TE Lvwg Erkenntnis 2018/3/23 LVwG-2018/33/0514-1

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Veröffentlicht am 23.03.2018
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Entscheidungsdatum

23.03.2018

Index

40/01 Verwaltungsverfahrensgesetze

Norm

ZustG §17

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Dr. Visinteiner über die Beschwerde der AA, wohnhaft in Adresse 1, Z, gegen den Bescheid der Landespolizeidirektion Tirol vom 15.01.2018, Zl ****, betreffend eine Angelegenheit nach dem Zustellgesetz,

zu Recht:

1.       Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid behoben.

2.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang:

Mit Strafverfügung vom 16.11.2017, Zl ****, wurde der Beschwerdeführerin eine Verwaltungsübertretung nach § 16 Abs 2 lit a StVO zur Last gelegt. Die Strafverfügung wurde nach erfolglosem Zustellversuch bei der Post Geschäftsstelle Z, Adresse 2, hinterlegt. Auf dem Rückschein ist der Beginn der Abholfrist mit 22.11.2017 und das Übernahmedatum mit 01.12.2017 ausgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat mit Eingabe vom 13.12.2017 Einspruch gegen die Strafverfügung erhoben.

Mit Schreiben der LPD Tirol vom 21.12.2017 wurde der Beschwerdeführerin zur Kenntnis gebracht, dass ihr Einspruch gegen die Strafverfügung verspätet eingebracht worden sei und diese darauf hingewiesen, dass sie binnen 2 Wochen ab Zustellung dieses Schreibens Gelegenheit habe schriftlich dazu Stellung zu nehmen.

Mit Schreiben vom 08.01.2018 hat die Beschwerdeführerin vorgebracht, dass es ihr nicht möglich gewesen sei die Post früher als am 01.12.2017 abzuholen. Sie sei National Account Manager bei BB und berufsbedingt sehr viel unterwegs. Am Zustelldatum und am darauffolgenden Tag habe sie sich in Deutschland aufgehalten. Dies könnten auch zwei Arbeitskollegen bezeugen. In der Folge sei sie am Montag nach Frankreich gereist und habe sich dort bis Donnerstag aufgehalten. Am Freitag, den 01.12.2017, habe sie den Brief abgeholt.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 15.01.2018 wurde der Einspruch der Beschwerdeführerin gemäß § 49 Abs 1 VStG als verspätet zurückgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass laut Zustellschein erfolglos versucht worden sei, die Strafverfügung am 22.11.2017 zuzustellen. Daraufhin sei das Schriftstück am 22.11.2017 beim Postamt hinterlegt worden und ab 22.11.2017 zur Abholung bereitgehalten worden.

Gegen diesen Bescheid hat die Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde erhoben und darin im Wesentlichen ausgeführt, dass die Behörde auf ihre Antwort auf das Schreiben der LPD Tirol vom 21.12.2017 mit keinem Wort eingegangen sei. Dort sei detailliert und unter Anführung von Beweisen dargelegt worden, dass sie ortsabwesend gewesen sei und nicht rechtzeitig vom Zustellversuch bzw der Hinterlegung Kenntnis erlangen hätte können. Bei richtiger rechtlicher Würdigung wäre die Behörde zum Ergebnis gekommen, dass ihr Einspruch rechtzeitig gewesen sei. Die Zustellfiktion des § 17 Abs 3 ZustG trete nicht ein, wenn sich ergebe, dass der Empfänger nicht rechtzeitig im Sinne des § 13 Abs 3 ZustG wegen Abwesenheit von der Abgabestelle vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen hätte können. Sie habe erst am 01.12.2017 nach ihrer Rückkehr von einer längeren Dienstreise von der Hinterlegung der Sendung Kenntnis nehmen können. Zu diesem Zeitpunkt sei jedoch schon mehr als die Hälfte der Rechtsmittelfrist für den Einspruch verstrichen gewesen.

II.      Rechtslage:

Die entscheidungswesentliche Bestimmung des Zustellgesetzes – ZustG, BGBl Nr 200/1982 idF BGBl I Nr 40/2017, lautet wie folgt:

§ 17

(1) Kann das Dokument an der Abgabestelle nicht zugestellt werden und hat der Zusteller Grund zur Annahme, daß sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, so ist das Dokument im Falle der Zustellung durch den Zustelldienst bei seiner zuständigen Geschäftsstelle, in allen anderen Fällen aber beim zuständigen Gemeindeamt oder bei der Behörde, wenn sie sich in derselben Gemeinde befindet, zu hinterlegen.

[…]

(3) Das hinterlegte Dokument ist mindestens zwei Wochen zur Abholung bereitzuhalten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Dokument erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Dokumente gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, daß der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem das hinterlegte Dokument behoben werden könnte.

[…]

III.     Erwägungen:

Mit dem ersten Tag der Abholfrist, im gegenständlichen Fall dem 22.11.2017, gilt gemäß § 17 Abs 3 ZustG eine hinterlegte Sendung als zugestellt. Sie gilt nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs 3 ZustG wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem die hinterlegte Sendung behoben werden könnte.

"Rechtzeitig" im Sinne dieser Bestimmung ist dahin zu verstehen, dass dem Empfänger noch jener Zeitraum für ein Rechtsmittel zur Verfügung stand, der ihm auch im Falle einer vom Gesetz tolerierten Ersatzzustellung üblicherweise zur Verfügung gestanden wäre. Wenn daher der Empfänger durch den Zustellvorgang nicht erst später die Möglichkeit erlangt hat, in den Besitz der Sendung zu kommen, als dies bei einem großen Teil der Bevölkerung infolge ihrer Berufstätigkeit der Fall gewesen wäre, so muss die Zustellung durch Hinterlegung als ordnungsgemäß angesehen werden (vgl VwGH 09.07.1992, 91/16/0091; VwGH 09.11.2004, 2004/05/0078). In anderen Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes wurde darauf abgestellt, ob der Partei nach den Verhältnissen des Einzelfalles noch ein angemessener Zeitraum für die Einbringung des Rechtsmittels verblieb (vgl VwGH 24.02.2000, 2000/02/0027, VwGH 18.03.2004, 2001/03/0284).

In der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wurde beispielsweise noch keine unzulässige Verkürzung der Rechtsmittelfrist bei einer Rückkehr einen Tag nach dem Beginn der Abholfrist (vgl VwGH 15.07.1998, 97/13/0104, VwGH 19.04.2001, 99/06/0049) und bei einer Behebung drei Tage nach der Hinterlegung (vgl VwGH 27.09.1999, 99/17/0303) sowie bei einer verbleibenden Dauer zur Ausführung des Rechtsmittels von zehn Tagen angenommen (vgl VwGH 24.02.2000, 2000/02/0027).

Ist einer Partei die Behebung eines Schriftstückes, wie im gegenständlichen Fall erst neun Tage nach dem Beginn der Abholfrist möglich, kann jedenfalls nicht mehr gesagt werden, die Partei habe noch "rechtzeitig" im Sinne des § 17 Abs 3 ZustG vom Zustellvorgang Kenntnis erlangt.

Aufgrund der glaubhaften Angaben der Beschwerdeführerin, bekräftigt durch die beigebrachten Nachweise von Kartenzahlungen im Ausland im Zeitraum vom 20.11.2017 bis 30.11.2017 und dem Boarding Pass vom 30.11.2017 für einen Flug von Genf nach München, ist als erwiesen anzusehen, dass sich die Beschwerdeführerin im Zeitraum des Zustellvorganges der Strafverfügung bis zum Donnerstag, den 30.11.2017, aus beruflichen Gründen im Ausland aufgehalten hat und somit von der Abgabestelle ortsabwesend war. Demnach wurde die Zustellung erst mit dem darauffolgenden Werktag am 01.12.2017 wirksam, weswegen der am 13.12.2017 zur Post gegebene Einspruch innerhalb der zweiwöchigen Rechtsmittelfrist erhoben wurde.

Der Beschwerde war daher Folge zu geben und der angefochtene Bescheid zu beheben.

IV.      Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen, und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.

Es besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Dr. Visinteiner

(Richter)

Schlagworte

Ortsabwesenheit; wirksame Zustellung am Tag nach der Rückkehr

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2018:LVwG.2018.33.0514.1

Zuletzt aktualisiert am

04.04.2018
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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