Entscheidungsdatum
22.03.2018Norm
Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1Spruch
G304 2182930-1/6E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Beatrix LEHNER als Vorsitzende, sowie den Richter Ing. Mag. Franz SANDRIESSER und den fachkundigen Laienrichter Helmut WEIß als Beisitzer über die Beschwerde der XXXX, geb. XXXX, vertreten durch XXXX, gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Steiermark, vom 10.11.2017, in der Fassung der Beschwerdevorentscheidung vom 19.12.2017, Sozialversicherungsnummer:
XXXX, betreffend die Feststellung, dass die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung" nicht vorliegen, zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird gemäß §§ 1 Abs. 2, 40, 41 Abs. 1, 42 und 45 des Bundesbehindertengesetzes (BBG), BGBl. Nr. 283/1990, sowie § 1 Abs. 2 Z 3 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013, in der jeweils geltenden Fassung, stattgegeben.
Die Voraussetzungen für die Eintragung des Zusatzes "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung" in den Behindertenpass liegen vor.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) brachte am 15.09.2017 beim Sozialministeriumservice (im Folgenden: belangte Behörde) einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" in den Behindertenpass ein.
2. Im Rahmen des seitens der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens wurde ein medizinisches Sachverständigengutachten von XXXX, Ärztin für Allgemeinmedizin, vom 23.10.2017 eingeholt.
In diesem Gutachten wurde nach am 17.10.2017 durchgeführter Begutachtung der BF hinsichtlich Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel Folgendes ausgeführt:
"Die Antragstellerin kommt gehend ohne Hilfsmittel in die Ordination, ist in der Lage eine kurze Wegstrecke aus eigener Kraft zurückzulegen, wenige Stufen in ein öffentliches Verkehrsmittel ein- und auszusteigen und in selbigen transportiert werden zu könne Hinsichtlich der Reizdarmproblematik besteht laut eingereichtem proktologischem Befund (3x Kontrolle in 2 Jahren) kein Hinweis auf funktionelle oder anatomische Einschränkungen im Enddarmbereich. Es besteht derzeit kein Hinweis auf Stuhlinkontinenz, ein gutes Ansprechen auf Quantalan wird beschrieben, ebenso aber auch episodenhafte Verschlechterungen mit Durchfallsneigung und imperativem Stuhldrang. Im Zuge des mehrwöchigen Rehab- Aufenthaltes 2017 wird beschrieben, dass die Antragstellerin ihre Beschwerden gut im Griff habe und wisse, welche Nahrungsmittel sie meiden müsse. Eine Stuhlinkontinenzproblematik im Zuge dieses mehrwöchigen stationären Aufenthaltes wird nicht beschrieben. Der Zusatz ÖV unzumutbar kann daher nicht weiter begrünet werden. Das Vermeiden von öffentlichen Verkehrsmitteln und das Vorziehen des eigenen PKWs auf dem Weg zum Arbeitsplatz (aus Angst, es könnte etwas passieren) bleibt der Patientin unbenommen."
3. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 10.11.2017 wurde der Antrag der BF auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" gem. §§ 42 und 45 des Bundesbehindertengesetzes (BBG), BGBl. 283/1990, idgF, abgewiesen.
Begründend wurde ausgeführt, dass das eingeholte ärztliche Sachverständigengutachten vom 23.10.2017 als schlüssig erkannt und in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt worden sei. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel sei dann unzumutbar, wenn eine kurze Wegstrecke (300 bis 400 Meter) nicht aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, auch unter der Verwendung der zweckmäßigsten Behelfe, ohne Unterbrechung zurückgelegt werden könne oder wenn die Verwendung des erforderlichen Behelfs die Benützung des öffentliches Transportmittels in hohem Maß erschweren würde. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel sei auch dann nicht zumutbar, wenn sich die dauerhafte Gesundheitsschädigung auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieses Verkehrsmittels angegebenen Bedingungen auswirke. Wie dem Sachverständigengutachten jedoch zu entnehmen sei, lägen die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung derzeit nicht vor.
4. Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben. Darin wurde auf eine mangelhafte ärztliche Untersuchung der BF und auf unzureichende Berücksichtigung ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigungen hingewiesen und um neuerliche gutachterliche Überprüfung ihrer Angelegenheit ersucht.
5. Im Rahmen des seitens der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens wurde ein medizinisches Sachverständigengutachten von XXXX, Ärztin für Allgemeinmedizin, vom 15.12.2017 eingeholt.
In diesem Gutachten wurde nach am 13.12.2017 durchgeführter Begutachtung der BF hinsichtlich Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel Folgendes ausgeführt:
"(...) Die Funktion des Stütz- und Bewegungsapparates und die kardiopulmonale Leistungsfähigkeit sind gut ausreichend, um eine kurze Wegstrecke aus eigener Kraft zurücklegen zu können, ein öffentliches Verkehrsmittel sicher be- und entsteigen zu können und den sicheren Transport zu gewährleisten. Eine höhergradige Sehbehinderung, Blindheit, schwere geistige Behinderung und schwere Verhaltensstörung liegen nicht vor. Die Stuhlproblematik stellt primär einen imperativen Stuhldrang und keine vollständige Stuhlinkontinenz dar, so dass hier durch handelsübliche Behelfe eine ausreichende und zweckmäßige Versorgung erreicht werden kann, um ungewollter Geruchsentwicklung und ungewollten äußerlich sichtbaren Verunreinigungen vorzubeugen. Es werden Inkontinenzvoralgen verwendet, eine Windelversorgung wird nicht durchgeführt. Auswirkungen von Nahrungsunverträglichkeiten können durch diätetische Bedachtnahme hintangehalten werden. Im Befund vom 10.8.2017 von (...) ist festgehalten, dass die Patientin mit dem Reizdarmsyndyrom gut zurechtkommt und sie weiß, welche Speisen sie verträgt und welche sie eher meiden soll. Die Häufigkeit, das Ausmaß und die Konsistenz der Stuhlmenge ist objektiv im Rahmen einer Begutachtungssituation nicht prüfbar; angegeben wird ein imperativer Stuhldrang 3-7x täglich mit flüssigen bis breiigen Stühlen, wobei einerseits eine entsprechende Vorlagenversorgung besteht, wobei die Anzahl der benötigten Vorlagen mit 1-3 angegeben wird, und andererseits der Stuhlverschlussmechanismus funktionsfähig ist. Die Vorlage war bei der Untersuchung nicht verschmutzt, wobei unmittelbar vor der Untersuchung die Toilette aufgesucht worden war. In den vorliegenden Befunden finden sich keine Hinweise für eine manifeste Inkontinenz, auch im Rahmen der aktuellen Untersuchung kann eine manifeste Stuhlinkontinenz nicht bestätigt werden."
Als "gutachterliche Stellungnahme" wurde angeführt: "Es besteht ein imperativer Stuhldrang mit Vorlagenversorgung, aber keine manifeste Stuhlinkontinenz."
6. Mit Bescheid vom 19.12.2017 wurde die gegen den angefochtenen Bescheid vom 10.11.2017 fristgerecht erhobene Beschwerde im Wege einer Beschwerdevorentscheidung abgewiesen.
Begründend wurde ausgeführt, dass die durchgeführte ärztliche Begutachtung durch den Ärztlichen Dienst der belangten Behörde ergeben habe, dass die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass nicht vorliegen würden. Die wesentlichen Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien dem diesem Bescheid beigelegten Sachverständigengutachten vom 15.12.2017 zu entnehmen. Die Ergebnisse der ärztlichen Begutachtung seien als schlüssig erkannt und in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zugrunde gelegt worden.
7. Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht ein Vorlageantrag eingebracht.
8. Am 15.01.2018 langten der gegenständliche Verwaltungsakt und die Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) ein.
9. Mit Schreiben des BVwG vom 19.01.2018, Zl. G304 2182930-1/2Z, wurde XXXX, Arzt für Allgemeinmedizin, ersucht, unter Berücksichtigung des Vorbringens der BF und vorgelegter ärztlicher Befunde ein aktenmäßiges Sachverständigengutachten zu erstellen und dieses "binnen sechs Wochen ab Begutachtung dieser Verfügung" dem BVwG zu übermitteln.
10. Am 25.01.2018 langte beim BVwG ein aktenmäßiges Sachverständigengutachten vom 23.01.2018 ein. In dem eingeholten Gutachten von XXXX vom 23.01.2018 wurde betreffend Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel folgende Stellungnahme abgegeben:
"Die Leiden wurden entsprechend gewürdigt und eingeschätzt. Es besteht nachweislich ein Reizdarmsyndrom mit imperativem Stuhldrang, deswegen werden auch Vorlagen getragen. Zusätzlich besteht eine Fructoseintoleranz, eine stattgehabte Fundoplikatio (Magenoperation) und anatomischerseits eine Rectocele welche zusätzlich Defäkationsprobleme machen kann. Letztendlich ist auch eine psychische Belastungsreaktion dokumentiert. Obwohl keine Zeichen einer anatomisch bedingten Inkontinenz gegeben sind und auch keine schweren Darmerkrankungen objektiviert wurden, besteht ein imperativer Stuhldrang, welcher zum spontanen Stuhlabgang führt, möglicherweise auch im Sinne eines Dumpingsyndromes. Dieser nachweislich unkontrollierte Stuhlverlust ist objektiv medizinisch als belastend für die Betroffene als auch ihre Umgebung zu bewerten, obwohl Inkontinenzprodukte verwendet werden."
11. Mit Verfügung des BVwG vom 21.02.2018, Zl. G304 2182930-1/4Z, der BF zugestellt am 06.03.2018, wurde der BF das eingeholte Sachverständigengutachten vom 23.01.2018 übermittelt und ihr zur Wahrung des Parteiengehörs die Gelegenheit eingeräumt, dazu binnen zehn Tagen ab Zustellung dieser Verfügung Stellung zu nehmen.
12. Bis dato langte beim BVwG keine schriftliche Stellungnahme dazu ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die BF ist im Besitz eines Behindertenpasses.
Die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung "Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung ist nicht zumutbar" liegen vor.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten und des vorliegenden Gerichtsaktes des BVwG.
2.2. Basierend auf der ständigen Rechtsprechung des VwGH bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" in einen Behindertenpass regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, das die Auswirkungen der Gesundheitsschädigung auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilt, sofern diese Frage nicht in einem unmittelbar zuvor durchgeführten Verfahren gemäß § 14 Abs. 2 Behinderteneinstellungsgesetz im Rahmen der ärztlichen Begutachtung ausreichend behandelt wurde oder die Unzumutbarkeit aufgrund der Art der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt (VwGH vom 20.03.2001, GZ 2000/11/0321).
Nach der ständigen Judikatur des VwGH muss ein Sachverständigengutachten einen Befund und das eigentliche Gutachten im engeren Sinn enthalten. Der Befund ist die vom Sachverständigen - wenn auch unter Zuhilfenahme wissenschaftlicher Feststellungsmethoden - vorgenommene Tatsachenfeststellung. Die Schlussfolgerungen des Sachverständigen aus dem Befund, zu deren Gewinnung er seine besonderen Fachkenntnisse und Erfahrungen benötigt, bilden das Gutachten im engeren Sinn. Eine sachverständige Äußerung, die sich in der Abgabe eines Urteiles (eines Gutachtens im engeren Sinn) erschöpft, aber weder die Tatsachen, auf die sich dieses Urteil gründet, noch die Art, wie diese Tatsachen ermittelt wurden, erkennen lässt, ist mit einem wesentlichen Mangel behaftet und als Beweismittel unbrauchbar; die Behörde, die eine so geartete Äußerung ihrer Entscheidung zugrunde legt, wird ihrer Pflicht zur Erhebung und Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes (§ 37 AVG) nicht gerecht (VwGH vom 17.02.2004, GZ 2002/06/0151).
Hat eine Partei grundlegende Bedenken gegen ein ärztliches Gutachten, dann ist es nach Ansicht des VwGH an ihr gelegen, auf gleichem fachlichen Niveau diesem entgegenzutreten oder unter Anbietung von tauglichen Beweismitteln darzutun, dass die Aussagen des ärztlichen Sachverständigen mit dem Stand der medizinischen Forschung und Erkenntnis nicht vereinbar sind (VwGH vom 20.10.1978, 1353/78).
Eine Partei kann ein Sachverständigengutachten nur dann erfolgreich bekämpfen, wenn sie unter präziser Darstellung der gegen die Gutachten gerichteten sachlichen Einwände ausdrücklich erklärt, dass sie die Einholung eines weiteren Gutachtens bestimmter Fachrichtung zur vollständigen Ermittlung des Sachverhaltes für erforderlich halte und daher einen Antrag auf Beiziehung eines weiteren Sachverständigen stellt (VwGH vom 23.11.1978, GZ 0705/77).
Der Verwaltungsgerichtshof führte aber in diesem Zusammenhang auch aus, dass keine Verletzung des Parteiengehörs vorliegt, wenn einem Antrag auf Einholung eines zusätzlichen Gutachtens nicht stattgegeben wird (VwGH vom 25.06.1987, 87/06/0017).
Unter dem Blickwinkel der Judikatur der Höchstgerichte, insbesondere der zitierten Entscheidungen, ist das von Amts wegen eingeholte Gutachten des Amtssachverständigen XXXX, Arzt für Allgemeinmedizin, vom 23.01.2018 nachvollziehbar und weist keine Widersprüche auf.
In diesem Gutachten wurde darauf hingewiesen, dass nachweislich bei der BF ein Reizdarmsyndrom mit imperativem Stuhldrang und der Notwendigkeit, Vorlagen zu tragen, bestehe. Der imperative Stuhldrang der BF führe zum spontanen Stuhlabgang, was objektiv medizinisch sowohl für die BF als auch für ihre Umgebung belastend sei.
Da die BF dem seitens des BVwG eingeholten Sachverständigengutachten vom 23.01.2018 im Rahmen des ihr dazu gewährten Parteiengehörs nicht entgegengetreten ist, wird dieses in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:
Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die im § 10 Abs. 1 Z 6 des Bundesbehindertengesetzes genannte Vereinigung entsendet die Vertreterin oder den Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung. Hinsichtlich der Aufteilung des Nominierungsrechtes auf gleichartige Vereinigungen ist § 10 Abs. 2 des Bundesbehindertengesetzes anzuwenden. Für die Vertreterin oder den Vertreter ist jeweils auch die erforderliche Anzahl von Ersatzmitgliedern zu entsenden.
Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.).
Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Gemäß § 14 Abs. 1 VwGVG steht es im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG steht es der Behörde frei, den angefochtenen Bescheid innerhalb von zwei Monaten aufzuheben, abzuändern oder die Beschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen (Beschwerdevorentscheidung).
Gemäß § 15 Abs. 1 VwGVG kann jede Partei binnen zwei Wochen nach Zustellung der Beschwerdevorentscheidung bei der Behörde den Antrag stellen, dass die Beschwerde dem Verwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt wird (Vorlageantrag).
Gemäß § 46 BBG beträgt die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung zwölf Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden.
3.2. Zu Spruchteil A):
Gemäß § 1 Abs. 2 Z 3 der am 01. Jänner 2014 in Kraft getretenen Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013 ist auf Antrag des Menschen mit Behinderung jedenfalls einzutragen, die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und
-
erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder
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erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder
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erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder
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eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder
-
eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach
§ 1 Abs. 2 Z 1 lit. b oder d vorliegen.
Das seitens des erkennenden Gerichtes eingeholte ärztliche Gutachten von XXXX vom 23.01.2018, erfüllt den Anspruch der Schlüssigkeit im vollen Umfang. Das Gutachten steht mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch.
Die BF hat keine Einwendung gegen dieses Gutachten erhoben.
Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass bei der BF die Voraussetzungen für die Feststellung, dass die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist, vorliegen. Es wurde mit Sachverständigengutachten vom 23.01.2018 festgehalten, dass es aufgrund imperativen Stuhldrangs bei der BF zu unkontrolliertem Stuhlverlust und aus objektiv medizinischer Sicht damit in Zusammenhang zu einer sowohl für die BF als auch ihre Umgebung belastende Situation kommt. Mit dieser ärztlichen Bewertung ist der Sachverständige offensichtlich, wenn auch nicht direkt angeführt, von einer der BF unzumutbaren Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ausgegangen.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden und der Beschwerde stattzugeben.
3.3. Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn
1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder
2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.
Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.
Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.
Der EGMR hat in seinen Entscheidungen vom 10. Mai 2007, Nr. 7401/04 (Hofbauer/Österreich Nr. 2), und vom 3. Mai 2007, Nr. 17.912/05 (Bösch/Österreich), unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigten. Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "hoch-technische" Fragen ("exclusively legal or highly technical questions") betrifft. Der Gerichtshof verwies im Zusammenhang mit Verfahren betreffend ziemlich technische Angelegenheiten ("rather technical nature of disputes") auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtige (VwGH 03.10.2013, 2012/06/0221).
In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren gebe, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung aufträten oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, 2012/06/0221).
Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund des vorliegenden vom BF bzw. seiner Rechtsvertreters unbestritten gebliebenen Sachverständigengutachtens von 23.01.2018, welches als schlüssig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei erachtet wird, geklärt.
3.4. Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzlicher Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung.
Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Die Zulassung der Revision war gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zudem zu verneinen, weil die gegenständliche Entscheidung in Wesentlichen nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, sondern von Tatsachenfragen. Maßgebend ist das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen.
Schlagworte
Behindertenpass, Sachverständigengutachten, ZusatzeintragungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:G304.2182930.1.00Zuletzt aktualisiert am
04.04.2018