TE Bvwg Erkenntnis 2018/3/14 W255 2167649-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 14.03.2018
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Entscheidungsdatum

14.03.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W255 2167649-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Ronald EPPEL, MA als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.07.2017, Zl. 1072319306-150618885/BMI-BFA_STM_RD, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 13.03.2018 zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

1. Verfahrensgang:

1.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) reiste am 05.06.2015 in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

1.2. Am 06.06.2015 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Landespolizeidirektion Tirol die niederschriftliche Erstbefragung des BF statt. Dabei gab der BF im Wesentlichen an, afghanischer Staatsangehöriger, Paschtune, sunnitischer Muslim und am XXXX in der Provinz XXXX geboren zu sein. Der BF sei ledig und Analphabet. Sein Vater sei verstorben. Seine Mutter und zwei Brüder würden nach wie vor in der Provinz XXXX , im Dorf XXXX , leben. Der BF habe Afghanistan verlassen, da er Sunnit sei und von Schiiten verfolgt werde. Diese Verfolgung richte sich generell gegen sein Volk und sei nicht speziell gegen ihn gerichtet gewesen. Sein Bruder sei eines Tages abgeholt worden und der BF habe Angst gehabt. Daher sei er geflüchtet.

1.3. Am 14.08.2015 wurde der BF einer Untersuchung zwecks Feststellung seiner Minder- bzw. Volljährigkeit unterzogen. In seinem gerichtsmedizinischen Gutachten vom 25.08.2015 kommt das vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) beauftragte Institut zum Ergebnis, dass das vom BF im Zuge seiner Antragstellung angegebene Geburtsdatum aufgrund der erhobenen Befunde aus gerichtsmedizinischer Sicht nicht belegt werden könne. Es ergebe sich zum Untersuchungszeitpunkt ein "wahrscheinlichstes" Lebensalter des BF von ca. 21-23 Jahren. Unter Berücksichtigung einer Schwankungsbreite der Untersuchungsergebnisse ergebe sich ein Mindestalter von 19 Jahren zum Untersuchungszeitpunkt.

1.4. Am 24.11.2016 wurde der BF vor dem BFA, Regionaldirektion Steiermark, einvernommen. Dabei gab der BF an, Paschtu und auch ein wenig Dari sprechen zu können. Er sei gesund und nicht in ärztlicher Behandlung. Er nehme auch keine Medikamente. Der BF sei im Dorf XXXX , Distrikt XXXX , Provinz XXXX , geboren und aufgewachsen. Sein exaktes Geburtsdatum kenne er nicht. Seine Mutter habe ihm nur gesagt, dass er 16 Jahre und ein paar Monate alt sei. Der BF sei Paschtune und sunnitischer Muslim. Der BF habe in Afghanistan gemeinsam mit seiner Mutter, seinen beiden Brüdern (13 und 20 Jahre alt) und seiner Schwester (15 Jahre alt) gelebt. Die Familie habe dort ein eigenes Haus und Grundstücke gehabt. Die Familie sei als Bauern tätig gewesen und habe vom Ertrag der landwirtschaftlichen Grundstücke gelebt. Die Mutter des BF sei Hausfrau gewesen. Der BF habe keine Schule besucht, sondern von klein auf mit seinem Bruder auf den Feldern geholfen. Der Familie sei es finanziell gut gegangen. Der Vater des BF sei verstorben. Vier Monate nach seiner Einreise in Österreich habe der BF seine Familie angerufen, sie aber nicht erreichen können. Dann habe er den Nachbarn angerufen, der gemeint habe, dass die Familie zwar lebe, aber sich nicht mehr im Heimatdorf aufhalte. Der Nachbar habe auch nicht gewusst, wohin die Familie gezogen sei.

Der BF habe Afghanistan verlassen, weil die Taliban und die IS-Kämpfer Probleme gemacht hätten. Die Mutter des BF sei Schiitin und sein Vater Sunnit. Sein ältester Bruder sei ca. 7 oder 8 Tage vor der Ausreise des BF von IS-Kämpfern verschleppt worden. Der BF wisse nicht, ob sein Bruder noch lebe. Zuerst seien die Amerikaner in der Wohngegend des BF stationiert gewesen. Als sie dort weggegangen seien, hätten die Dorfleute den Taliban und IS-Kämpfern gesagt, dass Schiiten im Dorf leben würden. Erst habe man der Familie des BF Drohbriefe geschickt, später habe man den Bruder verschleppt. In dieser Zeit hätten die IS-Kämpfer den BF gesucht. Seine Mutter habe Grundstücke verkauft und dafür gesorgt, dass der BF ausreisen könne. Der Bruder sei von zu Hause um Mitternacht verschleppt worden. Danach habe die Mutter den BF zu dessen Onkel gebracht und dem Dorfvertreter den Vorfall gemeldet. Der habe das weiter an die Polizei gemeldet, aber diese habe nichts machen können, da die Taliban und die IS die Straßen unter Kontrolle hätten. Der BF sei zu Hause gewesen, als der Bruder verschleppt worden sei, aber als die Leute gekommen seien, habe seine Mutter dafür gesorgt, dass er zu seinem Onkel komme. Der BF habe mit seiner Mutter, einem Bruder und einer Schwester in einem Zimmer geschlafen, sein älterer Bruder in einem anderen Zimmer. Der BF habe kein Klopfen gehört. Er sei erst aufgewacht, als er Schreie und Chaos gehört habe. Sein Bruder habe die Tür aufgemacht. Was dann passiert sei, wisse er nicht. Er glaube nicht, dass die IS-Kämpfer im Haus gewesen seien, aber er habe geschlafen. Seine Mutter habe Angst gehabt, dass diese Personen noch einmal kommen und den BF auch mitnehmen würden. Daher sei der BF zu seinem Onkel geflüchtet. Sein Bruder sei verschleppt worden, da seine Mutter Schiitin sei. Davon abgesehen würden diese Personen Leute rekrutieren und zwingen, in den Dschihad zu ziehen. Sie würden nach einem Vorwand suchen, um Menschen mitzunehmen. Seine Mutter habe Angst gehabt, dass der BF als nächstes dran sein werde. Die Familie des BF habe davor einen Drohbrief von den IS-Kämpfern bekommen. Der Onkel väterlicherseits habe den Brief gelesen. In dem Brief seien der Name des BF und seines älteren Bruders gestanden. Außerdem, dass sie wüssten, dass die Familie des BF Schiiten sei und es an der Zeit wäre, in den Dschihad zu ziehen. Wenn der BF freiwillig käme, wäre es gut, sonst würden sie ihn umbringen. Der BF habe sich nach dem Angriff auf sein Haus, bei dem sein Bruder verschleppt worden sei, 6 bis 7 Tage bei seinem Onkel aufgehalten und dann Afghanistan verlassen. Der Onkel des BF sei schon alt, daher würde ihm nichts mehr passieren. Der BF sei nie persönlich von irgendeinem Taliban- oder IS-Kämpfer kontaktiert worden. Der BF wisse nicht, warum seine Mutter seinen Heimatort verlassen habe. Er vermute, dass sie belästigt worden sei. Würde der BF nach Afghanistan zurückkehren, würde er von den IS-Kämpfern getötet werden. Würde er nach XXXX gehen, würde er als Paschtune als Taliban bezeichnet werden. Obwohl es dort viele Paschtunen gebe, würden ihn auch die IS-Kämpfer dort finden. Außerdem sei er ein Landmensch.

1.5. Am 09.12.2016 richtete der zuständige Sachbearbeiter des BFA eine Anfrage an die Staatendokumentation.

1.6. Am 19.04.2017 übermittelte die Staatendokumentation dem zuständigen Sachbearbeiter des BFA zwei Anfragebeantwortungen betreffend die Präsenz des IS in der Provinz XXXX sowie die Sicherheitslage, die Präsenz des IS und die Rekrutierung durch den IS in der Provinz XXXX .

1.7. Mit Schreiben vom 12.06.2017 nahm der BF zu den ihm übermittelten Anfragebeantwortungen der Staatendokumentation Stellung und führte aus, dass der IS/Daesh in der Provinz XXXX präsent sei. Sie würden häufig rekrutieren und Söhne von Familien zum Dschihad mitnehmen. Die Familie des BF habe einen Brief von den Daesh bekommen, demzufolge sich der BF oder sein Bruder den Daesh anschließen sollte. Nachts seien die Männer gekommen und hätten seinen Bruder mitgenommen. Als sie den BF aufgefordert hätten, sich ihnen ebenso anzuschließen, habe er sich zur Flucht entschieden. Eine solche Verweigerung führe zur Steinigung, Enthauptung oder auch dazu, verbrannt zu werden. Der BF wisse nicht, ob sein Bruder lebe oder tot sei. Dem Schreiben fügte der BF eine Deutschkursbesuchsbestätigung vom 14.11.2016, ein Empfehlungsschreiben von Privatpersonen vom 20.11.2016 und ein undatiertes Empfehlungsschreiben einer Privatperson bei.

1.8. Das BFA wies den Antrag des BF auf internationalen Schutz mit Bescheid vom 26.07.2017, Zl. 1072319306-150618885/BMI-BFA_STM_RD, bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt II.). Das BFA erteilte dem BF keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG und stellte fest, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde für die freiwillige Ausreise eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung bestimmt (Spruchpunkt IV.).

Die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten begründete das BFA im Wesentlichen damit, dass nicht festgestellt werden habe können, dass der BF in Afghanistan einer individuellen, konkret gegen ihn gerichteten Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung ausgesetzt sei. Ihm sei diesbezüglich die Glaubwürdigkeit abzusprechen gewesen.

Die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten begründete das BFA im Wesentlichen damit, dass nicht festgestellt werden habe können, dass der BF im Falle der Rückkehr nach Afghanistan in eine exzeptionelle Gefährdungslage geraten würde. Er verfüge auch über private und familiäre Anknüpfungspunkte in Afghanistan, wo seine Mutter, drei Geschwister und ein Onkel leben würden.

Die Zulässigkeit der Abschiebung nach Afghanistan begründete das BFA im Wesentlichen damit, dass der BF in Österreich keine familiären Beziehungen habe, in Grundversorgung lebe und vom Staat unterstützt werde, in Österreich keine berufliche Tätigkeit ausübe und keine besondere Integrationsverfestigung seiner Person in Österreich bestehe.

1.9. Gegen den unter Punkt 1.8. genannten Bescheid richtet sich die vom BF fristgerecht erhobene Beschwerde. Darin wies er insbesondere auf die Präsenz der IS Milizen im Osten Afghanistans hin und führte aus, dass eine innerstaatliche Fluchtalternative für ihn nicht zumutbar sei.

1.10. Die Beschwerde und der bezughabende Verwaltungsakt langten am 16.08.2017 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

1.11. Mit Schreiben vom 18.01.2018 wurden dem BF vom Bundesverwaltungsgericht aktuelle Länderfeststellungen betreffend Afghanistan übermittelt.

1.12. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 13.03.2018 in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die Sprache Paschtu sowie im Beisein des BF und seines Rechtsberaters eine öffentliche mündliche Verhandlung durch. Dabei gab der BF im Wesentlichen an, dass er Paschtune und sunnitischer Muslim sei. Er sei im Dorf XXXX , Distrikt XXXX , Provinz XXXX , geboren und aufgewachsen. Sein Vater sei an Krebs gestorben, als er ein kleines Kind gewesen sei. Der BF habe nie die Schule besucht. Er sei mit seiner Mutter, seiner Schwester und zwei Brüdern aufgewachsen. Die Familie habe von der eigenen Landwirtschaft gelebt. Die Mutter des BF sei Schiitin, sein Vater Sunnit, beide Paschtunen. Als die Amerikaner noch in der Heimatprovinz des BF gewesen seien, sei die Sicherheitslage ziemlich gut gewesen, aber nach dem Abzug seien die Taliban und die Daesh stärker geworden. Sie würden Leute unter einem Vorwand mitnehmen und diese für sich kämpfen lassen. Die Familie des BF habe einen Drohbrief erhalten. Man habe wollen, dass der BF mit ihnen mitgehe und am Dschihad teilnehme, sonst würden sie ihn töten. Die Taliban und die Daesh hätten ihre Leute im Dorf, die sie unterstützen würden. Wer genau diese Leute informiert habe, dass die Mutter des BF Schiitin sei, wisse der BF nicht. Es sei aber nur eine Ausrede gewesen, dass sie Schiiten seien. Es würden viele Jugendliche mitgenommen werden. In dem Drohbrief seien der Name des BF und seines Bruders gestanden, weiters dass sie Schiiten seien und wenn sie nicht freiwillig mitgehen würden, mit Gewalt mitgenommen würden. Das wäre ihre letzte Chance. Auf dem Briefkopf sei gestanden, dass der Brief von den Daesh sei. Zwei oder drei Tage nach dem Brief sei das Haus der Familie des BF um Mitternacht angegriffen worden. Die Mutter habe den BF über die Mauer zu seinem Onkel väterlicherseits geschickt. Der Bruder sei mitgenommen worden. Der BF habe sich 7 oder 8 Tage bei seinem Onkel versteckt. Danach habe der BF Afghanistan verlassen. Der BF habe die Leute, die seinen Bruder mitgenommen hätten, nicht gesehen. Er habe in einem anderen Zimmer als sein Bruder geschlafen. In der Zeit, als sich der BF bei seinem Onkel versteckt habe, seien die Leute noch einmal zum Haus des BF gekommen. Seine Mutter habe gesagt, dass der BF nicht zu Hause sei und sie seien wieder gegangen. Ob die Personen das akzeptiert hätten oder das Haus durchsuchen haben wollen, wisse der BF nicht. Seine Mutter habe ihm sonst nichts gesagt. Der BF habe nicht in einen anderen Landesteil Afghanistans übersiedeln können, da überall Taliban und Daesh seien. Daher sei er nach Europa geflüchtet.

Der BF habe keine Verwandten in Österreich. Er habe viele österreichische Freunde, spiele Fußball mit diesen und besuche sie. Seine österreichischen Freunde würden ihm Deutsch beibringen und der BF wolle viel über Österreich erfahren sowie die Kultur und Sitten lernen. Der BF sei bereit eine A2-Prüfung abzulegen, ihm fehle aber das Geld dafür. Er habe in Österreich für die Gemeinde ehrenamtlich gearbeitet und sich beim Roten Kreuz für eine Arbeit angemeldet. Weiters baue er gemeinsam mit anderen Afghanen und Tschetschenen im Garten einer israelischen Frau Gemüse an. Der BF legte im Zuge der Verhandlung die folgenden Dokumente vor:

* Bestätigung der XXXX Akademie, XXXX , über die Teilnahme an einer "außerordentlichen Spracherwerbsmaßnahme" im Ausmaß von 50 Unterrichtseinheiten, vom 13.12.2016;

* Bestätigungen der XXXX über die Teilnahmen an Deutschkursen für Asylwerber vom 11.07.2017 und 23.01.2017;

* Bestätigung der XXXX über die Teilnahme an einem Deutschkurs A1.2 vom Dezember 2017;

* Bestätigungen der XXXX Akademie, XXXX , über die Teilnahme an zwei Deutschkursen im Ausmaß von 38 bzw. 41 Unterrichtseinheiten, vom 23.06.2017 und 23.05.2017;

* Unterstützungsschreiben einer Privatperson vom 31.01.2018;

* undatiertes Unterstützungsschreiben von zwei Privatpersonen;

* Unterstützungsschreiben einer Familie vom 11.03.2018;

* Bestätigung des XXXX über die Teilnahme an einem Werte- und Orientierungskurs vom 24.05.2016;

* 2 Fotos, die den BF bei Aufräumarbeiten im Freien zeigen.

2. Feststellungen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grundlage des gegenständlich erhobenen Antrages auf internationalen Schutz, der Erstbefragung und Einvernahme des BF durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sowie des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, der Beschwerde gegen den im Spruch genannten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, der im Verfahren vorgelegten Dokumente, der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht vom 13.03.2018, der Einsichtnahme in den Bezug habenden Verwaltungsakt, das Zentrale Melderegister, das Fremdeninformationssystem, das Strafregister und das Grundversorgungs-Informationssystem werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:

2.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

2.1.1. Der BF führt den Namen XXXX und ist spätestens am XXXX im Dorf XXXX , Distrikt XXXX , Provinz XXXX , geboren und dort aufgewachsen. Der BF hat in Afghanistan nie außerhalb seiner Heimatprovinz gelebt.

2.1.2. Der BF ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan, Paschtune und sunnitischer Muslim. Die Muttersprache des BF ist Paschtu.

2.1.3. Der Vater des BF ist an Krebs gestorben, als der BF ca. sechs Jahre alt war. Der BF ist gemeinsam mit seiner Mutter, seinen beiden Brüdern (ca. 15 und 22 Jahre alt) und seiner Schwester (ca. 17 Jahre alt) im Heimatdorf aufgewachsen. Die Mutter und die Geschwister des BF leben nach wie vor im Heimatdorf des BF. Der BF steht in regelmäßigem Kontakt mit seiner Familie.

2.1.4. Der Onkel väterlicherseits des BF lebt mit seiner Ehegattin im Nachbarhaus des BF in dessen Heimatdorf.

2.1.5. Der BF besuchte in Afghanistan nie die Schule. Die Familie verfügt über ein Haus und landwirtschaftliche Grundstücke im Heimatdorf, die vom BF und seinen Verwandten sowie von diesen bezahlten Landarbeitern bewirtschaftet wurde. Der BF hat bereits in jungen Jahren auf den Feldern mitgeholfen und bis zu seiner Ausreise auf der familieneigenen Landwirtschaft gearbeitet. Die finanzielle Situation der Familie des BF ist gut.

2.1.6. Der BF ist ledig und hat keine Kinder.

2.1.7. Der BF ist gesund und im erwerbsfähigen Alter.

2.1.8. Der BF verließ Afghanistan im Februar 2015 und reiste über den Iran, die Türkei, und weitere dem BF unbekannte Staaten nach Österreich, wo er nach illegaler Einreise am 05.06.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

2.2. Zur Integration des Beschwerdeführers in Österreich:

2.2.1. Der BF verfügt in Österreich über keine Verwandten.

2.2.2. Der BF hat im Jahr 2016 an zwei Deutschkursen für Asylwerber und im Jahr 2017 an fünf Deutschkursen für Asylwerber teilgenommen. Der BF hat bisher keine Deutschprüfung in Österreich absolviert.

2.2.3. Der BF hat in seiner Wohngemeinde in Österreich Nachbarschaftshilfe geleistet. Sieben Privatpersonen, die den BF in Österreich kennengelernt haben, bescheinigen ihm ausgeprägte Hilfsbereitschaft, Höflichkeit, Lern- und Integrationswille.

2.2.4. Der BF ist in Österreich bisher keiner bezahlten Erwerbstätigkeit nachgegangen. Er ist nicht Mitglied in einem Verein.

2.2.5. Der BF ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten

2.2.6. Der BF verfügt über keine weiteren als den unter 2.2.1. bis 2.2.4. dargestellten familiären und sozialen Bindungen in Österreich.

2.3. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers und einer Rückkehr nach Afghanistan:

2.3.1. Der Grund für das Verlassen des Herkunftsstaates Afghanistan konnte nicht festgestellt werden.

2.3.2. Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF in der Provinz XXXX von den Taliban und/oder den Daesh durch einen Drohbrief aufgefordert wurde, sich ihnen anzuschließen. Es kann nicht festgestellt werden, dass die Taliban oder die Daesh das Haus des BF in der Nacht aufgesucht und den Bruder des BF entführt haben. Es kann nicht festgestellt werden, dass konkret der BF in Afghanistan einer Verfolgung durch die Taliban oder die Daesh ausgesetzt war oder im Falle der Rückkehr ausgesetzt sein würde.

2.3.3. Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF aufgrund der Tatsache, dass es sich bei seinem Vater um einen sunnitischen Muslim (und Paschtunen) und seiner Mutter um eine schiitische Muslimin (und Paschtunin) handelt, in Afghanistan Verfolgung ausgesetzt war oder im Falle der Rückkehr ausgesetzt sein würde.

2.3.4. Der BF wurde in seinem Herkunftsstaat niemals inhaftiert und hatte mit den Behörden seines Herkunftsstaates weder auf Grund seiner Rasse, Nationalität, seines Religionsbekenntnisses oder seiner Volksgruppenzugehörigkeit noch sonst irgendwelche Probleme. Der BF war nie politisch tätig und gehörte nie einer politischen Partei an.

2.3.5. Im Falle der Rückkehr in seine Provinz XXXX würde dem BF ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen.

2.3.6. Es kann nicht festgestellt werden, dass dem BF im Falle der Rückkehr in die Stadt XXXX ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen würde.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF im Falle der Rückkehr in die Stadt XXXX Gefahr liefe, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten.

2.3.7. Der BF ist volljährig, ledig, gesund und arbeitsfähig. Er verfügt über familiäre - auch finanzielle - Unterstützung in Afghanistan. Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF im Falle der Rückkehr nach XXXX Gefahr liefe, aufgrund seines derzeitigen Gesundheitszustandes in einen unmittelbar lebensbedrohlichen Zustand zu geraten. Es sind auch sonst keine Hinweise hervorgekommen, dass allenfalls andere körperliche oder psychische Erkrankungen einer Rückführung des BF in den Herkunftsstaat entgegenstehen würden.

2.3.8. Der BF kann die Stadt XXXX von Österreich aus sicher mit dem Flugzeug erreichen.

2.4. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

Aufgrund der im Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht in das Verfahren eingeführten aktuellen Erkenntnisquellen werden folgende entscheidungsrelevante Feststellungen zum Herkunftsstaat des BF getroffen:

2.4.1. Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation mit Stand vom 21.12.2017:

1. Neueste Ereignisse - KI vom 21.12.2017 - Aktualisierung der Sicherheitslage in Afghanistan

Die Sicherheitslage in Afghanistan ist nach wie vor höchst volatil - der Konflikt zwischen regierungsfeindlichen Kräften und Regierungskräften hält landesweit an (UN GASC 20.12.2017). Zur Verschlechterung der Sicherheitslage haben die sich intensivierende Zusammenstöße zwischen Taliban und afghanischen Sicherheitskräften beigetragen (SIGAR 30.10.2017; vgl. SCR 30.11.2017).

Die afghanischen und internationalen Sicherheitskräfte verstärkten deutlich ihre Luftoperationen (UN GASC 20.12.2017; vgl. SIGAR 30.10.2017), die in 22 Provinzen registriert wurden. So haben sich im Berichtszeitraum der Vereinten Nationen (UN) Luftangriffe um 73% gegenüber dem Vorjahreswert erhöht (UN GASC 20.12.2017). Der Großteil dieser Luftangriffe wurde in der südlichen Provinz Helmand und in der östlichen Provinz Nangarhar erfasst (UN GASC 20.12.2017; vgl. SIGAR 30.10.2017), die als Hochburgen des IS und der Taliban gelten (SIGAR 30.10.2017). Verstärkte Luftangriffe hatten wesentliche Auswirkungen und führten zu hohen Opferzahlen bei Zivilist/innen und regierungsfeindlichen Elementen (UN GASC 20.12.2017). Zusätzlich ist die Gewalt in Ostafghanistan auf die zunehmende Anzahl von Operationen der ANDSF und der Koalitionskräfte zurück zu führen (SIGAR 30.10.2017).

Landesweit kam es immer wieder zu Sicherheitsoperationen, bei denen sowohl aufständische Gruppierungen als auch afghanische Sicherheitskräfte Opfer zu verzeichnen hatten (Pajhwok 1.12.2017; TP 20.12.2017; Xinhua 21.12.2017; Tolonews 5.12.2017; NYT 11.12.2017).

Den Vereinten Nationen zufolge hat sich der Konflikt seit Anfang des Jahres verändert, sich von einer asymmetrischen Kriegsführung entfernt und in einen traditionellen Konflikt verwandelt, der von bewaffneten Zusammenstößen zwischen regierungsfeindlichen Elementen und der Regierung gekennzeichnet ist. Häufigere bewaffnete Zusammenstöße werden auch als verstärkte Offensive der ANDSF-Operationen gesehen um die Initiative von den Taliban und dem ISKP zu nehmen - in diesem Quartal wurde im Vergleich zum Vorjahr eine höhere Anzahl an bewaffneten Zusammenstößen erfasst (SIGAR 30.10.2017).

1.1. Sicherheitsrelevante Vorfälle

Die Vereinten Nationen (UN) registrierten im Berichtszeitraum (15.9. - 15.11.2017) 3.995 sicherheitsrelevante Vorfälle; ein Rückgang von 4% gegenüber dem Vorjahreswert. Insgesamt wurden von 1.1.-15.11.2017 mehr als 21.105 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, was eine Erhöhung von 1% gegenüber dem Vorjahreswert andeutet. Laut UN sind mit 62% bewaffnete Zusammenstöße die Hauptursache aller sicherheitsrelevanten Vorfälle, gefolgt von IEDs [Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung/Sprengfallen], die in 17% der sicherheitsrelevanten Vorfälle Ursache waren. Die östlichen Regionen hatten die höchste Anzahl an sicherheitsrelevanten Vorfällen zu verzeichnen, gefolgt von den südlichen Regionen - zusammen wurde in diesen beiden Regionen 56% aller sicherheitsrelevanten Vorfälle registriert. Gezielte Tötungen und Entführungen haben sich im Vergleich zum Vorjahreswert um 16% erhöht (UN GASC 20.12.2017).

Laut der internationalen Sicherheitsorganisation für NGOs (INSO) wurden vom 1.1.-30.11.2017 24.917 sicherheitsrelevante Vorfälle in Afghanistan registriert (Stand: Dezember 2017) (INSO o.D.).

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(Grafik: Staatendokumentation gemäß Daten aus INSO o.D.)

1.2. Zivilist/innen

Im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des letzten Jahres registrierte die UNAMA zwischen 1.1. und 30.9.2017 8.019 zivile Opfer (2.640 Tote und 5.379 Verletzte). Dies deutet insgesamt einen Rückgang von fast 6% gegenüber dem Vorjahreswert an (UNAMA 10.2017); konkret hat sich die Anzahl getöteter Zivilist/innen um 1% erhöht, während sich die Zahl verletzter Zivilist/innen um 9% verringert hat (UN GASC 20.12.2017).Wenngleich Bodenoffensiven auch weiterhin Hauptursache für zivile Opfer waren - führte der Rückgang der Anzahl von Bodenoffensiven zu einer deutlichen Verringerung von 15% bei zivilen Opfern. Viele Zivilist/innen fielen Selbstmordattentaten, sowie komplexen Angriffen und IEDs zum Opfer - speziell in den Provinzen Kabul, Helmand, Nangarhar, Kandahar und Faryab (UNAMA 10.2017).

Zivile Opfer, die regierungsfreundlichen Kräften zugeschrieben wurden, sind um 37% zurückgegangen: Von insgesamt 849 waren 228 Tote und 621 Verletzte zu verzeichnen. Im Gegensatz dazu erhöhte sich die Anzahl ziviler Opfer, die regierungsfeindlichen Elementen zugeschrieben werden, um 7%: von den 1.150 zivilen Opfer starben 225, während 895 verletzt wurden. Die restlichen Opfer konnten keiner Tätergruppe zugeschrieben werden (UNAMA 10.2017).

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1.3. High-profile Angriffe:

Am 31.10.2017 sprengte sich ein Selbstmordattentäter in der "Green Zone" der Hauptstadt Kabul in die Luft. Der angebliche Täter soll Quellen zufolge zwischen 12-13 Jahren alt gewesen sein. Mindestens vier Menschen starben bei dem Angriff und ein Dutzend weitere wurden verletzt. Dies war der erste Angriff in der "Green Zone" seit dem schweren Selbstmordattentat im Mai 2017 (BBC 31.10.2017; vgl. Telegraph 31.10.2017). der IS bekannte sich zu diesem Vorfall Ende Oktober 2017 (BBC 31.10.2017; vgl. Telegraph 31.10.2017; UN GASC 20.12.2017)

Am 20.10.2017 sprengte sich ein Angreifer in der Shia Imam Zamam Moschee in Kabul in die Luft; dabei wurden mindestens 30 Menschen getötet und 45 weitere verletzt. Der IS bekannt sich zu diesem Angriff (Independent 20.10.2017; vgl. BBC 21.10.2017; UN GASC 20.12.2017). In dem Distrikt Solaina, in der westlichen Provinz Ghor, wurde ebenso eine Moschee angegriffen - in diesem Fall handelt es sich um eine sunnitische Moschee. Die tatsächliche Opferzahl ist umstritten: je nach Quellen sind zwischen 9 und 39 Menschen bei dem Angriff gestorben (Independent 20.10.2017; vgl. NYT 20.10.2017; al Jazeera 20.10.2017).

Am 19.10.2017 wurde im Rahmen eines landesweit koordinierten Angriffes der Taliban 58 afghanische Sicherheitskräfte getötet: ein militärisches Gelände, eine Polizeistationen und ein militärischer Stützpunkt in Kandahar wären beinahe überrannt worden (Independent 20.10.2017; vgl. BBC 21.10.2017). Einige Tage vor diesem Angriff töteten ein Selbstmordattentäter und ein Schütze mindestens 41 Menschen, als sie ein Polizeiausbildungszentrum in der Provinzhauptstadt Gardez stürmten (Provinz Paktia) (BBC 21.10.2017). In der Woche davor wurden 14 Offiziere der Militärakademie auf dem Weg nach Hause getötet, als ein Selbstmordattentäter den Minibus in die Luft sprengte in dem sie unterwegs waren (NYT 20.10.2017). Die afghanische Armee und Polizei haben dieses Jahr schwere Verlusten aufgrund der Taliban erlitten (BBC 21.10.2017).

Am 7.11.2017 griffen als Polizisten verkleidete Personen/regierungsfeindliche Kräfte eine Fernsehstation "Shamshad TV" an; dabei wurde mindestens eine Person getötet und zwei Dutzend weitere verletzt. Die afghanischen Spezialkräfte konnten nach drei Stunden Kampf, die Angreifer überwältigen. Der IS bekannt sich zu diesem Angriff (Guardian 7.11.2017; vgl. NYT 7.11.2017; UN GASC 20.12.2017).

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(Guardian 7.11.2017)

Bei einem Selbstmordangriff im November 2017 wurden mindestens neun Menschen getötet und einige weitere verletzt; die Versammelten hatten einem Treffen beigewohnt, um den Gouverneur der Provinz Balkh - Atta Noor - zu unterstützen; auch hier bekannte sich der IS zu diesem Selbstmordattentat (Reuters 16.11.2017; vgl. UN GASC 20.12.2017)

Interreligiöse Angriffe

Serienartige gewalttätige Angriffe gegen religiöse Ziele, veranlassten die afghanische Regierung neue Maßnahmen zu ergreifen, um Anbetungsorte zu beschützen: landesweit wurden 2.500 Menschen rekrutiert und bewaffnet, um 600 Moscheen und Tempeln vor Angriffen zu schützen (UN GASC 20.12.2017).

Seit 1.1.2016 wurden im Rahmen von Angriffen gegen Moscheen, Tempel und andere Anbetungsorte 737 zivile Opfer verzeichnet (242 Tote und 495 Verletzte); der Großteil von ihnen waren schiitische Muslime, die im Rahmen von Selbstmordattentaten getötet oder verletzt wurden. Die Angriffe wurden von regierungsfeindlichen Elementen durchgeführt - hauptsächlich dem IS (UNAMA 7.11.2017).

Im Jahr 2016 und 2017 registrierte die UN Tötungen, Entführungen, Bedrohungen und Einschüchterungen von religiösen Personen - hauptsächlich durch regierungsfeindliche Elemente. Seit 1.1.2016 wurden 27 gezielte Tötungen religiöser Personen registriert, wodurch 51 zivile Opfer zu beklagen waren (28 Tote und 23 Verletzte); der Großteil dieser Vorfälle wurde im Jahr 2017 verzeichnet und konnten großteils den Taliban zugeschrieben werden. Religiösen Führern ist es möglich, öffentliche Standpunkte durch ihre Predigten zu verändern, wodurch sie zum Ziel von regierungsfeindlichen Elementen werden (UNAMA 7.11.2017).

1.4. ANDSF - afghanische Sicherheits- und Verteidigungskräfte

Informationen zur Stärke der ANDSF und ihrer Opferzahlen werden von den US-amerikanischen Kräften in Afghanistan (USFOR-A) geheim gehalten; im Bericht des US-Sonderbeauftragten für den Aufbau in Afghanistan (SIGAR) werden Schätzungen angegeben:

Die Stärke der ANDSF ist in diesem Quartal zurückgegangen; laut USFOR-A Betrug die Stärke der ANDSF mit Stand August 2017 etwa 320.000 Mann - dies deutet einen Rückgang von 9.000 Mann gegenüber dem vorhergehenden Quartal an. Dennoch erhöhte sich der Wert um

3.500 Mann gegenüber dem Vorjahr (SIGAR 30.10.2017). Die Schwundquote der afghanischen Nationalpolizei war nach wie vor ein großes Anliegen; die Polizei litt unter hohen Opferzahlen (UN GASC 20.12.2017).

Im Rahmen eines Memorandum of Understanding (MoU) zwischen dem afghanischen Verteidigungs- und Innenministerium wurde die afghanische Grenzpolizei (Afghan Border Police) und die afghanische Polizei für zivile Ordnung (Afghan National Civil Order Police) dem Verteidigungsministerium übertragen (UN GASC 20.12.2017). Um sogenanntem "Geisterpersonal" vorzubeugen, werden seit 1.1.2017 Gehälter nur noch an jenes Personal im Innen- und Verteidigungsministerium ausbezahlt, welches ordnungsgemäß registriert wurde (SIGAR 30.10.2017).

1.5. Regierungsfeindliche Gruppierungen:

Taliban

Der UN zufolge versuchten die Taliban weiterhin von ihnen kontrolliertes Gebiet zu halten bzw. neue Gebiete unter ihre Kontrolle zu bringen - was zu einem massiven Ressourcenverbrauch der afghanischen Regierung führte, um den Status-Quo zu halten. Seit Beginn ihrer Frühjahrsoffensive unternahmen die Taliban keine größeren Versuche, um eine der Provinzhauptstädte einzunehmen. Dennoch war es ihnen möglich kurzzeitig mehrere Distriktzentren einzunehmen (SIGAR 30.10.2017):

Die Taliban haben mehrere groß angelegte Operationen durchgeführt, um administrative Zentren einzunehmen und konnten dabei kurzzeitig den Distrikt Maruf in der Provinz Kandahar, den Distrikt Andar in Ghazni, den Distrikt Shib Koh in der Farah und den Distrikt Shahid-i Hasas in der Provinz Uruzgan überrennen. In allen Fällen gelang es den afghanischen Sicherheitskräften die Taliban zurück zu drängen - in manchen Fällen mit Hilfe von internationalen Luftangriffen. Den afghanischen Sicherheitskräften gelang es, das Distriktzentrum von Ghorak in Kandahar unter ihre Kontrolle zu bringen - dieses war seit November 2016 unter Talibankontrolle (UN GASC 20.12.2017).

Im Rahmen von Sicherheitsoperationen wurden rund 30 Aufständische getötet; unter diesen befand sich - laut afghanischen Beamten - ebenso ein hochrangiger Führer des Haqqani-Netzwerkes (Tribune 24.11.2017; vgl. BS 24.11.2017). Das Haqqani-Netzwerk zählt zu den Alliierten der Taliban (Reuters 1.12.2017).

Aufständische des IS und der Taliban bekämpften sich in den Provinzen Nangarhar und Jawzjan (UN GASC 20.12.2017). Die tatsächliche Beziehung zwischen den beiden Gruppierungen ist wenig nachvollziehbar - in Einzelfällen schien es, als ob die Kämpfer der beiden Seiten miteinander kooperieren würden (Reuters 23.11.2017).

IS/ISIS/ISKP/ISIL-KP/Daesh

Der IS war nach wie vor widerstandsfähig und bekannte sich zu mehreren Angriff auf die zivile Bevölkerung, aber auch auf militärische Ziele [Anm.: siehe High-Profile Angriffe] (UN GASC 20.12.2017). Unklar ist, ob jene Angriffe zu denen sich der IS bekannt hatte, auch tatsächlich von der Gruppierung ausgeführt wurden bzw. ob diese in Verbindung zur Führung in Mittleren Osten stehen. Der afghanische Geheimdienst geht davon aus, dass in Wahrheit manche der Angriffe tatsächlich von den Taliban oder dem Haqqani-Netzwerk ausgeführt wurden, und sich der IS opportunistischerweise dazu bekannt hatte. Wenngleich Luftangriffe die größten IS-Hochburgen in der östlichen Provinz Nangarhar zerstörten; hielt das die Gruppierungen nicht davon ab ihre Angriffe zu verstärken (Reuters 1.12.2017).

Sicherheitsbeamte gehen davon aus, dass der Islamische Staat in neun Provinzen in Afghanistan eine Präsenz besitzt: im Osten von Nangarhar und Kunar bis in den Norden nach Jawzjan, Faryab, Badakhshan und Ghor im zentralen Westen (Reuters 23.11.2017). In einem weiteren Artikel wird festgehalten, dass der IS in zwei Distrikten der Provinz Jawzjan Fuß gefasst hat (Reuters 1.12.2017).

1.6. Politische Entwicklungen

Der Präsidentenpalast in Kabul hat den Rücktritt des langjährigen Gouverneurs der Provinz Balkh, Atta Mohammad Noor, Anfang dieser Woche bekanntgegeben. Der Präsident habe den Rücktritt akzeptiert. Es wurde auch bereits ein Nachfolger benannt (NZZ 18.12.2017). In einer öffentlichen Stellungnahme wurde Mohammad Daud bereits als Nachfolger genannt (RFE/RL 18.12.2017). Noor meldete sich zunächst nicht zu Wort (NZZ 18.12.2017).

Wenngleich der Präsidentenpalast den Abgang Noors als "Rücktritt" verlautbarte, sprach dieser selbst von einer "Entlassung" - er werde diesen Schritt bekämpfen (RFE/RL 20.12.2017). Atta Noors Partei, die Jamiat-e Islami, protestierte und sprach von einer "unverantwortlichen, hastigen Entscheidung, die sich gegen die Sicherheit und Stabilität in Afghanistan sowie gegen die Prinzipien der Einheitsregierung" richte (NZZ 18.12.2017).

Die Ablösung des mächtigen Gouverneurs der nordafghanischen Provinz Balch droht Afghanistan in eine politische Krise zu stürzen (Handelsblatt 20.12.2017). Sogar der Außenminister Salahuddin Rabbani wollte nach Angaben eines Sprechers vorzeitig von einer Griechenlandreise zurückkehren (NZZ 18.12.2017).

Atta Noor ist seit dem Jahr 2004 Gouverneur der Provinz Balkh und gilt als Gegner des Präsidenten Ashraf Ghani, der mit dem Jamiat-Politiker Abdullah Abdullah die Einheitsregierung führt (NZZ 18.12.2017). Atta Noor ist außerdem ein enger Partner der deutschen Entwicklungshilfe und des deutschen Militärs im Norden von Afghanistan (Handelsblatt 20.12.2017).

In der Provinz Balkh ist ein militärischer Stützpunkt der Bundeswehr (Handelsblatt 20.12.2017).

2. Sicherheitslage

2.1. Allgemeines

Die Sicherheitslage ist beeinträchtigt durch eine tief verwurzelte militante Opposition. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, Transitrouten, Provinzhauptstädten und den Großteil der Distriktzentren. Die afghanischen Sicherheitskräfte zeigten Entschlossenheit und steigerten auch weiterhin ihre Leistungsfähigkeit im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand. Die Taliban kämpften weiterhin um Distriktzentren, bedrohten Provinzhauptstädte und eroberten landesweit kurzfristig Hauptkommunikationsrouten; speziell in Gegenden von Bedeutung wie z.B. Kunduz City und der Provinz Helmand (USDOD 12.2016). Zu Jahresende haben die afghanischen Sicherheitskräfte (ANDSF) Aufständische in Gegenden von Helmand, Uruzgan, Kandahar, Kunduz, Laghman, Zabul, Wardak und Faryab bekämpft (SIGAR 30.1.2017).

In den letzten zwei Jahren hatten die Taliban kurzzeitig Fortschritte gemacht, wie z.B. in Helmand und Kunduz, nachdem die ISAF-Truppen die Sicherheitsverantwortung den afghanischen Sicherheits- und Verteidigungskräften (ANDSF) übergeben hatten. Die Taliban nutzen die Schwächen der ANDSF aus, wann immer sie Gelegenheit dazu haben. Der IS (Islamischer Staat) ist eine neue Form des Terrors im Namen des Islam, ähnlich der al-Qaida, auf zahlenmäßig niedrigerem Niveau, aber mit einem deutlich brutaleren Vorgehen. Die Gruppierung operierte ursprünglich im Osten entlang der afghanisch-pakistanischen Grenze und erscheint, Einzelberichten zufolge, auch im Nordosten und Nordwesten des Landes (Lokaler Sicherheitsberater in Afghanistan 17.2.2017).

INSO beziffert die Gesamtzahl sicherheitsrelevanter Vorfälle in Afghanistan im Jahr 2016 mit 28.838 (INSO 2017).

Mit Stand September 2016, schätzen Unterstützungsmission der NATO, dass die Taliban rund 10% der Bevölkerung beeinflussen oder kontrollieren. Die afghanischen Verteidigungsstreitkräfte (ANDSF) waren im Allgemeinen in der Lage, große Bevölkerungszentren zu beschützen. Sie hielten die Taliban davon ab, Kontrolle in bestimmten Gegenden über einen längeren Zeitraum zu halten und reagierten auf Talibanangriffe. Den Taliban hingegen gelang es, ländliche Gegenden einzunehmen; sie kehrten in Gegenden zurück, die von den ANDSF bereits befreit worden waren, und in denen die ANDSF ihre Präsenz nicht halten konnten. Sie führten außerdem Angriffe durch, um das öffentliche Vertrauen in die Sicherheitskräfte der Regierung, und deren Fähigkeit, für Schutz zu sorgen, zu untergraben (USDOD 12.2016). Berichten zufolge hat sich die Anzahl direkter Schussangriffe der Taliban gegen Mitglieder der afghanischen Nationalarmee (ANA) und afghanischen Nationalpolizei (ANP) erhöht (SIGAR 30.1.2017).

Einem Bericht des U.S. amerikanischen Pentagons zufolge haben die afghanischen Sicherheitskräfte Fortschritte gemacht, wenn auch keine dauerhaften (USDOD 12.2016). Laut Innenministerium wurden im Jahr 2016 im Zuge von militärischen Operationen - ausgeführt durch die Polizei und das Militär - landesweit mehr als 18.500 feindliche Kämpfer getötet und weitere 12.000 verletzt. Die afghanischen Sicherheitskräfte versprachen, sie würden auch während des harten Winters gegen die Taliban und den Islamischen Staat vorgehen (VOA 5.1.2017).

Obwohl die afghanischen Sicherheitskräfte alle Provinzhauptstädte sichern konnten, wurden sie von den Taliban landesweit herausgefordert: intensive bewaffnete Zusammenstöße zwischen Taliban und afghanischen Sicherheitskräften verschlechterten die Sicherheitslage im Berichtszeitraum (16.8. - 17.11.2016) (UN GASC 13.12.2016; vgl. auch: SCR 30.11.2016). Den afghanischen Sicherheitskräften gelang es im August 2016, mehrere große Talibanangriffe auf verschiedene Provinzhauptstädte zu vereiteln, und verlorenes Territorium rasch wieder zurückzuerobern (USDOD 12.2016).

2.2. Kontrolle von Distrikten und Regionen

Den Aufständischen misslangen acht Versuche, die Provinzhauptstadt einzunehmen; den Rebellen war es möglich, Territorium einzunehmen. High-profile Angriffe hielten an. Im vierten Quartal 2016 waren 2,5 Millionen Menschen unter direktem Einfluss der Taliban, während es im 3. Quartal noch 2,9 Millionen waren (SIGAR 30.1.2017).

Laut einem Sicherheitsbericht für das vierte Quartal, sind 57,2% der 407 Distrikte unter Regierungskontrolle bzw. -einfluss; dies deutet einen Rückgang von 6,2% gegenüber dem dritten Quartal: zu jenem Zeitpunkt waren 233 Distrikte unter Regierungskontrolle, 51 Distrikte waren unter Kontrolle der Rebellen und 133 Distrikte waren umkämpft. Provinzen, mit der höchsten Anzahl an Distrikten unter Rebelleneinfluss oder -kontrolle waren: Uruzgan mit 5 von 6 Distrikten, und Helmand mit 8 von 14 Distrikten. Regionen, in denen Rebellen den größten Einfluss oder Kontrolle haben, konzentrieren sich auf den Nordosten in Helmand, Nordwesten von Kandahar und die Grenzregion der beiden Provinzen (Kandahar und Helmand), sowie Uruzgan und das nordwestliche Zabul (SIGAR 30.1.2017).

2.3. Rebellengruppen

Regierungsfeindliche Elemente versuchten weiterhin durch Bedrohungen, Entführungen und gezielten Tötungen ihren Einfluss zu verstärken. Im Berichtszeitraum wurden 183 Mordanschläge registriert, davon sind 27 gescheitert. Dies bedeutet einen Rückgang von 32% gegenüber dem Vergleichszeitraum im Jahr 2015 (UN GASC 13.12.2016). Rebellengruppen, inklusive hochrangiger Führer der Taliban und des Haqqani Netzwerkes, behielten ihre Rückzugsgebiete auf pakistanischem Territorium (USDOD 12.2016).

Afghanistan ist mit einer Bedrohung durch militante Opposition und extremistischen Netzwerken konfrontiert; zu diesen zählen die Taliban, das Haqqani Netzwerk, und in geringerem Maße al-Qaida und andere Rebellengruppen und extremistische Gruppierungen. Die Vereinigten Staaten von Amerika unterstützen eine von Afghanen geführte und ausgehandelte Konfliktresolution in Afghanistan - gemeinsam mit internationalen Partnern sollen die Rahmenbedingungen für einen friedlichen politischen Vergleich zwischen afghanischer Regierung und Rebellengruppen geschaffen werden (USDOD 12.2016).

Zwangsrekrutierungen durch die Taliban, Milizen, Warlords oder kriminelle Banden sind nicht auszuschließen. Konkrete Fälle kommen jedoch aus Furcht vor Konsequenzen für die Rekrutierten oder ihren Familien kaum an die Öffentlichkeit (AA 9.2016).

2.4. Taliban und ihre Offensive

Die afghanischen Sicherheitskräfte behielten die Kontrolle über große Ballungsräume und reagierten rasch auf jegliche Gebietsgewinne der Taliban (USDOD 12.2016). Die Taliban erhöhten das Operationstempo im Herbst 2016, indem sie Druck auf die Provinzhauptstädte von Helmand, Uruzgan, Farah und Kunduz ausübten, sowie die Regierungskontrolle in Schlüsseldistrikten beeinträchtigten und versuchten, Versorgungsrouten zu unterbrechen (UN GASC 13.12.2016). Die Taliban verweigern einen politischen Dialog mit der Regierung (SCR 12.2016).

Die Taliban haben die Ziele ihrer Offensive "Operation Omari" im Jahr 2016 verfehlt (USDOD 12.2016). Ihr Ziel waren großangelegte Offensiven gegen Regierungsstützpunkte, unterstützt durch Selbstmordattentate und Angriffe von Aufständischen, um die vom Westen unterstütze Regierung zu vertreiben (Reuters 12.4.2016). Gebietsgewinne der Taliban waren nicht dauerhaft, nachdem die ANDSF immer wieder die Distriktzentren und Bevölkerungsgegenden innerhalb eines Tages zurückerobern konnte. Die Taliban haben ihre lokalen und temporären Erfolge ausgenutzt, indem sie diese als große strategische Veränderungen in sozialen Medien und in anderen öffentlichen Informationskampagnen verlautbarten (USDOD12.2016). Zusätzlich zum bewaffneten Konflikt zwischen den afghanischen Sicherheitskräften und den Taliban kämpften die Taliban gegen den ISIL-KP (Islamischer Staat in der Provinz Khorasan) (UN GASC 13.12.2016).

Der derzeitig Talibanführer Mullah Haibatullah Akhundzada hat im Jänner 2017 16 Schattengouverneure in Afghanistan ersetzt, um seinen Einfluss über den Aufstand zu stärken. Aufgrund interner Unstimmigkeiten und Überläufern zu feindlichen Gruppierungen, wie dem Islamischen Staat, waren die afghanischen Taliban geschwächt. hochrangige Quellen der Taliban waren der Meinung, die neu ernannten Gouverneure würden den Talibanführer stärken, dennoch gab es keine Veränderung in Helmand. Die südliche Provinz - größtenteils unter Talibankontrolle - liefert der Gruppe den Großteil der finanziellen Unterstützung durch Opium. Behauptet wird, Akhundzada hätte nicht den gleichen Einfluss über Helmand, wie einst Mansour (Reuters 27.1.2017).

Im Mai 2016 wurde der Talibanführer Mullah Akhtar Mohammad Mansour durch eine US-Drohne in der Provinz Balochistan in Pakistan getötet (BBC News 22.5.2016; vgl. auch: The National 13.1.2017). Zum Nachfolger wurde Mullah Haibatullah Akhundzada ernannt - ein ehemaliger islamischer Rechtsgelehrter - der bis zu diesem Zeitpunkt als einer der Stellvertreter diente (Reuters 25.5.2016; vgl. auch:

The National 13.1.2017). Dieser ernannte als Stellvertreter Sirajuddin Haqqani, den Sohn des Führers des Haqqani-Netzwerkes (The National 13.1.2017) und Mullah Yaqoub, Sohn des Talibangründers Mullah Omar (DW 25.5.2016).

2.5. Zivile Opfer

Die Mission der Vereinten Nationen in Afghanistan (UNAMA) dokumentiert weiterhin regierungsfeindliche Elemente, die illegale und willkürliche Angriffe gegen Zivilist/innen ausführen (UNAMA 10.2016). Zwischen 1.1. und 31.12.2016 registrierte UNAMA 11.418 zivile Opfer (3.498 Tote und 7.920 Verletzte) - dies deutet einen Rückgang von 2% bei Getöteten und eine Erhöhung um 6% bei Verletzten im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Jahres 2015 an. Bodenkonfrontation waren weiterhin die Hauptursache für zivile Opfer, gefolgt von Selbstmordangriffen und komplexen Attentaten, sowie unkonventionellen Spreng- und Brandvorrichtung (IED), und gezielter und willkürlicher Tötungen (UNAMA 6.2.2017).

UNAMA verzeichnete 3.512 minderjährige Opfer (923 Kinder starben und 2.589 wurden verletzt) - eine Erhöhung von 24% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres; die höchste Zahl an minderjährigen Opfern seit Aufzeichnungsbeginn. Hauptursache waren Munitionsrückstände, deren Opfer meist Kinder waren. Im Jahr 2016 wurden 1.218 weibliche Opfer registriert (341 Tote und 877 Verletzte), dies deutet einen Rückgang von 2% gegenüber dem Vorjahr an (UNAMA 6.2.2017).

Hauptsächlich waren die südlichen Regionen von dem bewaffneten Konflikt betroffen: 2.989 zivilen Opfern (1.056 Tote und 1.933 Verletzte) - eine Erhöhung von 17% gegenüber dem Jahr 2015. In den zentralen Regionen wurde die zweithöchste Rate an zivilen Opfern registriert: 2.348 zivile Opfer (534 Tote und 1.814 Verletzte) - eine Erhöhung von 34% gegenüber dem Vorjahreswert, aufgrund von Selbstmordangriffen und komplexen Angriffe auf die Stadt Kabul. Die östlichen und nordöstlichen Regionen verzeichneten einen Rückgang bei zivilen Opfern: 1.595 zivile Opfer (433 Tote und 1.162 Verletzte) im Osten und 1.270 zivile Opfer (382 Tote und 888 Verletzte) in den nordöstlichen Regionen. Im Norden des Landes wurden 1.362 zivile Opfer registriert (384 Tote und 978 Verletzte), sowie in den südöstlichen Regionen 903 zivile Opfer (340 Tote und 563 Verletzte). Im Westen wurden 836 zivile Opfer (344 Tote und 492 Verletzte) und 115 zivile Opfer (25 Tote und 90 Verletzte) im zentralen Hochgebirge registriert (UNAMA 6.2.2017).

Laut UNAMA waren 61% aller zivilen Opfer regierungsfeindlichen Elementen zuzuschreiben (hauptsächlich Taliban), 24% regierungsfreundlichen Kräften (20% den afghanischen Sicherheitskräften, 2% bewaffneten regierungsfreundlichen Gruppen und 2% internationalen militärischen Kräften); Bodenkämpfen zwischen regierungsfreundlichen Kräften und regierungsfeindlichen Kräften waren Ursache für 10% ziviler Opfer, während 5% der zivilen Opfer vorwiegend durch Unfälle mit Munitionsrückständen bedingt waren (UNAMA 6.2.2017).

3. Sicherheitslage in den Provinzen

3.1. Sicherheitslage in der Provinz Laghman

Die Provinz Laghman liegt inmitten der Hindu Kush Berge. Sie ist in sechs administrative Einheiten, inklusive der Provinzhauptstadt Mehtar Lam, eingeteilt: Alishing, Alingar, Dawlat Shah, Qargayi und Bad Pukh (Pajhwok o.D.f). Laghman grenzt an die Provinzen Nangarhar, Kunar, Nuristan und Kapisa (Pajhwok 14.8.2016). Etwa 58% der Bevölkerung sind Pashtunen, 21% Tadschiken, und 21% sind Stämme der Pashai (Pajhwok o.d.f). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf

452.922 geschätzt (CSO 2016).

Ein Teil der wirtschaftlich wichtigen Autobahn geht durch die Provinz Laghman, denn sie liegt strategisch günstig auf dem Weg nach Kabul (Pajhwok 14.8.2016). Ein Dutzend Aufbauprojekte wurden in der Provinz eingeleitet. Ihre Fertigstellung wird elementare Probleme lösen. Wohlfahrtsprojekte im Wert von 100 Millionen Afghanis wurden in den letzten Monaten initiiert - die meisten dieser Projekte sind bereits abgeschlossen; nebenbei laufen noch weitere 145 Projekte in der Provinzhauptstadt und anderen Distrikten (Pajhwok 12.9.2016).

Gewalt gegen Einzelpersonen

42

Bewaffnete Konfrontationen und Luftangriffe

719

Selbstmordattentate, IED-Explosionen und andere Explosionen

49

Wirksame Einsätze von Sicherheitskräften

42

Vorfälle ohne Bezug auf den Konflikt

 

Andere Vorfälle

 

Insgesamt

852

Im Zeitraum 1.9.2015 - 31.5.2016 wurden in der Provinz Laghman 852 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 11.2016).

Sicherheitsoperationen in der Provinz Nangarhar sind eine Ursache für Unsicherheit in Laghman. Aus Nangarhar von den Sicherheitskräften vertriebene Aufständische sickern von Nangarhar nach Laghman ein, und stellen dort einen Unsicherheitsfaktor dar (Pajhwok 14.8.2016). Taliban und andere Aufständische operieren in einer Anzahl von abgelegenen Distrikten in der Provinz und führen dort Angriffe aus (Pajhwok 2.8.2016; vgl. auch: Khaama Press 22.2.2016; Khaama Press 17.10.2016).

In der Provinz werden militärische Operationen durchgeführt, um bestimmte Gegenden von Aufständischen zu befreien (Kabul Tribune 7.12.2016; Pajhwok 14.8.2016). Zusammenstöße zwischen Sicherheitskräften und Aufständischen finden statt (Pajhwok 21.11.2016; Pajhwok 16.8.2016; Khaama Press 7.8.2016); manchmal wurden hochrangige Talibanführer dabei getötet (Khaama Press 22.11.2016). Luftangriffe werden durchgeführt (Khaama Press 22.11.2016; Khaama Press 21.11.2016).

Im Rahmen des Programms "Abrüstung von illegalen bewaffneten Gruppierungen" [Disarmament of Illegal Armed Groups (DIAG)] wurde eine Anzahl an Waffen den Beamten übergeben (Pajhwok 16.11.2016).

In Laghman befindet sich eine internationale Militärbase (Forward Operating Base Gamberi) (Reuters 10.2.2017; vgl. auch: Reuters 15.4.2016).

3.2. Sicherheitslage in der Provinz Kabul

Die Provinzhauptstadt von Kabul und gleichzeitig Hauptstadt von Afghanistan ist Kabul Stadt. Die Provinz Kabul grenzt im Nordwesten an die Provinz Parwan, im Nordosten an Kapisa, im Osten an Laghman, Nangarhar im Südosten, Logar im Süden und (Maidan) Wardak im Südwesten. Kabul ist mit den Provinzen Kandahar, Herat und Mazar durch die sogenannte Ringstraße und mit Peshawar in Pakistan durch die Kabul-Torkham Autobahn verbunden. Die Stadt hat 22 Stadtgemeinden und 14 administrative Einheiten (Pajhwok o.D.z). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 4.523.718 geschätzt (CSO 2016).

Distrikt Kabul

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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