Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Höllwerth, Dr. E. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** K*****, vertreten durch Hochstaffl & Rupprechter Rechtsanwälte GmbH in Wörgl, gegen die beklagte Partei U***** AG, *****, vertreten durch Dr. Martin Wuelz, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Feststellung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 23. Oktober 2017, GZ 3 R 121/17s-23, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Kufstein vom 27. Februar 2017, GZ 5 C 767/15w-19, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 499,39 EUR (darin 83,23 EUR an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten ihrer Revisionsbeantwortung zu ersetzen.
Text
Begründung:
Dem maßgeblichen Haftpflichtversicherungs-vertrag liegen die Klipp & Klar-Bedingungen für die Zuhause & Glücklich Wohnungsversicherung „Top 2“ (ZGW2) idF 1/2007 zugrunde. Diese lauten auszugsweise:
„...
Privathaftpflichtversicherung
Was gilt als Versicherungsfall? – Artikel 5
Ein Versicherungsfall ist ein Schadenereignis, das dem privaten Risikobereich entspringt und aus welchem den versicherten Personen Schadenersatzverpflichtungen erwachsen oder erwachsen könnten.
…
Welche Gefahren sind versichert? – Artikel 7
Die Versicherung erstreckt sich auf Schadenersatzverpflichtungen des Versicherungsnehmers und der … mitversicherten Personen als Privatperson aus den Gefahren des täglichen Lebens …“
Der Kläger begehrte von der Beklagten Deckungsschutz für Schadenersatzansprüche einer (unbeteiligten) Person, die er bei einer Wasserbombenschlacht unter Verwendung einer „3-Mann-Schleuder“ schwer verletzt hatte.
Das Berufungsgericht sprach in seinem die Klagsabweisung bestätigenden Urteil aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Das Berufungsgericht habe sich zwar hinsichtlich des Begriffs der Gefahr des täglichen Lebens an höchstgerichtlicher Rechtsprechung orientieren können, doch sei bisher die Frage der Deckungspflicht in einem vergleichbaren Fall noch nicht an den Obersten Gerichtshof herangetragen worden.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig. Die Zurückweisung eines ordentlichen Rechtsmittels wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO):
1. Zum Begriff der „Gefahren des täglichen Lebens“ liegt bereits eine umfangreiche Rechtsprechung des Fachsenats vor (vgl die Nachweise in RIS-Justiz RS0081099), die angesichts des vorliegenden Einzelfalls keiner Verbreiterung bedarf. Dass eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zu einem gleichartigen (oder hinreichend ähnlichen) Fall fehlt, begründet noch nicht das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage (RIS-Justiz RS0110702 [T5]). Eine vom Obersten Gerichtshof aus Gründen der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung durch das Berufungsgericht liegt – entgegen der in seiner Revision vertretenen Ansicht des Klägers – nicht vor:
2. Der Begriff der „Gefahren des täglichen Lebens“ ist nach der allgemeinen Bedeutung der Worte dahin auszulegen, dass der Versicherungsschutz für die Haftpflicht des Versicherungsnehmers jene Gefahren erfasst, mit denen üblicherweise im Privatleben eines Menschen gerechnet werden muss (RIS-Justiz RS0081099). Die Gefahr, haftpflichtig zu werden, stellt im Leben eines Durchschnittsmenschen nach wie vor eine Ausnahme dar. Deshalb will die Privathaftpflichtversicherung prinzipiell Deckung auch für außergewöhnliche Situationen schaffen, in die auch ein Durchschnittsmensch hineingeraten kann. Freilich sind damit nicht alle ungewöhnlichen und gefährlichen Tätigkeiten abgedeckt (RIS-Justiz RS0081276 [T1]). Für das Vorliegen einer „Gefahr des täglichen Lebens“ ist nicht erforderlich, dass solche Gefahren geradezu täglich auftreten; vielmehr genügt es, wenn die Gefahr erfahrungsgemäß im normalen Lebensverlauf immer wieder, sei es auch seltener, eintritt. Es darf sich nur nicht um eine geradezu ungewöhnliche Gefahr handeln, wobei Rechtswidrigkeit oder Sorglosigkeit eines Verhaltens den daraus entspringenden Gefahren noch nicht die Qualifikation als solche des täglichen Lebens nehmen. Voraussetzung für einen aus einer Gefahr des täglichen Lebens verursachten Schadensfall ist nämlich immer eine Fehlleistung oder eine schuldhafte Unterlassung des Versicherungsnehmers (RIS-Justiz RS0081070).
3. Die Abgrenzung zwischen dem gedeckten Eskalieren einer Alltagssituation und einer nicht gedeckten ungewöhnlichen und gefährlichen Tätigkeit hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, was in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO begründet (7 Ob 126/17f), hat doch das Berufungsgericht diese Abgrenzung im Rahmen der Judikatur vorgenommen:
Der Kläger hat mit zwei Freunden eine „3-Mann-Wasserbombenschleuder“ in einer Wasserbombenschlacht eingesetzt, was schon begrifflich mit dem gegenseitigen Beschuss der teilnehmenden Gruppen verbunden ist. Die Warnhinweise im Verkaufsportal, die Bedienungsanleitung sowie das äußere Erscheinungsbild und die Mechanik der Verwendung der Schleuder weisen das Gerät im Einsatz gegen Personen wegen der absehbaren Energie und Geschwindigkeit der abgefeuerten Geschosse als offenkundig gefährlich aus. Der vom Kläger in seiner Revision betonte Umstand, dass mit der Schleuder nicht gezielt geschossen werden könne, macht das Gerät nicht harmloser, sondern unberechenbarer und daher gefährlicher. Dass dabei an der Schlacht unbeteiligte und daher auf das Geschehen nicht fokussierte Personen in Mitleidenschaft gezogen werden können, liegt beim Einsatz einer solchen Schleuder auf einem Festivalgelände ebenfalls auf der Hand. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer üblicherweise keine solche Gefahrensituation schafft, ist vertretbar und hält sich im Rahmen der vorliegenden Rechtsprechung. Die vom Kläger in seiner Revision herangezogenen Entscheidungen sind mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbar.
4.1. Da somit die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht vorliegen, ist die Revision unzulässig und zurückzuweisen, ohne dass dieser Beschluss einer weitergehenden Begründung bedarf (§ 510 Abs 3 ZPO).
4.2. Die Kostenentscheidung gründet auf §§ 50, 41 ZPO; die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.
Textnummer
E121036European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2018:0070OB00013.18I.0221.000Im RIS seit
04.04.2018Zuletzt aktualisiert am
24.02.2020