TE Bvwg Erkenntnis 2018/3/13 W185 2176652-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 13.03.2018
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Entscheidungsdatum

13.03.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z1
AsylG 2005 §4a
AsylG 2005 §57
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §61

Spruch

W185 2176657-1/7E

W185 2176648-1/7E

W185 2176652-1/7E

W185 2176655-1/7E

W185 2176651-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. PRÜNSTER als Einzelrichter über die Beschwerden von 1.) XXXX , geb. XXXX alias

XXXX , 2.) XXXX , geb. XXXX alias XXXX , 3.) XXXX alias XXXX , geb. XXXX alias XXXX , gesetzlich vertreten durch die Kindesmutter XXXX ,

4.) XXXX , geb. XXXX alias XXXX , gesetzlich vertreten durch die Kindesmutter XXXX und 5.) XXXX , geb. XXXX , gesetzlich vertreten durch die Kindesmutter XXXX , alle StA. Syrien, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.10.2017, Zlen. 1.) 1157690802-170754444, 2.) 1157690900-170754401, 3.) 1157917003-170754465, 4.) 1157917101-170754479 und 5.) 1157917210-170754509 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerden werden gemäß § 4a, § 10 Abs. 1 Z 1, § 57 AsylG 2005, § 9 BFA-VG und § 61 FPG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sind Ehegatten, die minderjährigen Dritt- bis Fünftbeschwerdeführer sind deren gemeinsamen ehelichen Kinder. Am 27.06.2017 stellten die Beschwerdeführer die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz in Österreich.

Im Zuge der polizeilichen Erstbefragung vom 28.06.2017 gab der Erstbeschwerdeführer zusammengefasst an, mit seiner Gattin und seinen 3 minderjährigen Söhnen über den Libanon, Serbien und Ungarn nach Österreich gekommen zu sein, wobei sie zunächst nach Deutschland weitergereist und anschließend wieder nach Österreich zurückgekommen seien. Ein bestimmtes Zielland hätten die Beschwerdeführer nicht gehabt. In Ungarn und in Deutschland hätten die Beschwerdeführer Behördenkontakt und eine erkennungsdienstliche Behandlung gehabt. In Deutschland hätten sich die Beschwerdeführer nur wenige Stunden aufgehalten. Zum Aufenthalt in Ungarn gab der Erstbeschwerdeführer an, dort zur Abgabe seiner Fingerabdrücke gezwungen worden zu sein und sich dort 23 oder 24 Tage lang aufgehalten zu haben. Die Lage in Ungarn sei sehr, sehr schlecht gewesen. Gleich am ersten Tag hätten die Beschwerdeführer eine Lebensmittelvergiftung bekommen, wobei sie in Handfesseln zum Arzt gebracht und dort "wie Tiere behandelt" worden seien. Im Lager hätten ihnen Beamte gesagt, dass sie "weggehen" sollen; zugleich hätte man ihnen gesagt, in welche Länder die Beschwerdeführer weiterreisen sollten. Gesundheitliche Beschwerden machte der Erstbeschwerdeführer nicht geltend. Die Beschwerdeführer würden nicht nach Ungarn zurückkehren wollen; da würde sich der Erstbeschwerdeführer "lieber umbringen" oder nach Syrien zurückkehren.

Die Zweitbeschwerdeführerin erstattete im Zuge ihrer Erstbefragung am 28.06.2017 im Wesentlichen gleichlautende Angaben zum Reiseweg wie der Erstbeschwerdeführer. Ebenso führte sie an, dass die Beschwerdeführer in Ungarn zur Abgabe der Fingerabdrücke gezwungen worden seien, eine Lebensmittelvergiftung bekommen hätten und auf dem Weg zum Arzt sogar der mj Beschwerdeführer Handfesseln hätte tragen müssen. Die Zweitbeschwerdeführerin sei zusammen mit anderen für eine Woche "in einen Container gesperrt" worden; dies sei damit begründet worden, dass sie "ansteckend" seien. Polizeibeamte hätten der Zweitbeschwerdeführerin auch ihre Herztabletten weggenommen. Nach Ungarn zurückkehren wolle sie auf keinen Fall; es sei dort schlimmer als im Krieg.

Aufgrund der Angaben des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin sowie der vorliegenden EURODAC-Treffermeldungen der Kategorie 1 mit Ungarn vom Juni 2017

(HU1............... 02.06.2017) richtete das Bundesamt für

Fremdenwesen und Asyl am 06.07.2017 Wiederaufnahmegesuche gem. Art. 18 Abs. 1 lit. b der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (in der Folge Dublin III-VO) an Ungarn.

Mit Schreiben vom 10.07.2017, den österreichischen Behörden übermittelt am 18.07.2017 teilte Ungarn mit, dass dem Erstbeschwerdeführer am 21.06.2017 und den übrigen Beschwerdeführern am 28.06.2017 subsidiärer Schutz in Ungarn gewährt worden sei.

Am 08.08.2017 wurden der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin - nach Durchführung einer Rechtsberatung und in Anwesenheit einer Rechtsberaterin - einer Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl unterzogen.

Der Erstbeschwerdeführer gab hierbei im Wesentlichen an, sich psychisch und physisch in der Lage zu fühlen, die Befragung zu absolvieren. Er sei gesund. In Deutschland würden sich Cousins des Erstbeschwerdeführers aufhalten. Finanzielle Abhängigkeiten oder eine besonders enge Beziehung zu den genannten Verwandten machte der Erstbeschwerdeführer nicht geltend. Er befinde sich mit seiner Gattin und den mj Kindern in Österreich in der Grundversorgung. Nach Mitteilung des Bestehens subsidiären Schutzes in Ungarn und der somit beabsichtigten Außerlandesbringung der Beschwerdeführer nach Ungarn gab der Erstbeschwerdeführer an, dass die Beschwerdeführer dort zur Abgabe ihrer Fingerabdrücke gezwungen worden seien; der Erstbeschwerdeführer habe auch unter Zwang einen Asylantrag stellen müssen. Beim Grenzübertritt seien sie eingesperrt worden. Zudem seien der Erstbeschwerdeführer und seine Familie sowie 50 weitere Personen bei der Einreise in Ungarn schwer krank geworden; sie hätten eine Lebensmittelvergiftung bekommen. Es habe jedoch keine medizinische Behandlung gegeben. Sie seien in ein geschlossenes Lager gebracht worden und hätten ständig Handschellen tragen müssen. Da seine Kinder dies gesehen hätten und die Wachen im Lager immer geschrien hätten, seien die Beschwerdeführer ständig ängstlich gewesen. Die Kinder hätten in Ungarn mehr Angst gehabt als in Syrien. Nach 27 Tagen hätten die Beschwerdeführer das Lager verlassen müssen, wobei man ihnen gesagt habe, dass sie keine Unterstützung mehr bekommen würden und selbst zurecht kommen müssten. In Ungarn würden Menschenrechte nicht eingehalten werden und man haben dort einen "großen Hass" auf Flüchtlinge. Der Erstbeschwerdeführer legte Fotos und Videos von Unterbringung in Ungarn vor. Nach Vorhalt der Länderfeststellungen in Hinblick auf Schutzberechtigte in Ungarn, erklärte der Erstbeschwerdeführer, dass ihm in Ungarn mitgeteilt worden sei, dass er dort nur 1 Monat eine Unterstützung erhalten werde und danach keine Unterstützung mehr zu erwarten habe. Sie hätten ihm sogar gesagt, dass er nach Deutschland gehen solle. In Ungarn würden die Beschwerdeführer keinen Schutz, keine Unterkunft und keine Unterstützung bekommen; sie hätten dort keine Rechte. Syrer würden nach einem Monat "rausgeworfen" (vgl. Aktenseite 144 des Verwaltungsaktes des Erstbeschwerdeführers; infolge kurz: AS). Die Rechtsberaterin beantragte die Verfahrenszulassung, da die Beschwerdeführer dort nach ihren eigenen Schilderungen und auch nach den Länderfeststellungen in eine ausweglose, menschenunwürdige Situation geraten würden.

Die Zweitbeschwerdeführerin gab im Zuge der Einvernahme vor dem Bundesamt zusammengefasst an, seit 22 Jahren an einem "Herzproblem" zu leiden und regelmäßig Medikamente (Soltalol Tabletten) einnehmen zu müssen. Wenn ihr Blutdruck zu tief falle, bekomme sie einen Herzstillstand. Im Notfall erhalte sie eine Spritze und werde "wiederbelebt". Sie sei hier bereits bei der Lagerärztin gewesen, die ihr Medikamente verschrieben habe. Einen Termin beim Kardiologen müsse sie erst noch vereinbaren. Die minderjährigen Beschwerdeführer seien alle gesund. Zum Aufenthalt in Ungarn erklärte die Zweitbeschwerdeführerin, dort gleich nach ihrer Ankunft verhaftet und in ein Lager gebracht worden zu sein. Viele Flüchtlingen, auch ihr jüngster Sohn, hätten eine Lebensmittelvergiftung erlitten und seien von den anderen Flüchtlingen "abseits eingesperrt" worden. Die Zweitbeschwerdeführerin habe bei ihrem Sohn bleiben dürfen, jedoch seien sie 7 Tage lang nicht medizinisch behandelt worden. Die ersten zwei Tage hätten sie auch nichts zu essen, sondern nur zu trinken erhalten. Sie hätten auch keine Medikamente bekommen. Die Zweitbeschwerdeführerin hätte die ersten vier Tage in Ungarn keinen Zugang zu ihren Medikamneten gehabt; diese seien ihr von Polizeibeamten "abgenommen" worden. Die Lagerärztin habe dies jedoch ignoriert. Die Kinder seien aufgrund der mangelhaften Versorgung im Lager "abgemagert und kränklich" gewesen. Am Ende der Einvernahme gab die Zweitbeschwerdeführerin noch an, dass es in Ungarn keine Rechte für Flüchtlinge gebe und dass die Beschwerdeführer nach dem Verweis aus dem Lager keine Unterkunft und keine Unterstützung mehr erhalten hätten. Die Kinder würden dort "keine Versicherung bekommen" und könnten dort auch nicht zur Schule gehen. In Ungarn gebe es keine Rechte für Flüchtlinge.

Mit den nunmehr angefochtenen Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.10.2017 wurden unter Spruchpunkt I. die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz gemäß § 4a AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass sich die Beschwerdeführer nach Ungarn zurückzubegeben hätten. In Spruchpunkt II. wurde den Beschwerdeführern ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt sowie gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 in Verbindung mit § 9 BFA-VG die Außerlandesbringung nach § 61 Abs. 1 Z 1 FPG angeordnet und festgestellt, dass demzufolge die Abschiebung nach Ungarn gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei.

Die Feststellungen zur Lage in Ungarn wurden - soweit entscheidungswesentlich - folgendermaßen zusammengefasst:

Schutzberechtigte

Im März 2016 wurde ein Paket von Änderungen zum ungarischen Asylgesetz präsentiert, dessen Ziel es war, Verschärfungen bei der Versorgung von AW und Schutzberechtigten durchzusetzen. Zentraler Punkt ist dabei der Aspekt, dass Schutzberechtigte zwar ein Recht auf dieselben sozialen Leistungen haben sollen, wie ungarische Staatsbürger, jedoch darüber hinaus nicht bessergestellt werden sollen. Demgemäß sollen weder Asylwerber noch Inhaber eines Schutzstatus ein Recht auf jedwede Art von Barzuschüssen haben. Die Änderungen traten am 1.4.2016 in Kraft und sind ab 1.6.2016 umzusetzen. Relevante Punkte der sogenannten "Integration Care" sind die Abschaffung des Integrationsvertrages (d.h. keine Mehrzahlungen für Integration, Spracherwerb etc.) und Einführung automatischer Kontrolle des Schutzstatus (subsidiärer wie auch internationaler Schutz (Fortbestehen der Asylgründe und Überprüfung von Integrationsfortschritten) alle 3 Jahre. Bedürftige Schutzberechtigte dürfen 30 Tage nach Statuszuerkennung im Aufnahmezentrum bleiben (bisher 60 Tage). Nicht sozialversicherte Schutzberechtigte sollen hinkünftig für 6 Monate das Recht auf medizinische Versorgung haben (bisher 12 Monate). Wohnkostenzuschuss und Ausbildungszuschuss für Schutzberechtigte werden gestrichen, ebenso Streichung der finanziellen Unterstützung für Geduldete. Die ungarische Regierung sieht dies lediglich als Anpassung an Regelungen, wie sie in Westeuropa bereits gelten. In Ungarn gibt es diverse NGOs, Sozialzentren etc., die kostenlos Leistungen anbieten (z.B. Sprachkurse), aber es besteht auf solche Unterstützung kein Rechtsanspruch (VB 11.3.2016; VB 4.4.2016; vgl. FRA 6.2016; HHC 15.6.2016).

Geduldete können in der Gemeinschaftsunterkunft Balassagyarmat untergebracht werden (AIDA 11.2015).

Quellen:

? AIDA - Asylum Information Database of the European Council on Refugees and Exiles, Forum Refugiés-Cosi, the Hungarian Helsinki Committee and the Irish Refugee Council (11.2015): National Country Report Hungary,

http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_hu_update.iv__0.pdf, Zugriff 30.6.2016

? FRA - European Union Agency for Fundamental Rights (6.2016):

Monthly data collection on the current migration situation in the EU. June 2016 monthly report,

http://fra.europa.eu/sites/default/files/fra_uploads/fra-june-2016-monthly-migration-gender-based-violence_en.pdf, Zugriff 30.6.2016

? HHC - Hungarian Helsinki Committee (15.6.2016): Hungary: Recent legal amendments further destroy access to protection, April-June 2016,

http://www.helsinki.hu/wp-content/uploads/HHC-Hungary-asylum-legal-amendments-Apr-June-2016.pdf, Zugriff 30.6.2016

? VB des BM.I in Ungarn (11.3.2016): Auskunft des BAH, per E-Mail

? VB des BM.I in Ungarn (4.4.2016): Auskunft des VB, per E-Mail

Die Identität der Beschwerdeführer stehe fest. Es liege ein Familienverfahren vor. Die Behörde führte begründend aus, dass die Beschwerdeführer in Ungarn subsidiär schutzberechtigt seien und demnach das Recht auf dieselben sozialen Leistungen wie die ungarischen Staatsbürger hätten. Es bestehe jedenfalls kein Grund, daran zu zweifeln, dass Ungarn seine sich aus der GFK und der Statusrichtlinie ergebenden Verpflichtungen nicht erfüllen würde. Es sei davon auszugehen, dass die Beschwerdeführer dort Schutz vor Verfolgung gefunden hätten. Die vom Erstbeschwerdeführer vorgelegten Bilder würden hauptsächlich Sanitäreinrichtungen und Müllcontainer zeigen und seien keinem bestimmten Land zuordenbar. Aus einigen Bildern gehe hervor, dass sich die Beschwerdeführer offensichtlich in einem geschlossenen Lager befunden hätten; eine Zuordnung zu Ungarn sei jedoch nicht eindeutig gegeben. Misshandlungen durch Behördenvertreter seien nicht ersichtlich. Die Vorbringen hinsichtlich unmenschlicher Bedingungen in der Unterbringung und Versorgung seien dadurch zu relativieren, dass die Beschwerdeführer in Ungarn zwischenzeitig subsidiären Schutz erhalten hätten. Die Beschwerdeführer würden zwar nicht besser gestellt sein als ungarische Staatsbürger, jedoch dieselben Rechte auf dieselben sozialen Leistungen haben wie die Ungarn selbst. Nicht sozialversicherte Schutzberechtigte hätten nur sechs Monate das Recht auf medizinische Versorgung. In Ungarn bestehe das Recht auf medizinische Notversorgung. Hinsichtlich der Zweitbeschwerdeführerin wurde ausgeführt, dass diese seit nunmehr 22 Jahren an einer Herzerkrankung leide, welche medikamentös (Sotalol) behandelt würde. Für die Zweitbeschwerdeführerin sei es in Ungarn als subsidiär Schutzberechtigte jedenfalls möglich, ihre medikamentöse Behandlung fortzusetzen. Im Rahmen des Überstellungsvollzugs würden sämtliche aktuellen medizinischen Unterlagen übermittelt und auf allfällige Versorgungsbedürfnisse hingewiesen, weshalb gewährleistet sei, dass die ungarischen Behörden alle medizinisch indizierten Vorkehrungen für sie treffen könnten, um eine Anschlussversorgung in Ungarn sicherzustellen. Darüber hinaus würde die Zweitbeschwerdeführerin vor der Überstellung von einem Amtsarzt untersucht werden. Durch die Außerlandesbringung der gesamten Familie aus Österreich nach Ungarn bleibe die Einheit der Familie gewahrt, weshalb die im gegenständlichen Verfahren getroffene Entscheidung keinen Eingriff in das durch Art. 8 EMRK gewährleistete Recht auf Achtung des Familienlebens darstelle. Im vorliegenden Fall seien auch keine Anhaltspunkte für eine besondere Integrationsverfestigung in Österreich ersichtlich. Da den Beschwerdeführern kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt werde und gem. § 10 Abs. 1 AsylG sowie gem. § 9 BFA-VG keine Verletzung von Art. 8 EMRK ersichtlich sei, sei diese Entscheidung mit einer Anordnung zur Außerlandesbringung zu verbinden.

Gegen die Bescheide wurden fristgerecht gleichlautende Beschwerden für sämtliche Beschwerdeführer erhoben und darin im Wesentlichen vorgebracht, dass die Beschwerdeführer ohne ihr Wissen in Ungarn Anträge auf internationalen Schutz gestellt und dort den Status von subsidiär Schutzberechtigten erhalten hätten. Noch vor Zuerkennung dieses Status hätten sie Ungarn verlassen, weil sie dort unter unmenschlichen Bedingungen untergebracht gewesen seien. Sie hätten sich nicht frei bewegen können und hätten aufgrund des verunreinigten Essens eine Lebensmittelvergiftung erlitten. Die Zweitbeschwerdeführerin leide an einer Herzkrankheit (konkret an einer paroxysmalen Sinustachykardie, die regelmäßig mit Synkopen einhergehe) und seien ihr die Medikamente, auf die sie angewiesen sei, von ungarischen Beamten für mehrere Tage ohne ersichtlichen Grund abgenommen worden, was zu verstärkten Symptomen (erhöhte Herzfrequenz, Angst, Stress, Leistungsabfall) geführt habe. Trotz der frühzeitigen Diagnose im Alter von 16 Jahren und vorgeschriebener Medikation, hätten die anfallsartigen Herzrhythmusstörungen bereits zwei Mal zur Sauerstoffunterversorgung geführt, die eine Reanimation der Zweitbeschwerdeführerin erforderlich gemacht hätte. Die Zweitbeschwerdeführerin befinde sich derzeit in Österreich in ärztlicher Behandlung. Darüber hinaus werde ihr gesundheitlicher Zustand mithilfe eines Langzeit-EKGs untersucht, um die entsprechenden Behandlungsmöglichkeiten zu ermitteln. Die Auswertung des Langzeit-EKGs erfolge am 17.11.2017; der Befund werde numgehend nachgereicht werden. Trotz der Schwere der Erkrankung der Zweitbeschwerdeführerin habe die belangte Behörde keine weiteren Ermittlungen hiezu getätigt bzw. auch keine fundierten Feststellungen hiezu getroffen. Die Dritt- bis Fünftbeschwerdeführer seien aufgrund der Flucht, des unfreiwilligen Aufenthalts in Ungarn und des zurückweisenden Bescheides im Asylverfahren, sehr belastet, weshalb für den Dritt- und Viertbeschwerdeführer bereits jeweils ein ärztlicher Termin vereinbart worden sei. Der belangten Behörde sei auch vorzuwerfen, dass sich diese nicht ausreichend mit der Situation von Schutzberechtigten in Ungarn auseinandergesetzt habe. Schutzberechtigte hätten in Ungarn gravierende Probleme in Bezug auf den Zugang zur Krankenversorgung; zudem sei für sie das Risiko, obdachlos zu werden, groß. Der bisher bestehende Intergrationsvertrag sowie der Wohnkosten- und der Ausbildungszuschuss seien abgeschafft worden. Es würden Feststellungen zur Versorgung von Schutzberechtigten, insbesondere in Hinblick auf das Bestehen, das Ausmaß und die Dauer von finanzieller Unterstützung sowie anderer Sozialleistungen, etwa in den Bereichen Unterkunft, Lebensmittelversorgung und Medikamentenversorgung von Schutzberechtigten, fehlen. Die Länderfeststellungen seien sohin als mangelhaft zu qualifizieren. Die in der Beschwerde angeführten Berichte würden die prekäre Lage von Schutzberechtigten in Ungarn aufzeigen. Insbesondere in Anbetracht der schweren Erkrankung der Zweitbeschwerdeführerin sowie der Tatsache, dass unter den Beschwerdeführern drei minderjährige Kinder seien, die eine besondere Vulnerabilität aufweisen würden, könne keineswegs davon ausgegangen werden, dass den Beschwerdeführern einen Abschiebung nach Ungarn zumutbar wäre. Hätte sich die belangte Behörde mit der konkreten Situation der Beschwerdeführer in Zusammenschau mit den öffentlich zugänglichen Länderberichten zur Unterbringung und Versorgungssituation von subsidiär Schutzberechtigten auseinandergesetzt, hätte eine anderslautende Entscheidung ergehen müssen. Bei Rücküberstellung drohe unmenschliche Behandlung und die Beschwerdeführer würden mit hoher Wahrscheinlichkeit in eine ausweglose Situation geraten. Ohne ordentliche Unterstützung wären sie nicht selbsterhaltungsfähig. Es sei nicht ersichtlich, ob die für die Zweitbeschwerdeführerin aufgrund ihrer ernsthaften Herzerkrankung erforderliche engmaschige fachärztliche Betreuung und Behandlung in Ungarn bereitgestellt werden könne bzw ob diese zufolge mangelnder finanzieller Ressourcen effektiven Zugang zur notwendigen medizinischen Behandlung haben würde. Auch habe es die Behörde unterlassen, das Kindeswohl entsprechend zu berücksichtigen. Die minderjährigen Beschwerdeführer hätten sich in der Gemeinde wo sie wohnen, trotz der erst kurzen Aufenthaltsdauer, bereits sehr gut integriert.

Der Beschwerde wurden folgende medizinischen Unterlagen angeschlossen:

? ein Überweisungsschreiben die Zweitbeschwerdeführerin betreffend vom 20.09.2017 an die interne Ambulanz/Cardiologie;

? ein Untersuchungsprotokoll; Ruhe-EKG die Zweitbeschwerdeführerin betreffend vom 30.10.2017;

? einen ärztlicher Befundbericht die Zweitbeschwerdeführerin betreffend vom 30.10.2017 mit folgendem Behandlungsgrund:

"Rezidivierende Synkopen anamnest. rhythmogen seit 2001, in Syrien anamenstisch 2 malige elektr. Defibrillation. Nun vermehrtes Verspüren von Herzrhythmusstörungen, welche nicht anhalten und spontan terminieren" und folgender Diagnose: "tachykarde Herzrhythmusstörng mit Synkopen". Ihr wurde eine entsprechende Medikation sowie die Vorstellung an einer Herzambulanz mit einem Eventrecorderbefund empfohlen.

Die Beschwerdeführer sind seit dem 17.11.2017 nicht mehr aufrecht gemeldet.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführer, Staatsangehörige aus Syrien, brachten nach illegaler Einreise in Ungarn am 06.02.2017 Anträge auf internationalen Schutz ein. In der Folge wurde den Beschwerdeführern mit Entscheidung vom 21.06.2017 bzw vom 28.06.2017 der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt. Es sind keine Verfahren zu deren Anträgen in Ungarn mehr anhängig.

Die Beschwerdeführer reisten in der Folge illegal nach Österreich weiter, wo sie am 27.06.2017 die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz stellten. Es ist dem Erstbeschwerdeführer als arbeitsfähiger Person mit dem Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Ungarn - unter Anspannung seiner Kräfte - möglich und zumutbar, dort die Bedürfnisse der Beschwerdeführer durch eigene Erwerbstätigkeit zu decken.

Zur Lage im Mitgliedstaat Ungarn schließt sich das Bundesverwaltungsgericht den Feststellungen der angefochtenen Bescheide an.

Hinweise auf das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen für Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen kamen nicht hervor.

Der Erstbeschwerdeführer und die minderjährigen Dritt- bis Fünftbeschwerdeführer sind gesund (Befunde wurden bis dato jedenfalls nicht in Vorlage gebracht). Die Zweitbeschwerdeführerin leidet seit vielen Jahren an "tachykarder Herzrhythmusstörung mit Synkopen". Sie wurde in Österreich medizinisch untersucht (Langzeit-EKG). Es wurde die Einnahme von Medikamenten (Sotacor 80mg 1-0-0) verordnet und die Vorstellung an einer Herzambulanz empfohlen. Ein stationärer Aufenthalt war nicht erforderlich. In Ungarn ist ausreichende medizinische Versorgung gewährleistet; es sind dort alle Krankheiten behandelbar und alle gängigen Medikamente erhältlich. Die Beschwerdeführer leiden an keinen gesundheitlichen Beeinträchtigungen, die einer Überstellung nach Ungarn entgegenstehen würden.

Besondere private, familiäre oder berufliche Bindungen der Beschwerdeführer im österreichischen Bundesgebiet bestehen nicht.

Seit dem 17.11.2017 sind die Beschwerdeführer nicht mehr aufrecht gemeldet und somit unbekannten Aufenthaltes.

2. Beweiswürdigung:

Die festgestellten Tatsachen hinsichtlich der illegalen Einreise der Beschwerdeführer in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten, ihrer Asylantragstellung in Ungarn und des ihnen in Ungarn jeweils zukommenden Status von subsidiär Schutzberechtigten ergeben sich aus den Angaben des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin im Rahmen der Einvernahmen vor dem Bundesamt, aus den vorliegenden EURODAC-Treffermeldungen der Kategorie 1 mit Ungarn vom 02.06.2017 sowie insbesondere aus dem Schreiben der ungarischen Behörden vom 18.07.2017.

Die Gesamtsituation des Asylwesens im zuständigen Mitgliedstaat resultiert aus den umfangreichen und durch ausreichend aktuelle Quellen belegten Länderfeststellungen der angefochtenen Bescheide, welche auf alle entscheidungsrelevanten Fragen eingehen. In diesen Feststellungen ist auch ausgeführt, dass Schutzberechtigte ein Recht auf dieselben sozialen Leistungen haben, wie ungarische Staatsbürger, jedoch diesen gegenüber nicht bessergestellt würden. Wenngleich der kostenlose Zugang zu medizinischer Versorgung mit einem Zeitraum von 6 Monaten nach Zuerkennung des Schutzes limitiert is, stehen den Beschwerdeführern in weiterer Folge dieselben Möglichkeiten für eine Versicherung offen, wie für ungarische Staatsangehörige. Zudem wurde angeführt, dass in Ungarn NGOs, Sozialzentren, etc kostenlose Leistungen wie etwa Sprachkurse anbieten, auch wenn auf diese kein Rechtsanspruch besteht.

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand der Beschwerdeführer ergeben sich aus der Aktenlage (insbesondere aus den vorgelegten ärztlichen Schreiben). Diesbezüglich wurde kein Vorbringen erstattet, welches geeignet wäre, den Schutzbereich des Art. 3 EMRK zu tangieren.

Die Feststellungen des Nichtvorliegens besonderer privater, familiärer oder beruflicher Bindungen der Beschwerdeführer in Österreich basieren auf ihren eigenen Angaben bzw. der vorliegenden Aktenlage.

Die Feststellung des Untertauchens der Beschwerdeführer basiert auf dem Ergebnis einer veranlassten Abfrage aus dem Zentralen Melderegister (ZMR).

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerden:

Die maßgeblichen Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005) lauten:

"§ 4a (1) Ein Antrag auf internationalen Schutz ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn dem Fremden in einem anderen EWR-Staat oder der Schweiz der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde und er dort Schutz vor Verfolgung gefunden hat. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, in welchen Staat sich der Fremde zurück zu begeben hat. § 4 Abs. 5 gilt sinngemäß.

...

§ 10. (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn

1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

2. ...

und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird.

...

§ 57. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

...

§ 58 (1) Das Bundesamt hat die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 von Amts wegen zu prüfen, wenn

1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

..."

§ 9 Abs. 1 und 2 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) idgF lautet:

"§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist."

§ 61 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) idgF lautet:

"§ 61. (1) Das Bundesamt hat gegen einen Drittstaatsangehörigen eine Außerlandesbringung anzuordnen, wenn

1. dessen Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 zurückgewiesen wird oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG oder

....

(2) Eine Anordnung zur Außerlandesbringung hat zur Folge, dass eine Abschiebung des Drittstaatsangehörigen in den Zielstaat zulässig ist. Die Anordnung bleibt binnen 18 Monaten ab Ausreise des Drittstaatsangehörigen aufrecht.

(3) Wenn die Durchführung der Anordnung zur Außerlandesbringung aus Gründen, die in der Person des Drittstaatsangehörigen liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, ist die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben.

(4) Die Anordnung zur Außerlandesbringung tritt außer Kraft, wenn das Asylverfahren gemäß § 28 AsylG 2005 zugelassen wird.

(5) Eine Beschwerde gegen eine Anordnung zur Außerlandesbringung ist binnen einer Woche einzubringen."

Der Verwaltungsgerichtshof (Ra 2016/18/0049, 03.05.2016) hat festgehalten, dass nach dem klaren Wortlaut des § 4a AsylG 2005 für die Beurteilung der Frage, ob ein Antrag auf internationalen Schutz gemäß dieser Bestimmung zurückzuweisen ist, darauf abzustellen ist, ob dem Fremden in einem anderen EWR-Staat oder der Schweiz der Status des Asylberechtigten oder subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde und er dort Schutz vor Verfolgung gefunden hat. Dass der Fremde dort zudem über einen aufrechten Aufenthaltstitel verfügen muss, lässt sich dem § 4a AsylG 2005 nicht entnehmen. Weiters ergibt sich aus dem Wortlaut der soeben zitierten Bestimmung, dass bei der Prüfung der Zulässigkeit eines Antrags auf internationalen Schutz nach § 4a AsylG 2005 - im Gegensatz zu jener nach § 4 AsylG 2005 - keine Prognoseentscheidung zu treffen ist. Während nämlich gemäß § 4 AsylG 2005 eine Prognose dahingehend zu treffen ist, ob der Fremde in dem in Frage kommenden Drittstaat Schutz vor Verfolgung finden kann (Hinweis E vom 6. Oktober 2010, 2008/19/0483; vgl. auch ErlRV 952 BlgNR 22. GP 33), stellt § 4a AsylG 2005 unmissverständlich darauf ab, ob dem Fremden von einem anderen EWR-Staat oder der Schweiz der Status des Asyl- oder subsidiär Schutzberechtigten bereits zuerkannt wurde. Ob der Fremde bei Rückkehr in den nach Ansicht Österreichs zuständigen Staat eine Verlängerung seiner Aufenthaltsgenehmigung erlangen würde können oder ihm etwa die Aberkennung seines in der Vergangenheit zuerkannten Schutzstatus drohen könne, ist daher gemäß § 4a AsylG 2005 nicht zu prüfen.

Bei einer Zurückweisung nach § 4a AsylG 2005 handelt es sich um eine Entscheidung außerhalb des Anwendungsbereichs der Dublin III-VO (VwGH Ra 2016/19/0072, 30.06.2016 mit Hinweis auf Ra 2016/18/0049, 03.05.2016).

Zur Frage der Unzulässigkeit der gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz ist davon auszugehen, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu Recht eine Zurückweisung nach § 4a AsylG 2005 vorgenommen hat.

Die seit dem 01.01.2014 anwendbare Dublin III-VO geht, wie sich aus der Legaldefinition in ihrem Art. 2 lit. f ergibt, nunmehr von einem einheitlichen Status für Begünstigte internationalen Schutzes aus, welcher gleichermaßen Asylberechtigte und subsidiär Schutzberechtigte umfasst. Auf Personen, denen bereits in einem Mitgliedstaat Asyl oder subsidiärer Schutz gewährt wurde und deren Asylverfahren zu beiden Fragen rechtskräftig abgeschlossen ist, findet die Dublin III-VO im Fall eines neuerlichen Antrages auf internationalen Schutz in einem anderen Mitgliedstaat keine Anwendung. Aus dem festgestellten Sachverhalt - insbesondere aus dem Antwortschreiben der ungarischen Dublinbehörde vom 18.07.2017 - ergibt sich, dass die Beschwerdeführer in Ungarn bereits als Begünstigte internationalen Schutzes anerkannt wurden. Aus diesem Grund kommt zweifelsfrei § 4a AsylG zur Anwendung.

Die Beschwerdeführer befinden (befanden) sich nunmehr seit Ende Juni 2017 im Bundesgebiet und ihr Aufenthalt ist (war) nicht geduldet. Sie sind nicht Zeugen oder Opfer von strafbaren Handlungen und auch keine Opfer von Gewalt. Die Voraussetzungen für die amtswegige Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 liegen daher nicht vor, wobei dies weder im Verfahren noch in der Beschwerde auch nur behauptet wurde.

Im vorliegenden Verfahren ist es nicht zur Anwendung von § 8 Abs. 3a AsylG 2005 gekommen und ist auch keine Aberkennung gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 ergangen, wie aus dem Verfahrensgang ersichtlich ist.

Zu einer möglichen Verletzung von Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK wurde im vorliegenden Fall Folgendes erwogen:

Gemäß Art. 4 GRC und Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte zu Art. 3 EMRK haben die Vertragsstaaten der EMRK aufgrund eines allgemein anerkannten völkerrechtlichen Grundsatzes - vorbehaltlich ihrer vertraglichen Verpflichtungen einschließlich der EMRK - das Recht, die Einreise, den Aufenthalt und die Ausweisung von Fremden zu regeln. Jedoch kann die Ausweisung eines Fremden durch einen Vertragsstaat ein Problem nach Art. 3 EMRK aufwerfen und damit die Verantwortlichkeit dieses Staates nach der EMRK auslösen, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme vorliegen, dass die betreffende Person im Fall ihrer Abschiebung mit einer realen Gefahr rechnen muss, im Zielstaat einer dem Art. 3 widersprechenden Behandlung unterworfen zu werden. Unter diesen Umständen beinhaltet Art. 3 die Verpflichtung, die betreffende Person nicht in diesen Staat abzuschieben (z. B. EGMR, Große Kammer, 27.05.2008, 26565/05, N., Rn. 30; Große Kammer, 28.02.2008, 37201/06, Saadi, Rn. 124-125).

Es ist auch ständige Rechtsprechung des EGMR, dass die verbotene Behandlung ein Mindestmaß an Schwere erreichen muss, um in den Anwendungsbereich des Art. 3 EMRK zu fallen. Die Festsetzung dieses Mindestmaßes ist naturgemäß relativ; es hängt von allen Umständen des Einzelfalles ab, wie etwa der Dauer der verbotenen Behandlung, ihren physischen oder psychischen Auswirkungen und in manchen Fällen vom Geschlecht, Alter und Gesundheitszustand des Opfers, etc. Das Leid, das sich aus einer natürlich auftretenden Krankheit ergibt, kann von Art. 3 EMRK erfasst sein, wenn es durch eine Behandlung - seien es Haftbedingungen, eine Ausweisung oder sonstige Maßnahmen - verschlimmert wird, für welche die Behörden verantwortlich gemacht werden können (z. B. EGMR, Große Kammer, 27.05.2008, 26565/05, N., Rn. 29; Große Kammer, 28.02.2008, 37201/06, Saadi, Rn. 134).

Vorweg ist anzumerken, dass, entgegen den gegenteiligen Ausführungen in den Beschwerden, die Beschwerdeführer Ungarn verlassen haben, nachdem (zumindest der Erstbeschwerdeführer) in Ungarn bereits als subsidiär Schutzberechtiger anerkannt war (21.06.2017; vgl. Asylantrag in Österreich 27.06.2017).

Sofern der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin vorgebracht haben, in Ungarn gezwungen worden zu sein, ihre Fingerabdrücke abzugeben (bzw. einen Asylantrag zu stellen), wird damit keine menschenrechtswidrige Behandlung durch ungarische Behördenvertreter aufgezeigt; sämtliche Mitgliedstaaten der EU sind nämlich gehalten, illegal eingereiste Fremde einer erkennungsdienstlichen Behandlung zu unterziehen, um deren Identität festzustellen. Dem dahingehenden Einwand kommt somit keine Relevanz für das gegenständliche Verfahren zu.

Wenn die Beschwerdeführer berichtet haben, gleich nach ihrer Ankunft in Ungarn verhaftet und in ein geschlossenenes Lager gebracht worden zu sein, so ist hiezu Folgendes festzuhalten: Dies hat sich im Zusammenhang mit der illegalen Einreise der Beschwerdeführer nach Ungarn und der Weigerung der Abgabe der Fingerabdrücke zugetragen und ist nicht davon auszugehen, dass die Beschwerdeführer - als zwischenzeitig in Ungarn subsidiär Schutzberechtigte - im Falle einer Rückkehr dorthin (aufgrund der illegalen Weiterreise nach Österreich), Gefahr laufen würden, in Haft genommen zu werden. Derartige Befürchtungen finden auch in den Länderberichten keine Deckung. Eine Inhaftierung von Schutzberechtigten oder deren Anhaltung in einer geschlossenen Einrichtung sind nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten.

Wenn die Zweitbeschwerdeführerin monierte, im Lager zusammen mit dem mj Fünftbeschwerdeführer und anderen Asylwerbern für 1 Woche "abseits (der übrigen Asylwerber) in einem Container weggesperrt" worden zu sein, so ist dies wohl in Zusammenhang mit der erlittenen Lebensmittelvergiftung zu sehen und stellt sich nach Ansicht des erkennenden Gerichts offenabr als medizinische Vorsichtsmaßnahme (Quarantäne) und nicht als "Strafmaßnahme" dar. Bei Wahrunterstellung des Vorbringens, dass der Zweitbeschwerdeführerin von Polizeibeamten ihre notwendigen Medikamente für einige Tage weggenommen worden seien, ist diese Vorgangsweise, wenn dadurch offenbar keine nachhaltige Verschlechterung des Gesundheitszustandes resultierte, schärfstens zu verurteilen. Bei einer Rückkehr als nunmehr subsidiär Schutzberchtigte wird es mit der maßgeblichen Wahrscheinlichkeit nicht mehr zu so einem Vorfall kommen; ansonsten wäre es an der Zweitbeschwerdeführerin gelegen, einen solchen Vorfall in Ungarn zur Anzeige zu bringen.

Aus den angefochtenen Bescheiden ist nicht zu erkennen, dass die Beschwerdeführer im Falle ihrer Überstellung nach Ungarn Gefahr liefen, in ihren von Art. 3 EMRK geschützten Rechten verletzt zu werden. Die im Verfahren geäußerte Kritik an der Unterbringungs- und Versorgungslage ist letztlich nicht geeignet, eine Rückkehr nach Ungarn als unzulässig erscheinen zu lassen. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin haben zwar auf eine schlechte Behandlung und eine schlechte allgemeine sowie medizinische Versorgung in der ihnen während ihres laufenden Verfahrens auf internationalen Schutz zunächst zugewiesenen Flüchtlingsunterkunft hingewiesen, jedoch relativieren sich die geäußerten Kritikpunkte insofern, als die Beschwerdeführer als zwischenzeitig subsidiär Schutzberechtigte in Ungarn im Falle einer Rückkehr nicht neuerlich in einer (geschlossenen) Aufnahmeeinrichtung untergebracht würden.

Dass in Ungarn möglicherweise geringere Integrationsmöglichkeiten bestehen als in anderen europäischen Ländern, verletzt die Beschwerdeführer nicht in ihren Grundrechten. Dass die minderjährigen Beschwerdeführer in Ungarn nicht die Schule besuchen können würden, wurde lediglich unsubstantiiert in den Raum gestellt.

Insbesondere bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beschwerdeführer in Ungarn keinerlei Existenzgrundlage vorfänden. So ist darauf hinzuweisen, dass die Beschwerdeführer dort subsidiären Schutzstatus genießen und Schutzberechtigte bzw. Personen mit einem Aufenthaltsrecht nach einer Übergangsphase der Unterstützung grundsätzlich gehalten sind, ihre Existenz - so wie auch alle anderen Staatsbürger eines Landes - selbst zu erwirtschaften. Im Hinblick darauf, dass zumindest der Erstbeschwerdeführer arbeitsfähig und gesund ist, bestehen keine Bedenken dahingehend, dass es diesem möglich sein wird, eine - wenn auch bescheidene - Existenzgrundlage für sich und seine Familie in Ungarn zu schaffen. Es ist den Beschwerdeführern zumutbar, nach einer Rücküberstellungen nach Ungarn allfällige Schwierigkeiten (schwierige Situation auf dem Arbeitsmarkt, Zugang zu staatlichen Unterstützungsleistungen, Abschluss von Krankenversicherungen etc) aus eigenem zu überwinden bzw. erforderlichenfalls auch auf bestehende Hilfsangebote von NGOs zurückzugreifen. Die allgemein vorgebrachten Befürchtungen zur Situation in Ungarn relativieren sich vor dem Hintergrund dieser Erwägungen.

Der vom Verwaltungsgerichtshof im genannten Erkenntnis vom 08.09.2015, Ra 2015/18/0113, als notorische Lageänderung umschriebene massive Zustrom von Asylwerbern, insbesondere über Ungarn, findet gegenwärtig nicht mehr statt. Der pauschale Einwand in der Beschwerde, wonach die Beschwerdeführer in Ungarn Gefahr liefen obdachlos zu werden, ist letztlich nicht geeignet, um eine Rückkehr dorthin als unzulässig erscheinen zu lassen.

Nach den Länderberichten zu Ungarn kann nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass ein Drittstaatsangehöriger im Fall einer Überstellung nach Ungarn konkret Gefahr liefe, dort einer gegen das Folterverbot des Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung unterworfen zu werden.

Zu den Ausführungen in der Beschwerde, dass die Behörde bei ihrer Entscheidung das Kindeswohl nicht ausreichend beachtet bzw gewürdigt hätte, ist anzumerken, dass dem Kindeswohl am Besten gedient ist, wenn die mj Kinder nicht von ihren Eltern getrennt werden. Dies ist bei der gegenständlichen Entscheidung der Fall. Das Gericht geht, entgegen den pauschal in den Raum gestellten Befürchtungen der Beschwerdeführer davon aus, dass es sehr wohl auch in Ungarn möglich ist, sich ein Leben aufzubauen und den Kindern eine gute Zukunft zu emöglichen (Anm: wie dies auch bei ungarischen Staatsangehörigen unzweifelhaft der Fall ist).

Wie in den angefochtenen Bescheiden dargelegt wurde, gewährleistet Ungarn grundsätzlich ausreichend Schutz für Flüchtlinge bzw subsidiär Schutzberechtigte und ist somit nicht zu erkennen, dass die Beschwerdeführer im Falle ihrer Überstellung nach Ungarn Gefahr liefen, in ihren von Art. 3 EMRK geschützten Rechten verletzt zu werden.

Nach den Länderberichten zu Ungarn kann nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass ein Drittstaatsangehöriger im Fall einer Überstellung nach Ungarn konkret Gefahr liefe, dort einer gegen das Folterverbot des Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung unterworfen zu werden.

Jedenfalls haben die Beschwerdeführer die Möglichkeit, etwaige konkret drohende oder eingetretene Verletzungen in ihren Rechten, etwa durch eine unmenschliche Behandlung im Sinn des Art. 3 EMRK, bei den zuständigen Behörden in Ungarn und letztlich beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte geltend zu machen.

Medizinische Krankheitszustände; Behandlung in Ungarn:

Nach der ständigen Rechtsprechung des EGMR im Zusammenhang mit der Abschiebung von kranken Personen können von einer Ausweisung betroffene Ausländer grundsätzlich kein Bleiberecht in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates beanspruchen, um weiterhin in den Genuss von dessen medizinischer, sozialer oder sonstiger Unterstützung oder Dienstleistungen zu kommen. Die Tatsache, dass die Lebensverhältnisse einer Person einschließlich ihrer Lebenserwartung im Fall ihrer Abschiebung deutlich reduziert würden, reicht allein nicht aus, um zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK zu führen. Die Entscheidung, einen an einer schweren psychischen oder physischen Krankheit leidenden Ausländer in ein Land rückzuführen, in dem die Einrichtungen für die Behandlung dieser Krankheit schlechter als im Vertragsstaat sind, kann ein Problem nach Art. 3 EMRK aufwerfen, aber nur in einem ganz außergewöhnlichen Fall, in dem die gegen die Rückführung sprechenden humanitären Gründe zwingend sind ("a very exceptional case, where the humanitarian grounds against the removal are compelling"). Diese "anderen ganz außergewöhnlichen Fälle" hat der EGMR in seiner Rechtsprechung im Fall Paposhvili (EGMR, Große Kammer, 13.12.2016, 41738/10, Rn. 183-192) nunmehr präzisiert.

Der Erstbeschwerdeführer ist gesund. Die minderjährigen Beschwerdeführer sind nach den Angaben der Zweitbeschwerdeführerin gesund (siehe Einvernhame vor dem Bundesamt am 08.08.2017; AS 109 des Aktes der Zweitbeschwerdeführerin). Gegenteilige Befunde oder Arztschreiben wurden bis dato nicht in Vorlage gebracht. Die Zweitbeschwerdeführerin leidet seit über 20 Jahren Jahren an "tachykarder Herzrhythmusstörung mit Synkopen". Sie wurde in Österreich medizinisch untersucht (Langzeit-EKG - Auswertung vorgesehen für den 17.11.2017). Sie steht (stand) in Österreich in fachärtzlicher Behandlung (FA für Innere Medizin und Nephrologie) und wurde ihr die Einnahme von Medikamenten (Sotacor 80mg 1-0-0) verordnet sowie die Vorstellung an einer Herzambulanz empfohlen. Ein stationärer Aufenthalt war offensichtlich nicht erforderlich.

Den vorgelegten ärztlichen Unterlagen lässt sich keinesfalls entnehmen, dass sich die Zweitbeschwerdeführerin aktuell in einem akut behandlungsbedürftigen oder gar lebensbedrohlichen Krankheitszustand befinden würde, zumal in Bezug auf die gestellten Diagnosen abgesehen von der Einnahme von Medikamenten und der Vorstellung an einer Herzambulanz mit einem Eventrecorderbefund keine unmittelbare Behandlung eingeleitet wurde. Es handelt sich um keine akute, sondern um eine chronische Erkrankung. Es wurden weder dringende bzw. unaufschiebbare, ärztliche Maßnahmen gesetzt noch konkrete ärztliche Untersuchungs- bzw. Behandlungstermine festgesetzt. Die Beschwerdeführerin hat nicht vorgebracht, dass ihre Herzrhythmusstörungen nur in Österreich behandelbar wären bzw welche konkrete Behandlung/Therapie erforderlich wäre, die es nur in Österreich (und nicht auch in Ungarn) geben würde. Die Beschwerdeführerin kann die medikamentöse Therapie bei Rückkehr nach Ungarn dort fortsetzen und im Notfall, ebenso wie in Österreich, ein Krankenhaus aufsuchen, wo die erforderlichen Maßnahmen (Infusionen bzw Defibrillation) durchgeführt werden können.

Im Hinblick auf das Vorbringen in der Beschwerde, wonach eine engmaschige fachärztliche Betreuung und Behandlung erforderlich sei, ist festzuhalten, dass sich die Zweitbeschwerdeführerin der Möglichkeit der Inanspruchnahme einer solchen durch Untertauchen (spätesten am 16.11.2017, sohin noch vor Befundauswertung; siehe oben) selbst begeben hat.

Wenngleich die Schwere der Erkrankung der Zweitbeschwerdeführerin keineswegs verharmlost werden soll und die damit einhergehenden Symptome zweifellos subjektiv als ausgesprochen belastend zu werten sind, ist dennoch in casu kein unzulässiger Eingriff in ihre verfassungsrechtlich gewährleitsteten Rechte im Falle ihrer Überstellung nach Ungarn feststellbar. In Ungarn ist ausreichende medizinische Versorgung gewährleistet; es sind dort alle Krankheiten behandelbar und alle gängigen Medikamente erhältlich. Allenfalls erforderliche Behandlungen können auch in diesem Mitgliedstaat der Union erfolgen. In einem Zeitraum von 6 Monaten nach Zuerkennung des Schutzstatus ist der Zugang zu medizinischer Versorgung kostenlos; danach ist der Abschluss einer kostenpflichtigen Krankenversicherung erforderlich. Dass die Sechsmonatsfrist nunmehr bereits abgelaufen ist, resultiert aus dem Verhalten der Beschwerdeführer selbst und ist diesen zuzurechnen.

Trotz des vorliegenden Krankheitsbildes kann vor dem Hintergrund der strengen Judikatur des EGMR nicht erkannt werden, dass eine Überstellung der Zweitbeschwerdeführerin nach Ungarn eine Verletzung der Rechte gem. Art. 3 EMRK darstellen würde. Akut existenzbedrohende Krankheitszustände oder Hinweise einer unzumutbaren Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Beschwerdeführer im Falle einer Überstellung nach Ungarn sind der Aktenlage nicht zu entnehmen.

Es gibt auch keine Hinweise dafür, dass die vorgebrachten gesundheitlichen Beeinträchtigungen einer behördlich organisierten Rückreise nach Ungarn entgegenstehen würden; es gibt keine Zweifel an ihrer Transportfähigkeit.

Die Kritik des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin an ihrer medizinischen Versorgung bzw. Behandlung in Ungarn wurde lediglich unbelegt in den Raum gestellt. In Ungarn ist eine ausreichende medizinische Versorgung gewährleistet und können daher allenfalls erforderliche Behandlungen auch in diesem Mitgliedstaat der Union erfolgen. Nach der Rechtsprechung zu Art. 3 EMRK wäre es schließlich auch unerheblich, wenn etwa die Behandlung im Zielstaat nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver wäre.

Schließlich ist auch darauf hinzuweisen, dass die Fremdenpolizeibehörde bei der Durchführung einer Überstellung im Fall von bekannten Erkrankungen des Drittstaatsangehörigen durch geeignete Maßnahmen dem Gesundheitszustand Rechnung zu tragen hat. Insbesondere wird kranken Personen eine entsprechende Menge der verordneten Medikamente mitgegeben. Anlässlich einer Überstellung werden von der Fremdenpolizeibehörde auch der aktuelle Gesundheitszustand und insbesondere die Transportfähigkeit beurteilt sowie gegebenenfalls bei gesundheitlichen Problemen die entsprechenden Maßnahmen gesetzt. Im Fall einer schweren psychischen Erkrankung und insbesondere bei Selbstmorddrohungen werden geeignete Vorkehrungen zur Verhinderung einer Gesundheitsschädigung getroffen.

Zu einer möglichen Verletzung von Art. 8 EMRK bzw. Art. 7 GRC wurde erwogen:

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.

Nach Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutze der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Im gegenständlichen Fall liegt ein Familienverfahren vor. Nachdem mit heutigem Tag gegenüber sämtlichen Beschwerdeführern gleichlautende Entscheidungen ergehen und demnach keine Trennung der Genannten erfolgt, wird allenfalls lediglich in ihr Privatleben, nicht jedoch in deren Familienleben eingegriffen.

Der durch die Anordnung der Außerlandesbringung der Beschwerdeführer aus dem Bundesgebiet erfolgende Eingriff in ihr Privatleben ist durch ein Überwiegen des öffentlichen Interesses im Vergleich zu ihrem Privatinteresse am Verbleib im Bundesgebiet gedeckt.

Die gegenständliche aufenthaltsbeendende Maßnahme stützt sich unbestrittenermaßen auf eine gesetzliche Bestimmung und sie verfolgt Ziele, die mit der EMRK in Einklang stehen, nämlich insbesondere die Verteidigung der Ordnung im Bereich des Fremden- und Asylwesens sowie das wirtschaftliche Wohl des Landes.

Aus der Rechtsprechung des VwGH ergibt sich, dass etwa ab einem zehnjährigen Aufenthalt im Regelfall die privaten Interessen am Verbleib im Bundesgebiet die öffentlichen Interessen überwiegen können (09.05.2003, 2002/18/0293). Gleiches gilt für einen siebenjährigen Aufenthalt, wenn eine berufliche und soziale Verfestigung vorliegt (05.07.2005, 2004/21/0124).

Die privaten und familiären Interessen der Beschwerdeführer an einem Verbleib im Bundesgebiet haben nur sehr geringes Gewicht und treten fallbezogen gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen aus Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung, dem nach der Rechtsprechung des VwGH ein hoher Stellenwert zukommt, in den Hintergrund. Die Beschwerdeführer reisten Ende Juni 2017 nach Österreich und verfügten hier zu keinem Zeitpunkt über einen regulären Aufenthaltstitel, sondern stützten den Aufenthalt vielmehr von Anfang an nur auf einen unzulässigen Antrag auf internationalen Schutz.

Nach der Rechtsprechung des EGMR (EGMR 31.07.2008, 265/07, Darren Omoregie u. a.) stellen die Regeln des Einwanderungsrechtes eine ausreichende gesetzliche Grundlage in Hinblick auf die Frage der Rechtfertigung des Eingriffs nach Art. 8 Abs. 2 EMRK dar. War ein Fortbestehen des Familienlebens im Gastland bereits bei dessen Begründung wegen des fremdenrechtlichen Status einer der betroffenen Personen ungewiss und dies den Familienmitgliedern bewusst, kann eine aufenthaltsbeendende Maßnahme, welche dem öffentlichen Interesse an der effektiven Durchführung der Einwanderungskontrolle dient, nur in Ausnahmefällen eine Verletzung von Art. 8 EMRK bedeuten. Auch nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes kommt der Einhaltung fremdenrechtlicher Vorschriften aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu (VfGH 29.09.2007, B 328/07; VwGH 22.01.2013, 2011/18/0012; 18.10.2012, 2010/22/0130).

Die Verfahren nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz stellen in Österreich den gesetzlich vorgesehenen Weg für einwanderungswillige Drittstaatsangehörige dar, die einen Aufenthaltstitel erlangen wollen, etwa auch zwecks Familienzusammenführung. Gegen die Entscheidung der zuständigen Einwanderungsbehörde stehen letztlich auch noch Rechtsbehelfe an ein Verwaltungsgericht sowie an den Verfassungsgerichtshof und den Verwaltungsgerichtshof offen. Hingegen kann nach der maßgeblichen Rechtsprechung ein allein durch Missachtung der fremden- und aufenthaltsrechtlichen Vorschriften erwirkter Aufenthalt keinen Rechtsanspruch aus Art. 8 EMRK bewirken. Eine andere Auffassung würde sogar zu einer Bevorzugung dieser Gruppe gegenüber den sich rechtstreu verhaltenden Drittstaatsangehörigen führen (EGMR 08.04.2008, 21878/06, Nnyanzi; VfGH 12.06.2010, U 613/10).

Gemäß Art. 3 Abs. 1 letzter Satz Dublin III-VO wird jeder Asylantrag von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird. Wenn aber ein Drittstaatsangehöriger bereits in einem Mitgliedstaat internationalen Schutz, also entweder Asyl oder subsidiären Schutz, erhalten hat, dann kann ein neuerlicher Asylantrag dieser Person in einem anderen Mitgliedstaat gemäß Art. 33 Abs. 2 lit. a Asylverfahrensrichtlinie 2013/32/EU als unzulässig zurückgewiesen werden. Daher stellt die rechtswidrige Weiterreise der Beschwerdeführer innerhalb der Union zwecks Einbringung eines weiteren Asylantrages gerade jenes Verhalten dar, das durch die Rechtsvorschriften des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems verhindert werden soll, um eine zügige Bearbeitung der zahlreichen jährlich gestellten Asylanträge in den Mitgliedstaaten der Union zu ermöglichen.

Auch bei einem Eingriff in das Privatleben misst die Rechtsprechung im Rahmen der Interessenabwägung nach Art. 8 Abs. 2 EMRK dem Umstand wesentliche Bedeutung bei, ob die Aufenthaltsverfestigung des Asylwerbers überwiegend auf vorläufiger Basis erfolgte, weil der Asylwerber über keine über den Status eines Asylwerbers hinausgehende Aufenthaltsberechtigung verfügt hat. In diesem Fall muss sich der Asylwerber bei allen Integrationsschritten im Aufenthaltsstaat seines uns

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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