TE Bvwg Erkenntnis 2018/3/19 W218 2168416-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 19.03.2018
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Entscheidungsdatum

19.03.2018

Norm

Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1
BBG §42
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W218 2168416-1/ 6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Benedikta TAURER als Vorsitzende und die Richterin Mag. Marion STEINER sowie die fachkundige Laienrichterin Mag. Bettina PINTER als Beisitzerinnen über die Beschwerde des XXXX, geboren am XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Niederösterreich vom 25.07.2017, betreffend Abweisung der Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung", PassNr. XXXX, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Bescheid vom 25.07.2017 hat das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Kurzbezeichnung: Sozialministeriumservice; in der Folge belangte Behörde genannt) den Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass gem. §§ 42 und 45 BBG (Bundesbehindertengesetz) abgewiesen. In ihrer Begründung traf die belangte Behörde die Feststellung, dass die Voraussetzungen für die genannte Zusatzeintragung nicht vorlägen.

2. Gegen diesen Bescheid wurde vom Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde erhoben. Ohne Vorlage von Beweismitteln wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass beim Beschwerdeführer ein Gelenksersatz beider Hüftgelenke und eine Kniegelenksumstellungsoperation mit Streckdefizit und hochgradiger Gonarthrose vorliegend seien. Er leide auch an einer schweren Schädigung an L2/3, L3/4 und L4/5, diesbezüglich sei ein Befund nachgereicht, jedoch nicht beachtet worden. Nur durch eine Infusions- und Infiltrationstherapie sei eine halbwegs schmerzfreie Bewegung möglich. Die Sachverständige habe mit ihm in einer herablassenden und teils verachtenden Art und Weise die Untersuchung durchgeführt. Er habe bereits im verwaltungsbehördlichen Verfahren die Genehmigung für die Einsichtnahme in den PVA Akt gegeben.

3. Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten langten am 23.08.2017 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

4. Zur Überprüfung des Beschwerdegegenstandes wurde ein ärztliches Sachverständigengutachten eingeholt.

5. Im Rahmen des vom Bundesverwaltungsgericht erteilten Parteiengehörs haben weder die belangte Behörde noch der Beschwerdeführer Einwendungen erhoben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist im Besitz eines gültigen Behindertenpasses.

Die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" liegen nicht vor.

2. Beweiswürdigung:

Das eingeholte ärztliche Sachverständigengutachten ist schlüssig und nachvollziehbar, es weist keine Widersprüche auf.

Der Beschwerdeführer leidet an folgenden Funktionseinschränkungen:

1. Hüftgelenkstotalersatz beidseits

2. Kniegelenksabnützung links, Zustand nach Umstellungsoperation

3. Zustand nach Analrandcarcinom

Im medizinischen Sachverständigengutachten eines Facharztes für Unfallchirurgie, wird, basierend auf der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers, am 20.12.2017, im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

Zur vom Beschwerdeführer in der Beschwerde angeführten Schädigung an L2/3, L3/4 und L 4/5 führte der Sachverständige nachvollziehbar aus, dass eine Vorwölbung der Bandscheibe L3/4 und ein Vorfall L4/5 vorliegen sowie eine Osteochondrose bei L2/3 und L5/S1. Es liegt jedoch kein relevantes dauerndes neurologisches Defizit vor. Nach dem CT-Bericht vom 28.06.2017 liegt im Bereich L2/3 trotz schwerer Osteochondrose der Bandscheibe ein normal weiter Spinalkanal und noch normal weite Neuroforamina vor und es besteht keine Diskushernie oder Diskusprotrusion. Im Bereich L3/4 liegt eine Chondrose der Bandscheibe und flache breitbasige Duskusprotrusion vor, es besteht jedoch keine Beeinträchtigung neuraler Strukturen im Liegen. Es besteht ein normal weiter Spinalkanal und eine normal weite Neuroforamina. Im Bereich L4/5 liegt eine paramediane Duskushernie mit möglicher hoher Wurzelirritation von L5 rechts vor, zudem Spondylarthrosen der kleinen Wirbelgelenke mit geringer Hypertropie der Ligamenta flava, jedoch ein normal weiter Spinalkanal. Bei der Untersuchung konnte keine Segmentverschiebung und kein Hinweis auf einen knochenzerstörenden Prozess festgestellt werden. Bei der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers war die Wirbelsäule im Lot. Im Bereich der Halswirbelsäule konnte die Beweglichkeit in R 50-0-50 festgestellt werden, in F 10-0-10 und ein KJA von 1 cm sowie eine Reklinatin von 16 cm. Im Bereich der BWS ist eine Drehung von 30-0-30 möglich und ein Schober Zeichen von 10/14 cm konnte festgestellt werden. Der FKBA betrug 15 cm und eine Seitneigung war bis 5 cm ober Patella möglich.

Der Beschwerdeführer hat zwar, wie in der Beschwerde ausgeführt wurde, eine Endoprothese an beiden Hüftgelenken, diese sind jedoch in guter Funktion und ohne Lockerungszeichen. Dies wird durch den vorgelegten Befund vom 16.02.2017 bestätigt, wonach sich das Implantatmaterial in guter Lage befindet. Bei der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers konnte der Sachverständige eine Beweglichkeit der Hüftgelenke in S von 0-0-95, F 30-0-20 und R 25-0-10 feststellen. Die posttraumatische Arthrose im linken Kniegelenk wird in weiterer Folge mit einer Endoprothese zu versorgen sein, eine erhebliche Einschränkung der Funktionen des linken Kniegelenkes liegt jedoch nicht vor. Bei der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers konnte eine Beweglichkeit des linken Kniegelenkes von 0-5-115 festgestellt werden, welche im Gegensatz zum rechten Kniegelenk eine Einschränkung darstellt, diese ist jedoch nicht als schwer anzusehen.

Bei der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers war der Gang in Straßenschuhen ohne Gehbehelfe gut möglich und auch der Zehenspitzen- und Fersenstand waren möglich.

Der Beschwerdeführer ist in der Lage eine Wegstrecke im Ausmaß von 300 bis 400 m selbstständig zurückzulegen, gab er im Rahmen der verwaltungsbehördlichen Gutachtenserstellung selbst an, er könne eine Wegstrecke von ca. 1 km aus eigener Kraft zurücklegen und bestritt er dies auch im weiteren Verfahren nicht. Im Verfahren ergaben sich keine Bedenken bezüglich des sicheren Transportes des Beschwerdeführers in einem öffentlichen Verkehrsmittel, so ist der Beschwerdeführer aufgrund des Untersuchungsergebnisses in der Lage, sich im öffentlichen Verkehrsmittel sicher anzuhalten. Erhebliche Einschränkungen der oberen Extremitäten sind im Verfahren nicht hervorgekommen, konnten durch die persönliche Untersuchung des Beschwerdeführers nicht festgestellt werden und wurden vom diesem auch nicht behauptet.

Bezüglich des vom Beschwerdeführer vorgelegten Befundes bezüglich seines Vorhofflimmerns ist auszuführen, dass dies bei ihm grundsätzlich bereits diagnostiziert wurde. Der Beschwerdeführer ist jedoch nach dem Arztbrief vom 10.03.2015 rythmusstabil, subjektiv völlig beschwerdefrei und besteht bei ihm eine gute körperliche Leistungsfähigkeit. Die 48 Stunden Langezeit EKG Untersuchung hat einen unauffälligen Befund gezeigt. Aus dem vorgebrachten Vorhofflimmern lässt sich keine Funktionseinschränkung ableiten, welche eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel bedingen würde.

Es wurde auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausführlich eingegangen.

Auch wurde zu den Auswirkungen der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel Stellung genommen.

Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf dem im Rahmen persönlicher Untersuchung des Beschwerdeführers erhobenen klinischen Befund, entsprechen den festgestellten Funktionseinschränkungen.

Die Angaben des Beschwerdeführers konnten nicht über den erstellten Befund hinaus objektiviert werden. Die vorgelegten Unterlagen enthalten keine neuen fachärztlichen Aspekte bzw. wurden diese bereits bei der Beurteilung berücksichtigt.

Das eingeholte Sachverständigengutachten steht mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch. Auch war dem Vorbringen sowie den eingeholten und vorgelegten Beweismitteln kein Anhaltspunkt zu entnehmen, die Tauglichkeit des befassten Sachverständigen oder dessen Beurteilung beziehungsweise Feststellungen in Zweifel zu ziehen.

Die erhobenen Einwände und vorgelegten Unterlagen waren somit nicht geeignet, das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens zu entkräften.

Das Sachverständigengutachten wird daher in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Zu A)

1. Zur Entscheidung in der Sache:

Unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten. (§ 1 Abs. 2 BBG)

Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen. (§ 42 Abs. 1 BBG)

Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist jedenfalls einzutragen:

1.-2.(...)

3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und

-

erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder

-

erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder

-

erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder

-

eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder

-

eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1 Abs. 2 Z 1 lit. b oder d

vorliegen.

(§ 1 Abs. 2 Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen auszugsweise)

Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in § 1 Abs. 2 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines ärztlichen Sachverständigen des Bundessozialamtes. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.

(§ 1 Abs. 3 Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen)

Zum Nachweis, dass der Behindertenpassinhaber/die Behindertenpassinhaberin, der/die über die Eintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" verfügt, die im § 29b Abs. 2 bis 4 der Straßenverkehrsordnung 1960, BGBl. 159 (StVO), genannten Berechtigungen in Anspruch nehmen kann, ist ihm/ihr ein Parkausweis auszustellen. Die in einem gültigen Behindertenpass enthaltene Eintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung oder Blindheit" ist der Eintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" gleichzuhalten.

(§ 3 Abs. 1 Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen)

Zu § 1 Abs. 2 Z 3:

Mit der vorliegenden Verordnung sollen präzisere Kriterien für die Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgelegt werden. Die durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bisher entwickelten Grundsätze werden dabei berücksichtigt.

Grundsätzlich ist eine Beurteilung nur im Zuge einer Untersuchung des Antragstellers/der Antragstellerin möglich. Im Rahmen der Mitwirkungspflicht des Menschen mit Behinderung sind therapeutische Möglichkeiten zu berücksichtigen. Therapierefraktion - das heißt keine therapeutische Option ist mehr offen - ist in geeigneter Form nachzuweisen. Eine Bestätigung des Hausarztes/der Hausärztin ist nicht ausreichend.

Durch die Verwendung des Begriffes "dauerhafte Mobilitätseinschränkung" hat schon der Gesetzgeber (StVO-Novelle) zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine Funktionsbeeinträchtigung handeln muss, die zumindest 6 Monate andauert. Dieser Zeitraum entspricht auch den grundsätzlichen Voraussetzungen für die Erlangung eines Behindertenpasses.

Nachfolgende Beispiele und medizinische Erläuterungen sollen besonders häufige, typische Fälle veranschaulichen und richtungsgebend für die ärztlichen Sachverständigen bei der einheitlichen Beurteilung seltener, untypischer ähnlich gelagerter Sachverhalte sein. Davon abweichende Einzelfälle sind denkbar und werden von den Sachverständigen bei der Beurteilung entsprechend zu begründen sein.

Die Begriffe "erheblich" und "schwer" werden bereits jetzt in der Einschätzungsverordnung je nach Funktionseinschränkung oder Erkrankungsbild verwendet und sind inhaltlich gleich bedeutend.

Unter erheblicher Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten sind ungeachtet der Ursache eingeschränkte Gelenksfunktionen, Funktionseinschränkungen durch Erkrankungen von Knochen, Knorpeln, Sehnen, Bändern, Muskeln, Nerven, Gefäßen, durch Narbenzüge, Missbildungen und Traumen zu verstehen.

Zusätzlich vorliegende Beeinträchtigungen der oberen Extremitäten und eingeschränkte Kompensationsmöglichkeiten sind zu berücksichtigen. Eine erhebliche Funktionseinschränkung wird in der Regel ab einer Beinverkürzung von 8 cm vorliegen.

Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen. Bei den folgenden Einschränkungen liegt jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor:

-

arterielle Verschlusskrankheit ab II/B nach Fontaine bei fehlender therapeutischer Option

-

Herzinsuffizienz mit hochgradigen Dekompensationszeichen

-

hochgradige Rechtsherzinsuffizienz

-

Lungengerüsterkrankungen unter Langzeitsauerstofftherapie

-

COPD IV mit Langzeitsauerstofftherapie

-

Emphysem mit Langzeitsauerstofftherapie

-

mobiles Gerät mit Flüssigsauerstoff muss nachweislich benützt werden

Keine Einschränkung im Hinblick auf die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel haben:

-

vorübergehende Funktionseinschränkungen des Immunsystem als Nebenwirkung im Rahmen von Chemo-und /oder Strahlentherapien,

-

laufende Erhaltungstherapien mit dem therapeutischen Ziel, Abstoßreaktionen von Transplantaten zu verhindern oder die Aktivität von Autoimmunerkrankungen einzuschränken,

-

Kleinwuchs

-

gut versorgte Ileostoma, Colostoma und Ähnliches mit dichtem Verschluss. Es kommt weder zu Austritt von Stuhl oder Stuhlwasser noch zu Geruchsbelästigungen. Lediglich bei ungünstiger Lokalisation und deswegen permanent undichter Versorgung ist in Ausnahmefällen die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar,

-

bei Inkontinenz, da die am Markt üblichen Inkontinenzprodukte ausreichend sicher sind und Verunreinigungen der Person durch Stuhl oder Harn vorbeugen. Lediglich bei anhaltend schweren Erkrankungen des Verdauungstraktes ist in Ausnahmefällen die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar.

Um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, hat die Behörde zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (vgl. VwGH vom 23.05.2012, Zl. 2008/11/0128, und die dort angeführte Vorjudikatur sowie vom 22. Oktober 2002, Zl. 2001/11/0242, vom 27.01.2015, Zl. 2012/11/0186).

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Zusatzeintragung ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel dann unzumutbar, wenn eine kurze Wegstrecke nicht aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, allenfalls unter Verwendung zweckmäßiger Behelfe ohne Unterbrechung zurückgelegt werden kann oder wenn die Verwendung der erforderlichen Behelfe die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in hohem Maße erschwert. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist auch dann nicht zumutbar, wenn sich die dauernde Gesundheitsschädigung auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieser Verkehrsmittel gegebenen Bedingungen auswirkt.

Zu prüfen ist die konkrete Fähigkeit öffentliche Verkehrsmittel zu benützen. Zu berücksichtigen sind insbesondere zu überwindende Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt. (VwGH 22.10.2002, Zl. 2001/11/0242; 14.05.2009, 2007/11/0080)

Für die Berechtigung der zusätzlichen Eintragung in den Behindertenpass hinsichtlich der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel kommt es entscheidend auf die Art und die Schwere der dauernden Gesundheitsschädigung und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel an, nicht aber auf andere Umstände, die die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel erschweren. Aus diesem Grund ist der Umstand betreffend die mangelnde Infrastruktur (Vorhandensein und Erreichbarkeit, Entfernung zum nächsten öffentlichen Verkehrsmittel, "Leben am Land") oder den Transport von schweren Gepäckstücken und das Tätigen von Einkäufen rechtlich nicht von Relevanz und kann daher bei der Beurteilung der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht berücksichtigt werden (VwGH vom 22.10.2002, Zl. 2001/11/0258).

Betreffend die Beurteilung ob eine dauernd starke Gehbehinderung iSd § 29b StVO1960 in der Fassung vor dem 01.01.2014 vorliegt, ist der Verwaltungsgerichtshof von einer möglichen Wegstrecke von mehr als 300 m ausgegangen.

Es ist von einer ausreichenden Funktionsfähigkeit des Bewegungsapparates auszugehen, die vorgebrachten Schmerzen konnten nicht in einem Ausmaß festgestellt werden, welche die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel erheblich erschweren.

Bei dem Beschwerdeführer liegen weder erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten noch der körperlichen Belastbarkeit vor bzw. konnten keine maßgebenden Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten oder von Sinnesfunktionen festgestellt werden, es ist auch keine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems vorhanden.

Sowohl die Geh-, Steh- und Steigfähigkeit als auch die cardiopulmonale Belastbarkeit sind ausreichend.

Daher ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar.

Es ist festgestellt worden, dass die dauernden Gesundheitsschädigungen kein Ausmaß erreichen, welches die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" in den Behindertenpass rechtfertigt.

Es war spruchgemäß zu entscheiden.

2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

(§ 24 Abs. 1 VwGVG)

Die Verhandlung kann entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

(§ 24 Abs. 2 VwGVG)

Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden. (§ 24 Abs. 3 VwGVG)

Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. (§ 24 Abs. 4 VwGVG)

Das Verwaltungsgericht kann von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden. (§ 24 Abs. 5 VwGVG)

Maßgebend für die gegenständliche Entscheidung über den Gesamtgrad der Behinderung und das Vorliegen der Voraussetzungen für den beantragten Zusatzvermerk sind die Art, das Ausmaß und die Auswirkungen der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen.

Da der Sachverhalt geklärt ist, konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben. Im Übrigen wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung im Beschwerdeverfahren nicht beantragt und wurde das Ergebnis des verwaltungsgerichtlichen Ermittlungsverfahrens im Rahmen des Parteiengehörs nicht bestritten.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

In den Erläuterungen zur Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen BGBl. II 495/2013 wird ausgeführt, dass ausgehend von den bisherigen durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes entwickelten Beurteilungskriterien zur Frage "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" Funktionseinschränkungen relevant sind, die die selbstständige Fortbewegung im öffentlichen Raum sowie den sicheren, gefährdungsfreien Transport im öffentlichen Verkehrsmittel erheblich einschränken. Als Aktionsradius ist eine Gehstrecke von rund 10 Minuten, entsprechend einer Entfernung von rund 200 bis 300 m anzunehmen. Es war sohin keine - von der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes abweichende - Neuregelung beabsichtigt. Vielmehr wird in den Erläuterung ausdrücklich festgehalten, dass im Hinblick auf die ab 01.01.2014 eingerichtete zweistufige Verwaltungsgerichtsbarkeit, um Rechtssicherheit zu gewährleisten und die Einheitlichkeit der Vollziehung der im Behindertenpass möglichen Eintragungen sicherzustellen, die Voraussetzungen, die die Vornahme von Eintragungen im Behindertenpass rechtfertigen, in einer Verordnung geregelt werden sollen.

Schlagworte

Behindertenpass, Sachverständigengutachten, Zusatzeintragung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W218.2168416.1.00

Zuletzt aktualisiert am

04.04.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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