Entscheidungsdatum
05.01.2018Norm
MSG NÖ 2010 §8 Abs1Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch HR Dr. Becksteiner als Einzelrichter über die Beschwerde von Frau SB (***, ***) gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft St.Pölten vom 29. Juli 2016, Zl. PLJ3-B-16176/003, in der Fassung der Beschwerdevorentscheidung vom 20. September 2016, Zl. PLJ3-B-16176/003, betreffend eine Geldleistung nach dem NÖ Mindestsicherungsgesetz, zu Recht:
1. Der Beschwerde wird gemäß § 28 VwGVG mit der Maßgabe stattgegeben, dass Spruchpunkt 1. der angefochtenen Beschwerdevorentscheidung zur Gänze aufgehoben wird und Spruchpunkt 2. zu lauten hat wie folgt:
„Dem Antrag von Frau SB vom 13.07.2016 auf Leistungen zur Deckung des notwendigen Lebensunterhaltes und Wohnbedarfes wird stattgegeben. Frau SB erhält daher ab dem 01.07.2016 längstens bis zum 31.12.2016 eine monatliche Geldleistung in der Höhe von € 628,32.“
2. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
1. Zum verwaltungsbehördlichen Verfahren:
1.1. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft St.Pölten vom 29.07.2016,
Zl. PLJ3-B-16176/003, wurde dem Antrag der nunmehrigen Beschwerdeführerin vom 13.07.2016 stattgegeben und ihr im Zeitraum vom 01.07.2016 längstens bis zum 31.12.2016 Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung in der Höhe von € 373,74 monatlich gewährt.
Begründet wurde dies im Wesentlichen damit, dass die Beschwerdeführerin mit ihrer Mutter und ihrem Bruder in Haushaltsgemeinschaft in einer Mietwohnung lebe, für die ein gemeinsamer Wohnaufwand in der Höhe von € 620,00 monatlich bestehe. Die Mutter der Beschwerdeführerin verfüge über ein Einkommen aus der Notstandshilfe in der Höhe von € 29,43 täglich.
Aus dem von der Beschwerdeführerin vorgelegten Lebenslauf sei ersichtlich, dass sie aktuell noch eine berufliche Weiterbildung absolviere. Weiters sei von ihr nach Abschluss ihrer Schulausbildung offensichtlich noch kein geeigneter Arbeitsplatz gefunden worden, lediglich kurzfristige Anstellungen und Auslandsaufenthalte als Praktikum, weshalb nach Ansicht der belangten Behörde aktuell keine Selbsterhaltungsfähigkeit seitens der Beschwerdeführerin vorliege und eine Unterhaltspflicht ihrer Mutter bestehe.
1.2. Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben. Diese wurde im Wesentlichen damit begründet, dass die Ansicht der Behörde betreffend ihre Selbsterhaltungsfähigkeit unverständlich sei, da sie vom Sozialamt von *** vom 01.01.2016 bis zum 30.06.2016 bereits Mindestsicherung in der Höhe von € 628,32 zugesprochen bekommen habe. Dies sei auch durch das amtsärztliche Gutachten aufgrund ihrer gesundheitlichen Probleme mit einer Gültigkeit von 24 Monaten bestätigt worden, was u.a. ihre Selbsterhaltungsfähigkeit begründe. Weiters sei sie vom 02.09.2015 bis zum 27.05.2016 krankgeschrieben gewesen und sei nun seit dem 13.06.2016 beim AMS als arbeitssuchend gemeldet.
1.3. Aufgrund dieser Beschwerde erließ die belangte Behörde am 20.09.2016 zur Zl. PLJ3-B-16176/003 eine Beschwerdevorentscheidung, mit der sie die Beschwerde der Beschwerdeführerin abwies.
Begründet wurde diese im Wesentlichen, nach der Wiedergabe der Vorbringen der Beschwerdeführerin und allgemeiner rechtlicher Ausführungen, damit, dass, wie die Beschwerdeführerin selbst vorgebracht habe, es ihr aus gesundheitlichen Gründen, welche auch amtsärztlich festgestellt wurden, aktuell nicht möglich sei einer Erwerbstätigkeit nachzugehen bzw. eine adäquate Erwerbstätigkeit zu finden. Aus diesem Grund sei die Beschwerdeführerin infolge Krankheit unverschuldet in die Arbeitslosigkeit geraten und fehle ihr sohin die soziale Absicherung. Darüber hinaus absolviere sie laut ihren eigenen Angaben eine weiterführende, gehobene Berufsausbildung (Fernstudium) zur diplomierten Gesundheits- und Fitnesstrainerin. Es bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beschwerdeführerin ihre Ausbildung nicht zielstrebig und eifrig betreibe bzw. keine persönliche Eignung dafür bestehen sollte. Daher habe sie Anspruch auf die weiterführende Berufsausbildung.
Infolge der fehlenden oder weggefallenen Selbsterhaltungsfähigkeit sei von einer Unterhaltspflicht der Mutter der Beschwerdeführerin auszugehen.
1.4. Gegen diese Beschwerdevorentscheidung wurde rechtzeitig ein Vorlageantrag eingebracht. In der Begründung wurde darauf hingewiesen, dass die Beschwerdeführerin vom Magistrat St.Pölten trotz ebenfalls vorliegender Haushaltsgemeinschaft mit ihrer Mutter und ihrem Bruder € 628,32 an Bedarfsorientierten Mindestsicherung zugesprochen bekommen habe und trotz Krankenstand und Wohngemeinschaft als selbsterhaltungsfähig betrachtet wurde. Weiters seien die Ausführungen der belangten Behörde zu ihrer bisherigen Arbeitssituation reine Spekulation und ohne objektive und sachliche Kenntnisse seitens der belangten Behörde. Es sei der Beschwerdeführerin ein Bedürfnis gewesen, die Welt zu bereisen und andere Länder kennenzulernen. Dies habe sie sich selbst finanzieren müssen und seien dies somit keine Praktika sondern normale Arbeitsverhältnisse gewesen. Es sei der Beschwerdeführerin unverständlich, warum alleine durch ihre Übersiedlung nach *** ihr ihre finanziellen und sozialen Rechte (Selbsterhaltungsfähigkeit) nach Ansicht der Behörde abgesprochen worden seien.
2. Zum durchgeführten Ermittlungsverfahren:
2.1. Mit Schreiben vom 10.10.2016 legte die belangte Behörde dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich den Vorlageantrag samt bezughabendem verwaltungsbehördlichem Akt vor.
2.2. Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich führte am 12.10.2017 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in der Beweis erhoben wurde durch Einsicht in die hg. Akten LVwG-AV-980/001-2016 sowie LVwG-AV-1063/001-2016, auf deren Verlesung verzichtet wurde sowie durch Einvernahme der Beschwerdeführerin sowie der Zeugen VB (Mutter der Beschwerdeführerin). Ein Vertreter der belangten Behörde ist trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht zur Verhandlung erschienen.
3. Feststellungen:
3.1. Die Beschwerdeführerin, eine österreichische Staatsbürgerin, lebte im verfahrensgegenständlichen Zeitraum in einer Mietwohnung mit ihrer Mutter und ihrem Bruder. Für die Mietkosten leistete die Beschwerdeführerin einen monatlichen Beitrag in der Höhe von € 200,00.
3.2. Die Beschwerdeführerin verfügt über eine abgeschlossene Ausbildung, welche sie an der Fachschule für wirtschaftliche Berufe *** mit dem Ausbildungsschwerpunkt Ernährung, Wellness und Sport absolviert hat. Im Oktober 2013 begann die Beschwerdeführerin ein Fernstudium zur diplomierten Gesundheits- und Fitnesstrainerin, welches sie jedoch im März 2014 abgebrochen hat.
3.3. Nach Absolvierung der Fachschule für wirtschaftliche Berufe in *** war die Beschwerdeführerin immer wieder, teilweise über mehrere Monate hinweg, bei verschiedenen Arbeitgebern beschäftigt, unter anderem von Februar bis Juni 2012 als Servicekraft im *** Hotel in ***. Teilweise arbeitete die Beschwerdeführerin vorübergehend auch im Ausland, wobei es sich hierbei um vollwertige Anstellungen und nicht um Praktika gehandelt hat. Die letzte Anstellung vor dem verfahrensgegenständlichen Zeitraum hatte die Beschwerdeführerin im August 2013. Von 02.09.2015 bis 27.05.2016 war die Beschwerdeführerin als arbeitsunfähig gemeldet. Seit 13.06.2016 ist sie beim AMS arbeitssuchend gemeldet.
3.4. Die Beschwerdeführerin litt im verfahrensgegenständlichen Zeitraum an einer Schimmelpilzvergiftung und einer erhöhten Anfälligkeit für Harnwegsinfekte. Aufgrund dieser Erkrankung war die Beschwerdeführerin im verfahrensgegenständlichen Zeitraum nur zu 85 % arbeitsfähig.
4. Beweiswürdigung:
4.1. Zu den Feststellungen hinsichtlich der Wohnsituation der Beschwerdeführerin gelangte das erkennende Gericht aufgrund des dem verwaltungsbehördlichen Akt inneliegenden Auszuges aus dem Zentralen Melderegister sowie den glaubwürdigen und nachvollziehbaren Aussagen sowohl der Beschwerdeführerin als auch deren Mutter im Rahmen der mündlichen Verhandlung.
4.2. Die Feststellungen betreffend die Ausbildung der Beschwerdeführerin sowie das abgebrochene Fernstudium konnten aufgrund ihrer glaubwürdigen Aussage im Rahmen der mündlichen Verhandlung sowie aufgrund der dem verwaltungsbehördlichen Akt inneliegenden Unterlagen, insbesondere ihrem Lebenslauf, getroffen werden.
4.3. Zu den Feststellungen hinsichtlich des beruflichen Werdeganges der Beschwerdeführerin gelangte das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich ebenfalls aufgrund des dem verwaltungsbehördlichem Akt inneliegenden Lebenslaufes sowie aufgrund der Aussage der Beschwerdeführerin. Dass es sich insbesondere bei den Tätigkeiten im Ausland nicht um Praktika handelt, erscheint dem Gericht insofern naheliegend, als dass es bei dem geringen Einkommen der Mutter nur schwer vorstellbar ist, dass die Auslandsreisen der Beschwerdeführerin von der Mutter finanziert werden konnten. Die Feststellungen betreffend die Krankschreibung und die Meldung beim AMS konnten aufgrund der Ausführungen der Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerde sowie der entsprechenden Arbeitsunfähigkeitsmeldung vom 02.09.2015 getroffen werden. Das Datum der Meldung beim AMS ergibt sich ebenfalls aus der Beschwerde sowie aus der Betreuungsvereinbarung vom 13.06.2016.
4.4. Die Feststellungen betreffend der Krankheit der Beschwerdeführerin und der daraus resultierenden Arbeitsfähigkeit konnten aufgrund des amtsärztlichen Gutachtens vom 06.07.2015 sowie aufgrund der damit korrespondierenden Ausführungen der Beschwerdeführerin in ihrer als Einspruch bezeichneten Stellungnahme vom 22.06.2016 getroffen werden.
5. Rechtslage:
5.1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG) lauten auszugsweise:
„§ 17
Anzuwendendes Recht
Soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, sind auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, […] und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
§ 27
Prüfungsumfang
Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es den angefochtenen Bescheid […] auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) […] zu überprüfen.
§ 28
Erkenntnisse
(1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn
1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
[…]“
5.3. Die maßgeblichen Bestimmungen des NÖ Mindestsicherungsgesetzes (NÖ MSG) lauten auszugsweise:
„§ 2
Leistungsgrundsätze
(1) Bedarfsorientierte Mindestsicherung ist Hilfe suchenden Personen nur soweit zu gewähren, als Bereitschaft zum Einsatz der eigenen Arbeitskraft besteht, die Hilfe suchende Person darüber hinaus bereit ist alle zumutbaren Maßnahmen zu ergreifen, die geeignet sind die Notlage zu verbessern oder zu beenden und der jeweilige Bedarf nicht durch eigene Mittel oder durch Leistungen Dritter tatsächlich gedeckt wird (Subsidiaritätsprinzip).
[…]
§ 4
Begriffsbestimmungen und Verweisungen
(1) Im Sinne dieses Gesetzes
1. ist hilfsbedürftig, wer seinen Lebensunterhalt, Wohnbedarf oder den bei Krankheit, Schwangerschaft und Entbindung auftretenden Bedarf nach §§ 10 bis 12 für sich und für die mit ihm oder ihr im gemeinsamen Haushalt lebenden, ihm oder ihr gegenüber unterhaltsberechtigten oder mit ihm oder ihr in Lebensgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln decken kann und diesen auch nicht von anderen Personen oder Einrichtungen erhält;
[…]
§ 6
Einsatz der eigenen Mittel
(1) Die Bemessung von Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung nach dem 3. Abschnitt hat unter Berücksichtigung des Einkommens und des verwertbaren Vermögens der Hilfe suchenden Person zu erfolgen.
(2) Als Einkommen gelten alle Einkünfte, die der Hilfe suchenden Person tatsächlich zufließen.
[…]
§ 8
Berücksichtigung von Leistungen Dritter
(1) Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung sind nur soweit zu erbringen, als der jeweilige Bedarf nicht durch Geld- oder Sachleistungen Dritter gedeckt ist.
(2) Das Einkommen eines mit der Hilfe suchenden Person im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehegatten bzw. einer Ehegattin, eines eingetragenen Partners bzw. einer eingetragenen Partnerin oder einer sonst unterhaltsverpflichteten Person sowie eines Lebensgefährten bzw. einer Lebensgefährtin ist bei der Bemessung der Mindestsicherung insoweit zu berücksichtigen, als es den für diese Personen nach § 11 Abs. 1 maßgebenden Mindeststandard übersteigt.
[…]
§ 11
Mindeststandards
(1) Die Landesregierung hat nach Maßgabe des Art. 10 Abs. 2 und 3 der Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG über eine bundesweite Bedarfsorientierte Mindestsicherung, LGBl. 9204–0, durch Verordnung die Höhe der Mindeststandards zur Deckung des notwendigen Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfes insbesondere für folgende hilfsbedürftige Personen zu regeln:
1. […]
2. für volljährige Personen, die mit anderen volljährigen Personen in Haushalts- oder Wohngemeinschaft leben,
3. – 4. […]
(2) […]
(3) Mindeststandards zur Sicherung des notwendigen Lebensunterhaltes nach Abs. 1 beinhalten grundsätzlich einen Geldbetrag zur Deckung des Wohnbedarfes im Ausmaß von 25% […]. Besteht kein oder ein geringerer Aufwand zur Deckung des Wohnbedarfes oder ist dieser Aufwand anderweitig gedeckt, sind die jeweiligen Mindeststandards um diese Anteile entsprechend zu reduzieren, höchstens jedoch um 25% […].
[…]“
5.4. Die maßgeblichen Bestimmungen der NÖ Mindeststandardverordnung (NÖ MSV) idF LGBl. Nr. 120/2015 lauten:
„§ 1
Geldleistungen zur Deckung des Lebensunterhaltes und Wohnbedarfes
(1) Der Mindeststandard an monatlichen Geldleistungen zur Deckung des notwendigen Lebensunterhaltes beträgt für:
1. […]
2. volljährige Personen, die mit anderen volljährigen Personen im gemeinsamen Haushalt leben:
a) je Person…………………………………………………………………………….. 471,24 Euro;
[…]
(2) Der Mindeststandard an monatlichen Geldleistungen zur Deckung des Wohnbedarfes beträgt für Personen, mit Ausnahme solcher, die eine Eigentumswohnung oder ein Eigenheim bewohnen:
1. [….]
2. volljährige Personen, die mit anderen volljährigen Personen im gemeinsamen Haushalt leben:
bis zu
a) je Person……………………………………………………………………….. …….157,08 Euro;
[…]
6. Erwägungen:
6.1. Zunächst ist festzuhalten, dass es sich bei Ansprüchen auf Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung um zeitraumbezogene Ansprüche handelt, für welche nicht die im Zeitpunkt der Erlassung der Entscheidung geltende Rechtslage schlechthin maßgebend ist, sondern eine zeitraumbezogene Beurteilung.
6.2. Wie festgestellt wurde, lebte die Beschwerdeführerin im verfahrensgegenständlichen Zeitraum im gemeinsamen Haushalt mit ihrer Mutter und ihrem Bruder. Somit kommt für sie der Mindeststandard gemäß § 11 Abs. 1 Z 2 lit. a NÖ MSG zur Anwendung. Dieser betrug im verfahrensgegenständlichen Zeitraum gemäß § 1 Abs.1 Z 2 lit. a NÖ MSV idF LGBl. 127/2015 € 471,24 je volljähriger Person. Hinzu kommt der Mindeststandard zur Deckung des Wohnbedarfes in der Höhe von € 157,08, welcher der Beschwerdeführerin grundsätzlich in voller Höhe zusteht, da sie Wohnkosten in der Höhe von € 200,00 monatlich zu tragen hat.
6.3. Gemäß § 8 Abs. 1 NÖ MSG sind Leistungen nur soweit zu erbringen, als der jeweilige Bedarf nicht durch Geld- oder Sachleistungen Dritter gedeckt ist. Dabei ist das Einkommen der unterhaltsverpflichteten Person bei der Bemessung der Mindestsicherung insoweit zu berücksichtigen, als es den für diese Person maßgebenden Mindeststandard übersteigt (vgl. § 8 Abs. 2 NÖ MSG).
6.3.1. Um beurteilen zu können, ob die Mutter der Beschwerdeführerin gegenüber ihrer Tochter unterhaltspflichtig ist und das den ihr zustehenden Mindeststandard übersteigende Einkommen bei der Berechnung der Mindestsicherung der Beschwerdeführerin zu berücksichtigen ist, ist zunächst auf die Frage der Selbsterhaltungsfähigkeit der Beschwerdeführerin einzugehen.
Dazu ist auf die einschlägige Rechtsprechung zu § 231 ABGB zu verweisen, wonach die Unterhaltspflicht der Eltern mit dem Eintritt der Selbsterhaltungsfähigkeit erlischt. Diese tritt unabhängig vom Kindesalter dann ein, wenn das Kind die bei selbständiger Haushaltsführung für eine Deckung des angemessenen Lebensbedarfs erforderlichen Mittel entweder aus Vermögenserträgen besitzt, selbst erwirbt oder aufgrund zumutbarer Beschäftigung zu erwerben imstande ist. Für die Beurteilung der für eine komplette Eigenversorgung ausreichenden Erwerbsfähigkeit des Kindes gilt aber – ebenso wie bei Beurteilung des potenziellen Einkommens eines Unterhaltspflichtigen – der Anspannungsgrundsatz (vgl. Schwimann/Kolmasch, Unterhaltsrecht7, S. 153 mit Verweis auf S. 65). Danach muss sich der potenziell Selbsterhaltungsfähige unter bestimmten Voraussetzungen an der zumutbaren Ausschöpfung seiner Möglichkeiten messen lassen („Anspannung seiner Kräfte“). Der Anspannungsgrundsatz geht von der Obliegenheit aus, im zumutbaren Rahmen alle seine „Kräfte anzuspannen“, alle seine persönlichen wie finanziellen Mittel und Möglichkeiten so gut wie möglich zur Einkommenserzielung zu nutzen.
Da die Selbsterhaltungsfähigkeit die eigene Fähigkeit zur angemessenen Bedürfnisdeckung bedeutet, tritt sie grundsätzlich mit Abschluss der Berufsausbildung ein. Mit diesem Zeitpunkt wird das Kind dem Anspannungsgrundsatz unterworfen, sodass es auch dann als selbsterhaltungsfähig gewertet wird (folglich den Unterhaltsanspruch verliert), wenn es verschuldeter Weise kein ausreichendes Einkommen erzielt. Das Kind ist schon vor Abschluss der Berufsausbildung als selbsterhaltungsfähig anzusehen, wenn es dem Pflichtschulalter entwachsen und die Berufsausbildung aus seinem Verschulden gescheitert ist. Verschuldetes Scheitern liegt beispielsweise vor bei endgültigem Ausbildungsabbruch, bei Erfolglosigkeit der Ausbildung, etwa durch dauernden Wechsel oder bei grundloser Aufgabe des Lehrplatzes oder Lehrplatzverlust wegen eines schwerwiegenden Fehlverhaltens. Voraussetzung für den Unterhaltsverlust (somit für Annahme der Selbsterhaltungsfähigkeit) wegen gescheiterter Ausbildung bleibt stets, dass das Kind an sich zum Abschluss einer die Selbsterhaltungsfähigkeit bewirkenden Ausbildung oder zu einem sonstigen bedarfsdeckenden Erwerb in der Lage wäre (vgl. Schwimann/Kolmasch, Unterhaltsrecht7, S 154 ff).
Zunächst ist hierzu festzuhalten, dass die Beschwerdeführerin jedenfalls nach dem Abschluss der Fachschule für wirtschaftliche Berufe ihre Selbsterhaltungsfähigkeit erreicht hatte. So hat sie anschließend daran einige längere Auslandsaufenthalte absolviert, die sie durch ihre Arbeit vor Ort finanzieren musste. Dazwischen war sie auch von Februar bis Juni 2012 als Servicekraft angestellt. Fraglich ist lediglich, ob die Beschwerdeführerin danach ihre Selbsterhaltungsfähigkeit wieder verloren hat.
Wie oben bereits ausgeführt wurde, lebt die Unterhaltspflicht der Eltern nur dann wieder auf, wenn die Selbsterhaltungsfähigkeit ohne Verschulden des Kindes verloren geht (vgl. dazu auch Limberg in Klete?ka/Schauer, ABGB-ON1.04 § 231 Rz 67 [Stand 1.10.2016, rdb.at]). Ausreichend gesicherte Umstände, die für einen nachträglichen Wegfall der Selbsterhaltungsfähigkeit sprechen, liegen jedoch nicht
6.4. Was die Höhe der der Beschwerdeführerin zustehenden Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung betrifft, so liegt die Behörde darin im Recht, dass ihr die Mindeststandards gemäß § 11 Abs. 1 Z 2 NÖ MSG zustehen. Diese betrugen im verfahrensgegenständlichen Zeitraum gemäß § 1 Abs. 1 Z 2 lit. a NÖ MSV für Leistungen zur Deckung des notwendigen Lebensunterhaltes € 471,24 monatlich und für Leistungen zur Deckung des Wohnbedarfes € 157,08 monatlich. Somit waren der Beschwerdeführerin insgesamt im Zeitraum vom 01.07.2016 bis zum 31.12.2016 Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung in der Höhe von € 628,32 zuzuerkennen.
7. Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Schlagworte
Sozialrecht; Mindestsicherung; Selbsterhaltungsfähigkeit;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGNI:2018:LVwG.AV.1063.001.2016Zuletzt aktualisiert am
03.04.2018