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L3 FinanzrechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Gleichheitswidrigkeit des Ausschlusses der bescheidmäßigen Festsetzung einer Selbstbemessungsabgabe nach Ablauf einer Frist im Fall einer zu hohen Selbstbemessung gemäß dem Vlbg AbgabenverfahrensGSpruch
§82 Abs2 und Abs3 des Abgabenverfahrensgesetzes, Vorarlberger LGBl. Nr. 23/1984 idF LGBl. Nr. 3/1992 wird als verfassungswidrig aufgehoben.
Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 31. Dezember 1998 in Kraft.
Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Wirksamkeit.
Der Landeshauptmann von Vorarlberg ist verpflichtet, diese Aussprüche unverzüglich im Landesgesetzblatt kundzumachen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I.1. Der im gegebenen Zusammenhang in Betracht zu ziehende §82 des (Vorarlberger) Abgabenverfahrensgesetzes, LGBl. 23/1984 idF LGBl. 3/1992, hat (auszugsweise) folgenden Wortlaut:
"§82
Besondere Fälle der Abgabenfestsetzung
(1) Wenn die Abgabenvorschriften die Selbstbemessung einer Abgabe durch den Abgabepflichtigen ohne behördliche Festsetzung der Abgabe zulassen, gilt die Abgabe durch die Einreichung der Erklärung über die Selbstbemessung festgesetzt.
(2) Der Abgabepflichtige kann eine Erklärung gemäß Abs1 innerhalb eines Monats ab deren Einreichung berichtigen. Innerhalb dieser Frist kann er zur Abänderung der selbst bemessenen Abgabe auch einen Antrag auf bescheidmäßige Abgabenfestsetzung stellen. Nach Ablauf der Frist darf er einen solchen Antrag nur noch stellen, wenn Tatsachen oder Beweismittel neu hervorgekommen sind, die er bei der Einreichung der Erklärung ohne sein Verschulden nicht geltend machen konnte. Der Antrag ist zudem nur zulässig, wenn seit dem Zeitpunkt, ab dem der Antragsteller nachweislich von den Tatsachen oder Beweismitteln Kenntnis erlangt hat, nicht mehr als ein Monat vergangen ist und die Bemessungsverjährung (§83 Abs2) noch nicht eingetreten ist. Die Umstände, die solchen Anträgen zugrunde liegen, hat der Abgabepflichtige zu beweisen.
(3) Die Abgabe ist von Amts wegen mit Bescheid festzusetzen, wenn der Abgabepflichtige die Einreichung der Erklärung unterläßt oder wenn sich die Erklärung als unvollständig oder die Selbstbemessung als zu niedrig erweist. Von der bescheidmäßigen Festsetzung kann abgesehen werden, wenn der Abgabepflichtige die Mängel behebt.
..."
2. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 9. Juli 1996 wies die Vorarlberger Landesregierung den Antrag der beschwerdeführenden Partei des Anlaßverfahrens zurück, die für den Monat Juni 1995 im Wege der Selbstbemessung entrichtete Anzeigenabgabe bescheidmäßig festzusetzen. Nach §82 Abs2 des (Vorarlberger) AbgabenverfahrensG sei ein Antrag auf bescheidmäßige Abgabenfestsetzung innerhalb eines Monats ab Einreichung der Selbstbemessungserklärung zu stellen. Diese Erklärung habe die beschwerdeführende Partei am 10. August 1995 beim Landesabgabenamt eingereicht, den Antrag auf bescheidmäßige Abgabenfestsetzung habe sie jedoch erst am 15. September 1995, sohin verspätet, gestellt. Mit demselben Bescheid wies die Vorarlberger Landesregierung auch einen (auf die Frist des eben genannten Festsetzungsantrages bezogenen) Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und weiters einen Antrag auf Rückzahlung der für den Monat Juni 1995 entrichteten Anzeigenabgabe zurück.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die unter B2427/96 eingetragene Beschwerde nach Art144 B-VG.
II.1. Aus Anlaß dieser Beschwerdesache beschloß der Verfassungsgerichtshof gemäß Art140 Abs1 B-VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des §82 Abs2 und Abs3 des (Vorarlberger) AbgabenverfahrensG einzuleiten. Der Gerichtshof ging vorläufig davon aus, daß der meritorischen Beschwerdeerledigung keine Verfahrenshindernisse entgegenstünden sowie daß er bei seiner Entscheidung in der Beschwerdesache §82 Abs2 und Abs3 des bezogenen Gesetzes anzuwenden hätte. Er legte die für die Einleitung des Prüfungsverfahrens maßgebenden verfassungsrechtlichen Bedenken wie folgt dar:
"Gegen die in Prüfung zu ziehenden Gesetzesvorschriften hegt der Verfassungsgerichtshof grundsätzlich die gleichen Bedenken, die ihn im Erkenntnis VfSlg. 8726/1980 dazu veranlaßt haben, §149 Abs2 und Abs3 der Wiener Abgabenordnung, LGBl. 21/1962 idF LGBl. 12/1964 und 4/1974, als verfassungswidrig zu befinden. Der Gerichtshof nahm in dieser Entscheidung den Standpunkt ein, daß auch für Abgaben, die nicht bescheidmäßig festgesetzt, sondern im Wege der Selbstbemessung durch den Abgabepflichtigen entrichtet werden, die Möglichkeit bestehen müsse, sachlich oder rechtlich fehlerhafte Erklärungen über die Selbstbemessung durch den Abgabepflichtigen selbst oder durch behördliche Festsetzung der Abgabe zu berichtigen. Dabei dürften dem Abgabepflichtigen nicht nur Verpflichtungen auferlegt werden, die eine Verkürzung der Abgabe verhindern; vielmehr müsse auch dafür gesorgt sein, daß die für die Abgabenbemessung nach den materiellrechtlichen Abgabenvorschriften maßgeblichen Umstände in objektiver Weise und daher auch zugunsten des Abgabepflichtigen festgestellt werden können. Sachlich nicht zu rechtfertigen sei es daher, wenn (nach der Wiener Abgabenordnung) zwar für den Fall einer zu niedrigen Selbstbemessung oder einer unvollständigen Erklärung eine Berichtigung durch den Abgabepflichtigen bzw. eine bescheidmäßige Abgabenfestsetzung ohne weiteres möglich sei, wenn der Abgabepflichtige aber im umgekehrten Fall einer zu hohen Selbstbemessung eine Berichtigung nur innerhalb bestimmter Fristen vornehmen könne und die Abgabenbehörde nach Ablauf dieser Fristen keine Möglichkeit habe, die Abgabe - den materiellrechtlichen Bestimmungen entsprechend - zugunsten des Abgabepflichtigen festzusetzen. Auf diese Weise werde ohne sachlichen Grund eine Differenzierung innerhalb der Gruppe jener Abgaben geschaffen, deren Selbstbemessung zugelassen ist, aber auch im Verhältnis dieser zu allen anderen Abgaben, bei deren Bemessung nach den Grundsätzen der Amtswegigkeit vorzugehen ist. Daß der Abgabepflichtige nach der Wiener Abgabenordnung eine Erklärung über die Selbstbemessung nur innerhalb eines Monats ab deren Einreichung berichtigen konnte, während er nach §82 Abs2 des (Vorarlberger) AbgabenverfahrensG die Möglichkeit hat, auch nach Ablauf dieser Frist unter bestimmten, den Voraussetzungen einer Wiederaufnahme vergleichbaren Bedingungen eine bescheidmäßige Festsetzung der (unrichtig) bemessenen Abgabe zu beantragen, fällt - wie der Gerichtshof vorläufig annimmt - nicht ins Gewicht; denn das (Vorarlberger) AbgabenverfahrensG gibt der Behörde auch nach Ablauf dieser (längeren) Frist keine Möglichkeit, eine Abgabe, die der Abgabepflichtige selbst zu hoch bemessen hat, in Übereinstimmung mit den materiellrechtlichen Abgabenbestimmungen festzusetzen. Auch in diesem Fall ist daher eine unrichtig bemessene Abgabe nur dann endgültig unkorrigierbar, wenn der Fehler den Abgabepflichtigen belastet, nicht aber im umgekehrten Fall des den Abgabepflichtigen begünstigenden Fehlers. Wie der Gerichtshof weiters vorläufig annimmt, ist diese Ungleichbehandlung jedenfalls nicht schon dadurch zu rechtfertigen, daß der Abgabepflichtige nach dem (Vorarlberger) AbgabenverfahrensG etwas weitergehende Berichtigungsmöglichkeiten hat als er sie nach der Wiener Abgabenordnung hatte."
2. Die Vorarlberger Landesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie den Standpunkt einnahm, daß die in Prüfung gezogenen Gesetzesbestimmungen nicht verfassungswidrig seien und - hilfsweise - für den Fall deren Aufhebung als verfassungswidrig die Setzung einer Frist für das Außerkrafttreten von zumindest einem Jahr begehrte. Im einzelnen führte die Landesregierung folgendes aus:
"1. Im Gegensatz zum §149 Abs2 und 3 der Wiener Abgabenordnung, die dem Erkenntnis VfSlg. 8726/1980 zugrunde lagen, hat der Abgabenschuldner aufgrund der Bestimmung des §82 Abs2 des Abgabenverfahrensgesetzes die Möglichkeit, innerhalb eines Monats nach Einreichung der Erklärung einen Antrag auf bescheidmäßige Abgabenfestsetzung zu stellen. Macht er von dieser Möglichkeit Gebrauch, hat er einen Anspruch auf bescheidmäßige Erledigung. Nach Ablauf dieser Frist ist die Abgabe so festgesetzt, als sei ein rechtskräftiger Bescheid ergangen. Auf Antrag des Abgabepflichtigen kann sie nur noch geändert werden, wenn Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die der Abgabenschuldner bei Einreichung der Erklärung ohne sein Verschulden nicht geltend machen konnte. Von Amts wegen kann gemäß §82 Abs3 des Abgabenverfahrensgesetzes die selbstbemessene Abgabe dann abgeändert werden, wenn sich die Erklärung als unvollständig oder die Selbstbemessung als zu niedrig erweist.
2. Im Landtag wurde von der Berichterstatterin zu §82 Abs2 und 3 folgendes angemerkt (siehe Sitzungsberichte zur 10. Sitzung des XXV. Vorarlberger Landtages im Jahre 1991, Seite 843):
'Eine amtswegige Abgabenfeststellung soll unter anderem nur dann möglich sein, wenn sich die Selbstbemessung als zu niedrig erweist. Bei einer zu hohen Selbstbemessung ist eine amtswegige Festsetzung nicht vorgesehen. In solchen Fällen stehen dem Abgabenschuldner die Möglichkeiten des §82 Abs2 offen. Diese Regelung ist aus folgenden Gründen sachlich gerechtfertigt: Die Ausgangslage der Behörde ist mit jener des Abgabenschuldners nicht vergleichbar. Der Abgabenschuldner ist gegenüber der Behörde in der aktiven Rolle. Er hat es in der Hand, ob die Behörde aufgrund der Bestimmungen des §82 Abs2 oder 3 einen Bescheid erlassen muß. Sollte sich nach Einreichung der Erklärung herausstellen, daß die Erklärung unrichtig ist (zu niedrig oder zu hoch), so hat der Abgabenschuldner noch einen Monat lang die Möglichkeit, diese zu korrigieren. Nach Ablauf dieser Frist hat er nur noch dann einen Anspruch auf Änderung, wenn innerhalb der fünfjährigen Bemessungsverjährungsfrist Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die er bei der Einreichung der Erklärung ohne sein Verschulden nicht wissen konnte. Demgegenüber ist die Behörde vorerst in einer passiven Rolle. Der Gesetzgeber geht davon aus, daß der Abgabenschuldner die Selbstbemessung mit der dafür erforderlichen Genauigkeit und Sorgfalt durchgeführt hat und die Erklärung daher richtig ist. Ob die Abgabe zu niedrig bemessen wurde, kann meist erst anläßlich einer Überprüfung festgestellt werden. Einen solchen Fehler muß man - anders als der Abgabenschuldner - auch dann korrigieren können, wenn Tatsachen oder Beweismittel vorliegen, die der Abgabenschuldner im Zeitpunkt der Erklärung kannte oder kennen mußte. Bezüglich der Berechtigung (richtig: Berichtigung) von zu niedrig erklärten Selbstbemessungsabgaben liegt der Unterschied zwischen der Behörde und dem Abgabenschuldner somit darin, daß die Behörde auch in jenen Fällen verpflichtet ist, die Abgabe zu korrigieren, in denen keine Tatsachen oder Beweismittel neu hervorgekommen sind, die der Abgabenschuldner bei Einreichung der Erklärung kannte oder kennen mußte. Wegen der erwähnten unterschiedlichen Rechtsstellung der Behörden einerseits und der Abgabenschuldner andererseits ist es daher sachlich gerechtfertigt, ungleiche Regelungen zu treffen.'
3. Wenn ein Abgabenschuldner Zweifel an der Richtigkeit seiner Erklärung hat und er somit zu befürchten hat, daß die zu hoch bemessene Abgabe nach Ablauf der Monatsfrist nicht mehr entsprechend den materiellrechtlichen Vorschriften berichtigt werden kann, muß er von der Möglichkeit des §82 Abs2 des Abgabenverfahrensgesetzes Gebrauch machen und innerhalb der Monatsfrist eine bescheidmäßige Festsetzung der Abgabe beantragen. Für den Abgabenschuldner besteht somit kein Unterschied, ob die Abgabe durch die Einreichung der Erklärung über die Selbstbemessung als festgesetzt gilt (§82 Abs1 des Abgabenverfahrensgesetzes) oder durch einen Bescheid festgesetzt wird. In beiden Fällen hat der Abgabenschuldner innerhalb eines Monats die Möglichkeit, die Festsetzung zu korrigieren. Im ersten Fall kann er die Erklärung selbst berichtigen oder eine bescheidmäßige Erledigung beantragen, im zweiten Fall hat er das Recht, das Rechtsmittel der Berufung zu erheben. Nach Ablauf der Frist des §82 Abs2 des Abgabenverfahrensgesetzes bzw. nach ungenütztem Verstreichen der Berufungsfrist ist eine Änderung der Erklärung bzw. des rechtskräftigen Bescheides nur möglich, wenn Gründe für eine Wiederaufnahme des Verfahrens (§82 Abs2 des Abgabenverfahrensgesetzes bzw. §127 des Abgabenverfahrensgesetzes) vorliegen.
4. Richtig ist, daß nach Ablauf der Einmonatsfrist nach Einreichung der Erklärung weder für den Abgabenschuldner noch für die Behörde eine Möglichkeit besteht, eine zu hohe Selbstbemessung entsprechend den materiellrechtlichen Bestimmungen festzusetzen. Aber auch in den Fällen, in denen eine Abgabe bescheidmäßig oder von Amts wegen mit Bescheid festgesetzt wird, besteht diese Möglichkeit nach Ablauf der einmonatigen Berufungsfrist - mit Ausnahme der Wiederaufnahmsgründe - nicht mehr. So kann auch eine mit Bescheid rechtskräftig vorgeschriebene Abgabe nicht etwa anläßlich der Erstellung des Jahresabschlusses - sofern keine Wiederaufnahmsgründe vorliegen - abgeändert werden.
5. Der Abgabenschuldner ist bei Abgaben, die selbst zu bemessen sind, nicht schlechter gestellt, als bei Abgaben, die von Amts wegen festgesetzt werden. Die Ungleichbehandlung zwischen Abgabenschuldner und Abgabenbehörde ist aus den dargelegten Gründen sachlich gerechtfertigt."
III.Dem eingeleiteten
Gesetzesprüfungsverfahren stehen Prozeßhindernisse nicht entgegen. Die Bedenken des Gerichtshofs bezüglich der Verfassungsmäßigkeit der in Prüfung gezogenen Gesetzesvorschriften erweisen sich als gerechtfertigt.
1. Der Verfassungsgerichtshof hält an der in seinem Erk. VfSlg. 8726/1980, das die inhaltlich im wesentlichen entsprechende damalige Regelung in der Wiener Abgabenordnung zum Gegenstand hatte, dargelegten Auffassung (vgl. auch VfSlg. 12734/1991) fest, auf welcher der Prüfungsbeschluß beruht. Ihre auch hier beizubehaltende, von der Vorarlberger Landesregierung nur im peripheren Bereich in Zweifel gezogene grundsätzliche Aussage unter dem Aspekt des Gleichheitsgebotes besteht darin, daß bei einer (späteren) bescheidmäßigen Festsetzung der Selbstbemessungsabgabe keine Möglichkeit für eine den materiellrechtlichen Bestimmungen entsprechende Festsetzung in den Fällen vorgesehen ist, in denen der Abgabepflichtige nach Ablauf ihm offenstehender (kurzer) Fristen eine zu hohe Selbstbemessung feststellt oder in denen die Abgabenbehörde anläßlich einer Prüfung eine solche Feststellung macht. In diese Lage kann der Abgabepflichtige auch bei Handhabung der zu prüfenden Bestimmungen des (Vorarlberger) AbgabenverfahrensG kommen; die von der Vorarlberger Landesregierung dagegen ins Treffen geführten Argumente, die im wesentlichen Unterschiede gegenüber den damals geprüften Vorschriften der Wiener Abgabenordnung aufzuzeigen und ihnen wesentliche Bedeutung zuzuschreiben trachten, fallen jedoch nicht ins Gewicht.
Wenn die Vorarlberger Landesregierung zunächst hervorhebt, daß der Abgabepflichtige innerhalb einer Monatsfrist ab Einreichung seiner Abgabenerklärung eine bescheidmäßige Abgabenfestsetzung beantragen kann, so ist dies für seine spätere Lage verhältnismäßig bedeutungslos. Diese ist nämlich dadurch charakterisiert, daß die Abgabenbehörde (sofern nicht Bemessungsverjährung nach - im Regelfall - fünf Jahren eingetreten ist - vgl. §83 Abs2 (Vorarlberger) AbgabenverfahrensG) von Amts wegen eine bescheidmäßige Festsetzung nur zum Nachteil des Abgabepflichtigen vornehmen kann. Auch die im Zusammenhang mit dem Begehren auf bescheidmäßige Festsetzung innerhalb der Monatsfrist gegebenen Hinweise auf die (weitere) Möglichkeit eines Antrags auf bescheidmäßige Abgabenfestsetzung nach Art einer Wiederaufnahme des Abgabenverfahrens und auf die an sich ungünstigere Lage der Abgabenbehörde in bezug auf die Kenntnis der für die Abgabenvorschreibung maßgeblichen tatsächlichen Umstände sind bereits deshalb nicht stichhältig, weil sie bloß auf den Tatsachenbereich, nicht aber darauf Rücksicht nehmen, daß sich die zu hohe Selbstbemessung aus einer verfehlten, von der Abgabenbehörde nicht geteilten Rechtsmeinung ergeben kann; es ist dem Abgabepflichtigen nämlich im allgemeinen nicht zumutbar, über eine gleichsam dem Standard der Abgabenbehörde gleichwertige Rechtskenntnis zu verfügen und sein Verhalten in jeder Einzelheit danach auszurichten. Wenn die Landesregierung schließlich eine Schlechterstellung des Abgabenschuldners mit dem der Sache nach gemeinten Argument verneint, daß die Selbstbemessung in Ansehung ihrer Wirkungen überhaupt der bescheidmäßigen Abgabenvorschreibung gleichzuhalten sei, so weicht sie vom hier maßgeblichen Thema ab, das ausschließlich in der Betrachtung der Lage des Abgabepflichtigen im Bereich von Selbstbemessungsabgaben besteht.
2. Die in Prüfung gezogenen Gesetzesbestimmungen waren sohin als verfassungswidrig aufzuheben, weil sie mit dem auch den Gesetzgeber bindenden Gleichheitsgebot unvereinbar sind.
3. Die übrigen Entscheidungen stützen sich auf Art140 Abs5 und 6 B-VG.
IV.Dieses Erkenntnis wurde gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne vorangegangene mündliche Verhandlung gefällt.
Schlagworte
Finanzverfahren, Selbstbemessung (Finanzverfahren)European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1997:G438.1997Dokumentnummer
JFT_10028797_97G00438_00