TE Vwgh Erkenntnis 2000/4/11 99/11/0328

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Veröffentlicht am 11.04.2000
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Index

90/02 Führerscheingesetz;
90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

FSG 1997 §7 Abs2;
FSG 1997 §7 Abs4;
KFG 1967 §66 Abs1;
KFG 1967 §66 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Bernard und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des J in W, vertreten durch Dr. Klaus Burka, Rechtsanwalt in 1050 Wien, Hamburgerstraße 10, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 15. September 1999, Zl. MA 65 - 8/398/99, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 24 Abs. 1 Z. 1 Führerscheingesetz - FSG die Lenkberechtigung für die Klasse B entzogen. Gemäß § 25 Abs. 3 leg. cit. wurde die Entziehungsdauer mit 12 Monaten, beginnend ab der am 1. Juli 1999 erfolgten Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides, festgesetzt.

In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 8. Jänner 1999 wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127, 128 Abs. 1 Z. 4, 129 Z. 1 und 130 zweiter Fall StGB rechtskräftig zu einer (bedingt nachgesehenen) Freiheitsstrafe von 14 Monaten verurteilt worden. Er sei für schuldig erkannt worden, in der Zeit von Juni 1997 bis April 1998 gewerbsmäßig fremde bewegliche Sachen, und zwar Bargeld und Kleidungsstücke, durch Einbruch mit Bereicherungsabsicht verschiedenen Berechtigten weggenommen zu haben. Die Tathandlungen seien unter Verwendung eines widerrechtlich erlangten Generalschlüssels begangen worden. Die Gesamtschadenshöhe habe S 412.820,-- betragen.

Die Begehung dieser Diebstähle stelle eine bestimmte Tatsache im Sinne des § 7 Abs. 2 FSG dar, auch wenn dieser Tatbestand in der demonstrativen Aufzählung des § 7 Abs. 4 leg. cit. nicht enthalten sei. Es könnten nämlich auch andere als die in § 7 Abs. 4 leg. cit. aufgezählten strafbaren Handlungen als bestimmte Tatsachen herangezogen werden, wenn sie den in § 7 Abs. 4 leg. cit. angeführten an Bedeutung und Gewicht gleichkämen.

Das vom Beschwerdeführer gezeigte Verhalten lasse auf eine Sinnesart im Sinne des § 7 Abs. 2 leg. cit. schließen. Da die Tathandlungen zu verschiedenen Zeitpunkten und gegen verschiedene Eigentümer gerichtet gewesen seien, könne nicht von einer einmaligen Entgleisung des Beschwerdeführers ausgegangen werden. Der Behauptung des Beschwerdeführers, er sei von der zur Zeit der Begehung der Diebstähle bestehenden Erkrankung (Borderline-Syndrom) geheilt, sei entgegenzuhalten, dass die genannte psychische Störung nicht die Schuld des Beschwerdeführers ausgeschlossen habe. Es gehe im vorliegenden Fall nicht um seine gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen. Die seit der Begehung der strafbaren Handlungen verstrichene Zeit reiche nicht aus, um auf eine Änderung der Sinnesart des Beschwerdeführers schließen zu können. Das vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Fehlen von Gewaltausübung bei den Diebstählen sowie die Schadensgutmachung seien im Rahmen der Wertung berücksichtigt worden. Erst nach Ablauf der festgesetzten Zeit könne auf eine Änderung der Sinnesart des Beschwerdeführers geschlossen werden. Private und berufliche Interessen des Beschwerdeführers am Besitz der Lenkberechtigung seien im gegebenen Zusammenhang nicht von Bedeutung.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 7 Abs. 2 FSG gilt als nicht verkehrszuverlässig eine Person, wenn aufgrund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs. 4) und ihrer Wertung (Abs. 5) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart sich weiterer schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen wird, die durch das Lenken von Kraftfahrzeugen erleichtert werden.

Gemäß § 7 Abs. 4 FSG haben als bestimmte Tatsachen im Sinne des Abs. 2 insbesondere die in den folgenden Z. 1 bis 5 genannten strafbaren Handlungen zu gelten.

(Einbruchs-)Diebstähle sind in § 7 Abs. 4 FSG nicht aufgezählt. Dies schließt nicht aus, auch solche strafbare Handlungen als bestimmte Tatsachen heranzuziehen, weil die Aufzählung in § 7 Abs. 4 FSG nur demonstrativ ist. Auch nicht in dieser Aufzählung enthaltene strafbare Handlungen können als bestimmte Tatsachen zur Annahme der Verkehrsunzuverlässigkeit gemäß § 7 Abs. 2 FSG führen, wenn sie den aufgezählten an Unrechtsgehalt und Bedeutung im Zusammenhang mit dem Lenken von Kraftfahrzeugen gleichkommen (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 10. November 1998, Zl. 98/11/0191, mit Hinweis auf die hg. Rechtsprechung zur insoweit gleichen Rechtslage nach § 66 Abs. 1 und 2 KFG 1967).

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung zu § 66 Abs. 1 und 2 KFG 1967 zum Ausdruck gebracht, dass eine Häufung von Einbruchsdiebstählen, das Zusammentreffen mit anderen Straftaten oder besonders gelagerte schwere Diebstähle die Annahme der Gleichwertigkeit mit den beispielsweise aufgezählten Straftaten rechtfertigen können (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom 28. April 1992, Zl. 91/11/0158, vom 23. November 1993, Zl. 93/11/0120, vom 25. Juni 1996, Zl. 94/11/0105, vom 29. Oktober 1996, Zl. 94/11/0136, und vom 19. Mai 1998, Zl. 96/11/0288). Auch in dem bereits zum FSG ergangenen oben zitierten Erkenntnis vom 10. November 1998 wurde die Häufung von Diebstählen als ein die Gleichwertigkeit mit den in § 7 Abs. 4 FSG aufgezeigten Delikten indizierendes Merkmal genannt.

Unter Zugrundelegung dieser Rechtsprechung hat die belangte Behörde mit Recht in den vom Beschwerdeführer begangenen Diebstählen eine bestimmte Tatsache gemäß § 7 Abs. 2 FSG erblickt. Zum Nachteil des Beschwerdeführers fällt in diesem Zusammenhang ins Gewicht, dass er während einer verhältnismäßig langen Zeit (ca. 10 Monate lang) zahlreiche Diebstahlshandlungen (insgesamt 53 verschiedene Berechtigte wurden zum Teil in wiederholten Angriffen bestohlen) begangen hat, wobei das ihm zur Last liegende strafbare Verhalten in mehrfacher Weise qualifiziert (§ 128 Abs. 1 Z. 4, § 129 Z. 1 und § 130 zweiter Fall StGB) und mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren bedroht ist. Dieses strafbare Verhalten kommt im Sinne des zuvor Gesagten den in § 7 Abs. 4 FSG bezeichneten Straftaten an Unrechtsgehalt und Bedeutung gleich, weshalb darin eine die Verkehrsunzuverlässigkeit im Sinne des § 7 Abs. 2 FSG indizierende bestimmte Tatsache gelegen ist.

Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers war die Beiziehung eines ärztlichen Sachverständigen aus dem Fachgebiet der Psychiatrie nicht erforderlich. Seine Zurechnungsfähigkeit zum Zeitpunkt der Begehung der strafbaren Handlungen steht aufgrund des im gerichtlichen Strafverfahren eingeholten fachärztlichen Gutachtens fest. Im vorliegenden Entziehungsverfahren ging es nicht um seine gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen, sondern um die Beurteilung seiner Verkehrsunzuverlässigkeit. Diese Charaktereigenschaft hatte die Behörde aufgrund seines strafbaren Verhaltens ohne Heranziehung von Sachverständigen im Wege der Lösung einer Rechtsfrage zu beurteilen (siehe dazu das hg. Erkenntnis vom 27. Mai 1999, Zl. 98/11/0197, mwN).

Bei der Berücksichtigung des Wertungskriteriums der seit der Tat verstrichenen Zeit war zu beachten, dass in dieser Zeit das gerichtliche Strafverfahren anhängig war, welches mit Urteil vom 8. Jänner 1999 abgeschlossen wurde. Der während dieses Verfahrens verstrichenen Zeit kommt im Rahmen der Wertung nur geringe Bedeutung zu (siehe dazu die hg. Erkenntnisse vom 17. Jänner 1995, Zl. 94/11/0317, und vom 26. März 1998, Zl. 97/11/0207, jeweils mwN).

Die von der Beendigung des gerichtlichen Strafverfahrens bis zur Wirksamkeit der Entziehungsmaßnahme verstrichene Zeit ist zu kurz, um entscheidend zugunsten des Beschwerdeführers ins Gewicht fallen zu können.

Die Auffassung der belangten Behörde, der Beschwerdeführer sei als verkehrsunzuverlässig anzusehen und werde die Verkehrszuverlässigkeit erst nach Ablauf von 12 Monaten ab Wirksamkeit der Entziehungsmaßnahme wiedererlangen, kann nicht als rechtswidrig erkannt werden, insbesondere wenn man die aus der Häufigkeit und Schwere der von ihm begangenen Diebstähle sich ergebende Verwerflichkeit dieser strafbaren Handlungen berücksichtigt.

Persönliche und berufliche Interessen des Beschwerdeführers am Besitz der Lenkberechtigung haben bei der Entziehung der Lenkberechtigung aus Gründen des öffentlichen Interesses, u. a. verkehrsunzuverlässige Lenker von der Teilnahme am Straßenverkehr auszuschließen, außer Betracht zu bleiben (siehe dazu das hg. Erkenntnis vom 24. August 1999, Zl. 99/11/0166, mwN).

Aus den dargelegten Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 11. April 2000

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1999110328.X00

Im RIS seit

19.03.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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