dass an den Kaltgetränkeautomaten keine Serienreife vorgelegen sei (ON 124 S 18 ff).

Die in der Beschwerde nachgetragenen Argumente als Versuch einer Antragsfundierung sind aufgrund des sich aus dem Wesen des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes ergebenden Neuerungsverbots unbeachtlich (RIS-Justiz RS0099618).

Soweit der Beschwerdeführer (im Rahmen des Vorbringens der Mängel- und der Tatsachenrüge) Feststellungen vermisst oder begehrt, macht er der Sache nach den Nichtigkeitsgrund der Z 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO geltend. Die gesetzmäßige Ausführung eines materiell-rechtlichen Nichtigkeitsgrundes hat das Festhalten am gesamten im Urteil festgestellten Sachverhalt, dessen Vergleich mit dem darauf anzuwendenden Gesetz und die Behauptung, dass das Erstgericht bei Beurteilung dieses Sachverhalts einem Rechtsirrtum unterlegen ist, zur Voraussetzung (RIS-Justiz RS0099810). Indem die Rüge ihre Behauptungen nicht auf Basis der Gesamtheit der Entscheidungsgründe entwickelt, sondern getroffene Feststellungen bestreitet, übergeht oder durch andere zu ersetzen anstrebt, verfehlt sie den Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 581). Im Übrigen leitet sie nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab, aus welchem Grund die im Urteil getroffenen Feststellungen (US 4 bis 10) die Schuldsprüche A und C nicht tragen sollten (RIS-Justiz RS0116565). Solcherart entziehen sich die (inhaltlich) Rechtsfehler mangels Feststellungen behauptenden Einwände zur Gänze einer inhaltlichen Erwiderung.

Bezugspunkt der Mängelrüge (Z 5) ist der Ausspruch über die als entscheidend zu wertenden Tatsachen in den Entscheidungsgründen. In diesem Sinn entscheidend ist eine Tatsache genau dann, wenn die Feststellung ihres Vorliegens oder Nichtvorliegens entweder die rechtliche Entscheidung über Schuld- oder Freispruch (§§ 259, 260 Abs 1 Z 2 StPO) oder – im Fall gerichtlicher Strafbarkeit – darüber beeinflusst, welche strafbaren Handlungen begründet werden.

Hievon ausgehend nennt das Gesetz fünf Fehlerkategorien, denen unter dem Aspekt des § 281 Abs 1 Z 5 StPO Relevanz zukommt:

Undeutlichkeit im Sinne der Z 5 erster Fall ist gegeben, wenn – nach Beurteilung durch den Obersten Gerichtshof, also aus objektiver Sicht – nicht für sämtliche unter dem Gesichtspunkt der Nichtigkeitsgründe relevanten Urteilsadressaten, mithin sowohl für den Beschwerdeführer als auch für das Rechtsmittelgericht, unzweifelhaft erkennbar ist, ob eine entscheidende Tatsache in den Entscheidungsgründen festgestellt worden oder aus welchen Gründen die Feststellung entscheidender Tatsachen erfolgt ist.

Unvollständig (Z 5 zweiter Fall) ist ein Urteil genau dann, wenn das Gericht bei der für die Feststellung entscheidender Tatsachen angestellten Beweiswürdigung erhebliche, in der Hauptverhandlung vorgekommene (§ 285 Abs 1 StPO) Verfahrensergebnisse unberücksichtigt ließ.

Widersprüchlich sind zwei Aussagen, wenn sie nach den Denkgesetzen oder grundlegenden Erfahrungssätzen nicht nebeneinander bestehen können. Im Sinn der Z 5 dritter Fall können die Feststellungen über entscheidende Tatsachen in den Entscheidungsgründen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) und deren Referat im Erkenntnis (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO), die Feststellungen über entscheidende Tatsachen in den Urteilsgründen, die zu den getroffenen Feststellungen über entscheidende Tatsachen angestellten Erwägungen sowie die Feststellungen über entscheidende Tatsachen in den Urteilsgründen und die dazu angestellten Erwägungen zueinander im Widerspruch stehen.

Offenbar unzureichend (Z 5 vierter Fall) ist eine Begründung, die den Gesetzen folgerichtigen Denkens oder grundlegenden Erfahrungssätzen widerspricht.

Aktenwidrig im Sinne der Z 5 fünfter Fall ist ein Urteil, wenn es den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder Urkunde in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergibt.

Daran orientiert sich das Vorbringen der Mängelrüge nicht.

Soweit einem Aspekt des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes (Z 5) hinreichend deutlich zuordenbar, sei Folgendes erwidert:

Ob die U***** die Möglichkeit gehabt hätte, die Unrichtigkeit der Standortlisten der Kaffeeautomaten zu erkennen, ob die Standorte überprüft wurden, ob diese überprüft werden hätten können oder ob der Angeklagte auf die Kontrolle der Standorte Einfluss nahm, ist für die hier entscheidungsrelevante Frage, ob der Angeklagte bei der Auszahlung die Verantwortlichen der U***** GmbH und der Un***** GmbH darüber getäuscht habe, dass mit den Geldmitteln vorhandene Objekte finanziert und an diesen Sicherungseigentum verschafft werde, ohne Bedeutung. Im Übrigen blieben bei den Feststellungen die Aussagen der Zeugen Re***** und T***** keineswegs unberücksichtigt (US 13, 14).

Auch der den Kenntnisstand der Mitarbeiter im Betrieb und im Umfeld des Angeklagten betreffende Einwand unterlässt die gebotene Bezugnahme auf eine entscheidende Tatsache. Im Übrigen ist der – Nichtigkeit nach Z 5, die stets nur getroffene Feststellungen zum Gegenstand hat, der Sache nach gar nicht ansprechende – Vorwurf „unterlassener Feststellung“ nicht nachvollziehbar, weil das Urteil vom Vorgebrachten ausdrücklich ausgeht (vgl US 11, 12 und 19) und der Beschwerdeführer auf die entsprechende Urteilspassage selbst verweist. Da die

Entscheidungsgründe stets in ihrer

Gesamtheit heranzuziehen sind, geht der Einwand, das Erstgericht habe sich mit dem Thema „nur im Rahmen der Beweiswürdigung“ auseinandergesetzt, schon im Ansatz fehl. Dass die Tatrichter aus den von der Beschwerde angesprochenen Beweisergebnissen denkmögliche, aber nicht die vom Rechtsmittelwerber

gewünschten Schlüsse zogen (US 12), ist als Akt freier Beweiswürdigung mit Mängelrüge nicht bekämpfbar (RIS-Justiz RS0098400).

Gleiches gilt für die Kritik an den Feststellungen zur Rolle der i***** GmbH als Generalunternehmerin, sowie zur Haftungsbeschränkung und an der Überzeugung der Tatrichter, dass die U***** dennoch von keiner Unternehmensfinanzierung, sondern einer Projektfinanzierung im Rahmen eines Leasings und dem Erlangen von Sicherungseigentum ausgegangen sei (vgl dazu US 6, 18, 24). Der Einwand, die Feststellung, dass die i***** nur für ihre Komponenten hafte, stehe im krassen Widerspruch zur Beweiswürdigung, verfehlt zudem die gebotene Bezugnahme auf eine entscheidende Tatsache.

Das Vorbringen, die Haftungsfreizeichnung würde einen unzulässigen Vertrag zu Lasten Dritter bedeuten, lässt keinen Bezug zu den Kriterien eines Nichtigkeitsgrundes erkennen.

Der Vorwurf der Unvollständigkeit der Beweiswürdigung (Z 5 zweiter Fall) in Bezug auf die Feststellungen zur Unrichtigkeit der Übernahmeprotokolle trifft nicht zu, vielmehr setzte sich das Erstgericht auch mit den Datierungen und Vorgaben seitens der U***** sowie den Aussagen der Zeugen Re*****, S***** (US 16), Dr. F***** (US 15), A***** (US 14) und Tr***** (US 17) auseinander (US 14, 15, 17, 19, 23 f). Im Übrigen stehen diese Aussagen, ebenso wie die des Zeugen D*****, wonach es erst nach Übernahme des Komplettsystems zur Auszahlung des Kaufpreises komme, den Feststellungen zur Täuschung der Verantwortlichen der U***** GmbH und der Un***** GmbH nicht erörterungsbedürftig entgegen. Indem die Mängelrüge die Feststellungen zur Täuschung angreift und eigenständige

Erwägungen zur Aussagekraft von Verfahrensergebnissen

anstellt, zeigt sie keine Begründungsfehler im Sinn der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO auf, sondern erschöpft sich in einem im schöffengerichtlichen Verfahren unzulässigen (§ 283 Abs 1 StPO) Angriff auf die tatrichterliche Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO).

Mit der Bezugnahme auf das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 12. Dezember 2016, AZ 6 Cg 27/15x, lässt der Beschwerdeführer – wie er selbst einräumt – keinen Bezug zu den Kriterien eines Nichtigkeitsgrundes erkennen.

Das die Investition der Ra***** GmbH & Co OG betreffende Vorbringen unterlässt die gebotene Bezugnahme auf eine entscheidende Tatsache. Mit erheblichen Tatsachen sind Verfahrensergebnisse gemeint, welche die Eignung haben, die dem Gericht durch die Gesamtheit der übrigen Beweisergebnisse vermittelte Einschätzung vom Vorliegen oder Nichtvorliegen einer entscheidenden

Tatsache maßgebend zu beeinflussen. Mit ihnen muss sich die Beweiswürdigung bei sonstiger Unvollständigkeit (§ 281 Abs 1 Z 5 zweiter Fall StPO) auseinandersetzen (RIS-Justiz RS0116877 [T1]). Solche zeigt die Rüge mit Verfahrensergebnissen zum Nichtvorliegen der Serienreife der Kaltgetränkeautomaten nicht auf. Die Rolle des Mitarbeiters der U*****, T*****, hat das Erstgericht ohnehin sehr kritisch betrachtet und dargelegt, aus welchen Erwägungen es dennoch zur Überzeugung einer bewussten Täuschung der Verantwortlichen der U***** GmbH und der Un***** GmbH gelangte (US 23 f). Aus einzelnen Details der Aussage unter Missachtung deren Gesamtheit kann kein Begründungsfehler abgeleitet werden.

Das die „Kontrollmöglichkeit der U***** betreffende Vorbringen bezieht sich auf keine entscheidende Tatsache. Ob die Aufdeckung der Nichtanschaffung der Geräte zwar nicht aus der Bilanz, aber bei Kontrollen von Standorten und Belegen möglich gewesen wäre, ist weder schuld- noch subsumtionsrelevant. Mit eigenen, die leugnende Verantwortung des Angeklagten referierenden Erwägungen wendet sich die Rüge bloß ein weiteres Mal nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht zulässigen Schuldberufung gegen die den Tatrichtern vorbehaltene Beweiswürdigung.

Mit dem gegen den Schuldspruch C gerichteten Einwand, der Angeklagte habe die Bilanz zufolge des ausgewählten Finanzierungskonzepts unrichtig erstellen müssen, wird kein Nichtigkeitsgrund deutlich und bestimmt angesprochen.

Die Nichtigkeitsgründe des § 281 Abs 1 StPO sind voneinander wesensmäßig verschieden und daher gesondert auszuführen, wobei unter Beibehaltung dieser klaren Trennung deutlich und bestimmt jene Punkte zu bezeichnen sind, durch die sich der Nichtigkeitswerber für beschwert erachtet.

Der Verweis der Tatsachenrüge (Z 5a) auf das zu § 281 Abs 1 Z 5 StPO Vorgebrachte entspricht daher nicht der Strafprozessordnung (RIS-Justiz RS0115902).

Mit der Wiederholung des Vorbringens zur Mängelrüge und der den Tatvorwurf bestreitenden Verantwortung des Beschwerdeführers weckt die

Tatsachenrüge beim Obersten Gerichtshof im Übrigen auch keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zu Grunde liegenden entscheidenden Tatsachen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Schlagworte

Strafrecht;

Textnummer

E121037

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2018:0130OS00131.17I.0314.000

Im RIS seit

05.04.2018

Zuletzt aktualisiert am

05.04.2018
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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