Index
63/01 Beamten-Dienstrechtsgesetz;Norm
BDG 1979 §44 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Blaschek, Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Killian, über die Beschwerde des F R in Pattigham, vertretend durch Dr. Walter Riedl, Dr. Peter Ringhofer, Dr. Martin Riedl und Dr. Georg Riedl, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Franz Josefs Kai 5, gegen den Bescheid der Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt vom 16. Oktober 1997, Zl. 92/8-DOK/97,betreffend Verhängung der Disziplinarstrafe der Entlassung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der im Jahr 1949 geborene Beschwerdeführer stand als Bezirksinspektor (im Bereich der Bundesgendarmerie) in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Er war seit Juli 1986 beim Gendarmerieposten Ried im Innkreis und zuletzt beim Gendarmerieposten Schärding zur Dienstleistung zugeteilt.
Mit Disziplinarerkenntnis der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres vom 22. Juli 1997 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe "§§ 7, 43 Abs. 1 und 2 sowie 44 Abs. 1 Beamten- Dienstrechtsgesetz 1979 (BDG 1979) iVm § 8 Gendarmeriedienstinstruktion (GDI) und Erlass des BMI vom 23. Dezember 1970, Zl. 189.810-B/70" insofern verletzt, als er
"1) sich am 23. März 1996 um circa 10.45 Uhr im Baufachmarkt Baumax AG in Ried/Innkreis, Hannesgrub 6, ein Autopoliermittel im Wert von S 179,-- angeeignet hat, wobei er bei dieser Entwendung genau beobachtet und schließlich nach dem Verlassen des Geschäftes vom Filialleiter-Stellvertreter gestellt worden war. Dabei benahm sich Bezirksinspektor F R ziemlich rüde, ignorierte die Aufforderung des Bediensteten des Baufachmarktes, in dessen Büro mitzukommen und entfernte sich schließlich unter Zurücklassung des auf dem Kundenparkplatz abgestellten PKW vom Gelände des Marktes. Circa 30 Minuten später begab er sich zu seinem PKW und wollte wegfahren, wobei er vom Verkaufspersonal abermals angehalten wurde. Auch diesmal benahm sich Bezirksinspektor Rachbauer provokant und entfernte sich mit dem PKW, ohne die entwendete Ware herauszugeben, sie gegebenenfalls zu bezahlen oder die Angelegenheit zu klären.
Gegen Bezirksinspektor R wurde am 2. April 1996 unter GZ P-763/96 Ha Strafanzeige wegen Verdachtes der Entwendung an den Bezirksanwalt beim BG Ried/Innkreis erstattet.
Von der StA Ried im Innkreis/BA beim BG Ried im Innkreis wurde mit Note vom 29. April 1996, Zl. BAZ 357/96, die Einstellung des Strafverfahrens wegen § 127 StGB am 16. April 1996 gemäß § 90 Abs. 1 StPO - § 42 StGB mitgeteilt.
2) anfangs des Jahres 1996, wahrscheinlich aber schon im August 1995, das Delikt des Amtsmissbrauches begangen hat, indem er es in der Diebstahlsache gegen die beiden polnischen StA L und M (Anzeige des GP Ried im Innkreis, GZ p-2121/95) unterlassen hat, dem LG bzw. der StA Ried im Innkreis die Bestätigungen über die beschlagnahmte Diebesbeute zu übermitteln. Ebensowenig hat er die im August 1995 beschlagnahmten Schuhe und Kleidungsstücke (Detailauflistung) vorgelegt. Stattdessen hat er diese Unterlagen nach seinen Angaben anfangs des Jahres 1996 mit einem Papierwolf vernichtet und den angezeigten Personen drei Paar neuwertige Schuhe zurückgegeben.
3) nach eigenen Angaben im Februar 1996 außerdienstlich im Haus seiner Schwiegereltern in Pattigham, eine Selbstladepistole "Viktoria", Modell 1911, Kaliber 7,56 mm, Fabrikationsnummer 98764, gefunden und diese bis 22. Oktober 1996 unbefugt besessen hat, da er zum Besitz dieser Faustfeuerwaffe keine Berechtigung hatte. Bezirksinspektor Rachbauer reagierte auch auf wiederholte Aufforderungen bzw. Weisungen durch den Postenkommandant des GP Ried im Innkreis, Chefinspektor H (unmittelbarer Vorgesetzter des Bezirksinspektor R im Sinne des § 44 BDG 1979), bei der BH Ried im Innkreis einen Antrag auf Erweiterung des Berechtigungsunfanges seines Waffenpasses zu stellen oder die Pistole an eine berechtigte Person zu übergeben, nicht. Die Pistole wurde am 22. Oktober 1996 durch Chefinspektor H des GP Ried im Innkreis vorläufig beschlagnahmt.
Bezirksinspektor R wurde mit Urteil des Landesgerichts Ried im Innkreis vom 22. Jänner 1997, Zl. 8 Vr 591/96, wegen Begehung des Verbrechens des Missbrauches der Amtsgewalt nach § 302 Abs. 1 StGB sowie des Vergehens nach § 36 Abs. 1 Z. 1 Waffengesetz zu einer Geldstrafe in der Höhe von 300 Tagessätzen zu je S 300,-- (S 90.000,--), im NEF zu 150 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe, verurteilt.
Gegen das o.a. Urteil erhob der Beschuldigte Berufung und das Oberlandesgericht Linz setzte mit Urteil vom 4. April 1997, Zl. 10 Bs 62/97, die Höhe des Tagessatzes auf S 200,-- herab. Weiters wurde ein Teil der Geldstrafe im Ausmaß vom 200 Tagessätzen unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen".
Wegen dieser Dienstpflichtverletzungen verhängte die Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres über den Beschwerdeführer gemäß § 92 Abs. 1 Z. 4 BDG 1979 die Disziplinarstrafe der Entlassung.
Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung. Er bekämpfte das erstinstanzliche Straferkenntnis insoweit, als über ihn die Disziplinarstrafe der Entlassung und nicht eine geringere Disziplinarstrafe verhängt worden sei und beantragte, das erstinstanzliche Disziplinarerkenntnis in diesem Sinne entsprechend abzuändern.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen, vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Disziplinarerkenntnis der belangten Behörde vom 16. Oktober 1997 wurde der Berufung nicht Folge gegeben und damit die mit dem erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnis über den Beschwerdeführer verhängte Disziplinarstrafe der Entlassung bestätigt.
Die belangte Behörde begründet die Verhängung der über den Beschwerdeführer verhängten Disziplinarstrafe der Entlassung wie folgt:
"Im vorliegenden Fall ist zunächst davon auszugehen, dass der Beschuldigte wegen der von ihm begangenen Taten mit in Rechtskraft erwachsenem Urteil des Landesgerichtes (LG) Ried im Innkreis des Verbrechens des Amtsmissbrauchs nach § 302 Abs. 1 StGB sowie des Vergehens nach § 36 Abs. 1 Z. 1 Waffengesetz schuldig erkannt und zu einer Geldstrafe von S 90.000,-- (300 Tagessätze in der Höhe zu je S 300,--, im Uneinbringlichkeitsfall zu einer Ersatzfreiheitsstrafe im Ausmaß vom 150 Tagen) verurteilt worden ist. Mit rechtskräftigem Urteil des OLG Linz vom 4. April 1997, Zl. 10 Bs 62/97, wurde die Höhe des Tagessatzes auf S 200,-- herabgesetzt und ein Teil der Geldstrafe im Ausmaß vom 200 Tagessätzen unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen.
§ 95 BDG 1979 bestimmt, dass von der Verfolgung eines Beamten (bei Vorliegen weiterer Voraussetzungen) ua. dann abzusehen ist, wenn sich die Dienstpflichtverletzung in der Verwirklichung des strafbaren Tatbestandes erschöpft. Dieses Kriterium - und damit ein Fehlen des so genannten "disziplinären Überhanges" - kann grundsätzlich nur bei Idealkonkurrenz vorliegen, welche immer dann besteht, wenn ein und dieselbe Handlung gleichzeitig den Tatbestand einer gerichtlich oder verwaltungsbehördlich strafbaren Handlung und jenen einer Dienstpflichtverletzung erfüllt.
Der Verwaltungsgerichtshof brachte zur in Rede stehenden Rechtsfragen allerdings wiederholt zum Ausdruck, dass ein disziplinärer Überhang immer dann vorliegen wird, wenn - wie im vorliegenden Fall - eine Ahndung des fraglichen Verhaltens gemäß § 43 Abs. 2 BDG 1979 in Betracht kommt. Gerade diese Bestimmung enthält nämlich mit ihrem Abstellen auf das "Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung der dienstlichen Aufgaben" einen speziell dienstrechtlichen Aspekt, der von keinem Tatbestand eines anderen Strafrechtsbereiches wahrgenommen wird. Dabei geht es vor allem um jene Fälle, in denen gerichtlich strafbare Handlungen unter Verletzung der Amtspflicht im Sinne des § 302 StGB (echte Beamtendelikte) begangen wurden.
Ist vom Vorliegen eines disziplinären Überhanges auszugehen, so kann von der Verhängung einer Disziplinarstrafe nur dann abgesehen werden, wenn Identität des Sachverhaltes vorliegt und spezialpräventive Erwägungen nicht für eine Bestrafung sprechen. Inwieweit aber eine Bestrafung aus spezialpräventiven Gründen erforderlich erscheint, ergibt sich nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ua. aus der Tat, insbesondere aus der "Schwere" der Dienstpflichtverletzung. Wurde eine im dargelegten Sinn motivierte Bestrafung für notwendig befunden, so hat sich die Strafbemessung an den allgemeinen Richtlinien des § 93 BDG zu orientieren.
Als vorrangiges Kriterium der Strafbemessung normiert die zuletzt bezeichnete Gesetzesstelle die Schwere der Dienstpflichtverletzung; darüber hinaus ist jedoch zu berücksichtigen, inwiefern die beabsichtigte Strafhöhe spezialpräventiven Erfordernissen entspricht und im Hinblick auf die persönlichen Verhältnisse und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit angemessen ist.
Da gemäß § 91 leg. cit. nur schuldhafte Dienstpflichtverletzungen strafbar sind, kann auch nur die Schuld das grundlegende Kriterium für die Beurteilung der "Schwere" der Dienstpflichtverletzung sein; dies ist eine konsequente Folge des Schuldprinzips. Das Ausmaß der Schuld wird wesentlich durch das objektive Gewicht, d.h. den Unrechtsgehalt der Tat als Schwere der Rechtsgutbeeinträchtigung (Verletzung dienstlicher Interessen) konstituiert. Daneben erachtet der Verwaltungsgerichtshof den Grad des Verschuldens, den Beweggrund der Tat, ferner die Auswirkungen der für das Ansehen des Beschuldigten selbst und der Beamtenschaft in der Öffentlichkeit und die bisherige dienstliche Führung für maßgeblich. Innerhalb des Schuldrahmens, der sich aus der Verengung des gesetzlichen Strafrahmens durch die konkrete Tatverschuldung ergibt, darf keine strengere Strafe verhängt werden, als sie aus Gründen der Spezialprävention notwendig erscheint. Im weiteren werden bei der Bestimmung des spezialpräventiv notwendigen Strafens die Warnung-, Besserungs- und Sicherungsfunktion einer solchen Strafe zu beachten sein.
Vor dem Hintergrund obiger Rechtsausführungen gelangte der erkennende Senat der Disziplinaroberkommission zur Ansicht, dass der Beschuldigte durch die von ihm begangene Taten nicht nur Rechtsgüter verletzte, mit dessen Schutz er im Rahmen seiner dienstlichen Aufgaben betraut wäre bzw. war, sondern hiedurch auch ein - überdies in den Medien dargestelltes - dem Grund nach zu missbilligendes Verhalten setzte, von welchem nach der einschlägigen höchstgerichtlichen Judikatur angenommen wird, dass dieses zu einer massiven Schädigung des Vertrauens der Bevölkerung iSd § 43 Abs. 2 BDG 1979 führt.
Wenngleich bei Vorliegen eines disziplinären Überhanges grundsätzlich eine mildere Sanktionierung in Betracht kommt, so erforderten vor allem die unzweifelhaft auf der Hand liegenden spezialpräventiven Gründe, insbesondere die objektive Schwere der Taten, die - rechtskräftig vom Strafgericht festgestellt - vom Beschuldigten schuldhafter - (Vorsatz) und rechtswidrigerweise gesetzt wurden, sowie die aus ihnen notwendig resultierende Untragbarkeit des Beschuldigten für den öffentlichen Dienst, zwingend die Verhängung der Disziplinarstrafe der Entlassung.
Nach dem - in der neueren Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes formulierten - Untragbarkeitsgrundsatz ist die Entlassung keine Strafe, die der Sicherung der Gesellschaft, der Resozialisierung des Täters oder gar der Vergeltung dient (VwSlgNF 13.387 A; VwGH 19.1.1989, Zl. 88/09/0148; 15.12.1989, Zl. 98/09/0092; 18.10.1990, Zl. 90/09/0088; 4.11.1992, Zl. 91/09/0166; 15.9.1994, Zl. 94/09/0174; 24.2.1995, Zl. 93/09/0418). Es handelt sich vielmehr um eine "Maßnahme", deren Zweck ausschließlich darin besteht, dass sich die Dienstbehörde von einem Beamten, der sich infolge seines Fehlverhaltens untragbar gemacht hat, unter Auflösung des Beamtenverhältnisses trennen kann (vgl. auch VwSlgNF 13.431 A). Nur diese "im Fehlverhalten offenbar gewordene" Untragbarkeit, die es der Dienstbehörde unzumutbar macht, mit dem Beamten weiterhin das Beamtenverhältnis fortzusetzen, darf Grund für die Verhängung der Disziplinarstrafe der Entlassung sein. Damit bewirkt die Entlassung zugleich die "Reinigung" der Beamtenschaft von einem Organwalter, der sich nicht mehr als würdig erwiesen hat, ihr noch weiterhin anzugehören (VwGH 29.9.1992, Zl. 91/09/0186; 23.3.1994, Zl. 93/09/0391 u.v.a.). Einziges relevantes Strafzumessungskriterium ist danach die objektive Schwere der Dienstpflichtverletzung; anderen Strafzumessungsgründen, wie dem Grad des Verschuldens oder dem bisherigen bzw. nachträglichen (Wohl) Verhalten kann keine ausschlaggebende Bedeutung mehr zukommen.
Demnach geht das in der Berufung angeführte Argument des nachträglichen dienstlichen Wohlverhaltens, wenn auch an einem anderen Dienstort, bis zur Disziplinarverhandlung erster Instanz nicht nur wegen der in § 95 Abs. 2 BDG 1979 normierten, von der Disziplinarbehörde wahrgenommenen Bindung an die dem Spruch des rechtskräftigen Urteils zugrundegelegten Tatsachenfeststellung des OLG Linz ins Leere, sondern vermag angesichts der objektiven Schwere der begangenen Delikte den Vorwurf der Untragbarkeit des Beschuldigten für den öffentlichen Dienst jedenfalls nicht zu entkräften.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden."
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Der Beschwerdeführer erachtete sich durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht verletzt, dass über ihn nicht die Disziplinarstrafe der Entlassung verhängt werde. Er beantragt, eine mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof durchzuführen und den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte lediglich die Akten des Berufungsverfahrens sowie eine Reihe von - mit dem vorliegenden Verwaltungsverfahren in keinem Zusammenhang
stehenden - Personalakten des Beschwerdeführer vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird. Die Aktenvorlage blieb insofern unvollständig, als die erstinstanzlichen Akten der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres dem Verwaltungsgerichtshof nicht vorgelegt wurden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beamte, der schuldhaft seine Dienstpflichten verletzt, ist gemäß § 91 Beamten- Dienstrechtsgesetz 1979 (BDG 1979) nach diesem Abschnitt (das ist der 9. Abschnitt "Disziplinarrecht") zur Verantwortung zu ziehen.
Als Disziplinarstrafen sieht § 92 Abs. 1 BDG 1979 neben Verweis, Geldbuße und Geldstrafe die Entlassung (als schwerste Disziplinarstrafe) vor.
§ 93 BDG 1979 regelt die Strafbemessung. Nach Abs. 1 dieser Gesetzesstelle ist die Schwere der Dienstpflichtverletzung das Maß für die Höhe der Strafe. Dabei ist jedoch Rücksicht zu nehmen, inwieweit die beabsichtigte Strafhöhe erforderlich ist, um den Beamten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten. Die nach dem Strafgesetzbuch für die Strafbemessung maßgebenden Gründe sind dem Sinne nach zu berücksichtigen; weiters ist auf die persönlichen Verhältnisse und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Beamten Bedacht zu nehmen.
Hat der Beamte durch eine Tat oder durch mehrere selbstständige Taten mehrere Dienstpflichtverletzungen begangen und wird über diese Dienstpflichtverletzungen gleichzeitig erkannt, so ist nach dem Absatz 2 dieser Gesetzesstelle nur eine Strafe zu verhängen, die nach der schwersten Dienstpflichtverletzung zu bemessen ist, wobei die weiteren Dienstpflichtverletzungen als Erschwerungsgrund zu werten sind.
Wurde der Beamte wegen einer gerichtlich oder verwaltungsbehördlichen strafbaren Handlung rechtskräftig verurteilt und erschöpft sich die Dienstpflichtverletzung in der Verwirklichung des strafbaren Tatbestandes, so ist gemäß § 95 Abs. 1 BDG 1979 von der Verfolgung abzusehen, wenn anzunehmen ist, dass die Verhängung einer Disziplinarstrafe nicht erforderlich ist, um den Beamten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten.
Gemäß Abs. 2 dieser Gesetzesstelle ist die Disziplinarbehörde an die dem Spruch eines rechtskräftigen Urteils zugrundegelegten Tatsachenfeststellungen eines Strafgerichts (Straferkenntnis eines unabhängigen Verwaltungssenates) gebunden. Sie darf auch nicht eine Tatsache als erwiesen annehmen, die das Gericht (der unabhängige Verwaltungssenat) als nicht erweisbar angenommen hat.
Wird von der Verfolgung nicht abgesehen, dann ist zufolge Abs. 3 dieser Gesetzesstelle, wenn sich eine strafgerichtliche oder verwaltungsbehördliche Verurteilung auf denselben Sachverhalt bezieht, eine Strafe nur auszusprechen, wenn und so weit dies zusätzlich erforderlich ist, um den Beamten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten.
Der Beschwerdeführer hält den angefochtenen Bescheid deswegen für rechtswidrig, weil die belangte Behörde seine Weiterbeschäftigung als Beamter im öffentlichen Dienst zu unrecht verneint und einen gänzlichen Vertrauensverlust angenommen habe. Hätte die belangte Behörde sich mit seinem konkreten Einzelfall eingehend auseinander gesetzt, wäre sie zu dem Ergebnis gekommen, dass er nicht als untragbar für den öffentlichen Dienst zu qualifizieren sei.
Der Beschwerdeführer macht mit seiner Beschwerde im Ergebnis zutreffend geltend, dass die belangte Behörde die Verhängung der Disziplinarstrafe der Entlassung allein mit einer floskelhaften Wiedergabe von Rechtssätzen aus der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes begründete. Sie hat damit die für die Beurteilung der objektiven Untragbarkeit eines Beamten maßgebenden Gesichtspunkte abstrakt dargestellt, aber die aus der Sicht des vorliegenden Beschwerdefalles wesentliche Beurteilung unterlassen, ob und aus welchen Erwägungen im vorliegenden Einzelfall die Untragbarkeit des Beschwerdeführers konkret vorliege bzw. inwieweit seine Weiterbeschäftigung dem Dienstgeber nicht mehr zugemutet werden könne. Schon in dieser Hinsicht genügt die belangte Behörde mit ihren allgemeinen Ausführungen nicht den Erfordernissen einer (auf den Einzelfall eingehenden) Bescheidbegründung. Die Verhängung einer so schwer wiegenden Maßnahme wie der schwersten vorgesehenen Disziplinarstrafe der Entlassung hätte die konkrete Darlegung jener Umstände erfordert, die dafür - nach Ansicht der belangten Behörde - maßgebend waren (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 21. Februar 1991, Zl. 90/09/0181).
Die belangte Behörde wird daher die Schwere der vom Beschwerdeführer begangenen Dienstpflichtverletzungen unter Einbeziehung der in seinem Einzelfall feststehenden Sachverhalte konkret zu beurteilen haben. Da sie in Verkennung der Rechtslage eine derartige Auseinandersetzung mit dem für die Beurteilung der weiteren Tragbarkeit des Beschwerdeführers im öffentlichen Dienst wesentlichen Ausmaß der Schwere der von ihm begangenen Dienstpflichtverletzungen, die anhand seiner Schuld zu beurteilen ist, unterlassen hat, belastete die belangte Behörde schon aus diesem Grund den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit (vgl. in dieser Hinsicht das hg. Erkenntnis vom 7. Juli 1999, Zl. 99/09/0042).
Im fortgesetzten Verfahren wird die belangte Behörde in Betracht zu ziehen haben, inwieweit nach dem in Rechtskraft erwachsenen Schuldspruch der Disziplinarbehörde erster Instanz ein "disziplinärer Überhang" vorliegt. Soweit dem Beschwerdeführer nach dem Inhalt dieses Schuldspruches die Verletzung (auch) anderer Dienstpflichten als jener gemäß § 43 Abs. 2 BDG 1979 zur Last gelegt wurde, wird im Hinblick auf die strafgerichtliche Verurteilung des Beschwerdeführers zu prüfen sein, in welchem Umfang ein "disziplinärer Überhang" konkret besteht (vgl. hiezu etwa die hg. Erkenntnisse vom 8. September 1987, Zl. 86/09/0083, in Slg.NF Nr. 12 516/A; sowie zum "echten Beamtendelikt" des Amtsmissbrauches das hg. Erkenntnis vom 29. Oktober 1997, Zl. 97/09/0183). Die belangte Behörde wird im Rahmen einer rechtmäßigen Ausübung der Strafbemessung um eine Auseinandersetzung damit nicht umhin kommen, welche Dienstpflichten der Beschwerdeführer durch das in den Punkten 1 bis 3 umschriebene Verhalten konkret verletzt habe (vgl. zur rechtswidrigen Gestaltung des Bescheidspruches etwa das hg. Erkenntnis vom 1. Juli 1998, Zl. 96/09/0373). Hinsichtlich des mit Punkt 1 des Schuldspruches umschriebenen Sachverhaltes hat die Staatsanwaltschaft die Anzeige gemäß § 90 Abs. 1 StPO zurückgelegt. In diesem Fall fehlen demnach gerichtlich festgestellte Tatsachen im Sinne des § 95 Abs. 2 BDG 1979 (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 16. November 1995, Zl. 93/09/0054). Die belangte Behörde wird daher zu erwägen haben, ob zu diesem Anschuldigungspunkt überhaupt ein hinreichender Sachverhalt festgestellt werden kann, um die Schwere der vom Beschwerdeführer begangenen Dienstpflichtverletzung im Rahmen der Strafbemessung fehlerfrei beurteilen zu können. Soweit der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des Missbrauches der Amtsgewalt nach § 302 Abs. 1 StGB und des Vergehens nach § 36 Abs. 1 Z. 1 Waffengesetz strafgerichtlich verurteilt wurde, ist nach dem Inhalt der Disziplinarerkenntnisses nicht erkennbar, welche im Sinn des § 95 Abs. 2 BDG 1979 bindende Tatsachenfeststellung dem Spruch des rechtskräftigen Urteils des Strafgerichtes zugrunde gelegt wurde. In dieser Hinsicht bleibt etwa unbeantwortet, ob das Strafgericht hinsichtlich des Vergehens des § 36 Abs. 1 Z. 1 Waffengesetz fahrlässige oder vorsätzliche Tatbestandsverwirklichung festgestellt hat. Hinsichtlich des Schuldspruches in Anschuldigungspunkt 2 wird die belangte Behörde zu erwägen haben, ob das dem Beschwerdeführer damit angelastete Verhalten vor dem Hintergrund von als Untragbarkeitsfällen gewerteten Einzelfällen hinreichend schwer wiegend ist, um vorliegend eine Zerstörung des Vertrauensverhältnisses zwischen ihm und dem Dienstgeber annehmen zu können (vgl. insoweit zum Missbrauch der Amtsgewalt die hg. Erkenntnisse vom 18. Oktober 1990, Zl. 90/09/0088, vom 5. März 1980 in Slg.NF Nr. 10 060/A, und vom 29. Oktober 1997, Zl. 97/09/0183, sowie zum Untragbarkeitsgrundsatz die im Erkenntnis vom 21. Februar 1991, Zl. 90/09/0181, wiedergegebene Judikatur). Hinsichtlich der Darstellung der strafgerichtlichen Verurteilung des Beschwerdeführer ist davon auszugehen, dass ausschließlich die vom Oberlandesgericht Linz herabgesetzte Strafe rechtskräftig ist; die wiederholte Darstellung der vom Oberlandesgericht Linz abgeänderten erstinstanzlichen Strafbemessung durch das Landesgerichts Ried im Innkreis ist unerheblich und war daher entbehrlich. Über den Beschwerdeführer wurde vom Strafgericht eine Geldstrafe in der Höhe von S 60.000,-- , davon der überwiegende Teil (zwei Drittel) auf eine Probezeit von drei Jahren bedingt verhängt. Schließlich wird die belangte Behörde bei ihrer Strafbemessung im Disziplinarverfahren gänzlich unbeachtet zu lassen haben, ob das dem Beschwerdeführer angelastet Fehlverhalten in den Medien dargestellt wurde oder nicht.
Der angefochtene Bescheid war somit aus den dargelegten Erwägungen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.
Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 4 VwGG abgesehen werden.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 12. April 2000
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1997090369.X00Im RIS seit
20.11.2000