TE Lvwg Erkenntnis 2018/3/13 LVwG-2018/41/0196-3

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Veröffentlicht am 13.03.2018
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Entscheidungsdatum

13.03.2018

Index

L92107 Behindertenhilfe Rehabilitation Tirol;
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;

Norm

RehabilitationsG Tir 1983 §29
ASVG §330a
ASVG §707a

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Dr. Riedler über die Beschwerde des Herrn AA, vertreten durch den Sachwalter BB, vertreten durch RA CC, Adresse 1, Z, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Y vom 20.12.2017, Zl ****, betreffend ein Verfahren nach dem Tiroler Rehabilitationsgesetz,

zu Recht:

1.       Gemäß § 28 Abs 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) iVm § 330a und § 707a Abs 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG) wird der Beschwerde Folge gegeben, der bekämpfte Bescheid ersatzlos behoben und das Kostenersatzverfahren eingestellt.

2.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang und Beschwerdevorbringen:

Mit Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 16.10.1995, Zl ****, wurden für Herrn AA, Y, seit dem 11.09.1995 die Kosten für die Wohn- und Tagesbetreuung der D Z der DD GmbH gemäß § 7 des Tiroler Rehabilitationsgesetzes (TRG), LGBl Nr 58/1983, in der geltenden Fassung übernommen.

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Y vom 26.05.2017, Zl ****, wurde Herr AA auf der Rechtsgrundlage der §§ 20 Abs 1 und 20a TRG für den Leistungszeitraum 01.01.2017 bis 31.12.2017 zu einem Kostenbeitrag aus dem laufenden Einkommen und aus Pflegegeld verpflichtet und dieser unter Spruchpunkt 6. darauf hingewiesen, dass über den Kostenbeitrag aus den Vermögenswerten des Herrn AA zu einem späteren Zeitpunkt gesondert entschieden werden wird, zumal aktuelle Unterlagen über die Vermögenswerte seinerzeit der Bezirkshauptmannschaft Y nicht vorlagen.

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Y vom 20.12.2017, ****, wurde Herrn AA für die von der Tiroler Landesregierung mit oben zit Bescheid vom 16.10.1995 übernommenen Leistungen der Wohn- und Tagesbetreuung im Wohnheim der D Z der DD GmbH für den Zeitraum 01.01.2017-31.12.2019 ein Kostenbeitrag aus dem Vermögen von Euro 232.766,08 vorgeschrieben, wobei dieser Betrag bis zum 31.12.2019 auf ein näher bezeichnetes Konto des Amtes der Tiroler Landesregierung zur Einzahlung zu bringen ist. Gestützt wurde dieser vorgeschriebene Kostenbeitrag aus Vermögen auf die Bestimmung des § 20 Abs 1 TRG unter weiterer Bezugnahme auf die §§ 1 lit e) und 8 Abs 1 und Abs 2 der Richtlinie des Landes Tirol für Kostenbeiträge für stationäre Leistungen. Die Berechnung des Kostenbeitrages aus dem Vermögen erfolgte auf der Basis der vom Rechtsvertreter RA CC mit E-Mail am 26.05.2017 vorgelegten aktuellen Vermögenswerte des AA – Stand 31.07.2016 - bei der belangten Behörde. Hingewiesen wurde darauf, dass der vorgeschriebene Kostenbeitrag zur Abdeckung der Differenz der vom Land Tirol aufgewendeten Kosten und den über den Kostenbeitrag aus laufenden Einkünften enthaltenen Einnahmen verwendet werde.

Gegen diesen Bescheid wurde von AA, vertreten durch den Sachwalter BB, vertreten durch RA CC, Z, Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Tirol erhoben und unter Hinweis auf die ASVG-Novelle
BGBl I Nr 125/2017, insbesondere unter Hinweis auf die Bestimmungen des § 330a und § 707a Abs 2 ASVG, inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend gemacht, weil der Vorschreibung eines Kostenbeitrages aus Vermögen des Beschwerdeführers die gesetzliche Grundlage fehle. Nach den genannten Bestimmungen sei ein Zugriff auf das Vermögen von in stationären Pflegeeinrichtungen aufgenommenen Personen im Rahmen der Sozialhilfe zur Abdeckung der Pflegekosten unzulässig und dürften mit 01. Jänner 2018 Ersatzansprüche nicht mehr geltend gemacht werden, laufende Verfahren seien einzustellen. Die belangte Behörde habe mit der Vorschreibung einer Geltungsdauer und einer Zahlungsfrist bis 31.12.2019 einen Gesetzesbefehl in Verfassungsrang - § 707a Abs 2 ASVG - missachtet, über die vorliegende Beschwerde sei auf der Grundlage der seit 01.01.2018 geltenden neuen Rechtslage zu entscheiden. Es wurde der Antrag gestellt, das Landesverwaltungsgericht wolle der Beschwerde Folge geben, den angefochtenen Bescheid ersatzlos beheben und das laufende Verfahren betreffend Pflegeregress einstellen.

II.      Sachverhalt und Beweiswürdigung:

Für den Beschwerdeführer AA werden vom Land Tirol seit dem 11.09.1995 die Kosten für die Wohn – und Tagesbetreuung der D Z der DD GmbH, gemäß § 7 des Tiroler Rehabilitationsgesetzes (TRG) übernommen. Aufgrund eines apallischen Syndroms mit Tetraplegie ist der Beschwerdeführer seit dem dritten Lebensjahr voll pflegebedürftig und liegt bei ihm ein Leiden vor, das einer Behinderung iSd TRG entspricht. Der Beschwerdeführer war bislang während des ganzen Jahres in der genannten Einrichtung der DD GmbH in Z vollstationär aufhältig. Am 25.01.2018 ist AA innerhalb des D Z in das vollstationäre Wohnen in die Adresse 2 in Z übersiedelt, die Tagestruktur nimmt der Beschwerdeführer weiterhin in der Adresse 3 in Z in Anspruch.

Dieser Sachverhalt ergibt sich schlüssig aus der Aktenlage und aus den E-mails der belangten Behörde vom 01.02.2018 und vom 08.03.2018. Beweiswürdigend ist in vorliegender Angelegenheit auszuführen, dass im Hinblick auf die nun geltende Rechtslage seit 01.01.2018 und der seit diesem Zeitpunkt erfolgten Abschaffung des Pflegeregresses weitere Feststellungen hinsichtlich des entscheidungserheblichen Sachverhaltes unterbleiben konnten. Weitere Ermittlungsschritte und insbesondere eine Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht Innsbruck waren nach Ansicht des erkennenden Richters nicht erforderlich.

III.     Rechtslage:

Die maßgeblichen Bestimmungen des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), kundgemacht mit BGBl Nr I 125/2017 am 01.08.2017 in Art 1 des Sozialversicherungs-Zuordnungsgesetzes-SV-ZG, lauten:

„Verbot des Pflegeregresses

§ 330a. (Verfassungsbestimmung) Ein Zugriff auf das Vermögen von in stationären Pflegeeinrichtungen aufgenommenen Personen, deren Angehörigen, Erben/Erbinnen und Geschenknehmer/inne/n im Rahmen der Sozialhilfe zur Abdeckung der Pflegekosten ist unzulässig.

Weitere Schlussbestimmungen zu Art. 1 des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 125/2017

§ 707a. (1) Die §§ 330b samt Überschrift und 669 Abs. 3 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 125/2017 treten mit 1. Jänner 2018 in Kraft.

(2) (Verfassungsbestimmung) § 330a samt Überschrift in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 125/2017 tritt mit 1. Jänner 2018 in Kraft. Ab diesem Zeitpunkt dürfen Ersatzansprüche nicht mehr geltend gemacht werden, laufende Verfahren sind einzustellen. Insoweit Landesgesetze dem entgegenstehen, treten die betreffenden Bestimmungen zu diesem Zeitpunkt außer Kraft. Nähere Bestimmungen über den Übergang zur neuen Rechtslage können bundesgesetzlich getroffen werden. Die Durchführungsverordnungen zu einem auf Grund dieser Bestimmung ergehenden Bundesgesetz sind vom Bund zu erlassen.“

Die im verfahrensgegenständlichen Fall maßgebliche Bestimmung des Tiroler Rehabilitationsgesetzes (TRG), LGBl Nr 58/1983 idF LGBl Nr 26/2017 lautet wie folgt:

„§ 20

Kostenbeitrag

(1) Der Behinderte hat entsprechend seinen wirtschaftlichen Verhältnissen, die gesetzlich unterhaltspflichtigen Personen haben im Rahmen ihrer Unterhaltspflicht dem Land zu den Kosten

a)

der Heilbehandlung,

b)

der Beschäftigungs- und Arbeitstherapie (Ergotherapie),

c)

der Hilfe zur beruflichen Eingliederung nach § 9 Abs. 1 lit. b und c

einen Beitrag zu leisten. Als gesetzlich unterhaltspflichtige Personen im Sinne dieses Gesetzes gelten der Ehegatte oder eingetragene Partner (frühere Ehegatte oder frühere eingetragene Partner) sowie die im ersten Grad Verwandten (Wahlverwandten) des Behinderten.

(2) Würde das Ausmaß des Kostenbeitrages die Kosten der Rehabilitationsmaßnahme erreichen, so darf diese nicht gewährt werden.

(3) Von der Einhebung eines Kostenbeitrages kann insoweit abgesehen werden, als dessen Einhebung den Erfolg der Rehabilitationsmaßnahme gefährden oder dem Ziel der Rehabilitationsmaßnahme widersprechen würde.

(4) Die Kostenbeitragspflicht des Behinderten geht gleich einer anderen Schuld auf den Nachlass des Behinderten über.“

IV.      Erwägungen:

Mit BGBl I Nr 125/2017 wurde das Sozialversicherungszuordnungsgesetz (SVZG) erlassen, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, BGBl Nr 189/1955, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl I Nr 66/2017, geändert wurde. In § 330a ASVG ist nun festgelegt, dass ein Zugriff auf das Vermögen von in stationären Pflegeeinrichtungen aufgenommenen Personen, deren Angehörigen, Erben/Erbinnen und GeschenknehmerInnen im Rahmen der Sozialhilfe zur Abdeckung der Pflegekosten unzulässig ist. Dazu konkretisiert § 707a ASVG in den Schlussbestimmungen, dass § 330a samt Überschrift idF des Bundesgesetzes BGBl I Nr 125/2017 mit 01.01.2018 in Kraft tritt. Ab diesem Zeitpunkt dürfen Ersatzansprüche nicht mehr geltend gemacht werden, laufende Verfahren sind einzustellen. Insoweit Landesgesetze dem entgegenstehen, treten die betreffenden Bestimmungen zu diesem Zeitpunkt außer Kraft. Somit ist zur vorliegenden Rechtslage auszuführen, dass der hier einschlägige § 20 TRG in der geltenden Fassung im Hinblick auf die Einhebung eines Kostenbeitrages aus Vermögen hier nicht mehr zur Anwendung kommen darf. Zum anderen wurde in der oben zitierten Bestimmung eindeutig festgelegt, dass ab 01.01.2018 keine Ersatzansprüche mehr geltend gemacht werden dürfen und laufende Verfahren einzustellen sind.

Der hilfsbedürftige AA ist unbestritten seit dem 11.09.1995 bis laufend im Sinn des § 330a ASVG in einer stationären Pflegeeinrichtung, nämlich im Wohnheim der D Z der DD GmbH in Z, Adresse 3 , welche eine ganztägige Wohn- und Tagesbetreuung sicherstellt (hinsichtlich des vollstationären Wohnens bis 25.01.2018), aufgenommen. Am 25.01.2018 ist er innerhalb des D Z in das vollstationäre Wohnen in der Adresse 2, Z, übersiedelt, die Tagesstruktur D Z nimmt der Beschwerdeführer weiterhin in der Adresse 3 in Z in Anspruch. Zur Bestreitung der Wohn- und Tagesbetreuung wird mit dem bekämpften Bescheid ein Kostenbeitrag aus Vermögen gemäß § 20 TRG iVm der Richtlinie des Landes Tirol für Kostenbeiträge für stationäre Leistungen, zurückzuführen auf den Beschluss der Tiroler Landesregierung vom 19.05.2015, vorgeschrieben. Unzweifelhaft fällt dieser Sachverhalt in den Anwendungsbereich der bereits zitierten Verfassungsbestimmung des § 330a ASVG.

Da sich dieses Verbot des Vermögenszugriffes laut expliziter Anordnung auch auf laufende Verfahren zu beziehen hat und Kostenersatzansprüche daher ab 01.01.2018 nicht mehr weiterverfolgt werden dürfen, ist das vorliegende Verfahren einzustellen. Der bekämpfte Bescheid ist folglich ersatzlos zu beheben, ein Kostenbeitrag aus dem Vermögen nach
§ 20 Abs 1 TRG darf in diesem Verfahren nicht mehr geltend gemacht werden.

Von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht konnte Abstand genommen werden, zumal im vorliegenden Verfahren nur die Rechtsfrage der Anwendung der Verfassungsbestimmung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes in § 330a und § 707a zu klären war.

Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.

V.       Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Auf Grund der eindeutigen Anordnung des Verfassungsgesetzgebers in § 330a sowie § 707a ASVG ist nach Ansicht des erkennenden Richters nicht vom Vorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auszugehen und war daher die ordentliche Revision im vorliegenden Verfahren nicht zuzulassen.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen, und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.

Es besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Dr. Riedler

(Richter)

Schlagworte

stationäre Einrichtung; Verbot des Pflegeregresses; Kostenersatzverfahren;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2018:LVwG.2018.41.0196.3

Zuletzt aktualisiert am

03.04.2018
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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