Entscheidungsdatum
23.01.2018Norm
AWG 2002 §15Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch Mag. Binder als Einzelrichterin über die Beschwerde des JE, ***, ***, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Waidhofen an der Thaya vom 15. Dezember 2016, Zl. WTS2-V-16 2139/5, betreffend Bestrafung nach dem Abfallwirtschaftsgesetz 2002 (AWG 2002), nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Recht:
1. Der Beschwerde wird gemäß § 50 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) insofern Folge gegeben, dass das angefochtene Straferkenntnis dahingehend abgeändert wird, als im Spruch in der Tatbeschreibung die Wortfolge „Dachziegelbruch, Betonbruch, Eisenschrott, alte Fenster- und Türrahmen sowie Dachrinnen“ ersatzlos zu entfallen hat, und in Anwendung des § 45 Abs. 1 Z 4 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) von einer Bestrafung abgesehen wird und gleichzeitig dem Beschwerdeführer unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit des zur Last gelegten Verhaltens gemäß § 45 Abs. 1 letzter Satz VStG eine Ermahnung erteilt wird. Damit hat auch der von der belangten Behörde festgesetzte Kostenbeitrag zu entfallen.
2. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
1. Zum verwaltungsbehördlichen Verfahren:
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Waidhofen an der Thaya vom 15. Dezember 2016, WTS2-V-16 2139/5, wurde der Beschwerdeführer wie folgt für schuldig befunden:
„Sie haben folgende Verwaltungsübertretung begangen:
Zeit:
04.03.2015, 29.04.2015 und 23.11.2015
Ort:
Gemeindegebiet von ***, KG ***, GSN ***
Tatbeschreibung:
Sie haben es zu verantworten, dass folgender nicht gefährlicher Abfall (§ 2 Abs. 4 Z.1) außerhalb einer hiefür genehmigten Anlage bzw. eines für die Sammlung oder Behandlung vorgesehenen Ortes seit längerer Zeit zumindest aber am 04.03.2015 (Bauverhandlung), am 29.04.2015 und am 23.11.2015 (Lokalaugenschein Amtssachverständigen für Deponietechnik und Gewässerschutz) bis 31.05.2016 (Datum der Anzeige) gelagert wurde:
- Bauschuttlagerungen in Form von Ziegelbruch, Dachziegelbruch, Betonbruch,
Eisenschrott, alte Fenster- und Türrahmen sowie Dachrinnen
Eine ordnungsgemäße Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung als Abfall war im öffentlichen Interesse deswegen erforderlich, weil dadurch
- Gefahren für Wasser, Luft, Boden, Tiere oder Pflanzen und deren natürlichen
Lebensbedingungen hätten verursacht werden können,
- die nachhaltige Nutzung von Wasser oder Boden beeinträchtigt werden können
und
- das Orts- und Landschaftsbild erheblich hätte beeinträchtigt werden können.
(Ein Großteil der Lagerungen liegt bereits seit 2009 vor. Da der Abbruch des Gebäudes mit Ablauf des 29.3.2014 nicht mehr fortgesetzt werden durfte, liegen auch die letzten Zwischenlagerungen somit bereits zumindest 1 Jahr vor Ort und die ersten Ablagerungen bereits seit über 3 Jahren.)
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift verletzt:
§ 79 Abs. 2 Z.3 Abfallwirtschaftsgesetz (AWG) 2002
Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende Strafe verhängt:
Geldstrafe von
falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von
Gemäß
€ 800,00
32 Stunden
§ 79 Abs. 2 Abfallwirtschaftsgesetz (AWG) 2002“
Weiters wurden dem Beschuldigten die Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens auferlegt. In ihrer Begründung verwies die Strafbehörde auf das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens, welches aufgrund einer Anzeige der Bezirkshauptmannschaft Waidhofen an der Thaya, Fachgebiet Umweltrecht, vom 31. Mai 2016 durchgeführt worden sei. Unter Hinweis auf die Rechtfertigung des Rechtsmittelwerbers im Strafverfahren sowie auf das Gutachten der Amtssachverständigen für Deponietechnik und Gewässerschutz vom 22. Juni 2015 verwies die Strafbehörde darauf, dass im Gutachten der Sachverständigen die Abfalleigenschaft festgestellt worden sei. Zur Strafhöhe verwies die Verwaltungsbehörde darauf, dass keine einschlägigen Vormerkungen vorliegen würden und bei der Strafbemessung weder besondere Milderungs- noch Erschwerungsgründe berücksichtigt worden seien.
2. Zum Beschwerdevorbringen:
Der Beschuldigte erhob gegen dieses Straferkenntnis rechtzeitig Beschwerde und begründete diese wie folgt:
„Da die Kompetenz der Sachbearbeiterin nicht ausreicht Einwendungen zu berücksichtigen, wurde wie erwartet eine Strafe festgelegt.
Es geht nun in die nächste Instanz.
Ich beantrage daher, wie im Schreiben verlangt eine öffentliche mündliche Verhandlung und erhebe gegen den Bescheid Beschwerde.
Begründung: Auf dem Grundstück lagert kein Abfall.
Es handelt sich um altes Baumaterial, das für Bauzwecke verwendet werden kann.
Der Paragraf 45 der NÖ Bauordnung (Bautechnik) besagt: „das Bauwerk, seine Baustoffe und Teile müssen nach dem Abbruch wieder verwendet oder recycelt werden können.
Zuerst steht also: „wieder verwendet“!“
3. Zum durchgeführten Ermittlungsverfahren:
Am 12. Dezember 2017 führte das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in der in den von der Verwaltungsbehörde vorgelegten Akt mit der Zl. WTS2-V-16 2139 sowie in die Akten des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich mit den Zln. LVwG-S-77/001-2017 und LVwG-AV-684/001-2016 Einsicht genommen wurde. Weiters wurde Beweis erhoben durch die Einvernahme des Beschwerdeführers sowie der Amtssachverständigen für Deponietechnik und Gewässerschutz als Zeugin.
4. Feststellungen:
Auf dem Grundstück Nr. ***, KG ***, über das der Beschwerdeführer verfügungsberechtigt ist, befanden sich zumindest vom August 2011 bis zum 30. Mai 2016 auf nicht befestigtem Grund Bauschuttlagerungen in Form von Ziegelbruch, Dachziegelbruch, Betonbruch, Eisenschrott, Fenster- und Türrahmen sowie Dachrinnen. Diese sind im Zuge eines vom Beschwerdeführer vorgenommenen Rückbaues eines Gebäudes angefallen, welcher mit Bescheid der Stadtgemeinde *** vom 30. März 2007 bis 29. März 2014 genehmigt wurde. Für diese Lagerungen lag keine abfallrechtliche Genehmigung vor. Die Lagerungen fanden auf einer Freifläche im Garten statt, eine Dichtfläche oder Sickerwassersammlung war nicht vorhanden. Es wurde lediglich eine Folie unter den getrennt gelagerten Materialien aufgebracht.
Die Bauschuttlagerungen in Form von Dachziegelbruch, Betonbruch, Eisenschrott, Fenster- und Türrahmen sowie Dachrinnen sind mittlerweile entfernt worden. Der Ziegelbruch befindet sich aber noch immer auf dem Grundstück. Der Beschwerdeführer beabsichtigt, diese Materialien einer Wiederverwendung im Zuge eines Neubaus zuzuführen. Bei dem als Ziegelbruch bezeichneten Material handelt es sich um Mörtelsand mit geringem Ziegelanteil. Das ist im Wesentlichen der vom Ziegel entfernte Mörtel, der anschließend zerkleinert wurde, somit Sand, der in der Mitte des Gartens zwischengelagert wurde. Darin befinden sich auch Ziegelanteile. Eine Gefährdung von Boden und Gewässer kann auf Grund der lang andauernden Lagerung eluierbarer Fracht auf unbefestigtem Grund im angelasteten Zeitraum nicht ausgeschlossen werden. Nach derzeitigem Stand der Technik sind Baurestmassen auf gedichtetem Untergrund mit Sickerwassersammlung zwischenzulagern, da eine Gefährdung für Gewässer und Boden nicht auszuschließen ist.
Durch Vorlage einer chemischen Analyse des abgelagerten Mörtelsandes gemäß Recycling-Baustoffverordnung kann ausgeschlossen werden, dass durch diese Baurestmassenlagerung eine Gefährdung von Boden und Gewässer gegeben ist. Der Beschwerdeführer entsorgte den beim Abbruch des verfahrensgegenständlichen Gebäudes anfallenden Dachziegelbruch, Betonbruch, Eisenschrottanteile, Fenster- und Türrahmen sowie Dachrinnen in regelmäßigen Abständen und kann nicht festgestellt werden, dass diese Abfälle länger als ein Jahr auf der verfahrensgegen-ständlichen Liegenschaft jeweils lagerten.
5. Beweiswürdigung:
Sämtliche Feststellungen ergeben sich aus dem Akt der Verwaltungsbehörde, aus den schlüssigen Aussagen der im Beschwerdeverfahren bestellten Amtssachverständigen für Deponietechnik und Gewässerschutz, insbesondere zum Gutachten des *** Labors, aus den im behördlichen Akt enthaltenen Lichtbildern, sowie aus der Einvernahme des Beschwerdeführers in der öffentlichen mündlichen Verhandlung.
Die Feststellung, wonach Dachziegelbruch, Betonbruch, Eisenabfälle, Fenster und Türenteile sowie Dachrinnenteile vom Beschwerdeführer regelmäßig entsorgt wurden, konnte aufgrund seiner glaubwürdigen Aussage getroffen werden, sowie aus den Angaben der als Zeugin einvernommenen Amtssachverständigen für Deponietechnik und Gewässerschutz und entspricht dies auch den im Akt enthaltenen Lichtbildern, auf denen der geordnete Zustand der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft betreffend den Umgang der bei den Abbrucharbeiten anfallenden Materialien dokumentiert ist.
6. Rechtslage:
§ 79 Abs. 2 Z 3 AWG 2002 idF BGBl I 103/2013 lautet wie folgt:
Wer nicht gefährliche Abfälle entgegen § 15 Abs. 1, 3 oder 4 sammelt, befördert, lagert, behandelt oder beim sonstigen Umgang mit nicht gefährlichen Abfällen entgegen § 15 Abs. 1 die Ziele und Grundsätze nicht beachtet oder die Beeinträchtigungen der öffentlichen Interessen nicht vermeidet oder entgegen § 15 Abs. 2 vermischt oder vermengt, begeht - sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet oder nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist - eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 450 € bis 8 400 € zu bestrafen ist; wer jedoch gewerbsmäßig im Bereich der Abfallwirtschaft tätig ist, ist mit einer Mindeststrafe von 2 100 € bedroht.
§ 15 Abs. 3 AWG 2002 regelt Folgendes:
Abfälle dürfen außerhalb von
1.
hiefür genehmigten Anlagen oder
2.
für die Sammlung oder Behandlung vorgesehenen geeigneten Orten
nicht gesammelt, gelagert oder behandelt werden. Eine Ablagerung von Abfällen darf nur in hiefür genehmigten Deponien erfolgen.
Gemäß § 15 Abs. 4 AWG 2002 sind Abfälle gemäß 16 oder nach Maßgabe einer Verordnung gemäß § 14 Abs 1 oder § 23 zu verwerten.
§ 15 Abs. 4a AWG 2002 schreibt vor:
Eine Verwertung ist nur zulässig, wenn der betreffende Abfall unbedenklich für den beabsichtigten sinnvollen Zweck einsetzbar ist und keine Schutzgüter (im Sinne von § 1 Abs. 3) durch diesen Einsatz beeinträchtigt werden können, sowie durch diese Maßnahme nicht gegen Rechtsvorschriften verstoßen wird.
Der RV 1005 der Beilagen XXIV. GP zu BGBl. I Nr. 9/2011 ist zu § 15 Abs. 4a AWG 2002 Folgendes zu entnehmen:
Entsprechend der Judikatur des Verwaltungsgerichthofes kann ein Abfall nur durch eine zulässige Verwertung seine Abfalleigenschaft verlieren (vgl. VwGH 20.3.2003, 2002/07/0137; 11.9.2003, 2003/07/0038; 6.11.2003, 2002/07/0159). Diese Verwertung muss unbedenklich sein.
In Umsetzung der Judikatur des Europäischen Gerichtshofs und des Verwaltungsgerichtshofs wird in § 15 AWG 2002 eine Regelung ergänzt, mit der zwischen Scheinverwertung bzw. nicht zulässiger Verwertung und zulässiger Verwertung klar unterschieden wird.
Beispielhaft für die Prüfung der Zulässigkeit der Verwertung kann genannt werden:
Verfüllung:
Eine Verwertungsmaßnahme liegt dann vor, wenn
1) diese Verfüllung einem entsprechenden Zweck dient (zB Sicherung der Böschungen oder der Sohle einer Kiesgrube, Wiederherstellung der ursprünglichen Wasserverhältnisse, wie eine Aufschüttung auf das Niveau von 2 m über HGW) und das für diesen Zweck unbedingt erforderliche Ausmaß an Abfall nicht überschritten wird,
2) eine bestimmte Materialqualität eingehalten und auch nachgewiesen wird (vgl. dazu den diesbezüglichen Stand der Technik im Bundes-Abfallwirtschaftsplan) und
3) die Maßnahme im Einklang mit der Rechtsordnung erfolgt (gemäß der ständigen Judikatur des VwGH erfolgt eine Maßnahme dann im Einklang mit der Rechtsordnung, wenn alle zutreffenden Bestimmungen der Materiengesetze (AWG 2002, WRG 1959, Naturschutzgesetze der Länder,…) eingehalten werden und insbesondere die erforderlichen Genehmigungen und/oder Bewilligungen vorliegen sowie die erforderlichen Anzeigen erstattet wurden).
Wenn eine dieser Voraussetzungen (entsprechender Zweck, unbedingt erforderliches Ausmaß oder Materialqualität samt Nachweis, Einhaltung der Rechtsordnung) nicht erfüllt ist, liegt eine Beseitigungsmaßnahme (Ablagerung) vor. In diesem Fall ist entweder eine Deponiegenehmigung erforderlich (gemäß § 15 Abs. 3 AWG 2002 darf eine Ablagerung nur in dafür genehmigten Deponien erfolgen) oder der Abfall zu entfernen.
Die Anwendung des AWG 2002 setzt zunächst voraus, dass die verfahrensgegenständlichen Materialien den Abfallbegriff des AWG 2002 erfüllen.
Gemäß § 2 Abs. 1 AWG 2002 sind Abfälle bewegliche Sachen, deren sich der Besitzer entledigen will oder entledigt hat (subjektiver Abfallbegriff), oder deren Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung als Abfall erforderlich ist, um die öffentlichen Interessen im Sinne des § 1 Abs. 3 leg. cit. nicht zu beeinträchtigen (objektiver Abfallbegriff). Abfall liegt bereits dann vor, wenn entweder der objektive oder der subjektive Abfallbegriff erfüllt ist (VwGH 23.02.2012, 2008/07/0179).
Hinsichtlich der Lagerungen in Form von Dachziegelbruch, Betonbruch, Eisenschrott, Fenster- und Türrahmen sowie Dachrinnen bestand – wie sich aus der mittlerweile erfolgten Entfernung ergibt – Entledigungsabsicht. Dies wurde vom Beschwerdeführer auch nicht bestritten. Der subjektive Abfallbegriff war daher hinsichtlich dieser Materialien erfüllt. Ist der subjektive Abfallbegriff erfüllt, bedarf es keinerlei Auseinandersetzung mit dem objektiven Abfallbegriff mehr (VwGH 11.11.1997, 96/07/0223).
Weder bestand noch besteht hinsichtlich des als Ziegelbruch bezeichneten Materials (Mörtelsand mit Fraktionen an Ziegeln) Entledigungsabsicht des Beschwerdeführers. Im Gegenteil: Er beabsichtigt, diese Materialien weiter zu verwenden. Der subjektive Abfallbegriff ist daher nicht erfüllt. Es ist aber, was den Ziegelbruch betrifft, der objektive Abfallbegriff erfüllt, da bei diesem Material mangels Vorlage entsprechender Prüfberichte die Möglichkeit der Gefährdung von Schutzinteressen des § 1 Abs. 3 AWG 2002 im Tatzeitraum bestand. Zu betonen ist dabei, dass für die Verwirklichung des objektiven Abfallbegriffes keine konkrete Kontamination, sondern bereits die bloße Möglichkeit einer Gefährdung von Schutzgütern im Sinne des § 1 Abs. 3 AWG 2002 ausreicht (VwGH 22.12.2005, 2005/07/0088).
Dass diese Möglichkeit vorliegt, hat die Amtssachverständige unter Hinweis auf den Stand der Technik dargelegt. Aus dem Umstand, dass der Gesetzgeber im § 37 Abs. 1 AWG 2002 die Errichtung und den Betrieb einer Baurestmassendeponie einer Bewilligungspflicht unterwirft und auf Grund der Tatsache, dass die Deponieverordnung 2008 für solche Deponien eingehende Bestimmungen darüber enthält, wie diese ausgestattet sein müssen, damit nachteilige Einflüsse auf die vom Abfallwirtschaftsgesetz 2002 erfassten Schutzgüter unterbleiben, ergibt sich, dass auch der Gesetz- ebenso wie der Verordnungsgeber davon ausgehen, dass mit dem ohne Einhaltung des Standes der Technik erfolgten (Ab-)Lagern von Baurestmassen Gefahren für umweltrelevante Güter verbunden sind. Die verfahrensgegen-ständlichen Abfälle sind daher unter den objektiven Abfallbegriff des § 2 Abs. 1 Z 2 AWG 2002 zu subsumieren (VwGH 20. 03.2003, 2002/07/0134). Die bloße Abdeckung des Untergrundes mit einer Folie vermag daran nichts zu ändern.
Nach dem Wortlaut des Gesetzes reicht es zur Beendigung der Abfalleigenschaft noch nicht, dass die Altstoffe die in § 5 Abs. 1 AWG 2002 bezeichnete (produktähnliche) Qualität aufweisen. Entscheidend ist vielmehr die Tatsache, dass die Altstoffe bzw. die aus ihnen gewonnenen Stoffe tatsächlich in dieser Beschaffenheit "verwendet" werden. Die Aufbereitung von Baurestmassen zu Recyclingbaustoffen bestimmter Qualitäten führt somit nicht das Abfallende dieser Baurestmassen herbei. Dies bewirkt erst deren unmittelbarer Einsatz als Baustoff. Lediglich der Einbau bzw. die Verbauung bewirkt eine Verwendung "unmittelbar als Substitution". Dieses Auslegungsergebnis erweist sich auch aus folgender Überlegung als sachgerecht: Baurestmassen können nämlich nach ihrer Aufbereitung nicht generell für den Wiedereinbau, also nicht für jeden Zweck, den das ursprüngliche Material gedient hatte, eingesetzt werden. Der Einsatzmöglichkeit hängt nämlich von der konkreten herkunfts- und kontaminationsbedingten Qualität (A+, A oder B) des jeweiligen Materials ab (VwGH 26.05.2011, 2009/07/0208).
Ein Abfallende kann bei Baurestmassen bei Vorliegen der Voraussetzungen des
§ 15 Abs. 4a AWG 2002 erst mit der tatsächlichen Verwendung erreicht werden.
Der Aussage der Amtssachverständigen für Deponietechnik und Gewässerschutz in der öffentlichen mündlichen Verhandlung kann entnommen werden, dass das gelagerte Baurestmassenmaterial die für Verwertungszwecke geforderte Materialqualität aufweist und eine Gefährdung von Boden und Gewässer dadurch ausgeschlossen werden kann. Auch wenn von diesem Material keine Beeinträchtigung der öffentlichen Interessen mehr zu erwarten ist, so ist mangels Verwendung im Tatzeitraum eine Verwertungsmaßnahme lediglich angestrebt. Deshalb war im Zeitpunkt der Erlassung des Straferkenntnisses eine Behandlung dieses gelagerten Baurestmassenmaterials als Abfall geboten, und somit der objektive Abfallbegriff erfüllt.
Wie festgestellt stammten die anderen, im Tatzeitraum angelasteten Materialien vom Rückbau des Gebäudes auf der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft, somit vom Gelände der Entstehung der Abfälle, also vom Anfallsort (vgl. R13 des Anhanges 2 zum Abfallwirtschaftsgesetz 2002).
Nach der Rsp unterwirft das Abfallwirtschaftsgesetz 2002 zwar jede Lagerung von Abfällen den Vorschriften des § 15 Abs. 3 AWG 2002, somit auch kurze Zeiträume (Scheichl/Zauner/Berl, Abfallwirtschaftsgesetz 2002, § 15 Rz 19 mwN). Die Lagerung von Abfällen am Anfallsort ist aber vorrangig nach den Behandlungspflichten der
§§ 15 Abs. 5, Abs. 5a und Abs. 5b AWG 2002 zu beurteilen.
Der Beschwerdeführer hatte als Abfallbesitzer des nicht mehr verwendbaren Dachziegelbruches, Betonbruches, Eisenschrottes, sowie der Fenster- und Türrahmen sowie Dachrinnen gemäß § 15 Abs. 5 AWG 2002 die Sammlung und Behandlung durch Berechtigte so rechtzeitig zu veranlassen, dass Beeinträchtigungen der öffentlichen Interessen vermieden werden. Nach dieser Gesetzeslage hatte der Beschuldigte bei angenommener Beseitigungsverpflichtung die beim Abbruch des Gebäudes anfallenden Materialien innerhalb eines Jahres einen Berechtigten zu übergeben, weil im Verfahren keine Anhaltspunkte hervorgekommen sind, welche eine frühere Entfernung dieser Materialien im öffentlichen Interesse gefordert hätten. Da nicht in der für ein Verwaltungsstrafverfahren erforderlichen Sicherheit festgestellt werden kann, dass der Beschwerdeführer Dachziegelbruch, Betonbruch, Eisenschrott, alte Fenster- und Türrahmen sowie Dachrinnen länger als ein Jahr auf der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft gelagert hat, ist in dubio pro reo davon auszugehen, dass diese Materialien weniger als ein Jahr gelagert wurden, sodass die Tatbeschreibung des angefochtenen Straferkenntnisses in diesem Punkt zu korrigieren ist.
§ 45 Abs. 1 VStG lautet:
Die Behörde hat von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn
1. die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Verwaltungsübertretung bildet;
2. der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat oder Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit aufheben oder ausschließen;
3. Umstände vorliegen, die die Verfolgung ausschließen;
4. die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat und das Verschulden des Beschuldigten gering sind;
5. die Strafverfolgung nicht möglich ist;
6. die Strafverfolgung einen Aufwand verursachen würde, der gemessen an der Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und der Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat unverhältnismäßig wäre.
Anstatt die Einstellung zu verfügen, kann die Behörde dem Beschuldigten im Fall der Z 4 unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid eine Ermahnung erteilen, wenn dies geboten erscheint, um ihn von der Begehung strafbarer Handlungen gleicher Art abzuhalten.
Zur subjektiven Tatseite ist auszuführen, dass es sich bei der dem Beschwerdeführer angelasteten Verwaltungsübertretung um ein Ungehorsamsdelikt im Sinne des § 5 Abs. 1 VStG handelt. Demzufolge genügt zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.
Nach § 45 Abs. 1 Z 4 und letzter Satz VStG iVm § 38 VwGVG kann allerdings von einer Bestrafung abgesehen und das Verfahren mit dem Ausspruch einer Ermahnung beendet werden.
Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer glaubhaft und nachvollziehbar dargelegt, dass er sämtliche Maßnahmen zur Hintanhaltung einer Gefährdung von Boden und Gewässer durch die verfahrensgegenständlichen Lagerungen gesetzt hat, insbesondere hat er die Lagerungen auf einer Folie vorgenommen. Dass der Beschwerdeführer in weiterer Folge eine Beprobung der verfahrensgegenständlichen Baurestmassen erst im Zuge eines Beschwerdeverfahrens durchführen hat lassen, kann im gegenständlichen Verfahren als geringes Verschulden des Rechtsmittelwerbers gewertet werden, insbesondere auch deshalb, weil eine Untersuchung des Materials ergeben hat, dass eine Gefährdung von Boden und Gewässer durch die verfahrensgegenständlichen Lagerungen ausgeschlossen werden kann. Es ist im gegenständlichen Fall auch zu keinem Schaden gekommen. Darüber hinausgehend ist der Beschwerdeführer bezüglich des gegenständlichen Strafverfahrens als unbescholten zu behandeln. Um den Beschwerdeführer jedoch zukünftig zu einem sorgfältigen Verhalten im Hinblick auf die Bestimmungen des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002 anzuhalten, war der Ausspruch einer Ermahnung erforderlich.
7. Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes einheitlich beantwortet wird.
Im vorliegenden Fall waren lediglich die Abfalleigenschaft der angeführten Materialien sowie die Zulässigkeit der Lagerung zu klären. Dies konnte aber im Lichte der referierten Rechtslage und Rechtsprechung geklärt werden.
Schlagworte
Umweltrecht; Verwaltungsstrafe; objektiver Abfallbegriff; Verwertung;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGNI:2018:LVwG.S.77.001.2017Zuletzt aktualisiert am
03.04.2018