TE Bvwg Erkenntnis 2018/3/14 W134 2138468-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 14.03.2018
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Entscheidungsdatum

14.03.2018

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §32 Abs1 Z2

Spruch

W134 2138468-2/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Thomas GRUBER als Einzelrichter über den Antrag von XXXX , geboren am XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch die XXXX , auf Wiederaufnahme des mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 06.10.2017, Zl. W134 2138468-1/8E, formell rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens auf internationalen Schutz:

A)

Der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens des mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 06.10.2017, Zl. W134 2138468-1/8E, formell rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens auf internationalen Schutz wird gemäß § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG, als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Antragsteller (im Folgenden: "ASt" genannt) stellte nach unrechtmäßiger Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 13.05.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 2 Abs. 1 Z 13 des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 24/2016.

In der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 14.05.2015 sowie der Einvernahme beim BFA am 03.08.2016 führte der ASt zu seinen Fluchtgründen aus, dass dass die Eltern seiner Frau einer Hochzeit mit ihm nicht zugestimmt hätten. Aus diesem Grund habe er in Kabul in einer anderen Ortschaft eine Unterkunft angemietet und habe mit seiner gesamten Familie und seiner Frau dort gelebt. Die Familie seiner Frau habe seiner Familie dort das Leben schwer gemacht. Schließlich hätten sie seinen Bruder erschossen.

Mit dem Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.10.2016, Zl. 1068446406-150504672 wurde der Antrag des ASt auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Dem ASt wurde gemäß §§ 57 und 55 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und weiters gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des ASt gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei. Weiters wurde in Spruchpunkt IV. ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des ASt gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.

Die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz begründete das BFA im Wesentlichen damit, dass die Behörde davon ausgehe, dass der ASt in Afghanistan nicht verheiratet gewesen sei und die Eheschließung nur angegeben hab um eine Fluchtgeschichte konstruieren zu können. Hätte es tatsächlich eine individuelle, konkrete Bedrohung und Verfolgung aufgrund der unerlaubten Heirat gegeben, so sei anzunehmen, dass die Eltern seiner angeblichen Frau nicht 3 Jahre zugewartet hätten, sondern viel früher versucht hätten ihn ausfindig zu machen und zur Rechenschaft zu ziehen. Aus dem Tod seines Bruders könne keine gegen den ASt gerichtete Bedrohung oder Verfolgung abgeleitet werden. Es sei nicht nachvollziehbar warum der BF bei einer derartigen Gefahrenlage nicht versucht habe seine Familie in Sicherheit zu bringen.

Eine dagegen erhobene Beschwerde wurde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 03.10.2017 mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 06.10.2017, Zl. W134 2138468-1/8E, gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 55, 57 AsylG 2005, § 9 BFA-VG, und §§ 52, 55 FPG als unbegründet abgewiesen.

Der ASt brachte in der mündlichen Verhandlung am 03.10.2017 im Wesentlichen vor, dass sein Leben aufgrund der Heirat mit seiner Frau in Gefahr sei. Er habe seine Frau ohne die Zustimmung ihrer Eltern geheiratet. Aus diesem Grund werde er nun von den Eltern seiner Frau verfolgt.

Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts wurde im Wesentlichen mit der Unglaubwürdigkeit des Vorbringens des ASt begründet. Der ASt würde bei einer allfälligen Rückkehr nach Kabul, Mazar-e Sharif oder Herat nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit in eine existenzbedrohende Notlage geraten. Dazu wurde u.a. begründend ausgeführt:

"Dass der BF bei einer allfälligen Rückkehr nach Kabul, Mazar-e Sharif oder Herat nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit in eine existenzbedrohende Notlage geraten würde, ergibt sich aus einer Zusammenschau der wiedergegebenen Länderberichte zu Kabul, Mazar-e Sharif und Herat insbesondere dem GA Mahringer und den festgestellten persönlichen Umständen und familiären (finanziellen) Verhältnissen des BF. Bei dem BF handelt es sich um einen arbeitsfähigen jungen Mann, bei dem die grundsätzliche Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben vorausgesetzt werden kann. Der BF hat als Gemüsehändler gearbeitet. Er könnte damit seinen Lebensunterhalt wieder in Kabul, Mazar-e Sharif oder Herat sichern. Zudem lebt die Familie des BF nach wie vor in Kabul und könnte den BF unterstützen."

"Für eine existenzielle Gefährdung des BF bestehen keine Hinweise. Beim BF handelt es sich um einen arbeitsfähigen jungen Mann, bei dem die grundsätzliche Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben vorausgesetzt werden kann. Der BF war vor der Ausreise aus Afghanistan in der Lage, durch die Arbeit als Gemüsehändler seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Er war in seiner Herkunftsprovinz zu keiner Zeit einer existenziellen Notlage ausgesetzt. Es gibt keinen Anhaltspunkt, wieso er nicht in der Lage sein sollte, seine Existenz - etwa auch durch Gelegenheits- und Hilfsarbeiten - zu sichern und eine einfache Unterkunft zu finden, zumal er bereits in Kabul gelebt hat, sich dort auskennt und über familiäre Anknüpfungspunkte verfügt. Angesichts seiner Berufserfahrung und seiner Ortskenntnis, hat der BF passable Chancen, sich in Kabul, Mazar-e Sharif oder Herat wieder am Arbeitsmarkt zu integrieren und eine Unterkunft zu finden. Die Eltern des BF, seine Geschwister, seine Frau und seine Kinder leben nach wie vor in Kabul. Der BF verfügt daher über familiäre Anknüpfungspunkte in Afghanistan und kann finanzielle Unterstützung von seiner Familie erwarten."

Mit Schreiben vom 23.02.2018 langte beim Bundesveraltungsgericht ein Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens zur Zahl W134 2138468-1/8E ein. Dieser wurde im Wesentlichen damit begründet, dass das Gericht stärkere Zweifel an der Eignung des Gutachtens respektive des Gutachters Mag. Mahringers haben hätte müssen und dessen Einschätzung zur innerstaatlichen Fluchtalternative nicht seiner Einschätzung zugrunde gelegt hätte, wenn dem Gericht das "Gutachten zur Einhaltung der Regeln guter wissenschaftlicher Praxis im Gutachten Gschäftszahl (GZ): BVwG-160.000/0001-Kammer A/2017 von Mag. Karl Mahringer, 96 Seiten" des Sachverständigen für Plagiatsprüfung Doz. Dr. Stefan Weber vom 08.02.2018 vorgelegen wäre.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

Der relevante Sachverhalt ergibt sich aus den unter Punkt I getroffenen Ausführungen.

2. Beweiswürdigung:

Der relevante Sachverhalt ergibt sich aus der Aktenlage zweifelsfrei.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Zu A)

Gemäß § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich ein im Hauptinhalt des Spruchs anders lautendes Erkenntnis herbeigeführt hätten.

Gemäß Abs. 2 leg. cit. ist der Antrag auf Wiederaufnahme binnen zwei Wochen beim Verwaltungsgericht einzubringen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antragsteller von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, wenn dies jedoch nach der Verkündung des mündlichen Erkenntnisses und vor Zustellung der schriftlichen Ausfertigung geschehen ist, erst mit diesem Zeitpunkt. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Erkenntnisses kann der Antrag auf Wiederaufnahme nicht mehr gestellt werden. Die Umstände, aus welchen sich die Einhaltung der gesetzlichen Frist ergibt, sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen.

Abs. 3 leg. cit. lautet: Unter den Voraussetzungen des Abs. 1 kann die Wiederaufnahme des Verfahrens auch von Amts wegen verfügt werden. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Erkenntnisses kann die Wiederaufnahme auch von Amts wegen nur mehr aus den Gründen des Abs. 1 Z 1 stattfinden.

In der Regierungsvorlage zum Verwaltungsgerichtsbarkeits-Ausführungsgesetz 2013 (2009 der Beilagen, XXIV. GP) ist festgehalten, dass die Bestimmungen über die Wiederaufnahme des Verfahrens und die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im VwGVG weitgehend den Bestimmungen der §§ 69 bis 72 AVG mit den entsprechenden Anpassungen auf Grund der Einführung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz entsprechen. Durch den Ausschluss der Anwendung des IV. Teiles des AVG ist das AVG in diesem Bereich für unanwendbar erklärt worden, wobei aufgrund der inhaltlichen Übereinstimmung und ähnlichen Formulierung der Bestimmung des § 32 Abs. 1-3 VwGVG mit § 69 AVG die bisher ergangenen höchstgerichtlichen Entscheidungen sinngemäß anzuwenden sind bzw. die bisherigen Judikaturrichtlinien zu § 69 AVG herangezogen werden können.

Der gegenständliche Antrag zielt darauf ab, das mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 06.10.2017 in Hinblick auf Asyl und subsidiären Schutz rechtskräftig abgeschlossene Verfahren der antragstellenden Partei aufgrund neu hervorgekommener Beweismittel im Sinne des § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG wieder aufzunehmen.

Laut ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kann der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 69 Abs. 1 Z 2 AVG nur auf solche Tatsachen, das heißt Geschehnisse im Seinsbereich (vgl. VwGH 15. 12. 1994, 93/09/0434; 4. 9. 2003, 2000/17/0024) oder Beweismittel, das heißt Mittel zur Herbeiführung eines Urteiles über Tatsachen (vgl. VwGH 16. 11. 2004, 2000/17/0022; 24. 4. 2007, 2005/11/0127), gestützt werden, die erst nach Abschluss eines Verfahrens hervorgekommen sind und deshalb von der Partei ohne ihr Verschulden nicht geltend gemacht werden konnten.

Es muss sich also um Tatsachen und Beweismittel handeln, die beim Abschluss des wiederaufzunehmenden Verfahrens schon vorhanden waren, deren Verwertung der Partei aber ohne ihr Verschulden erst nachträglich möglich wurde ("nova reperta"), nicht aber um erst nach Abschluss des seinerzeitigen Verfahrens neu entstandene Tatsachen und Beweismittel ("nova producta" bzw. "nova causa superveniens") (vgl. VwGH 17.2.2006, 2006/18/0031; 7.4.2000, 96/19/2240, 20.6.2001, 95/08/0036; 18.12.1996, 95/20/0672; 25.11.1994, 94/19/0145; 25.10.1994, 93/08/0123; 19.2.1992, 90/12/0224 u.a.).

Laut Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist es zwar notwendig, aber nicht ausreichend, dass die Tatsachen (Beweismittel) im wieder aufzunehmenden Verfahren nicht geltend gemacht worden sind; es ist darüber hinaus auch erforderlich, dass sie - allenfalls auch im Verfahren vor der höheren Instanz - nicht geltend gemacht werden konnten und dass die Partei daran kein Verschulden trifft. Jegliches Verschulden, dass die Partei an der Unterlassung ihrer Geltendmachung trifft, auch leichte Fahrlässigkeit, schließt den Rechtsanspruch auf Wiederaufnahme des Verfahrens aus (vgl. VwGH 19.03.2003, Zl. 2000/08/0105). Die Wiederaufnahme des Verfahrens dient jedenfalls nicht dazu, Versäumnisse während eines Verwaltungsverfahrens zu sanieren (vgl. VwGH 22.12.2005, Zl. 2004/07/0209).

Gegenständlich wurde zur Begründung des Wiederaufnahmeantrages ein Gutachten des Sachverständigen für Plagiatsprüfung, Doz. Dr. Stefan Weber vom 08.02.2018 vorgelegt, welches belege, dass das Gutachten des Sachverständigen Mag. Mahringer, aufgrund seines deutlich nichtwissenschaftlichen Charakters als Entscheidungshilfe komplett ungeeignet und die Befragung vor Ort nicht lege artis durchgeführt worden sei.

Da das Gutachten des Sachverständigen Doz. Dr. Stefan Weber von 08.02.2018 stammt und somit erst rund 4 Monate nachdem das Erkenntnis vom 06.10.2017 Zl. W134 2138468-1/8E ergangen ist entstand, handelt es sich bei dem vorgelegten Gutachten um kein Beweismittel, welches beim Abschluss des wiederaufzunehmenden Verfahrens schon vorhanden war. Vielmehr handelt es sich um ein erst nach Abschluss des seinerzeitigen Verfahrens neu entstandenes Beweismittel. Der Beschwerdeführer kann sich daher zur Begründung seines Antrages auf Wiederaufnahme nicht auf dieses Beweismittel stützen.

Schon aus diesem Grund war daher der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens abzuweisen.

Im Übrigen wird darauf verwiesen, dass dem Antrag auch inhaltliche nicht stattzugeben gewesen wäre, weil das Hervorkommen neuer Tatsachen und Beweise allein nicht genügt, um das Verfahren wieder aufzunehmen. Es handelt sich bei diesem "Neuerungstatbestand" nämlich um einen relativen Wiederaufnahmegrund und ist für eine Wiederaufnahme weiters erforderlich, dass die neuen Tatsachen und Beweise voraussichtlich auch zu einem anderen Verfahrensergebnis führen würden (vgl. VwGH 14. 6. 1993, 91/10/0107; 27. 9. 1994, 92/07/0074; 22. 2. 2001, 2000/04/0195).

Die neuen Tatsachen müssen die Richtigkeit des angenommenen Sachverhaltes in einem wesentlichen Punkt als zweifelhaft erscheinen lassen (nova reperta). Neue Beweismittel dürfen nur geltend gemacht werden, wenn die zu beweisende Tatsache im abgeschlossenen Verfahren geltend gemacht wurde, die in Rede stehenden Beweismittel aber erst nach Abschluss des Verfahrens hervorkamen (Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6 § 69 Rz 7).

Es muss sich also um neu hervorgekommene Tatsachen oder Beweismittel handeln, die den Sachverhalt betreffen und die, wenn sie schon im wieder aufzunehmenden Verfahren berücksichtigt worden wären, zu einer anderen Feststellung des Sachverhaltes und voraussichtlich zu einem im Hauptinhalt des Spruchs anders lautenden Bescheid geführt hätten (VwGH 30.06.1998, 98/05/0033; 20.12.2005, 2005/12/0124; Mannlicher/Quell AVG § 69 Anm 6).

Aus dem klaren und unmissverständlichen Gesetzeswortlaut und dem Gesetzeszweck, durch das Institut der Wiederaufnahme ein Korrektiv gegen aus bestimmten in § 69 Abs. 1 AVG näher ausgeführten Gründen unrichtige rechtskräftige Bescheide einzurichten, ergibt sich, dass die Relevanz des behaupteten Wiederaufnahmetatbestandes immer am in der Sache selbst ergangenen rechtskräftigen Bescheid zu messen ist, keinesfalls aber lediglich an den Inhalten und Ergebnissen von diesem Bescheid folgenden und dem gegenständlichen Antrag vorangegangenen Wiederaufnahmeverfahren (VwGH 20.10.1995, 94/19/1353).

Das Wiederaufnahmeverfahren hat nicht den Zweck, allfällige Versäumnisse einer Partei in einem Ermittlungsverfahren oder die Unterlassung der Erhebung eines Rechtsmittels im Wege über die Wiederaufnahme eines Verfahrens zu sanieren (VwGH 20.6.2002, 2002/07/0055).

Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH bilden weder ein einem Sachverständigen in seinem Gutachten unterlaufener Irrtum noch neue Schlussfolgerungen eines dem Verwaltungsverfahren nicht beigezogenen Sachverständigen einen Wiederaufnahmegrund. (vgl. VwGH 16.10.2007, 2004/18/0376).

Verfahrensgegenständlich hätte das nun geltend gemachte Beweismittel weder allein, noch in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens, voraussichtlich eine im Hauptinhalt des Spruches anders lautende Entscheidung herbeigeführt:

Das Gericht hat sich zur Beurteilung einer innerstaatlichen Fluchtalternative auf die Feststellungen gestützt, dass es sich bei dem ASt um einen arbeitsfähigen jungen Mann handelt, bei dem die grundsätzliche Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben vorausgesetzt werden kann. Diese Tatsachen wurden weder vom ASt bestritten, noch durch das Gutachten von Doz. Dr. Stefan Weber wiederlegt. Nach der Rechtsprechung des VwGH ist die allgemeine Situation in Afghanistan nicht so gelagert, dass die Ausweisung dorthin automatisch gegen Art. 3 EMRK verstoßen würde. Nach der auf der Rechtsprechung des EGMR beruhenden hg. Judikatur ist eine solche Situation nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK ist nicht ausreichend. Nach der herrschenden Rechtsprechung des VwGH liegen bei Rückkehr eins arbeitsfähigen, jungen, gesunden Mannes nach Kabul solche exzeptionellen Umstände nicht vor (Vgl. VwGH 25.05.2016, Ra 2016/19/0036; VwGH 13.09.2016, Ra 2016/01/0096).

Weiter sei erwähnt, dass das Gericht nicht ausschließlich das Gutachten von Mag. Mahringer, sondern primär das LIB zur Feststellung und Beweiswürdigung der Lage in Afghanistan herangezogen hat. Selbst ein Wegfall des Gutachtens von Mag. Mahringer hätte daher auf den festgestellten Sachverhalt und damit auch auf den Spruch keinen Einfluss gehabt.

Das Gutachten von Doz. Dr. Stefan Weber hätte daher keine im Hauptinhalt des Spruches anders lautende Entscheidung herbeiführen könne. Dies zumal weder der ASt noch Doz. Dr. Stefan Weber den Feststellungen entgegengetreten ist. Der Sachverständige für Plagiatsprüfung Doz. Dr. Stefan Weber hat lediglich die Einhaltung der Regeln guter wissenschaftlicher Praxis im Gutachten von Mag. Karl Mahringer überprüft und keine inhaltlichen Äußerungen zum Sachverhalt getroffen. Die Vorlage des Gutachtens von Doz. Dr. Stefan Weber vom 08.02.2018 muss im gegenständlichen Verfahren daher als nicht dazu geeignet angesehen werden, im wiederaufgenommenen Verfahren voraussichtlich ein anderes Verfahrensergebnis herbeizuführen.

Der Antrag auf Wiederaufnahme des rechtskräftig abgeschlossenen inhaltlichen Verfahrens des Antragstellers war sohin spruchgemäß abzuweisen.

Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit dem Antrag auf Wiederaufnahme als geklärt erschien und es sich bei der Einordnung, ob die Eignung eines vorgebrachten Wiederaufnahmegrundes vorliegt, um eine Rechtsfrage handelt (vgl. VwGH 19.04.2007, 2004/09/0159; Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013) § 32 VwGVG Anm. 9), konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm. § 24 VwGVG die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben (vgl. VwGH 28.05.2014, Ra 2014/20/0017 und 0018; VfGH 14.03.2012, U 466/11 ua.).

Aufgrund dieser zeitnahen Entscheidung erübrigt sich ein Eingehen auf den Antrag "auf Erlassung einer einstweiligen Anordnung nach dem Unionsrecht, auf Gewährung eines vorübergehenden Aufenthaltsrechts bzw auf Hintanhaltung der Abschiebung".

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen (siehe dazu insbesondere die unter A) zitierte Judikatur). Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Gutachten, nova producta, Wiederaufnahme, Wiederaufnahmegrund,
Wiederaufnahmsantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W134.2138468.2.00

Zuletzt aktualisiert am

30.03.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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