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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
B-VG Art18 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Bernard, Dr. Graf, Dr. Gall und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des Dr. G in W, vertreten durch Dr. Andreas Ladstätter, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Riemergasse 6/8, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 5. Mai 1999, Zl. MA 65 - 8/371/98, betreffend Anordnung einer Nachschulung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid ordnete die belangte Behörde gemäß § 26 Abs. 8 in Verbindung mit § 24 Abs. 3 Führerscheingesetz - FSG an, dass sich der Beschwerdeführer binnen vier Monaten ab Zustellung des Bescheides einer begleitenden Maßnahme in Form einer Nachschulung mit besonderer Bedachtnahme auf die Problematik von Alkohol im Straßenverkehr zu unterziehen habe.
In der Begründung ihres Bescheides führte die belangte Behörde aus, dem Beschwerdeführer sei mit rechtskräftigem Mandatsbescheid der Bundespolizeidirektion Wien, Verkehrsamt, vom 30. Juni 1998 die Lenkberechtigung für die Klassen A und B für die Dauer von drei Monaten entzogen worden, weil er am 20. Juni 1998 ein Kraftfahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand (Alkoholgehalt der Atemluft 0,72 mg/l) gelenkt habe. Gemäß § 26 Abs. 8 FSG sei in einem solchen Fall eine begleitende Maßnahme anzuordnen.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte mit Beschluss vom 6. Oktober 1999, B 1116/99-4, die Behandlung der an ihn gerichteten Beschwerde ab und trat sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer macht geltend, die mit dem angefochtenen Bescheid angeordnete begleitende Maßnahme sei ihrer Art und ihrem Umfang nach nicht bestimmt oder bestimmbar. Dem FSG sei nicht zu entnehmen, was unter den im § 24 Abs. 3 leg. cit. genannten Maßnahmen zu verstehen sei, in welcher Form die Nachschulung zu erfolgen habe, welchen Umfang sie haben solle, welche Voraussetzungen der Veranstalter von Nachschulungen aufzuweisen habe, welche Kosten eine derartige Maßnahme auslöse und wer sie zu entrichten habe. Aufgrund des FSG sei keine neue Verordnung zur näheren Regelung der Nachschulung erlassen worden. Die §§ 29a bis 29c KDV 1967 seien nicht mehr in Geltung. Selbst wenn diese Verordnungsbestimmungen noch in Kraft wären, habe der Rechtsunterworfene keine Möglichkeit, sich gegen die preisgestalterische Willkür des in der Belehrung zum erstinstanzlichen Bescheid genannten Veranstalters (des Kuratoriums für Verkehrssicherheit) erfolgreich zu wehren.
Bei der Beurteilung des Beschwerdefalles sind insbesondere folgende Rechtsvorschriften von Bedeutung:
Durch die 13. KFG-Novelle, BGBl. Nr. 458/1990, wurden Bestimmungen über die Lenkerberechtigung für Anfänger (§ 64a) eingeführt. § 64a Abs. 2 KFG 1967 nennt die Voraussetzungen, unter denen die Behörde eine Nachschulung anzuordnen hat. Nach § 64a Abs. 6 leg. cit. sind durch Verordnung, dem jeweiligen Stand der Wissenschaft und Technik entsprechend, die näheren Bestimmungen über
a) die Voraussetzungen räumlicher und personeller Art für die Ermächtigung zur Nachschulung,
b)
den Inhalt und den zeitlichen Umfang der Nachschulung und
c)
die Meldepflichten an die Behörde festzusetzen.
Gemäß § 73 Abs. 2a KFG 1967 (in der Fassung der 13. KFG-Novelle) konnte die Behörde bei der Entziehung auch begleitende Maßnahmen (Nachschulung und dgl.) anordnen. Für den Fall der Entziehung in der Probezeit war eine solche Anordnung zwingend vorgesehen.
Diese Gesetzesstelle erfuhr durch die 19. KFG-Novelle, BGBl. I Nr. 103/1997, insofern eine Änderung, als die Anordnung einer Nachschulung zwingend auch für solche Fälle vorgesehen wurde, in denen die Entziehung wegen einer Übertretung im Sinne des § 66 Abs. 2 lit. e KFG 1967 erfolgte und der Alkoholgehalt des Blutes 1,2 g/l oder mehr oder der Alkoholgehalt der Atemluft 0,6 mg/l oder mehr betragen hat.
Durch die 34. Novelle zur KDV 1967, BGBl. Nr. 579/1991, wurden nähere Bestimmungen über die Nachschulung in die KDV 1967 eingeführt. § 29a KDV 1967 enthält Bestimmungen über die Nachschulung (Allgemeines Einstellungs- und Verhaltenstraining).
§ 29b enthält Regelungen über die besondere Nachschulung (Einstellungs- und Verhaltenstraining für alkoholauffällige Lenker). § 29c KDV 1967 regelt die Ermächtigung zur Nachschulung.
Gemäß § 43 Abs. 1 FSG ist dieses Bundesgesetz mit 1. November 1997 in Kraft getreten. Gemäß § 43 Abs. 3 leg. cit. sind mit Ablauf des 31. Oktober 1997 die §§ 64 bis 77 KFG 1967 samt Überschriften außer Kraft getreten.
Das FSG enthält in seinem § 4 Bestimmungen über die Lenkberechtigung für Anfänger (Probeführerschein). § 4 Abs. 3 leg. cit. regelt die Voraussetzungen für die Anordnung einer Nachschulung bei Begehung von Verstößen innerhalb der Probezeit. Nach § 4 Abs. 9 leg. cit. darf die Nachschulung nur von gemäß § 36 hiezu ermächtigten Einrichtungen durchgeführt werden. Weiters enthält § 4 Abs. 9 FSG eine dem § 64a Abs. 6 KFG 1967 entsprechende Bestimmung, wobei nach § 4 Abs. 9 FSG die zu erlassende Verordnung auch die fachlichen Voraussetzungen für die zur Nachschulung Berechtigten und die Kosten der Nachschulung enthalten soll.
Nach § 24 Abs. 3 FSG kann die Behörde bei der Entziehung auch zusätzlich begleitende Maßnahmen (Nachschulung oder Driver Improvement mit oder ohne Fahrprobe, Einstellungs- und Verhaltenstraining oder Aufbauseminar) anordnen. Sie hat eine Nachschulung anzuordnen, wenn die Entziehung in der Probezeit (§ 4) erfolgt.
Nach § 26 Abs. 8 FSG hat die Behörde bei einer Entziehung nach Abs. 1 Z. 3 oder Abs. 2 - es handelt sich dabei um Fälle von qualifizierten Alkoholdelikten im Zusammenhang mit dem Lenken von Kraftfahrzeugen - begleitende Maßnahmen gemäß § 24 Abs. 3 anzuordnen.
Nach § 36 Abs. 2 Z. 1 FSG ist der Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr (nunmehr der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie) zuständig für die Erteilung von Ermächtigungen an geeignete Einrichtungen zur Durchführung von Nachschulungen von Probeführerscheinbesitzern (§ 4) und von Nachschulungen, Einstellungs- und Verhaltenstrainings- sowie Driver-Improvement-Kursen, Trainingsfahrten oder Aufbauseminaren gemäß § 24 Abs. 3.
Nach der Übergangsbestimmung des § 41 Abs. 2 FSG dürfen jene Einrichtungen, die vor Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes Aufgaben erfüllt haben, für die nunmehr eine Ermächtigung nach § 36 erforderlich ist, diese nach Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes während längstens 24 Monaten weiter ausüben. Sie gelten bis längstens 1. November 1999 als ermächtigte Einrichtungen im Sinne dieses Bundesgesetzes, wenn sie binnen zwölf Monaten nach Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes einen Antrag auf Erteilung einer Ermächtigung gemäß § 36 bei der zuständigen Behörde eingebracht haben.
Aufgrund des FSG ist bisher keine Verordnung ergangen, die nähere Bestimmungen zu Nachschulungen enthält.
Die Auffassung des Beschwerdeführers, die mit dem angefochtenen Bescheid verfügte Anordnung einer Nachschulung sei mangels Erlassung einer entsprechenden Durchführungsverordnung zum FSG unbestimmt und der angefochtene Bescheid daher rechtswidrig, ist schon deshalb verfehlt, weil die Bestimmungen der KDV 1967 über die Durchführung von Nachschulungen, demnach auch der für den vorliegenden Fall maßgebende § 29b KDV 1967 über die besondere Nachschulung (Einstellungs- und Verhaltenstraining für alkoholauffällige Lenker) weiterhin gelten. Diese Verordnungsbestimmungen wurden zwar aufgrund des KFG 1967 erlassen. Das FSG enthält keine Bestimmungen über das Außerkrafttreten von Bestimmungen der KDV 1967. Es enthält jedoch Bestimmungen über die Anordnung von Nachschulungen, die mit denen des KFG 1967, die gemäß § 43 Abs. 3 FSG mit Ablauf des 31. Oktober 1997 außer Kraft getreten sind, im Wesentlichen inhaltsgleich sind. Die genannten Verordnungsbestimmungen finden daher nunmehr ihre gesetzliche Deckung im FSG. Sie haben durch den Wechsel der gesetzlichen Grundlage nicht ihre Geltung verloren (vgl. dazu das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 15. Dezember 1999, V 56/99), zumal sich auch an der Zuständigkeit zur Erlassung derartiger Verordnungen durch das FSG nichts geändert hat.
Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, die im erstinstanzlichen Bescheid genannte Stelle zur Durchführung der Nachschulung habe ihm keine dem § 29b Abs. 2 KDV 1967 entsprechende Nachschulung (mit fünf Sitzungen) sondern nur eine solche mit einer höheren Zahl von Sitzungen und einem entsprechend höheren Preis angeboten, ist er darauf hinzuweisen, dass die zur Durchführung von Nachschulungen ermächtigten Stellen gemäß § 36 Abs. 2 FSG hinsichtlich der aufgrund der Ermächtigungen zu erfüllenden Aufgaben der Aufsicht und den Weisungen des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr unterliegen. Sollte dem zur Befolgung einer Nachschulungsanordnung Verpflichteten trotz seines Verlangens keine dem § 29b KDV 1967 entsprechende Nachschulung angeboten werden, könnte von einer Nichtbefolgung der Nachschulungsanordnung keine Rede sein. Die an die Nichtbefolgung geknüpften Rechtsfolgen (§ 25 Abs. 3 zweiter Satz FSG) träten in einem solchen Fall nicht ein.
Aus den dargelegten Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 11. April 2000
Schlagworte
Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Verordnungen Verhältnis Verordnung - Bescheid VwRallg4 Verwaltungsrecht allgemein Rechtsquellen VwRallg1European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1999110338.X00Im RIS seit
11.07.2001