Entscheidungsdatum
24.01.2018Norm
BAO §227Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch den Richter Hofrat Mag. Hubmayr über die Beschwerde des EN vom 2. Jänner 2018 gegen den Bescheid des Stadtrates der Stadtgemeinde *** vom 4. Dezember 2017, AZ.:8510-hö, Kto.1247/53, mit welchem eine Berufung gegen eine als „Mahnung“ bezeichnete Erledigung des Bürgermeisters vom 19. September 2017 als unzulässig zurückgewiesen wurde, zu Recht:
1. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
2. Eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist nicht zulässig.
Rechtsgrundlagen:
§ 279 Bundesabgabenordnung – BAO
§ 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 – VwGG
Entscheidungsgründe:
1. Zum verwaltungsbehördlichen Verfahren:
Mit einer als „Mahnung“ bezeichneten Erledigung des Bürgermeisters der Stadtgemeinde *** vom 19. September 2017, Kundennummer: 1247, Rechnungsnr. ***, wurde Herr EN (in der Folge: Beschwerdeführer) hinsichtlich eines offenen Abgabenbetrages für Kanalbenützungsgebühren, Wasserbezugsgebühren und Mahngebühren von insgesamt € 237,24 gemahnt.
Mit Schreiben vom 22. September 2017 brachte Herr EN gegen dieses Schreiben beim Gemeindevorstand der Stadtgemeinde *** eine Berufung ein.
Obwohl seit Mai 2017 der Abwasserabfluss durch Zubetonieren vom öffentlichen Kanalnetz abgetrennt worden sei, würden weiterhin widerrechtlich Kanalbenützungsgebühren verrechnet.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 4. Dezember 2017, AZ.:8510-hö, Kto.1247/53, wurde diese Berufung vom Stadtrat der Stadtgemeinde *** als unzulässig zurückgewiesen. Bei dem angefochtenen Schreiben handle es sich um ein Mahnschreiben. Das Schreiben habe keinen Bescheidcharakter, daher könne ein Rechtsmittel dagegen nicht ergriffen werden und sei die Berufung nicht zulässig.
Gegen diese Berufungserledigung vom 4. Dezember 2017 richtet sich die nunmehrige Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht. Die Begründung des Ablehnungsbescheides, dass das Mahnschreiben kein Bescheid sei, sei falsch, da auf der Rückseite das Schreiben eindeutig als Bescheid bezeichnet und das Rechtsmittel der Berufung angeführt sei.
Die Beschwerde vom 2. Jänner 2018 und der bezughabende Verwaltungsakt wurden dem Landesverwaltungsgericht von der belangten Behörde am 12. Jänner 2018 zur Entscheidung vorgelegt.
2. Anzuwendende Rechtsvorschriften:
Bundesabgabenordnung (BAO):
§ 1. (1) Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes gelten in Angelegenheiten der öffentlichen Abgaben (mit Ausnahme der Verwaltungsabgaben des Bundes, der Länder und der Gemeinden) sowie der auf Grund unmittelbar wirksamer Rechtsvorschriften der Europäischen Union zu erhebenden öffentlichen Abgaben, in Angelegenheiten der Eingangs- und Ausgangsabgaben jedoch nur insoweit, als in den zollrechtlichen Vorschriften nicht anderes bestimmt ist, soweit diese Abgaben durch Abgabenbehörden des Bundes, der Länder oder der Gemeinden zu erheben sind.
§ 2a. Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes gelten sinngemäß in Verfahren vor den Verwaltungsgerichten, soweit sie im Verfahren vor der belangten Abgabenbehörde gelten. In solchen Verfahren ist das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) nicht anzuwenden. …
§ 92. (1) Erledigungen einer Abgabenbehörde sind als Bescheide zu erlassen, wenn sie für einzelne Personen
a) Rechte oder Pflichten begründen, abändern oder aufheben, oder
b) abgabenrechtlich bedeutsame Tatsachen feststellen, oder
c) über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses absprechen.
(2) Bescheide bedürfen der Schriftform, wenn nicht die Abgabenvorschriften die mündliche Form vorschreiben oder gestatten.
§ 93. (1) Für schriftliche Bescheide gelten außer den ihren Inhalt betreffenden besonderen Vorschriften die Bestimmungen der Abs. 2 bis 6, wenn nicht nach gesetzlicher Anordnung die öffentliche Bekanntmachung oder die Auflegung von Listen genügt.
(2) Jeder Bescheid ist ausdrücklich als solcher zu bezeichnen, er hat den Spruch zu enthalten und in diesem die Person (Personenvereinigung, Personengemeinschaft) zu nennen, an die er ergeht.
(3) Der Bescheid hat ferner zu enthalten
a) eine Begründung, wenn ihm ein Anbringen (§ 85 Abs. 1 oder 3) zugrunde liegt, dem nicht vollinhaltlich Rechnung getragen wird, oder wenn er von Amts wegen erlassen wird;
b) eine Belehrung, ob ein Rechtsmittel zulässig ist, innerhalb welcher Frist und bei welcher Behörde das Rechtsmittel einzubringen ist, ferner, daß das Rechtsmittel begründet werden muß und daß ihm eine aufschiebende Wirkung nicht zukommt (§ 254).
(4) Enthält der Bescheid keine Rechtsmittelbelehrung oder keine Angabe über die Rechtsmittelfrist oder erklärt er zu Unrecht ein Rechtsmittel für unzulässig, so wird die Rechtsmittelfrist nicht in Lauf gesetzt.
(5) Ist in dem Bescheid eine kürzere oder längere als die gesetzliche Frist angegeben, so gilt das innerhalb der gesetzlichen oder der angegebenen längeren Frist eingebrachte Rechtsmittel als rechtzeitig erhoben.
(6) Enthält der Bescheid keine oder eine unrichtige Angabe über die Abgabenbehörde, bei welcher das Rechtsmittel einzubringen ist, so ist das Rechtsmittel richtig eingebracht, wenn es bei der Abgabenbehörde, die den Bescheid ausgefertigt hat, oder bei der angegebenen Abgabenbehörde eingebracht wurde.
§ 227. (1) Vollstreckbar gewordene Abgabenschuldigkeiten sind einzumahnen.
…
(4) Eine Mahnung ist nicht erforderlich,
a) wenn dem Abgabepflichtigen spätestens eine Woche vor dem Eintritt der Fälligkeit oder, wenn eine Mahnung bis dahin nicht erfolgt sein sollte, spätestens eine Woche vor dem Ablauf einer gesetzlich zustehenden oder durch Bescheid zuerkannten Zahlungsfrist eine Verständigung (Buchungsmitteilung, Lastschriftanzeige) zugesendet wurde, die ihn über Art, Höhe und Zeitpunkt der Zahlungsverpflichtung unterrichtet oder der Abgabepflichtige auf elektronischem Wege (§ 98 Abs. 2) davon in Kenntnis gesetzt wurde, dass auf dem Abgabenkonto Buchungen erfolgt sind;
…
§ 243. Gegen Bescheide, die Abgabenbehörden erlassen, sind Beschwerden (Bescheidbeschwerden) an die Verwaltungsgerichte zulässig, soweit in Abgabenvorschriften nicht anderes bestimmt ist.
§ 260. (1) Die Bescheidbeschwerde ist mit Beschwerdevorentscheidung (§ 262) oder mit Beschluss (§ 278) zurückzuweisen, wenn sie
a) nicht zulässig ist oder
b) nicht fristgerecht eingebracht wurde.
…
§ 279. (1) Außer in den Fällen des § 278 hat das Verwaltungsgericht immer in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen.
…
§ 288. (1) Besteht ein zweistufiger Instanzenzug für Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinden, so gelten für das Berufungsverfahren die für Bescheidbeschwerden und für den Inhalt der Berufungsentscheidungen die für Beschwerdevorentscheidungen anzuwendenden Bestimmungen sinngemäß. Weiters sind die Beschwerden betreffenden Bestimmungen (insbesondere die §§ 76 Abs. 1 lit. d, 209a, 212 Abs. 4, 212a und 254) sowie § 93 Abs. 3 lit. b und Abs. 4 bis 6 sinngemäß anzuwenden.
…
3. Würdigung:
3.1. Zu Spruchpunkt 1:
Bei dem Schreiben vom 19. September 2017 handelte es sich um eine Mahnung für offene Hausbesitzabgaben. Durch dieses Schreiben wurden keine Kanalbenützungsgebühren oder sonstige Abgaben festgesetzt.
Gemäß § 227 Abs. 1 und 2 erster Satz BAO sind vollstreckbar gewordene Abgabenschuldigkeiten einzumahnen. Die Mahnung wird durch Zustellung eines Mahnschreibens (Mahnerlagscheines) vollzogen, in dem der Abgabepflichtige unter Hinweis auf die eingetretene Vollstreckbarkeit aufgefordert wird, die Abgabenschuld binnen zwei Wochen, von der Zustellung an gerechnet, zu bezahlen (Mahnklausel).
Die gegenständliche Erledigung weist einen offenen Zahlungsbetrag (€ 237,24) aus und enthält rückseitig eine Mahnklausel („Hinsichtlich der umseitig angeführten Abgaben, die noch nicht entrichtet wurden, ist die Vollstreckbarkeit bereits eingetreten. Sie werden daher aufgefordert, binnen zwei Wochen ab Zustellung zwecks Vermeidung einer Exekution den ausgewiesenen Rückstand einzuzahlen.“)
Hinsichtlich der Mahnung des offenen Abgabenbetrages stellt sich die gegenständliche Erledigung somit eben nicht als Bescheid, sondern als Mahnschreiben gemäß § 227 BAO dar.
Gemäß § 227a Z.1 erster Satz BAO ist im Falle einer Mahnung nach § 227 eine Mahngebühr von einem halben Prozent des eingemahnten Abgabenbetrages, mindestens jedoch drei Euro und höchstens 30 Euro, zu entrichten. Die Festsetzung einer Mahngebühr hätte mit Abgabenbescheid zu erfolgen (§ 92 iVm §§ 3 und 3a BAO). Die Erledigung vom 19. September 2017 ist jedoch kein Bescheid.
Dies ergibt sich schon daraus, dass das Gesetz (und zwar auch nicht § 227a Z.1 zweiter Satz BAO) die Behörde zur Teilung einer einheitlichen Erledigung in einen als Bescheid geltenden Teil (Mahngebühr) und einen nicht bescheidmäßigen Teil (Mahnung) mit unterschiedlichen Rechtsfolgen und Rechtsmitteln nicht ermächtigt. Da eine Mahnung keinen Bescheid darstellen kann, fehlt es der gesamten Erledigung am Bescheidcharakter, dies ungeachtet der missverständlichen Anführung der Bezeichnung „Abgabenbescheid“ auf der Rückseite des Schreibens.
Eine Zahlungsverpflichtung zur Abgabenentrichtung wurde durch dieses Schreiben nicht begründet. Eine solche Zahlungsverpflichtung kann nur mit einem gesonderten Abgabenbescheid begründet werden. Das Schreiben vom 19. September 2017 enthält keine Vorschrift, durch welche eine Verpflichtung zur Entrichtung einer Abgabe begründet werden könnte.
Gemäß § 93 Abs. 2 BAO hat ein Bescheid einen Spruch zu enthalten.
Entsprechend der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes fehlt einem Verwaltungsakt, der keinen bestimmten Spruch enthält, die Rechtsqualität als Bescheid.
Durch die Erledigung des Bürgermeisters vom 19. September 2017 wurde keine bestimmte Abgabe festgesetzt. Soweit die Rückseite des Schreibens verschiedene Formeln für Lastschriftanzeigen, Mahnungen oder Abgabenbescheide enthält, ist anzumerken, dass diese Angaben keinesfalls konstitutiv wirken, sondern jedenfalls der normative Gehalt der Erledigung insgesamt maßgeblich für die Beurteilung der Bescheidqualität ist. Allerdings erscheint die – zwar bedeutungslose – Anführung diverser Formeln für Abgabenbescheid und Rechtsmittelbelehrung auf der Rückseite des Mahnschreibens für einen nicht rechtskundigen Adressaten zumindest missverständlich und fordert aus Gründen der Prozessvorsicht geradezu heraus, dagegen Rechtsmittel zu erheben. Ungeachtet dessen handelt es sich bei der gegenständlichen Erledigung des Bürgermeisters vom 19. September 2017 dennoch nicht um einen Bescheid. Dieses Schreiben des Bürgermeisters stellt sich dem Inhalt nach als Mahnschreiben dar, wodurch eine Zahlungspflicht jedenfalls nicht begründet werden konnte.
Da durch diese Erledigung keine Verpflichtung zur Entrichtung der Abgabe begründet wurde, kommt ihr auch kein normativer Inhalt zu, sie enthält keinen Spruch. Eine Zahlungsverpflichtung zur Abgabenentrichtung (z.B. zur Entrichtung einer Kanalbenützungsgebühr oder einer Mahngebühr) wurde durch dieses Schreiben nicht begründet, sodass vom Vorliegen eines normativen Spruches nicht gesprochen werden kann. Es handelt sich daher schon aus diesem Grund nicht um einen Bescheid, sondern um eine Mahnung. Die Mahnung selbst ist kein Bescheid (arg.: die Worte Mahnschreiben und Mahnerlagschein in § 227 BAO; VwGH 9.6.1989, 89/17/0006; 24.1.2000, 96/17/0339; 15.5.2000, 95/17/0458).
Mit Berufung anfechtbar sind nur Bescheide, daher sind Berufungen gegen Schriftstücke ohne Bescheidcharakter als unzulässig zurückzuweisen (vgl. VwGH 15.2.2006, 2005/13/0179; 22.3.2006, 2006/13/0001; 28.11.2007, 2004/15/0131,0132; 11.11.2010, 2010/17/0066).
Eine Berufung ist gemäß § 243 iVm § 288 BAO nur gegen Bescheide zulässig.
Die Berufung vom 19. September 2017 richtet sich daher nicht gegen einen Bescheid und ist somit – mangels eines tauglichen Anfechtungsgegenstandes – auch nicht zulässig. Die Zurückweisung dieser Berufung durch den Stadtrat mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid erweist sich als rechtmäßig. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
3.2.
Diese Entscheidung konnte gemäß § 274 Abs.1 BAO unter Entfall der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung getroffen werden. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung wurde vom Beschwerdeführer nicht beantragt. Auch aus dem vorgelegten Verwaltungsakt ist ersichtlich, dass eine mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt.
3.3. Zu Spruchpunkt 2 – Zulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß
Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist die Revision gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im Hinblick auf die obigen Ausführungen (siehe 3.1.) liegen jedoch keine Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfragen vor.
Schlagworte
Finanzrecht; Abgabenschuld; Mahnschreiben; Zahlungsverpflichtung;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGNI:2018:LVwG.AV.56.001.2018Zuletzt aktualisiert am
03.04.2018