Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr.
Kuras als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Tarmann-Prentner und Mag. Korn, den Hofrat Dr.
Stefula und die Hofrätin Mag. Wessely-Kristöfel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E***** H*****, vertreten durch die Rechtsanwälte Lang & Schulze-Bauer OG in Fürstenfeld, gegen die beklagte Partei L***** GmbH, *****, vertreten durch die Christandl Rechtsanwalt GmbH in Graz, und der
Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei F***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Gerhard Wagner, Rechtsanwalt in Neusiedl am See, wegen restlich Feststellung (Streitwert 300 EUR) sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 26. Juni 2017, GZ 3 R 103/17i-56, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Endurteil des Bezirksgerichts Weiz vom 31. März 2017, GZ 40 C 80/14m-51, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 210,84 EUR (darin enthalten 35,14 EUR USt) bestimmten
Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.
Text
Begründung:
Die Tochter des Klägers bestellte bei der Beklagten Pflastersteine. Als der Kläger ein auf horizontaler Ebene um die Steine herumlaufendes Halteband durchschnitt, fielen 23 Steine der Palette herunter, wodurch er sich am linken Fuß eine Mehrfragmentfraktur des Endgliedes an der Großzehe im mittleren und körperfernen Drittel zuzog. Unfallskausale Spätfolgen können mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden. Eine unfallkausale Dauerfolge liegt hinsichtlich der gering verbreiterten Kontur des ansonsten unauffälligen Endgliedes der linken Großzehe vor, die jedoch ohne funktionelle Relevanz ist.
Das Erstgericht wies ausgehend von diesem Sachverhalt das auf die Feststellung der Haftung der Beklagten für sämtliche zukünftigen, derzeit nicht bekannte Schäden aus dem Vorfall vom 3. 4. 2014, bei dem der Kläger durch herabfallende Pflastersteine verletzt wurde, gerichtete Begehren ab (einem Leistungsbegehren wurde unangefochten geblieben großteils stattgegeben, zu einem kleinen Teil wurde es abgewiesen).
Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil aus der Erwägung, im vorliegenden Fall sei nach der von ihm zugrundegelegten höchstgerichtlichen Rechtsprechung das Feststellungsinteresse zu verneinen, weil zwar eine Dauerfolge vorliege, aber Spätfolgen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden können.
Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteige und die Revision zulässig sei, zumal die Entscheidungen 7 Ob 149/06x und 1 Ob 180/14y dahingehend verstanden werden könnten, dass bei Vorliegen von Dauerfolgen ein Feststellungsinteresse nur dann zu verneinen sei, wenn zukünftige Schäden aus dem zu Dauerfolgen führenden Schadenereignis schlechthin auszuschließen seien, sodass hier der Ausschluss zukünftiger Schäden mit bloß an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht hinreichen würde.
Gegen dieses Urteil richtet sich die von der Beklagten beantwortete Revision des Klägers, mit der er die Stattgebung des Feststellungsbegehrens begehrt.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulassungsausspruch unzulässig. Die Zurückweisung der Revision kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).
1.1. Nach ständiger Rechtsprechung ist das Interesse an der Feststellung der Haftung des Schädigers für künftige Schäden des Geschädigten im Sinne des § 228 ZPO zu verneinen, wenn weitere Schäden aus dem im Feststellungsbegehren bezeichneten Ereignis ausgeschlossen werden können (RIS-Justiz RS0038826); hingegen ist es zu bejahen, wenn die Möglichkeit offenbleibt, dass das schädigende Ereignis einen künftigen Schadenseintritt verursachen könnte (RIS-Justiz RS0038865;
RS0039018 [T1];
RS0038976). Diese Unterscheidung betrifft die Feststellungsebene.
1.2. Eine andere Frage ist, welches Beweismaß erfüllt sein muss, um feststellen zu können, dass zukünftige Schäden ausgeschlossen sind. Nach ständiger Rechtsprechung ist hierfür eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit erforderlich (
RIS-Justiz
RS0038976 [T22]; 17 Ob 29/11f [in Punkt 2.1.]; 8 Ob 15/15m [in Punkt 4.]; 7 Ob 73/16k [in Punkt 2.] ua), was bei Gesundheitsverletzungen zuweilen dadurch ausgedrückt wird, zukünftige Schäden müssten „mit der in der Medizin möglichen Sicherheit“ auszuschließen sein (zB 2 Ob 30/08p = RIS-Justiz RS0038826 [T2] = RS0038976 [T30] = RS0038971 [T7] = RS0039018 [T26]; 1 Ob 4/09h = RS0039018 [T27]).
1.3. Wenn in 7 Ob 149/06x gesagt wird, auch nach der neuesten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs „wäre ein Feststellungsinteresse im Sinne des § 228 ZPO lediglich zu verneinen, wenn zukünftig eintretende Schäden aus einem bestimmten Schadensereignis schlechthin und absolut auszuschließen wären“, so bezieht sich dies – wie aus der weiteren Ausführung des 7. Senats ersichtlich (künftige Schäden „nicht völlig auszuschließen“, Bejahung eines Feststellungsinteresses keine aus Gründen der Rechtssicherheit zu korrigierende Fehlbeurteilung) – nur auf die Feststellungsebene. Die Ausführungen des 7. Senats können nicht dahingehend verstanden werden, dass entgegen der ständigen Rechtsprechung für das Konstatieren des Ausschlusses zukünftiger Schäden erforderlich wäre, dass diese mit absoluter Gewissheit nicht eintreten werden.
Sachverhaltsfeststellungen können (auch) im Zivilprozess niemals mit absoluter Sicherheit getroffen werden (
Rechberger in Fasching/Konecny3 III/1 Vor § 266 ZPO). Der Beweis der höchsten, an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit, ist folglich auch dem vollen Beweis gleichgestellt (4 Ob 23/98f).
1.4. Auch der Entscheidung 1 Ob 180/14y – die allein 7 Ob 149/06x referiert – ist keine Erhöhung des erforderlichen Beweismaßes der mit an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit zu entnehmen.
2. Das Vorliegen von Dauerfolgen indiziert die Möglichkeit, dass das schädigende Ereignis für einen künftigen Schadenseintritt ursächlich sein könnte und rechtfertigt daher ein Feststellungsbegehren (RIS-Justiz
RS0038920). Auch bei Vorliegen von Dauerfolgen kann aber ausgeschlossen sein, dass diese zukünftig zu weiteren Schäden führen, sodass diesfalls – trotz Vorliegens einer Dauerfolge – das Feststellungsinteresse zu verneinen ist (2 Ob 162/05w = ZVR 2006/222 [Huber] = RS0038976 [T22]; 9 ObA 22/10s; reichhaltige hiermit konformgehende zweitinstanzliche Rsp bei Danzl in Danzl/Gutiérrez-Lobos/Müller, Schmerzengeld10 316 [in FN 1097]).
3. Im vorliegenden Fall liegen zwar Dauerfolgen vor, es steht aber fest, dass Spätfolgen auszuschließen sind, womit auch ausgeschlossen ist, dass aus der Dauerfolge zukünftig noch Schäden entstehen werden. Der Feststellung des Erstgerichts über den Ausschluss von Spätfolgen wurde das richtige Beweismaß (an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit) zugrundegelegt. Wenn die Vorinstanzen von diesen Feststellungen ausgehend das Feststellungsbegehren abwiesen, so bedarf dies keiner Korrektur.
4. Bei
Feststellungsbegehren über die Haftung für künftige Schäden darf kein
Zwischenurteil über den Grund des Anspruchs gefällt werden (RIS-Justiz RS0120248). Die Ausführungen im Zwischenurteil des Berufungsgerichts vom 28. 7. 2016, womit (insofern zutreffend) allein die Forderung des Klägers auf Zahlung von 3.950,20 EUR samt Zinsen als dem Grunde nach zur Gänze zu Recht bestehend erkannt wurde, können daher schon im Ansatz nicht für das Feststellungsbegehren in irgendeiner Weise bindend gewesen sein.
5. Mangels Aufzeigens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO war die Revision daher zurückzuweisen.
6. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO sowie § 15 RATG. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen (RIS-Justiz RS0035979).
Textnummer
E121028European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2018:0080OB00138.17B.0223.000Im RIS seit
04.04.2018Zuletzt aktualisiert am
20.06.2018