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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §71 Abs1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Bernard, Dr. Graf, Dr. Gall und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des A in W, vertreten durch Winkler Reich-Rohrwig Elsner Illedits Rechtsanwälte Partnerschaft, 1010 Wien, Gonzagagasse 14, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 31. Jänner 2000, Zl. MA 65-8/642/99, betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in einer Angelegenheit des Kraftfahrrechts, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
In der Beschwerde wird folgender Sachverhalt vorgebracht:
Der Beschwerdeführer habe eine Lenkberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppen A und B besessen, die zuletzt bis 9. Juli 1997 verlängert worden sei. Mit Schreiben vom 2. November 1998 habe er den Antrag auf Verlängerung der befristeten Lenkberechtigung bzw. auf Erteilung einer neuen unbefristeten Lenkberechtigung gestellt. Dieses Schreiben sei offensichtlich bei der Behörde (der Bundespolizeidirektion Wien, Verkehrsamt) nicht eingelangt. Der Vertreter des Beschwerdeführers habe am 9. September 1999 einen Antrag auf Erledigung des Antrages vom 2. November 1998 gestellt. Mit Schreiben vom 18. Oktober 1999 habe das Verkehrsamt dem Beschwerdeführer mitgeteilt, dass der Antrag vom 22. (gemeint offenbar 2.) November 1998 nicht eingelangt sei, sodass die Lenkberechtigung am 9. Juli 1997 durch Zeitablauf erloschen sei. Innerhalb der zur Erstattung einer Stellungnahme eingeräumten Frist von 14 Tagen habe der Beschwerdeführer Urkunden vorgelegt, aus denen sich ergebe, dass der Antrag vom 2. November 1998 tatsächlich an das Verkehrsamt per Post abgesandt worden sei. Gleichzeitig habe er auf Grund dieser Ausführungen den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist nach § 10 Abs. 4 Z. 1 Führerscheingesetz-FSG gestellt.
Mit Bescheid vom 29. November 1999 habe die Bundespolizeidirektion Wien, Verkehrsamt, diesen Antrag zurückgewiesen, weil es sich bei der genannten Frist um eine materiellrechtliche handle, weshalb gegen ihre Versäumung die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht möglich sei.
In der dagegen erhobenen Berufung habe der Beschwerdeführer vorgebracht, dass es sich um eine verfahrensrechtliche Frist handle.
Mit dem angefochtenen Bescheid - eine Kopie des Bescheides ist der Beschwerde angeschlossen - gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge. In der Begründung ihres Bescheides führte die belangte Behörde aus, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand komme nur bei Versäumung einer Frist für eine Handlung in Betracht, welche die Partei im Zuge eines schon anhängigen Verwaltungsverfahrens zu setzen gehabt habe, nicht aber bei Versäumung einer Frist zur Geltendmachung eines materiellrechtlichen Anspruches. Bei der Frist des § 10 Abs. 4 (zu ergänzen Z. 1) FSG handle es sich um eine materiellrechtliche Frist. Bei Antragstellung innerhalb dieser Frist sei die Erteilung der Lenkberechtigung ohne Einholung eines Gutachtens über die fachliche Befähigung möglich. Diese Frist sei schon vor dem Antrag auf Erteilung der Lenkberechtigung zu beachten und werde nicht erst im Verfahren zur Erteilung der Lenkberechtigung in Lauf gesetzt. Da eine Wiedereinsetzung schon aus diesem Grund nicht zulässig gewesen sei, bedürfe es nicht des Eingehens auf die geltend gemachten Wiedereinsetzungsgründe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde,
über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
§ 10 Abs. 4 FSG lautet wie folgt:
"Der Nachweis der in Abs. 2 genannten Schulung entfällt ferner für Personen, deren Lenkberechtigung durch Fristablauf erloschen ist. Die Behörde hat außerdem bei diesen Personen von der Einholung eines Gutachtens über die fachliche Befähigung abzusehen, wenn
1. der Antrag auf Erteilung einer neuen Lenkberechtigung innerhalb von 18 Monaten seit dem Erlöschen der Lenkberechtigung gestellt wurde,
2. die Lenkberechtigung für die gleiche Klasse oder Unterklasse von Kraftfahrzeugen beantragt wurde und
3. anzunehmen ist, dass der Antragsteller die fachliche Befähigung zum Lenken von Kraftfahrzeugen noch besitzt."
Der Beschwerdeführer hat nach seinem Vorbringen die im § 10 Abs. 4 Z. 1 FSG genannte Frist versäumt. Für die Entscheidung über die vorliegende Beschwerde ist es ausschlaggebend, ob es sich bei dieser Frist um eine verfahrensrechtliche Frist handelt und somit gegen ihre Versäumung Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bewilligt werden kann.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dienen die Bestimmungen des AVG über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand dazu, nur gegen die Folgen der Versäumung befristeter Prozesshandlungen unter gewissen Voraussetzungen Abhilfe zu schaffen, nicht aber gegen die Folgen der Versäumung solcher Fristen, innerhalb derer ein materiellrechtlicher Anspruch bei sonstigem Verlust des diesem zu Grunde liegenden Rechtes geltend gemacht werden muss. Die Fristen zur Geltendmachung von solchen Ansprüchen sind keine verfahrensrechtlichen Fristen, sondern Präklusivfristen, mit deren Ablauf der Anspruch verloren geht und gegen deren Versäumung nicht Gründe geltend gemacht werden können, die gegen die Versäumung von verfahrensrechtlichen Fristen allenfalls eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand herbei zu führen geeignet wären. Auf materiellrechtliche Antragsfristen sind die Bestimmungen über die Wiedereinsetzung nur dann anzuwenden, wenn dies im Einzelfall ausdrücklich bestimmt wird (siehe zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom 27. September 1988, Zl. 88/11/0157, m. w.N.).
Der Beschwerdeführer meint, im Hinblick darauf, dass er die "Verlängerung" der zuletzt bis 9. Juli 1997 befristeten Lenkberechtigung beantragt habe, befinde er sich in einem anhängigen Verwaltungsverfahren, und zwar in jenem Verfahren, mit dem die Gültigkeitsdauer der Lenkberechtigung zuletzt bis 9. Juli 1997 verlängert worden sei. Der Antrag auf Erteilung einer neuen Lenkberechtigung innerhalb von 18 Monaten seit dem Erlöschen der Lenkberechtigung sei "sohin als Teil des Führerscheinaktes des Beschwerdeführers zu sehen". Die versäumte Handlung sei demnach nicht außerhalb eines anhängigen Verwaltungsverfahrens zu setzen gewesen. Das Erlöschen der Lenkberechtigung durch Zeitablauf und der danach mögliche Antrag auf Neuerteilung einer Lenkberechtigung ohne Ablegung einer Prüfung über die fachliche Eignung seien als Bestandteile eines Verwaltungsverfahrens zu sehen. Die dafür im Gesetz genannte Frist sei als verfahrensrechtliche Frist zu werten.
Mit diesen Ausführungen zeigt der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Das Verfahren, in welchem dem Beschwerdeführer zuletzt eine befristete Lenkberechtigung erteilt wurde, ist mit der Erlassung des betreffenden Bescheides abgeschlossen worden. Mit diesem Bescheid wurde die (materielle) Rechtslage insoweit gestaltet, als dem Beschwerdeführer eine Lenkberechtigung für die Zeit bis 9. Juli 1997 erteilt wurde. Es ist in einem solchen Fall dem Besitzer der Lenkberechtigung überlassen, rechtzeitig einen Antrag auf Verlängerung zu stellen (vgl. § 8 Abs. 5 FSG) oder ohne einen solchen Antrag die Lenkberechtigung durch Zeitablauf (§ 27 Abs. 1 Z. 2 FSG) erlöschen zu lassen. Er kann einen Antrag auf Erteilung stellen, kommt aber nur dann in den Genuss der erleichterten Erteilung (d.h. ohne Einholung eines Gutachtens über seine fachliche Befähigung), wenn dieser Antrag vor Ablauf der im § 10 Abs. 4 Z. 1 FSG genannten Frist gestellt wurde. Einen Anspruch auf Erteilung einer neuen Lenkberechtigung ohne Einholung eines Gutachtens über seine fachliche Befähigung hat er nur, wenn der Antrag vor Ablauf der genannten Frist gestellt wurde. Das durch den Antrag auf (Wieder-)Erteilung der Lenkberechtigung eingeleitete Verfahren ist ein selbstständiges (neues) Verwaltungsverfahren und - entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers - nicht Teil jenes Verfahrens, in welchem dem Beschwerdeführer eine befristete Lenkberechtigung erteilt worden war. Die Frist des § 10 Abs. 4 Z. 1 FSG ist demnach keine verfahrensrechtliche Frist. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen ihre Versäumung ist daher unzulässig.
Da nach dem Gesagten bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nicht öffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 11. April 2000
Schlagworte
Rechtsgrundsätze Fristen VwRallg6/5European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:2000110081.X00Im RIS seit
11.07.2001